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2. Jahrgang.

So aldemokrat

Zentralors Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei

Ortsräte sollen helfen!

Nach den bombastischen Fasching phrasen der Herren Jung und Konsorten ist für die deutschbürgerliche Politik nun der Ascher­mittwoch gekommen. Zunächst posaunte man in die Welt hinaus, daß das deutsche Bolf in der Tschechoslowakei an der deutschen Kampfgemeinschaft aber bestimmt genesen wird. Nun hat die Ernüchterung in den Reihen der deutschen Spießer dieses Staates begonnen und fie fangen an einzusehen, daß sie mit ihren Kraftmeiereien allein die Lage der deutschen Bevölkerung nicht verbessern werden. sehen sich nun nach einem anderen Mittel um und da kommt zur rechten Zeit das Licht der Erkenntnis aus Saaz , wo ein findiger Kopf den Stein der Weisen gefunden zu haben glaubt. Der Widerstand des Einzelnen, so orakelt der Saazer Prophet, ist zwedlos, nur ein Gesamt­wille fann den Erfolg garantieren. Wie aber diesen Gesamtwillen herstellen?

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Dieses Problem hat nun der Saazer An­zeiger" restlos gelöst: In allen Orten der Tschechoslowakei sollen Ortsräte gebildet werden, in die alle deutschen Parteien ihre Ver­treter zu entsenden hätten. Die Hauptarbeit dieser Ortsräte sollte die politische Erziehung des deutschen Volkes sein, denn dem deutschen Bolte fehlt die politische Erziehung. scheint also, daß das Vertrauen zur Schriftlei. terpresse nicht sehr groß ist. Diese hat selbst nach den Zugeständnissen der Deutschbürger­lichen das deutsche Volt politisch nicht erzogen, und so muß ein anderes Mittel heran: Die Ortsräte.

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UBU der tschechoslowatischen Republit.

Sonntag, 6. August 1922.

Die ersten Strafmaßnahmen Frankreichs .

Suspendierung des Abkommens vom August und September 1921 und des Wiesbadener Abkommens.

Paris , 5. Auguft( Habas). Da die deutsche Regierung heute nur eine dilatorische Antwort erteilt hat, hat die französische Regierung zur Sicherstellung ihrer Rechte folgende Be­schlüsse gefaßt:

1. Die Ausgleichsämter in Paris uud in Straßburg werden aufgefordert, bis auf weiteren Auftrag jebe Anerkennung von deutschen Forderungen zu vertagen. 2. Die beiden Aemter erhalten den Auftrag, die aus dem Erlös der Liquidation der deut­ schen Güter in Frankreich durch Entscheidung des gemischten Schiedsgerichtes zuerkannten Ent­schädigungen bis auf weiteres auf Rechnung der deutschen Regierung nicht zu bezah­len. Damit wird die Wirksamkeit des französisch deutschen Abkommens bom August und September 1921 suspendiert, auf Grund dessen die Ausgleichsämter in Paris und Straßburg diese Zahlungen durchführten, und die deutsche Regierung wird die Ur­teile, die zu ihren Ungunsten ausgefallen sind oder ausfallen werden, aus eigenen Mit­teln ausführen müssen.

3. Die Ausgleichsämter von Paris und Straßburg wurden angewiesen, der deutschen Re­gierung den reinen Erlös aus der Liquidation deutscher Güter in Frankreich nicht mehr zu notifizieren. Diese Maßnahme wird die Entschädigung von Deutschen , deren Eigentum in Frankreich liquidiert wurde, praktisch unmöglich machen und Deutschland verhin­dern, daß es Guthaben im Interesse dieser S.ategorie seiner Staatsangehörigen verwende.

4. Die Durchführung des französisch- deutschen Abkommens von Wiesbaden über die Rückerstattung von Immobilien, die von deutschen Staatsangehörigen in Elsaß und Lothrin­ gen zurückgelassen wurden, wird suspendiert.

5. Es werden sofort Maßnahmen zur Zurüdhaltung dieses Besißes ge troffen werden.

Wenn diese Maßnahmen zur Regelung der Kompensationsfrage nicht ausreichen follten, werden sie durch weitere prsefive Schritte ergänzt werden.

Ausweisung von tausend Reichsdeutschen aus Elsaß- Lothringen .

