9. August 1922.

Inland.

Benesch und die Kriegsanleihe. Das tsche­chische Preßbureau verbreitete gestern ein Dementi des Ministerpräsidenten über das in Franzensbad  in Angelegenheit der Kriegsanleihe erteilte Inter­view, das die ganze Angelegenheit in romantischer Weise darstellt. Die Sache fängt mit zwei Da men an, die den Ministerpräsidenten während sei­nez Aufenthaltes in Franzensbad   um eine Unter­redung in Angelegenheit der Kriegsanleihe ersuch. ten. Der Ministerpräsident ließ fich von den Da­men deren traurigen Fall schildern und setzte ih­nen in fachlicher Weise die Situation auseinander. Es habe sich um nichts anderes gehandelt, als le­diglich um eine private Unterredung, die eben die zwei Fälle beträfe. Das Auffällige an der ganzen Angelegenheit ist, daß der Ministerpräsi. dent eine Woche lang die Sprache verloren hat und jeßt eine fomplizierte Geschichte als Dementi feiner Aeußerungen über die Kriegsanleihe zum besten gibt, die ganz glaubhaft flingen mag, ohne baß man einsicht, warum der Ministerpräsident so lange ein Geheimnis aus ihr gemacht hat. Renegat Wollschack, der sich im Lager der Gelben längst wohl und heimisch fühlt, macht to loffale Fortschritte. Nachdem er ohne Fährnisse den Weg vom Sozialdemokraten zum Arbeiter verräter, Heilbruder und Antisemiten zurüd­gelegt hat, trennt ihn, der jetzt natürlich im Zei­chen des Hakenkreuzes einherschreitet, nur eine fleine Spanne noch vom Monarchisten. Den letz ten Anlauf dazut nimmt er im gestrigen Leitartikel des Durer Tag": Wollschad setzt darin der flei nen Tischgesellschaft, welche die Leserschaft dieses Blattes bildet, zunächst auseinander, daß an dem Unglück insbesondere des deutschen   Volkes die Ju­den schuld sind, bricht dann eine Lanze für die Re­aftion, indem er behauptet, daß sie weder vorhan­den noch zu fürchten sei, und verdingt sich dann mit ein paar verschleierten Sätzen den treudent­schen Anhängern Wilhelms von Hohenzollern  . Es fei, meint er, fein Wunder,

,, wenn in dem Herzen vieler Deutschen   der Wunsch nach Wiederherstellung der Monarchie erwacht, hoffend, dadurch der Schmach Deutschlands  Ende zu machen. Bei dent gegenwärtigen Stand der auswärtigen Politif ist aber dies eine trügerische Hoffnung, und des­halb ist die Furcht vor solcher Reaktion ganz unbegründet. Die Republik   ist nicht in Gefahr, wohl aber fürchtet die jüdische Presse die Reaktion gegen das Judentum."

