Selte 1

Die Schulvernichtung.

Schuldrosselungen und kein Ende! Immer wieder laufen neue Klagen darüber ein, daß die Schulverwaltung an das Kulturgut der deutschen  Schule Hand anlegt. Klagen, Beschwerden, Protefte sind bis nun fruchtlos geblieben, noch immer maßen fich die Machthaber an, brutale Eingriffe in das deutsche Schulwesen vorzuneh men und der deutschen Bevölkerung das Maß ihres Besitzes an Schulen nach ihrem Gutdün­ken, das wahrlich kein wohlwollendes ist, zuzu

messen.

Boincaré droht.

Die Reparationen haben den Stura der Mart nicht herbeigeführt."

Zwangsmaßnahmen?

Jammwar'

-

veröffentlichten Note, welche Ministerpräsident gierung und Privatpersonen den Sturz der Mart Paris  , 22. Juli.  ( Havas.) In der bereits Die Note befagt weiter, daß o Deutsche   Re­Boincare an den Vertreter Frankreichs   in fördern, welcher Deutschland   ermöglicht, mit dem der Reparationskommission Dubois gefandt Austunde leicht zu konkurrieren, woraus sich eine hat, werden vor allem die Gründe zurüdgewiesen, allgemeine Entwertung auf dem Geldmarkte und welche Deutschland   in seinen Moratoriumsanfu eine allgenteine wirtſchaftliche Strife in Europa  

ergibt. Es ist deshalb unbedingt geboten, daß die deutschen   Finanzen verschärft. Diese werde nur dann wirksam sein, wenn der Garantieausschuß seine Tätigkeit nach Berlin   verlegt. Weiters ist notwendig, daß die Reparationskommission in der Form präziser Garantien das den Allierten auf Grund des Friedensvertrages zuerkannte Bor­zugsrecht verwirklicht. Boincare ist der Ansicht, daß das Deutschland   zu bewilligende Moratorium fich nur auf die zwei nächsten Termine, d. i. auf den 15. Auguft und den 15. September, beziehen soll, innerhalb welcher Zeit es möglich wäre, die Finanzreform zustande zu bringen und neue Si­cherheiten zu schaffen. Ein weiterer Aufschub würde von der Berwirklichung dieser Maßnahmen abhangen. Wenn Deutschland   innerhalb dieser Frist die Vorschriften der Reparationskommission nicht erfüllen würde, müßte diefe neuerdings die abfichtliche Vernachläffigung der Verpflichtungen Deutschlands   feststellen und den Verbündelen bliebe nichts anderes übrig, als entweder gemein sam oder jeder für sich zu Zwangsmaßnahmen

46900000050

23. Juli 1922.

unterlassen, der, wenn sie sich die oben angeführten Gründe vor Augen hält, ihr selber als blankes Unrecht erscheinen muß. Wir hielten es für unte sere Pflicht, dem Ministerium die Größe dieses Unrechtes durch Zerpflüdung der Gründe, die es zur Rechtfertigung vorbringt, vor Augen zu füh ren. Es liegt an ihm, die Erweckung unserer Berbitterung zu verhüten.

Das Wiedererstarten der rumänischen Sozialdemokratie.

( Von unserem Bukarester   Mitarbeiter.) Die Arbeiterbewegung in Rumänien   hat seit dem Generalstreit im Oftober 1920 großen Ab­bruch erfahren, aber sie wäre dennoch rasch wieder aufgelebt, wenn nicht die kommunistische Wühl. arbeit dazwischen gekommen wäre. Schon der Generalstreit war eine Folge davon, daß tommunistische Gedankengänge vermengt mit tra­ditionellem Syndikalismus die Arbeitermaffen durchdrungen hatten. Wie es nach einem Fehl­schlage zu gehen pflegt, haben nach dem General ftreit die einzelnen Richtungen einander vorge­worfen, daß ihre besondere Taktik den Zusammen­bruch des Generalstreifes, beschleunigt habe und so ist die Erbitterung noch gewachsen. Während des Generalstreiles war eine Delegation des ru mänischen Proletariates in Rußland   zu Studien­wecken. Ein Teil dieser Delegation und zwar der größere fam von dort mit der Absicht zurüd, eine Communistische Partei formell zu gründen. Es fand eine Vertrauensmännertagung statt, in der sich drei Richtungen ergaben, die einander scharf gegenübertraten. Die fozialdemokratische Richtung, vertreten durch Dr. Pistiner und Jumanca, alten Programms und lehnte den Anschluß an verlangte die Sicherung für die Beobachtung des Moskau   mit" und ohne Vorbehalt" ab. Die

