ÖejuflSfceMngmtflit: Bei Zustellung Ins HauZ oder bei Bezug durch die Post monatlich... WK?, vlertelsäbrlich 48'K£ balbiäbrig.. fW Kc; gan,jädrlg. 1!)2'Kc. ßüt Deutlchöslerrelch monatlich 400 öK.» Deutschland 40 Mit. arscheint mit Ausnahme de« Montag täglich früh. itr. 80. ?elegramm»Adresse: Sazialdemolrat Prag . Postscheckamt V7K4S. Anlerate werden laut Toris billigst berechnet. Bei öfteren Einschal- tungen Preisnachlaß. 1. Jahrgang. ..... der Deutschen sozialdemokratische» Arbeiterpartei in der Zschrchoslowalischen Republik. Samstag, 3. Dezember 1021. Das Verbrechen an den Wienern. Die bürgerliche Welt schreckt entrüstet auf und horcht, peinlichst enttäuscht, nach Wien hinüber.Mitten in den schönen Traum vom niedergerungenen Proletariat und vom Grostkapital, daS vom Washingtoner Per- Handlungstisch aufsteht, um die Welt als Ausbeutungsobjekt unter sich aufzuteilen, mitten in dieses holde Gespinst also tönt der Marschschritt der Wiener Arbeiterbatail- lonc, gellt der Notschrei taufender vom Hunger bedrohter Existenzen, klirren zer- splitterte Fensterscheiben, Marmorplatten und Prnnkmöbell Die Verzweiflung kennt eben keineRaison". Ihr ist mit dem Tröste, daß die»Geschäfte immerhin besser gehen", wenig geHolsen, der Profit der Unternehmer macht sie nicht satt und die trügerische Erhöhung der Löhne und Ge» halte dünkt sie wie eitel Hohn. Dafj die niedrige Valuta es in Dcutschösterreich zu keiner Arbeitslosigkeit kommen läßt, weil sich die Welt um die zu Schleuderpreisen auSgcbotcnen Waren reißt, wird von dem Augenblick an fast bedeutungslos, wo die sogenannten»Löhne" für die Arbeit, in Lebensmittel umgesetzt, sich als ein auf- reizendes Nichts erweisen, und dieser Augenblick ist in Wien gekommen. Wenn sich In anderen' Ländern der Ar- bciter die Seele aus dem Leibe rackert, so fühlt er zwar auch voll gerechter Erbitte- rnng. das;, allem Schelten der Neichen auf den proletarischenUebermut" zum Trotz, sein Reallohn weit unter jenen der Vor- kriegSzeit gesunken Ist, aber er kann mit den Seinen immerhin zur Not leben. Der Wiener Proletarier jedoch und wer außer den Börsenbaroncn, den Fabrlkan- ten und Schiebern ist heute in Wien kein Proletarier? müht sich für nichts und wieder nichts, der Boden unter den Füßen ist ihm entschwunden und hoffnungslos schwebt er sozusagen im luftleeren Räume. Er kann und will nicht länger das Opfer eines Kapitalismus sein, der ihn mit Scheinwerten, österreichische Kronen ge- nannt, abspeist und die Sachwerte für sich behält, und wenn er nicht morgen verhun- gern soll, muß er verlangen, daß die Be- sitzenden, statt mit Fiktiv-, mit wirklichen Werten herausrücken, also mit dem in Privathänden, in Schlössern, Kirchen und Klöstern ankgestappelten Golde, mit aus- ländischen Valuten und Devisen und mit Hypotheken auf ihre unbewegliche, kostbare Habe. Wo der Notenumlauf ins Unge- messen« in der letzten Woche allein um fünf und ein Drittel Milliarden empor schnellt, müssen sie eine progressive Ver­mögenssteuer und das Verbot der Luxus hinfuhr fordern und die Sorge ums trockene Brot gebietet ihnen zu verhindern, daß die staatlichen Zuschüsse zu den Lebensmitteln von heut auf morgen eingestellt werden Müßte doch im gleichen Augenblick ein Laib Brot statt über siebzig an sechShun- dert Kronen kosten, und daß die Lohnerhö- hung mit diesem PreiSzuwachS nicht Schritt halten würde, lehren die bisherigen Er fahrungen, ganz zu schweigen von der im Gefolge solcher Lohnziffern einhergehenden gönillchen Vernichtung der Valuta. Die christlichsozialen Negierungsmänner Wiens durch eine machtvolle Kundgebung vom furchtbaren Ernst der Lage zu über zeugen, war eine heilige