Gette 3

Austausch politischer Häftlinge mit Ungarn.  [ dafür, daß er von einent französischen   Uniform- chenwagen, denn hier ist Denken, Gefühl und Wie der Pragai Magyar Hirlap" erfährt, wer- ftüde sich die Knöpfe abschnitt, um sie an die Vernunft völlig abgestorben. Nur der eine Wunsch ben in fürzester Zeit politische Gefangene zwischen eigene Bluse zu nähen. Ein anderer entwendete lebt noch so schnell als möglich zu sterben und Ungarn   und der Tschechoslowakei   ausgetauscht eine Büchse Konserven. Seine Strafe lautete auf mancher sucht den Tod im Flusse. Das ärgert werden. In Theresienstadt  , wo sich die maghari- fünf Jahre Kerter für qualifizierten den Kommandanten so, daß er am Flußufer Poſten schen Häftlinge befinden, werden bereits alle Vor Diebstahl. Fünfzehn Jahre 3wang& aufstellt. Im Dezember 1915 und Jänner 1916 beveitungen für diesen Austausch getroffen. Im arbeit und fünf Jahre Kerter erhielt ein richtete das russiche Kommando ein Lazarett für Laufe dieser Woche kam der Ministerrat Josef anderer Gefangener, weil er sich Papiere ver- 400 Strante ein; zur gleichen Zeit starben täglich Gaiszago aus dem Budapester Außenministerium schaffte, um entfliehen zu können. So büßen eine 120 bis 350 Mann. So blieben die Zustände bis nach Prag   und hat alle Einzelheiten des Aus- Reihe von Gefangenen fünf Jahre Kerker wegen zum März 1916, als die Epidemie langsam von tauschverfahrens bereits vereinbart. Die diesbe Diebstahls einer Rognafflasche, einiger Startoffelbft erlosch." zügliche Vereinbarung wird am 12. September feln oder einiger Kilogramm Zucker. Die fürch Der Schuß der Angestellten- Reservisten. Der unterschrieben werden. terlichste Strafe verbüßt aber ein anderer Gefan- am 7. dss. abgehaltene Ministerrat genehmigte Gemeindewahlen in Politz an der Mettau. Am gener, bei deffen Gefangennahme man eine mili- eine Regierungsverordnung, betreffend die Auf­Sonntag fanden in Poliz an der Mettau Ge- tärische Marschroute fand, auf der alle Angriffe rechterhaltung der Dienst- und Arbeitsverhältniffe meindewahlen statt. Siebei erlitt die dort bisher und militärischen Aktionen verzeichnet waren, an während der Zeit der Waffenübungen im Jahre größte Partei, die Nationalsozialisten, eine schwere denen sich der Gefangene beteiligte. Er wurde 1922. Nach dieser am 8. dss. in der Sammlung Niederlage. Ebenso wurden die Nationaldemokra- wegen Raub, Mord, Diebstahl und Gewalttätig der Gefeße und Verordnungen erschienenen und ten entscheidend geschlagen. Dagegen errangen die feit zu lebenslänglichem Serter verur fofort in Wirksamkeit getretenen Verordnung darf Klerikalen und Gewerbetreibenden große Erfolge. teilt. Ein ähnliches Schicksal erreichte einen deut- bei Angestellten, welche zu der am 10. dss. begin­Beachtenswert ist auch, daß die tschechischen Sozial- schen Soldaten, der bei seiner Gefangennahme nenden Waffenübung einberufen wurden, das demokraten um ein Mandat mehr errungen haben, eine französische Uhr bei sich trug. Das Urteil Dienst- oder Arbeitsverhältnis vom 1. Auguſt während auf die Kommunisten ein einziges Man- lautete: 3wanzig Jahre 3wangs- bis zum 10. September nur durch Kündigung des dat entfiel. Es erhielten die Klerikalen vier Man arbeit. Das gräßlichste an den beiden letzten Angestellten aufgelöst werden. Dieser Schuß be­date( früher keines), die Nationaldemokraten drei Fällen aber ist, daß die Verurteilten ihre Unschuld zieht sich aber nicht auf das Dienst- und Arbeits­Mandate( früher zehn), die Gewerbetreibenden Fällen aber ist, daß die Verurteilten ihre Unchfuld verhältnis bei Angestellten, welche Funktionen neun Mandate( früher keines), die Nationalfozia beteuern und daß sie jedenfalls auch uns chul- höherer Ordnung versehen, wenn ihr Arbeitsver­listen sieben Mandate( früher fünfzehn), die Sozial dig verurteilt wurden- Die deutsche Regierung hältnis nicht mindestens sechs Monate, bei Ar­demokraten sechs Mandate,( früher fünf), die Kom- hat nach Abschluß des Waffenstillstandes alle Ge- beitern mindestens acht Wochen andauert. Er be­munisten ein Mandat( früher feines). fangenen in die Heimat entlassen. Alle übrigen zieht sich auch nicht auf Saisonsarbeiter.( Vom Ententestaaten, außer Frankreich  , handelten in Ministerium für soziale Fürsorge.) gleicher Weise. Nur Frankreich   allein begann erst im Jänner 1920 mit der Entlassung der Kriegs­gefangenen. Die angeführten Verurteilungen er geben den Beweis dafür, daß Frankreich   auch heute nicht willens ist, den Haß, der im Kriege zwischen den Völfern unüberbrüdbare Klüfte auf riß, abzubauen und von seiner Revanchepolitik ab­zulassen. Es verdient übrigens hervorgehoben zu werden, daß das genannte tschechische Blatt die französische   Regierung aus demselben Grunde auf das schärfste anklagt.