Bezugs Bedingungen: Bei Zustellung ins Haus oder bei Bezug durch die

Post monatlich.. 16.­vierteljährlich, 48.­halbjährig 96.­

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ganzjährig. 192­

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Nr. 183.

Der polnische Wahlrechtsraub.

( Von unserem G.- Korrespondenten.) Krakau

, den 4. August 1922.

Der polnische Reichstag, der souveräne Sejm hat endlich nach unendlichen Mühen die Wahlordnung beschlossen, nach welcher die zukünftigen Volfsvertreter für die gesetzgebende Bersammlung Polens gewählt werden sollen. Die Wahlordnung des sozialistischen Ministe­riums Moraszeweski, nach welcher der jeßige Sejm gewählt wurde, wird also abgelöst von einer Wahlordnung, die das geheime, direkte und Proporzwahlrecht, wie man meinen sollte, in reinster und unverfälschter Art bringen wird. Aber die Macher der neuen Entrechnungswahl­ordnung haben bewiesen, daß trotz geimer, dis refter und Proporzabstimmung das unglaublichste Unrecht an den Wählern begangen werden kann.

Die im heutigen Sejm, in dem Riesengebiete, insbesondere der nationalen Minderheiten nicht oder durch nicht gewählte, sondern ernannte ,, Abgeordnete" vertreten sind, beschlossene Wahl­ordnung hat ein Ziel und einen Zweck, die Nie­derwerfung und das Mundtotmachen der kleinen Parteien, insbesondere der nationalen Minder­heiten. Am schwersten werden wohl aber die so­ zialistischen Organisationen der der Minder­heitsnationen Polens getroffen. Es ist geradezu unglaublich, mit welchem Raffinement und welcher Spitfindigkeit die Bestimmungen der Wahlordnung gegen die kleinen Volkssplitter ge troffen sind. Das, was gerade das Proporz­system bezweckt, auch den Minderheiten, sofern sie nur im Reiche genügend Gesamtstimmen aufbrin gen, eine Vertretung zu sichern, wird durch das neue polnichfe Gesez in das Gegenteil gefehrt. Man muß über den Zynismus, mit dem die Be stimmungen gemacht wurden, sogar in Polen , wo man an vieles gewohnt ist, erstaunen. Und schon hier muß die Rolle, die die P. P. S.( die polni­schen Sozialisten) bei den Beratungen gespielt haben, festgestellt werden. In letter Minute, als cs bereits zu spät war, hat die Parteileitung einen lendenlahmen Protest gegen die Wahlordnung herausgegeben, hat zur Entschuldigung in dem