che vom 12. Juli angeführt hat. Poincare   seyt Einer von den neuesten Schulvernichtungs- auseinander, daß die Reparations ahlungen nicht Reparationskommiffion die Kontrolle über die plänen der Regierung geht dahin, die erste Klasse den Sturz der Mart herbeigeführt haben, da der deutschen Lehrerbildungsanstalt und Lehre-( dieser immer größere Dimensionen annahm, wäh­rinnenbildungsanstalt in Brünn   zu einer einzigen rend fich die Reparationszahlungen in Barem Klaffe zu vereinigen, was die baldige Auf- verringert haben. Die deutsche Finanztrife ift lösung der einen Anstalt zur Folge vor allem eine Folge der ungenügenden Eintrei hätte. Mit der Aufhebung der Lehrerinnenbil bung der Steuern, des vollkommen unzureichen dungsanstalt und ihrer Vereinigung mit der den Eisenbahntarifwesens und der unzureichen deutschen Lehrerbildungsanstalt würde die ein den Verminderung der Staatsausgaben. Deutsch­zige bestehende deutsche Lehrerin en land führt trotz all seiner Klagen luxuriöse öffent­bildungsanstalt der Republik   zu be- liche Bauten auf, errichtet zweite Geleise auf eini­stehen aufhören. Als Grund dieser Maßnahme gen Eisenbahnstrecken und läßt sich schließlich in wird angeführt, daß die Zahl der mit Ende des Bauten von Bahnen im Rheingebiete ein, welche Schuljahres zur Einschreibung angemeldeten strategische Bedeutung haben. Die Note verweist Zöglinge in beiden Anstalten eine zu geringe fei, weiters darauf, daß der Umlauf des Papiergeldes um beide Anstalten aufrecht erhalten zu können. am 1. Jänner 1919 32 Milliarden Mark betrug, Das ist aber nur ein Vorwand und bei nähe während er im Juni d. J. sich bereits auf 179 rer Betrachtung muß die Maßnahme, wenn sie Milliarden bezifferte. Der Flucht deutschen Kas wirklich durchgeführt werden würde, als ein neuer pitals in das Ausland wurde kein Ende gesetzt. brutaler Anschlag gegen das deutsche Schulwesen Bezüglich der Einfuhr von Brotgetreide wird erscheinen. Es ist wohl richtig, daß die Schüler- Deutschland darauf aufmerksam gemacht, daß es zahl an den beiden Anstalten in den letten bei- bei der Ausmahlung des Mehles sparsamer vor­ben Jahren gesunken ist, dennoch steht sie durch gehen solle, so wie dies Frankreich   macht. ju schreiten. aus nicht wesentlich tiefer als jene etwa der Jahre 1900 und 1901. In den beiden erstgenannten Jahren betrug die Zahl der Schüler in der trägt die Zahl der bis jetzt eingeschriebenen Schü| hohen Preise für Koſt und Verpflegung der Schü Lehrerbildungsanstalt je 115, in den Jahren ler an der Lehrerbildungsanstalt sieben, an der ler wie auch schließlich auf die durchaus unzu­1920 betrug jie 96 und im Schuljahre 1921-22 92 Lehrerinnenbildungsanstalt zehn, aber das ist reichende Bezahlung der Angehörigen der gei- kommunistische Richtung mit den Wortführern Schüler. In der Lehrerinnenbildungsanstalt be- noch keineswegs die endgültige stigen Berufe zurückzuführen. Diese Erscheinung Cristescu und Ros vany befürworteten den trug die Zahl der Schülerinnen in den beiden 3ahl der in diese Schulen neu eintretenden zeigt sich beispielsweise am ersten tschechischen Anschluß ohne Vorbehalte", während die Rich erstgenannten Jahren 145 und 144, in den Jah- Böglinge, denn die Haupteinschreibung in bei- Gymnasium in Brünn  , das früher bei der ersten tung der" Unitarier"- Jontachescu und ten 1920-21 123 Schülerinnen, in den Jahren den Anstalten wird stets erst zu Beginn des neuen Klaffe drei Parallelabteilungen hatte und in das Popp- die Einheit auf diese Weise zu erhalten 1921-22 102. Gewiß feine so wesentliche Herab Schuljahres