Lages- Neuigkeiten.

Gebet.

Brich an, du Morgen, glutdurchloht, Du heil'ger Tag brich an! Laß Flammen lodernd, blutigrot, Zum freien Licht hinan! Laß brausend wilde Stürme weh'n Lag über Berg und Tal

Gewaltig, grollend Donner geh'n, Jaq' Blize ohne Zahl

Durch's Aethermeer! Laß wild der Elemente Heer Durch's Weltall zieh'n,

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Laß alle Sterne feurig glüh'n! Dann aber, wenn die Nacht vorbei, Wenn alle Welt von Elend frei: Dann laß auf bloßen, leisen Zeh'n Den Frieden durch die Lande geh'n; Und keine Macht soll ihn entweih'n. Dann woll'n wir wieder Menschen sein, Und feiner Herr und keiner Knecht, Ein Leib, ein Wille, ein Geschlecht, Woll'n wir empor zur Herrlichkeit. Dann aber, dann ist uns're Zeit.

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Frizz Muche, Metallarbeiter.

,, Tschechoslowakisch." Durch den Friedensver­trag wurde eine tschechoslowakische Sprache ge­fchaffen. Daß es dieses Sprachenunitum nicht gibt, beweist die Tatsache, daß man das Werk des fiche­chischen Schriftstellers Jiraset ins slowatische übersetzen will, um es den-Slowaken" ver­ständlich zu machen. Dieser Fall steht wohl einzig da, denn in welcher Sprache sonst geschieht es, daß man ein in ihr geschriebenes Wert übersetzen muß, um es einem dieselbe" Sprache gebraut chenden Teile des gleichen" Voltes verständlich zu machen?

Christliche Nächstenliebe. Wie wir seinerzeit berichteten, wurde bei Polna   die Marie Pyt­lit ermordet aufgefunden. Der katholische Pfar­rer von Bolna ließ aber Marie Pytlik nicht inner­halb der den sonstigen Sterblichen zugewiesenen Abteilung des Friedhofes, sondern in der Selbst­mörderede begraben. Die Erregung unter der Bewohnerschaft ob dieses eigenmächtigen und un­erhörten Vorgehens des fatholischen Pfarrers, der einem unglücklichen Mädchen die letzte Ehrung verweigern will, ist groß.

Unwetterkatastrophe in Kaplik. Ein Genosse aus Kaplik schreibt uns: Die Umgebung von Kaplin wurde binnen wenigen Tagen das zweite mal von einem schweren Gewitter heimgesucht. Am 23. Juli entlud sich ein furchtbares Ünwet­ter, begleitet von einem Orfan, welcher unzählige Bäume entwurzelte; Dächer wurden abgedeckt, die Korngarben auf den Feldern wurden wegge tragen, so daß die Besitzer nicht wußten, wo sie zu suchen seien. Auch in den Wäldern wurde ein großer Schaden angerichtet. Am 1. Auguft brach ein neues Gewitter los. Durch Blitzschlag wurde eine Bauernwirtschaft in Subene bei Stap i ein Raub der Flammen. Der Wolfenbruch, welcher niederging, verursachte eine Ueber cho em mung in einem Teile von Kaplik, der am Neuhanselbache liegt, weil der Bach das Waffer nicht mehr faffen konnte. Mit Mühe ge­lang es, die Haustiere zu bergen. Holz und ver schiedene Geräte wurden fortgeschwemmt. Der