Pflicht. Endlich einmal müssen sie begreifen, daß ihre Schcinmaßregeln niemanden mehr täuschen und daß sie den Vermögenden energisch ins järtlich behütete Fleisch schneiden müssen Wenn die Demonstrationen, die solche» be- weisen wollten, in ihrem weiteren Verlauf häßliche Formen annahmen, wenn es zu Plünderungen und sinnlosen Verwüstungen Die Plünderungen in Wien . Milliardmschäüen und Massenverhaftungen. Wien , L. Dezember. Unter den beschädig» ten Objekte» befindet sich eine Reihe großer Hotel», namentlich da» Hotel Bristol "wo u. a. auch das Logls Sir William Goode ausgeplündert wurde. Die am Eigentum durch Dcmollernng und Plünderung verursachten Schäden werden nach Blättermeldungcn aus Milliarden geschätzt. Etwa ein halbe» Tausend von Leuten, die bei Plünderungen betroffen wurden, sind verhastet worden. Einer erheblichen Zabl von Personen, die im Laufe der Exzesse verletzt wurden. Ist von der Rettungsgcscllschast tfilfe geleistet worden. Wie die Blätter feststellen, erwie» sich die Polizei größtenteils ohnmächtig. Sie konnte weder durch Gendarmerie noch durch die Volkswehr verstärkt werden» welche jetzt im vurgenlande disloziert ist. Die Regierung zieht nach weiteren Blätterinformationen die Verhängung des Standrechtcs in Erwägung für den Fell, daß die Unruhen andauern und die Parteien sich mit dieser Maßnahme ein« verstanden erklären. CS ist bisher nicht be» kannt, ob die Ausstände in den einzelnen Be- trieben andauern werden. Die kommunistische Rote Fahne" wurde heute früh k o n- f i S z t e r t. Gestern Ruhe. Wien , 2. Dezember. (KB.) Die heutige Nacht ist ohne besondere Zwischen- kam, so tragen auch daran die herrschenden Klassen ein vollgerütteltes Maß von Schuld. Sie sehen, Indes Verzweiflung und Massen- elend durch alle Straßen schleichen, ruhi- gen Auges zu, wie sich Schlemmerei und protziger Luxus in den Spiegelscheiben der öffentlichen Lokale frech zur Schau stellen, sie freuten sich dem kapitalistischen Um- satz" zuliebe, wenn die Freibeuter aus aller Welt in den Prunkhotels zusammenströmen und Wiens unter Hunger und Jammer er- zeugte Arbeitsprodukte um ein Bettelgcld ins Ausland schleppen. Wer will sich da wundern, daß kommunistische Demagogen mit ihren an diesem Tage verteilten drei- malhunderttausend Exemplaren der»Roten Fahne" gute AgitationSersolge erzielten und Gruppen leicht erregbarer Menschen schließlich dazu verführten, verwüstend in die Paläste der Ueppigkeit und Schwelgerei vorzudringen? Die organisierte Arbeiterschaft hat auch in diesen Stunden der furchtbarsten Erre- gung bewundernswerte Disziplin bewahrt, sie ist sich bewußt geblieben, daß eine Kund- gebung der Not mit Rache und Zerstö- rungslvut nichts zu tun hat Aber so ent- schieden sie auch die rohen Ausschreitungen zurückweist, so verpflichtet fühlt sie sich, die Schauermärchen vom Umfang der Zerstö- rungen auf das rechte Maß zurückzuführen. Nicht die»Innere Stadt ist zerstört", son- dern nur eine begrenzte Zahl von Lokalen, und auch mit den»vielen, vielen MIlliar» den" wird es nicht ganz stimmen, deren Vernichtung die bürgerliche Sensation», presse eifervoll meldet. Die Tendenz solcher Nachrichten liegt auf der Hand. Einmal haben, wie von glaubwürdiger Seite ver- sichert wird, ungarische Agitatoren bei der Plünderung und beim Nachrichtendienst die Hand im Spiele und wollen der En- tente beweisen, daß Oedenburg nicht in die Hand desbolschewistischen Deutschöster- reich"geraten dürfe. Und andererseits hat die ganze bürgerliche Welt, zum Beispiel unser»Prager Tagblatt", ein lebhaftes Interesse daran, die Arbeiterorganisationen zweideutig in Bausch und Bogen zu ver- dächtigen. Und doch brauchte daS»Prager