vorgenommen! Auch im Vorjahre jest nur 25 Schüler aufgenommen wurden. Auch suchte, daß bis zu einem Kongreffe alle Richtungen minderung der Schülerzahl, daß dadurch die Auf- umfaßte die Zahl der am Ende des Schuljahres hier hat man es, hoffentlich mit einer vorüber gleichmäßig in den Körperschaften vertreten sein lösung des 40 bis 50 Jahre hindurch bestehen zur Einschreibung Borgemerkten an der Lehrer- gehenden Erscheinung zu tun, die bei Besserung sollen und daß auch die Zeitungen gleichzeitig den Anstalten gerechtfertigt erscheinen tönnte. bildungsanstalt nur die Zahl von vier Schülern, der wirtschaftlichen Verhältniffe von einem stär- allen Richtungen dienen sollten. Die Sozialdemo Dieser verhältnismäßig fleine Rüdgang des Be- die bei Beginn des neuen Schuljahres aber auf teren Zuzug zu den Mittelschulen und Lehrerbil- traten lehnten dies ab, weil eine praktische Arbeit suches ist wie der Rüdgang an allen Schulen vor zwanzig stieg. Und ähnlich war es auch bei der dungsanstalten abgelöst werden wird. dadurch unmöglich gemacht würde und weil der allem auf die Wirkungen der Kriegs- Lehrerinnenbildungsanftalt. Die ersten Einschrei- Eeine ernste Prüfung der Verhältnisse müßte nach dem Generalstreif so dringend notwendige jahre, die eine starke Herabminderung der Bahl bungen bieten also feinerlei Maßstab für die im also die Aufhebung einer der beiden Lehrerbil Aufbau der Bewegung nicht begonnen werden der Geburten zur Folge hatten, zurückzuführen, nächsten Schuljahr anzunehmende Schülerzahl, dungsanstalten in Brünn   als ein neues, empö- Fönne. So fam es zur Spaltung. Während doch machen sich unzweifelhaft bei dem Besuche da viele Eltern, die meistens außerhalb Brünn   rendes Unrecht an der deutschen Bevölkerung er- So ialdemokraten und Kommunisten sich ihres der Lehrerbildungsanstalten, wenigstens vorüber wohnen, die zweimalige Reise nach Brünn   der scheinen laffen, über das hinwegzutäuschen, alle Bieles bewußt waren, haben die Unitarier, die sich gehend, auch die nationalen Verhält Rosten wegen scheuen und die Einschreibung Stünste der Schulverwaltung scheitern müssen. bald darauf als Zentristen zu bezeichnen began­nisse und die Schuldrosselungen be- ihrer Kinder erst zu Beginn des neuen Schuljah Tas Unrecht würde sich also umso größer heraus- nen, hin und her geschwankt und sind mehr mit merkbar, die manchen Eltern es nicht ratsam er- res, da sie die Kinder in der Stadt unterbringen, stellen, als gerade in Brünn   zwischen den deut den Kommunisten als mit den Sozialdemokraten scheinen lassen, ihre Kinder dem Lehrerberufe einschreiben laffen. Die Eile, mit der das Schul- schen und tschechischen politischen Parteien in gegangen. zuzuführen, da sie darin nicht die Gewähr eines ministerium die beabsichtigte Maßnahme durch- lehter Zeit eine Vereinbarung zustande Man darf nicht vergessen, daß in dieser Zwi­guten Forttommens ihrer Kinder zu erbliden führen möchte, läuft also nur darauf hinaus, gekommen ist, welche zur Vermeidung bruschenzeit Hunderte von Vertrauensmännern der glauben. Es handelt sich also durchgehends um mit der durchaus nicht endgültigen bisherigen taler Eingriffe in das Schulwesen die Regelung Arbeiterschaft, darunter die gewohnten Führer im Altreiche zu Zwangsarbeit bis zu 15 Jahren ver­borübergehende Erscheinungen, die Zahl der bis jetzt eingeschriebenen Schüler die des Standes des Schulwesens zum Zwede hat. Altreiche zu Zwangsarbeit bis zu 15 Jahren ver­wohl schon in wenigen Jahren, wenn insbeson- effentlichkeit zu täuschen, als würde Auf Grund dieser Vereinbarung haben