beiter und Kleinhäusler betroffen. Der Bach be

noch nicht abschätzen. Zum Großteil wurden Ar­

Das Massengrab von Troßkoje. Bei der Man sieht, Wollschack versteht es vortrefflich, Deutschen Verlagsgesellschaft für Politik und Ge­den Monarchisten den Weg zu bereiten. Den schichte in Berlin   wird Elsa Brandström  , die Monarchielustigen ruft er zu: Macht der Tochter des früheren schwedischen Gesandten in Schmach Deutschlands   ein Ende!" Und die, die Eine Schande der Zivilisation". Unter die- Petersburg, ein Buch in deutscher Sprache ver­bei der Erinnerung an die Zeiten Wilhelms viel­öffentlichen, das das Elend und die furchtbaren leicht doch ein Grauen befällt, tröstet er mit der ſem Titel bringt der Brünner Straz Sozia Qualen in den russischen Kriegsgefangenenlagern Behauptung: Die Republik   ist nicht in Gefahr." lismu" einen Artikel, dem wir folgende Daten barstellt. Ein besonderes Kapitel in diesem Buche einer anderen Stelle, schon weniger verblümt, fangenschaft befinden sich derzeit noch 30 met, in dem vom März 1915 bis März 1916 Und seine persönliche Meinung gibt er dann an entnehmen: In der französischen   Geist dem Gefangenlager von Trottoie gewid verursachte Schaden ist sehr groß und läßt fich zum besten: Es ist mindestens eine Torheit", deutsche Soldaten, die wegen verschiedener 17.000 von 25.000 Striegsgefangenen dem meint Renegat Wollschack, der monarchistischen Vergehen nach§ 219 des Versailler Friedensver- wahnsinnigen Wüten einer Fled typhus epi- darf dringend der Regulierung. Weil es aber zu Berfassungsform das menschliche Elend und die trages verschiedene Strafen abzubüßen haben. Die be mie erlagen. In der Wiener   Arbeiter einer Seltenheit gehört, daß eine Ueberschwem­politische Rechtlosigkeit zur Last zu legen." Dieses Liga für Völkerrecht hat die französische   Regie- zeitung" wird aus diesem Buche eine Stelle zi- mung eintritt, finden es die Kapliker Gemeinde­mindestens" verrät, daß der aller Ehren werte rung um Entlassung dieser Gefangenen ersucht, tiert, der wir folgendes entnehmen: Die tägliche gewaltigen nicht für notwendig, sich ernstlich mit Professor Dr. Wollschack demnächst schon den Be- doch besteht bisher keine Hoffnung, daß dies ge- Sterblichkeit stieg von 20 auf 70, auf 100, auf dieser Frage zu beschäftigen. weis führen wird, wie herrlich es unter dem schehen wird. Die Gefangenen befinden sich auf 350. Es liegt wie ein Fieberwahn über allem Der erste Nationalpark in der Tschechoslowa­monarchistischen Regime war und wieder wäre. Der Festung Lamalgue bei Toulon  . Wenn Denken. Soll eines Tages feiner mehr leben? lei wurde am Sonntag auf einer Anhöhe bei Jedenfalls empfiehlt er sich den monarchistischen man die Vergehen und die Strafen, die diese Ge- Soll niemand aus dieser Hölle herausfinden? Stramberg   in Mähren   eröffnet. Es ist dies der Safenkreuzlern und Meuchelmördern, die er fangenen abzubüßen haben, durchficht, bekommt Sollen alle den Verstand verlieren? Bis 2500 erste Nationalpark n diesem Staate, der nach dem selbstverständlich in Schutz nimmt, wärmstens. Er man eine Vorstellung davon, mit welch brutalen Leichen liegen unbegraben angehäuft; Ratten und Muster seines großen amerikanischen   Vorbildes ist zu weiteren Diensten für die Sache Wilhelms Mitteln die franzöfifche Soldateska den Saß ge- Sunde nagen an ihnen. Dann bringt man sie zu geschaffen wurde und den gleichen Zweden dienen und seiner mordenden Offiziere jederzeit bereitgen die Deutschen   übt; denn die Gefangenen dreißig auf einen Schlitten, schlingt ein Seil um soll, nämlich der Erhaltung einer Waldlandschaft was wir in dem Bewußtsein zur Kenntnis neh- müssen Strafen bis zu lebenslänglich ab- die Laſt und die Totengräber gefangene Sta- in ihrer ursprünglichen naturwüchsigen Schönheit. men, daß einem Renegaten alle Wege und Ziele büßen, weil sie sich fleine Delikte haben zuschul- meraden seßen sich darauf. Wie können sie Eine neue tschechoslowalische Transversalbahn. genehm find. Wer weiß, wo man den Wollschack den kommen lassen. Einer von den Gefangenen das? Nur der Außenstehende stellt eine folche Da die Kaschau- Oderberger Bahn   an vielen Stel­it och antreffen wird. büßt mit sieben Jahren Zwangsarbeit Frage. Im Lager achtet niemand auf diese Lei- len in der Nähe der Grenzen läuft und so bei

Erwedung.