Das Arzneimittel, das dem deutschen Bolte anempfohlen wird, ist ein Beweis für das politische Verständnis der deutschbürger­lichen Medizinmänner. Wenn in jedem Ort ein solcher Ortsrat gegründet würde, so gäbe es so viele Gesamtwillen" als es Ortsräte gäbe, jeber Ortsrat würde zu einem anderen Ent­schluß gelangen und in der deutschbürgerlichen Berlin , 5. Auguft.( Eigenbericht.) Ueber| Linie um die vermögen den Reichsdeutschen, Zentralorgan die Wahlordnung, an der sie mit­Deffentlichkeit würde dieselbe Anarchie herr- die Art der von der französischen Regierung ge- die im Elsaß anfäffig find. Zunächst wird die schuldig ist, einen Betrug" genannt. Wer die planten Zwangsmaßregeln ist bisher inoffiziell be- Ausweisung von 1000 Personen, späterhin die Stellung der P. P. S. innerhalb der Parteien schen, wie seinerzeit, als Dr. Titta der unge- fannt geworden, daß von Frankreich das Aus- Ausweisung von weiteren 1000 Personen erjol- des Sejm kennt, wer die Furcht beobachten kann, frönte König des deutschen Bürgertums in gleichsverfahren eingestellt werden gen. Allen alleinstehenden Ausgewiesenen soll die die Parteileitung vor dem linken Flügel hegt, Böhmen und die deutschbürgerliche Politik zum foll. Zugleich erhalten die französischen Aus- es gestattet sein, 100.000 Mart, Ausgewiesenen wer die opportunistische Politik der P. P. S. Gefpött der übrigen politischen Deffentlichkeit gleichsämter die Anweisung, an Reichsdeutsche mit Familie 200.000 Mart mitzunehmen. Alles überhaupt verfolgt, wird über deren Haltung herabgesunken war. Dabei denten die Herren teine Zahlungen mehr zu leisten. Außerdem habe bewegliche und unbewegliche Vermögen wird be- und über den schwächlichen Protest, der der Oppo natürlich wieder daran, die deutschen Sonach hier vorliegenden Nachrichten die franzöfifche fchlagnahmt. Weitere Retorsionen sol sition den Wind aus den Segeln nehmen sollte, zialdemokraten würden für diese famose Regierung angeordnet, daß alle deutschen Staats- len dann für die nächste Beit vorgesehen sein. Es wenig erstaunt sein. Ja, wer näher zuſieht, Idee, die ihnen über Nacht gekommen ist, zu angehörigen aus Elsaß- Lothringen auszuweisen wird aber betont, daß alle Retorsionen fich nur wird gleich bemerken, daß auch die P. P. S. aus haben sein. Sie wollen uns einladen, mit ihnen und ihre Vermögen zu beschlagnahmen auf Gebiete erftreden, die unter französischer den reaktionäreen Maßnahmen der Wahlordnung zusammen Politik zu machen, wo sie doch sind. Die französischen Amtsorgane haben die Oberhoheit stehen. Militärische Maßnah ihre Profite ziehen wird. jelber nicht wissen, was sie wol- Listen der auszuweisenden Personen bereits zu- men sollen teine getroffen werden. Ien. Das zeigte sich schon im Wiener Par- fammengestellt. Es handelt sich dabei in erster lament im seligen Nationalverband, wo der eine saß und der andere stand", und wo bei jeder großen auftauchenden Frage nicht eine, son- Deutsch 'ands öffentliche Arbeiten auf Entwurfes vorgelegt worden sind, wie z. B. die dern zehn Meinungen vorhanden waren, aus denen sich nicht einmal ein deutschbürgerlicher " Gesamtwille" herauskristallisieren ließ. Und bei des deutschen Nationalverbandes würdigem Nachfolger, dem parlamentarischen Verband in der Prager Nationalversammlung, iſt es nicht besser. Hat sich doch erst jüngst die" Kampfge­meinschaft" gebildet, die sich der Arbeitsge­meinschaft" entgegenstellt, wobei die einen die anderen geradezu als nationale Verräter hin­stellen.

das Reparationskonto. Paris , 4. August. Die Reparationskommis­ston hat den Entwürfen der großen öffentlichen Arbeiten, die von Deutschland auf das Repara­tionskonto ausgeführt werden sollen, grmndfäß lich zugestimmt. Die Entwürfe waren im Mini­sterium für öffentliche Arbeiten ausgearbeitet und der Reparationskommission vom Ministerpräsi benten vorgelegt worden. Die Kommission behält fich das Recht vor, ihre endgültige Zustimmung zu erteilen, wenn ihr die Einzelheiten eines jeden ICONICOCOOOOOCSE