sämtliche urteilt worden waren. Der Generalstreit war dere die Gehalts- und Pensionsverhältnisse der die 3öglingszahl die Aufrechterhaltung der bei- deutsche Parteien in der letzten Zeit in die Auf- nämlich als Verbrechen gegen die Sicherheit des Lehrerschaft eine Regelung erfahren, gewiß wie den Schulen nicht rechtfertigen und als wäre die hebung von drei Volkshochschulen und Bürger- Aufbau der Gewerkschaften, so radikalisierte es Staates erklärt worden. Lähmte das einerseits den der normaleren Verhältnissen Plaß machen wer- Maßnahme der Auflaffung der einen Anstalt schulen, außerdem noch mehrerer Parallelklassen andererseits die Arbeitermassen. Inzwischen hatten den. Auf diese vorübergehenden Erscheinungen eine notwendige. Ein Täuschungsversuch, der an- an Volks- und Bürgerschulen, eingewilligt, um sich die sozialdemokratischen Parteien und zwar hin den Stand der Lehrerbildungsanstalten ab- gesichts der klaren Tatsachen von vornherein schei- den guten Willen zu zeigen, dem tschechischen Ver- sich die sozialdemocratischen Parteien und zwar Die Sozialdemokraten in der Bukowina  ", die zubauen, würde somit nur so gedeutet werden tern muß! Das Unrecht, das die Schulverwal- langen nach Herstellung eines gleichmäßigen Versozialistische Partei in Siebenbürgen   und Banat  " können, daß sie der Schulverwaltung als Vor- tung dadurch von neuem am deutschen Schul- hältnisses zwischen der Zahl der Schulen der bei und die allerdings sehr schwache Partei der So­wand für ihre dem deutschen Schulwesen begehen würde, indem sie die Zuſammen- den Nationen und ihrer Bevölkerungszahl mit zialdemokraten in Rumänien  " der Wiener   Ar­wesen feindselige Politit dienen ziehung der beiden genannten Anstalten, die größter Selbstverleugnung zu entsprechen. Würde beitsgemeinschaft angeschlossen und so die im Juni follen. eine nahezu gleiche Schülerzahl besitzen-vor- das Schulministerium nun auf seiner Absicht be- 1921 erfolgte Gründung der Federation so Ganz besonders traß tritt aber diese Absicht nehmen würde, wäre umso größer, als diese Zu- harren, so würde es diese Vereinbarung zialinijder Parteien in Rumänien  " durch den Umstand zutage, daß das Schulministe- sammenziehung den Bestimmungen eines in den in der gröblichsten Weise verlegen, vorbereitet. Zu den Ostern 1921 also wenige rium zur Vereinigung der beiden Anstalten schrei- legten Tagen erlassenen einschlägigen Ministerial- den Weg zu allen fünftigen friedlichen Verein­ten will, ohne das endgültige Erge berlasses zuwiderlaufen würde, wonach Zöglinge barungen verrammeln und neuen Haß und neue nis der Schülereinschreibungen ab- andern Geschlechts nur bis zu einem Drittel der Zwietracht unter die Bevölkerung fäen. zuwarten. Es sucht sich darauf zu berufen, zulässigen Gesamtzahl aufgenommen werden kön- Die Schulverwaltung hat die Maßnahme daß die Zahl der mit Ende des Schuljahres für nen. Das Nachlassen des Besuches fast aller der Verschmelzung der beiden Anstalten noch nicht die ersten Klassen der beiden Anstalten eingeschrie- Mittelschulen ist gewiß auch zum Teil auf die durchgeführt, sondern erst angekündigt. Sie hat benen Zöglinge eine geringe ist. Tatsächlich be- schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse und auf die also noch immer Gelegenheit, diesen Schritt zu Auf ihren Lippen bebten die stummen Worte:| sie in sich zurück. Tränen überschwemmten ihre Lüge! Man hat ihn vom Feld und vom Hof ge- Augen und verhüllten alles, was um sie war. jagt, weil Schafweiden und Schafftälle daraus ge­macht wurden. Aber sie wagte nicht zu reden.