Tag- blatt", wenn eS wirkliche Schuldige sucht, nicht weit in die Ferne zu schweifen. E» dürste sich ruhig an seine Abonnenten, die fälle verlaufen. Den Mitgliedern der auS- wältigen Missionen, die bei den ge- steigen Borfällen zu Schaden gekommen sind oder deren Exterritorialitätsrechte verletzt wurden, hat dir Minister des Aeußern sein Bedauern ausgedrückt. Trotzdem in den Wiener Straßen bis jetzt eine gewisse Erregung zu bemerken ist, ist doch Ruhe eingetreten und auch die Ordnung wurde, soweit man dies über- letzen kann, nicht wieder gestört. Die Ge- s ch ä f t e in den inneren Bezirken sind g e« schlössen. Vormittags versuchte eine kleine Menge im achten Bezirke eine T e m o n st r a- tionskundgebung, was in den Straßen eine große Panik hervorrief. Die Demon- stranten wurden aber durch die Polizei und eine Abteilung Reichswehr zerstreut. Mißglückte Hetze der Kommunisten. Wien , 2. Dezember. sSonderbericht des Sozialdemokrat.) In allen Arbcitcrbezirken kehrten die Arbeiter ruhig in itzre Betriebe zu- rück, nur in Favoriten versuchten die K o m- in u n i st c n in einigen Betrieben die Ar« bester zu bewegen, die Arbeit wieder einzu- stellen und in die Stadt zu ziehen. Die Arbei« ter zogen aber ins Arbeiterheim und hielten eine Versammlung ab, wo sie nach Besvre- chung mit den Vertrauensmännern beschlossen, wieder in die Betriebe zurückzukehren. Bankleute und Industriellen der T s ch e ch o- s l o w a k e i, halten, welche zur Valuta- katastrophe Wiens ihr redlich Teil beige- tragen haben, indem sie Kredite des auS- gebluteten Landes zu einer Zeit in An- spruch nahmen, wo die Spannung der bei- den Landeswährungen k: betrug, und sie in deutschösterreichischen Kronen zurück- zahlten, als diese vielleicht nur noch ein Drittel des damaligen Wertes«prüfen- Herten . Und ebensowenig tut daSPravo lidu" daran gut, wenn eS der deutschöster- rcichischcn Sozialdemokratie die Haupt- schuld an der Katastrophe zuweist. Freilich sähe es das»Pravo lidu" gern, wenn die Wiener Genossen nach Bechhnes Muster mit den Christlichsozialen eine Koalition ge- schlössen hätten. Denn Kollegen in der Sünde zu haben, ist immer angenehm. Wie- so aber eine derartige Koalition, in welcher die Bürgerlichen, so wie bei uns, doch ihren Willen durchgesetzt hätten, den Nie- dergang Wiens hätte aufhalten sollen, daS zu beweisen bleibt daS»Pravo lidu" schul- dig. Wir ober könnten ihm beweisen, daß die von ihm verteidigte Politik der tschechoslowakischen Sozialdemokraten Wien hat umbringen helfen. Denn sie unter- stützen unsere Bourgeoisie darin, die Repu- blik als ein militaristisch-nationalistisches Gebilde aufrecht zu erhalten. Sie dulden es. daß sichunsere Republik " der weit- reaktionären Entente bereits drei Jahre lang einreiht. Der Entente, welche in ihrer namentlich von den Tschechen genährten Deutschenfelndschast Oesterreich als einen unmöglichen Staat ins Leben gerufen, es durch den vielmonatigen Waffenstillstand erschöpft hat und es nun ein Jahr lang mit Kreditversprechungen bis zur blutigen Ver- zweiklung gewissenlos narrt.Die Stimme der Wiener Arbeiterschaft" wir hören sie gleich demPravo lidu". Aber sie ruft etwas ganz anderes, als jenes Blatt es hören will: sie ruft die Schuld über die großen Freunde desPravo lidu", welche den unseligen Staat schufen, über die Nach- baren des armen Landes, welche es ssrupel- loS ausplündern, und über große Parteien des Proletariats, welche sich in nationaler Verblendung dazu verstehen, die heutige widersinnige Staatenordnung aufrecht zu erhalten. Der nene Kapitalismus . Bon E.St. I. Stinnes hat in London mit Lloyd George verhandelt; nach Paris sollen in den nächsten