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alten abgeschabten Samtweste und nichts weiter sein als der Haustnecht eines Wintelhotels. Sie hörte ihr erstauntes Lachen, als sie die Verwand­lung zum ersten Male gewahrte, fah seinen nicht verstehenden tindlichen Blick, mit dem er an sich hinunterfah. Dieser Blick hatte ihr weh getan, eine Minute lang, weil sie ihn von sich selber fannte, weil sie ihn bei niemand ertragen konnte. Es war der Blick hilfloser Armut, es war der Blick des Menschentieres.

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westlichen Städte zurüdeilen wollte das Nichts folgte ihr überall hindas wußte sie war von heute treueſter Liebhaber, mischte das Gift und reichte es ihr oder drückte in ihr mit Ströten be­setztes Haar die goldpapierene spitgezadte Krone des Jrrsinns.

Das sah sie: Aber sie bedeckte nicht die Augen, vergoß nicht eine Träne, zitterte auch nicht mit den Mundwinkeln. Erſtarrt stand fie am Fenster, fah die Türme und Berge ihrer Heimat und sah das Nichts.

8.

Wo war Mladen? Sein Pferd war ohne ihn gekommen, hatte Schweiß an Flanten und Bauch und schrat von Zeit zu Zeit zusammen, den Stopf werfend. Jm Anfang dachte man nichts Arges und Begouja sagte: Er ist in die Wagen der Schwaben   eingestiegen. Dem Schimmel warf er die Zügel um, da rannte er nach Hause."

Ein Roman von Oskar Maurus Fontana  . So war sie eingeschlafen. Ein plöz­licher Ruck weckte sie, es war sintende Nacht, die bittere schredhafte Armensünderstunde, wo die Nacht im Sterben liegt und der Morgen noch im­mer nicht kommen will. Der Zug hielt in einem großen Bahnhof war es nicht Stuttgart  ?- Stand sie jetzt im Zimmer ihres Mädchen­bann fuhr er weiter. Und jetzt erschrat sie, daß ihr tums anders als damals der pensioniere Oberst? Pltem stille stand. Es regnete draußen, ganz fein So kam sie heim, so leer, so innerlich ausgebrannt. und nur in dünnen Tropfen, aber es regnete, fie Aber die Heimat hatte gestanden. Immer. Die hörte das Wasser auf die Dächer der Wagen fallen, Heimat, Turm um Turm. Vater. Zimmer. Hatte auf die Wiesen und Teiche. Alles Glück war aus gestanden, hatte auf sie gewartet. Nun aber sah ihrem Herzen entschwunden in sinnloser Flucht. fie, auch die Heimat war verbrannt. Es gab für Nichts war als dieser schwermütige Regen in der sie keine Heimat mehr, sie schritt auf bis zum Behmut der sterbenden Nacht. Und sie begann zu Grund von den Flammen zerfressenem Mauer­weinen, fassungslos, stundenlang, immer wieder schutt. In aller Armut hatte sie gefühlt: Noch geschüttelt. Sie sah ihn nie wieder, den Legations  - bin ich reich, noch habe ich Heimat. Hier aber, zu Aber die Schwaben tamen nicht. Die Sonne ekretär der französischen   Botschaft mit seinen Dr Hause wurde sie in die tiefste Armut gestürzt: stand schon hoch oben. Niemand kam, niemand bensbändchen. In jener Nacht wurde er bei einem Heimatlosigkeit. Der leuchtende Seidenfaden, an brachte Nachricht. Da wurde die Frage: Wo ist Belage beiBarmädchen verhaftet.Er war berlangge- dem einzig sie gehangen und der sie im Raum Mladen? immer stärker, dunkler und fordern­uchte, mastierte Hoteldieb der Riviera, der Bech aufrecht gehalten gehalten hatte, war durchschit- der. Sie brachte Unruhe in das Schauen und Ge­preller und Mädchenhändler, der als Stellnerbub ten, sie war zusammengestürzt, vernichtet. hen der Menschen. Sie erwarteten immer von ir­begonnen und einen Winter lang als französischer In solcher beschämenden Entblößung fah sie gendwoher etwas, für das sie selber nicht Namen usbrecherkönig die Sensation aller europäischen zum Fenster hinaus. Sie sah in den Schneefeldern hatten, von dem sie aber wußten, daß es da war. Varietes gewesen war. Alles hätte sie ihm verzie weit und weit unabsehbare Reihen schwarzer Als es gegen Abend ging, hatte Begouja hen, Kellnerdasein, Maste des Räubers, Schmut Punkte sich verschieben und näher kommen Lafar, der mit zusammengezogenen Lippen, schwei­bes Stupplers aber die Barmädchen in der Nacht waren es Menschen? sie sah einen Schimmel gend wie immer, teilnahmslos vor den Ofen ge­ihrer Reise die verzieh sie ihm nicht, tonnte sie herrenlos, schweißbedeckt mit fliegenden Nüstern hockt hatte, auf die Suche geschickt. Nach zwei ihm nicht verzeihen. Auch heute nicht. Und sie sah und verschreckten Augen auf den Turmplay ga- Stunden tam er allein wieder. Die Knechte und ben pensionierten Oberst mit den hängenden Bal- loppieren war es der Schimmel, auf dem Mägde umwirrten ihn in einem Senäuel, fragten lentaschen und seinen an den Rändern stets Mladen vor Stunden hinuntergeritten war? Aber flüsternd und ängstlich. Er gab teine Antwort, schmutzigen Ohren. Er würde sie noch immer sie dachte nicht nach, sie sah das alles und sah es hatte den Stopf etwas seitlings gelehnt, aber nach uchen, trostlos über ihr Verschwinden fein und nicht, sie sah das Nichts im Weltenraume, das oben gerichtet immer hatte er ihn sonst ge­ich betrinten. Sie sah ihn vor sich in seinem granenvolle höllische Nichts, sah sich ihm verfallen. fenkt gehabt und hatte in Blick und Gang länzenden Rock mit goldenen Aufschlägen und sah und wenn sie auch hier nicht bleiben konnte, wenn etwas von einem Schlafwandler und der Selig hn, wenn er die Uniform abgelegt hatte, in einer fie schon morgen wieder in den Lärm der großen teit eines solchen Traumes. Nie hatte ihn einer