Eine Gerichtsverhandlung.

Von Richard Wagner  .

Am 1. März 1842 war die Näherin Anna Scurr wegen Veruntreuung vor einem Gericht in London   angeklagt. Sie hatte 40 Meter Leinen, die sie vom Fabrikanten John Smith für die Anfer­tigung von Damnhemden erhalten hatte, ins Pfandhaus getragen und den Erlös für sich ver­

Ein alltäglicher Fall, leider schon ein all­täglicher Fall, das war die übereinstimmende Meinung des ganzen Gerichtshofes. Der fittliche Verfall der Londoner   Arbeiter würde immer är­ger und nur strengste gerichtliche Maßnahmen fönnten ihn noch aufhalten.

-

hervorstehenden Badenknochen, der dünnen Nase, dem breiten Mund und den tiefliegenden, fast ge­schloffenen Augen, die langen, Inochigen, derben Hände an dem mageren, unweiblichen Störper, um den Rock und Jade schlotterten, das alles war bei dem 25 jährigen Mädchen auch äußerlich schon Merkmal ihrer förperlichen und moralischen Ver­kommenheit.

Anna Scurr saß in sich zusammengefunken auf der Anklagebant und zitterte ängstlich vor den schwarzen Männern, von denen sie wußte, daß sie, mur da waren, um ihr Böses zu tun.

Da sie während des Verhöres, das nun folgte, faum hörbare Antworten gab, fie begriff nicht, warum man sie alles noch einmal fragte, was sie schon früher erzählt hatte, wurde das Ver­hör mehr zu einer Erzählung des Vorsitzenden.

-

Die Angeklagte erzählt der Richter weiter hat einen achtjährigen, unehelichen Knaben, namens Jack, der jetzt im St. Josefs- Waisenhaus untergebracht ist.

Hier zuckte die Angeklagte stöhnend auf: Jezt wird man Jad jeden Morgen um sechs Uhr mit der Peitsche in die Fabrik treiben."

Der Richter wies sie mit strengen Worten zur Ruhe wegen dieser Bemerkung, die nur zu treffe, wenn der Junge ungehorsam und faul fei. Anna weinte.

-

Wochen vorher hatte jedoch eine Konferenz der Kommunisten stattgefunden. In dem Augenblice, in welchem mit großer Mehrheit die Zentri­sten waren auch am Kongreß anwesend der Anschluß an Mosiau ohne Vorbehalt" beschlossen war, erschien die Staatspolizei und verhaftete alle jene, welche mit der Mehrheit gestimmt hatten.

Lüge! Lüge! schrie es lautlos in ihr. Alles sah sie voer sich, was sie in diesen 15 Jahren erlebt hatte, jede Einzelheit. Lüge, alles Lüge, was der fremde feindliche Mann hier sagte.