Tagen deutsche Bankiers reisen, um mit den französischen Großkapitalistcn in Verbindung zu treten. Die englischen Industriellen haben ihrer Regierung ein Programm überreicht, in dem die Möglichkeit der Erfüllung der dcut- schcn Reparationsverpslichtungcn dadurch ge- schaffen werden soll, daß Deutschland den Wie- deransbau der zerstörten Gebiete Europas ins. besondere Rußlands übernimmt, zu welchem Zwecke ei» internationaler Finanztrust gebil- dct wird. Die Sowjetregierung aber ist schon seit längerer Zeit bereit, fremden Kapitalisten große Konzessionen zu vergeben und ihnen die Verwertung der russischen Naturreichtümer, den wirtschaftlichen Wiederaufbau Rußlands zu überlassen. Diese Nachrichten lassen Ent- wicklungStendenM zu einer neuen Ord- nnng der sozialen und ökonomischen Ve» Hältnisse erkennen, denen die Welt entgegen- geht. Nach dem Ende deS Krieges, als die Revolu- tionen in den besiegten Ländern unsere Herzen höher schlagen ließen, trat vielfach die Mei­nung hervor, daß der Kapitalismus zusam- mengcbrochcn sei. Das Bürgertum lag Politisch schwer getroffen am Boden, das Denken der Arbeiterbevölkerung war durch den Krieg«- volutioniert worden, die Macht der Arbeiter­klasse gewaltig gestiegen. Die Arbeiter Deutsch- landS, Oesterreichs und Rußlands glaubten sich dem Sozialismus nahe. Diese Aendcrung der politischen Verhältnisse konnte jedoch die Hindernisse, die der Umwandlung der beste- henden Ordnung in die sozialistische entgegen- standen, nicht mit einem Schlag« niederreißen. In den Entcnteländcrn war der Kapitales- muS noch ungebrochen, die Kapitalisten der Siegerländer und der Neutralen hatten im Kriege gewaltige Gewinne erzielt, die Produk- tion war ausgedehnt worden, sodaß der Kapi­ talismus dort auf noch festeren Grundlagen ruhte, als vor dem Kriege. Die Macht de» Bürgertums war infolge des Sieges Im Welt« kriege gestiegen, die Wahlen in England und Frankreich bewiesen, daß sich ein großer Teil der Arbeiterschaft im Schlepptau des bürger­lichen Nationalismus und des siegreichen Im« perialismus befand. Die soziale Revolution Mitteleuropas und Rußlands mußte jedoch nicht allein Halt machen vor dem westlichen Kapitalismiis, sondern innerhalb der eigene« Staatlichkeit vor den Toren des Dorfes. Die Arbeiterklasse war nicht imstande, die Erzeu­gung und den Verbrauch der Bodenprodukt« in einem Sinne zu organisieren, sodaß die breite Masse der.Konsumenten nicht mehr das Ausbeutungsobjekt der agrarischen Produzen­ten blieb,-S kam der Freihandel in allen Län- dern der Welt einschließlich Rußlands wieder, die kapitalistischen Erzeugungs- und Verkaufs- formen der Vorkriegszeit wurden wieder her- gestellt. Die industrielle Konjunktur, die als Folge ivs Warenhungers, der im Kriege nicht befrie- digt werden konnte, auftrat, machte es möglich, daß die Arbeiter zunächst die neu gewonnene politische Macht in eine Verbesserung tb«r im Kriege zusammengebrochenen Lebenshaltung ummünzen konnten, vis die Wirtschafts­krise, die im heurigen Jahre auf der gan« zen Welt offen zu Tage trat, der Aufwärts- bewegnng der Löhne ein Ende setzte und große soziale Kämpfe bervorries. die nicht selten mit der Niederlage der Arbeiter, dem Siege der Kapitaliflenllassen endeten. Die schwere Wirt- schaftSkrisc schien einen neuen Zusammenbruch des kaum erholten Kapitalismus mit sich zu bringen und den Kapitalismus in seinen Grundfesten dadurch zu erschüttern, daß die Akkumulation des Kapitals ver- l a n g s a m t wurde, vbne welche der Kavita- liSmus unrettbar dem Untergang geweiht ist. In dem grundlegendsten Werke der soziali- stischcn Lilcrglnr, demKapital", hat uns Marx gelehrt, daß der Erzeuger de» Mehr-