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Sehen wir zu, welche Maßnahmen die Reat­tion anwendet, um aus dem Proporzwahlrecht eine reaktionäre Waffe gegen die Minder­heiten zu schaffen. Vor allem bildet die Einteilung der Wahl­Dauer der Arbeiten, die Verteilung der Liefe treise die Möglichkeit, die nationalen Minderhei rungen zwischen französischer und deutscher In- ten zu vergewaltigen. So geschehen zum Beispiel duſtrie, die Arbeits- und Lohnverhältnisse, die in Schlesien , wo deutsche Minderheitsgebiete an Unternehmer bei jedem Uneternehmen usw. Alle das polnische Pleß und Rybnit angeschlossen wur­diese Ausführungsbedingungen müssen jetzt zwi- den. Damit aber auch die Stimmen der Min­schen der deutschen und der franzöfifchen Regie- derheit für die Staatslisten verloren gehen, ist in rung vereinbart werden. Inzwischen soll der Ar die Wahlordnung die Bestimmung aufgenommen, beitsminister die technischen Einzelheiten für die daß nur diejenigen Parteien Anspruch auf Man­Ausführung der Entwürfe feststellen, sowie auch für jedes Unternehmen im einzelnen die Bertei bate von der Staatsliste haben, die in minde­stens sechs verschiedenen Wahlkrei­lung der Lieferungen prüfen. sen ihre Randidaten durchgebracht haben. Schließlich ist auch das Wahlrecht kein 0 gleiches. In national einheitlichen und natio­völkerung dieses Staates ein gerüttelt Maß von lassenfeind der deutschen Ar- nal gemischten Wahlkreisen ist die Aufteilung ber­Schuld tragen, deren Vorherrschaftsstreben im beiterschaft ist. Gerade in der Zeit der schieben. Deutlich tritt die Entrechtung der Min­berheiten zutage, wenn man die Ergebnisse der alten Oesterreich von ihren tschechischen Klaſſen. Wirtschaftskrise erweist sich, daß das deutsche Volkszählung mit der Verteilung der Mandate genossen zum Vorwand genommen wird und Bürgertum dem deutschen Arbeiter nicht einen auf die Nationen vergleicht. Die offizielle Volks für die Tschechen von heute geradezu sittliches Bissen Brot gönnt und daß die deutschen Un- zählung vom Jahre 1921, die zumindest ein 10­Argument geworden ist. Ihnen fehlt die ternehmer im Lohnabbau es ihren tschechischen bis 15- prozentiges Fehlvesultat zu ungunsten moralische Autorität gegen das Kollegen vollständig gleich tun. Dadurch, daß der Minderheitsnationen in Polen aufweist, stellt Unrecht anzufämpfen, bas den brei fie die Masse des arbeitenden deutschen Volkes rund 67 Prozent Bolen und 33 Prozent Minder ten Massen der arbeitenden deutschen Bevölke- am liebsten verelenden lassen möchten, sieht heitsvölfer auf. Die Wahlordnung stellt die Zahl rung zugefügt wird und die Sozialdemokratie, man, wie weit es mit ihrer Liebe zum deut- der Mandate mit 444 fest. Somit sollten die welche die einzige durch die Vergangenheit un- schen Bolte her ist. Sie haben den deutschen Minderheitsnationen 146 Mandate erhalten. Nun bematelte deutsche Partei ist, würde sich durch Namen in der Vorkriegszeit um die Achtung aber werden die Mandate derart verteilt, daß in dieses Bündnis nur selbst kompromittieren. Die aller Nationen der Welt gebracht und sie rein polnischen Wahlkreisen anstatt 67 Prozent deutsche Sozialdemokratie kann mit dem deut sind mitschuldig an dem graufa- wählt werben, von denen selbstrebend keiner einer in Wirklichkeit 74 Prozent der Abgeordneten ge­Im übrigen hat die deutsche Arbeiter- schen Bürgertum nicht zusammengehen, weil men Schidsal, bas das deutsche Minderheitsnation angehören wird. In den schaft in der Tschechoslowakei nicht die geringste die politischen Parteien des deutschen Bürger. Volt in Deutschland , Desterreich national gemischten Wahlkreisen werden anstatt Neigung, sich in die Gesellschaft der Deutsch- tums sich immer auf Seiten seiner Feinde be- und in der Tschechoslowakei erfahren 33 Prozent bloß 26 Prozent der Abgeordneten ge­bürgerlichen zu begeben. Das muß den Herren funden haben, weil sie die Feinde der Demo- hat. Die Bierbankpolitik ihres impotenten wählt, wobei wieder zu bedenken ist, daß infolge wieder einmal gesagt werden, da sie es jedes fratie und des geschichtlichen Fortschrittes im Kraftmeiertums wird die deutsche Arbeiterschaft der Zusammenlegung der Wahlfreisgebiete gar manches Mandat an die Polen verloren gehen halbes Jahr zu vergessen scheinen. Sie sind es, alten Desterreich gewesen sind und weil das nicht mitmachen! wird. So dürfte der zukünftige Sejm anstatt die an dem nationalen Glend der deutschen Be deutsche Bürgertum der strupellose

zu haben.

Das deutsche Bürgertum scheint von der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Ent­widlung unserer Tage wahrhaftig keine Ahnung Durch die Verhältnisse nach dem Striege find die Klassen gegensäge noch größer geworden, jebe Klasse einer modernen Nation hat die ihre Interessen vertretende po­litische Partei und da das deutsche Volt gleich­falls nicht im Himmel, sondern in der fapita­listischen Gesellschaftsordnung lebt, müssen die wirtschaftlichen und sozialen Konflikte im deut schen Volk in der Tschechoslowakischen Republik genau so auftreten wie überall anderwärts. Wer gegen diese Entwicklung anfämpft, über den wird die Geschichte hinweggehen.