so gesehen, sie wichen vor ihm zurück, der Kreis teilte sich, er schritt zur Türe, öffnete sie mit der müden Sicherheit eines Somnambulen, ging durch die Gänge und trat in das Zimmer des Degs.

Der saß vor seinem Schreibtisch, ordnete Pa­pier und schrieb. Beim Eintreten Lasars wandte er leichthin den Kopf, ohne von der Arbeit ab­zulassen, und fragte ganz ruhig: Nun?"

Lasar aber schwieg. Er sah den vor ihm Sit­zenden an und vergessene Weichheit, dem Gefühl der Liebe ähnlich, brach in seinem zerwühlten, ver härteten Antlitz auf, strahlte jäh über in Triumph, die ganze Gestalt erhöhend, und wurde wieder zara tes Gefühl der Zusammengehörigkeit. Er sprach noch leiser als sonst: ,, Bundesbruder!"

Von diesem seltsamen Ton getroffen, in dem nichts Ganzes war, in dem Streit der Gedanken und Gefühle noch bebte, stockte die schreibende Hand des Begs. Er drehte sich um, sab Lasar voll an. Dessen Geficht wurde plößlich Entschlossenheit, und was eben noch wie Liebe geschimmert hatte, fun­telte nun steinhart wie Haß.

Begouja merkte die Verwandlung sofort­zu lange hat er den gekrümmten Lafar um sich gesehen Feindschaft sprang ihn an. Rasch und wuchtig hob er sich vom Stuhl, und Aug in Auge mit dem anderen rammte er das Wort wie einen Pfahl ein: Bundesbruder!"

Sie saehn einander an, schwiegen. Aber beide dachten an die vielen gemeinsamen Stunden der Jugend, an Spiele, an Schwimmen, an Mäd chen, an Hoffnungen, an den Kuß, der die Sieb­zehnjährigen am Georgstag zu Bundesbrüdern gemacht hatte. Beide, vom Alter angerührt, wur den wieder jung, und beide wußten in dem einen Augenblick des Schauens, daß alle gelebte Ge­meinsamteit zerstampft sei, daß Todfeindschaft sich zwischen ihnen aufgetan habe. ' Fortseßung folgt.)