Die Mutter hatte ihr's oft erzählt, wie der Vater vor dem Staub und Nuß Londons   Angst hatte und nicht in die Stadt wollte, bis er endlich mußte; wie er dann Arbeit in einer Fabrik als Messerschleifer fand, anfangs so viel verdiente, daß Mutter und sie zu Hause in ihrer kleinen Dach fammer bleiben tonnten. Anna erinnerte sich noch, wie Mutter die kleine Wohnung rieb, wie fie Wäsche wusch, Essen tochte und dem Vater in die Jetzt seien die Tränen, sagte der Richter, et- Fabrit trug, bis dieser von dem vielen Eisenstaub was zu spät, fie hätte rechtzeitig weinen sollen, Bluthusten bekam, öfter zu Hause bleiben mußte Anna Scurr dachte nach, während sie diese möglichst noch che sie gefallen wäre. Charatteri- und endlich gar nicht mehr in die Fabrik ging. Der Fall Anna Scurr lag flar und einfach fremde Herren mit den breiten, zufriedenen Gestisch für die fittliche Beschaffenheit der Angeklag- Da war Anna 13 Jahre alt. Nun mußte die Mus wie alle Fälle dieser Art. Die Angeklagte hatte sichtern schüchtern und verstohlen ansah, warum ten ist der Umstand," fügte er hinzu ,,, daß sie nicht ter wieder in die Spinnerei gehen, wie früher als schon beim ersten Verhör alles zugegeben, was ich jetzt erst so viele Menschen auf einmal für sie, einmal den Vater ihres Kindes tennt. Sie hat Mädchen schon, und Vater war froh, daß sie sofort man aus ihr herausbekommen wollte, wenn sie für ihr ganzes Leben interessierten, während sich zwar behauptet, daß sie dem Aufseher, dem Ober- Arbeit fand. Jetzt sagte er, da in allen Fabriken auch ihre Tat wie alle Verbrecherinnen durch früher niemand um sie gefümmert hatte, und auffeher, dent Sohn ihres Fabritsherrn und die neuen Maschinen eingeführt werden, nimmt mancherlei Entschuldigungen abzuschwächen suchte. sie staunte, woher der Vorsitzende all das wußte, diesem selbst, in dessen Dienst sie vor neun Jahren man überall nur Weiber auf, weil sie billiger find Die Verhandlung versprach also, da die Angeklagte was er erzählte. stand, gefügig sein mußte, weil sie sonst aus der und die Männer schickt man weg. Mutter ging früh überdies sehr eingeschüchtert war, ohne Schwierig Ja, das hatte sie noch selbst angegeben Arbeit entlassen worden wäre, aber jeder nach fünf Uhr fort und fam abends um acht Uhr teiten abzulaufen, ja ziemlich langweilig zu werfie war die Tochter des Messerschleifers Robert Mensch, der die Sittenlosigkeit der Fabrikmädchen so müde nach Hause, daß sie fast umfiel. Nun mußte den, das ewig gleiche Schaustüd, in dem alle Mit- Scurr und seine Frau Marie, die beide, einige tennt, tennt auch die Stichhältigkeit dieser Ver- Anna alles im Hause besorgen und noch den Vater spieler gut aufeinander eingespielt sind", wie einer Monate nacheinander, zuerst die Mutter, dann leumbung. Wer sollte übrigens diefes nicht ge- pflegen, der im Bett lag. Aber Mutter verdiente der Gerichtsherren meinte. der Vater, diefer einige Tage nach der Tat, gestor- rade schöne Mädchen begehrenswert gefunden has wenig. Es langte nur auf Kartoffeln mit Salz und Vor Beginn des Verfahrens musterte der ben waren. Aber woher wußte der Richter, warum ben? Aber ein frommes christliches Mädchen geht Brot. Die Medizin für Vater fostete viel Geld. Richter die Angeklagte Anna Scurr von ihrem der Bater vor 15 Jahren wom Dorf nach London   gar nicht in die Fabrit, sondern findet zu Hause Man mußte den Kasten, die Polster, die Sessel ins dünnbehaarten Scheitel bis zu den Holzpantoffeln gekommen war? Er wollte sich, wie dies nun der in der Familie genug Arbeit; jene, die es tun, Pfandhaus tragen auf Nimmerwiedersehen. herab, die sie mit dem Sträflingskleid für die Ver- Bug der Zeit sei, der schweren, aber ehrlichen Land, wollen nur, wo die sogenannte Freiheit, die Un- Wenn Vater aufstehen konnte, ging er Arbeit handlung erhalten hatte, da ihre zerlumpten Klei- arbeit entziehen und lieber in der Fabrit als christlichkeit und Bügellosigkeit ist.". suchen, fand aber keine, da man ihn nirgends der und Schuhe des hohen Gerichtshofes nicht freier Irbeiter einen leichteren Lohn verdienen, Anna Scurr wollte aufspringen und sich ver- nehmen wollte: er war zu blaß und zu schwach. würdig waren. Das bleiche, graue Gesicht mit den um ihn zu vertrinken? Anna Scurr wollte reden. teidigen. Aber der drohende Blick des Richters warf und man suchte übrigens nur Arbeiterinnen. Eine