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An die
a.21
Kreisgewerkschafts
Kommission
Boltichedamt 57544.
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2. Jahrgang.
Fischern.
Lastenstr.87.
aldemokrat
Semiruivryun ve Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.
Mittwoch, 23. August 1922.
Die Glasindustrie vor dem Zusammenbruch.
Flammenzeichen.
13.000 Glasarbeiter und Arbeiterinnen arbeitslos.
Mehr
als 20.000 arbeiten nur zwei bis drei Tage und stehen vor der Gefahr der gänzlichen Arbeitslosigkeit.
Tannwald, 22. August.( Eigenbericht.) Mit dem Steigen der tschechischen Krone an der Züricher Börse ist auch gleich mäßig die Not und Elend der in der Glasin dustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinn en gestiegen. Im Verlaufe der letzten Woche ha ben die Verhälnisse tatastrophale Formen angenommen, so daß die gesamte Industrie vor ihrem Zusammenbruche steht. Die Glasin dustrien haben nun am vergangenen Samstag mit Maffenentlassungen begonnen und dadurch die ohnehin troftlosen Verhältnisse in unserer Industrie noch verschärft.
In sämtlichen Glasfabriken West. und Nordwestböhmens wurde die gesamte Arbeiterschaft gekündigt. Die Arbeiterschaft der Glashütten des Haida Steinschönauer Bezirkes steht ebenfalls vor ihrer Entlassung. In den Raffinerien im Gebiete Haida- Steinschönau sowie des Jsergebirges stehen für die nächste Woche ebenfalls Massen entlassungen bevor. Die Heim industrie liegt gänzlich brach. Die Katastrophe, welche schon seit langem wie ein drohendes Gespenst über unserer Industrie schwebte, bricht nun mit elementarer Gewalt herein. Dabei gibt es noch eine ziemliche Anzahl von Unternehmen, die glauben, die Situation durch
Lohnreduzierungen
Mit Erschütterung wird jeder die grauenbollen Nachrichten lesen, die aus den größtenteils deutschen Randgebieten der tschechoslowa tischen Republik in alle Teile dieses Staates bringen. Seit zwei Jahren gibt es in diesem industriellen Territorium, auf dem zum Großteil der Reichtum des Staates beruht, wo die Kohlenschäße lagern, die unsere Handelsbilanz aktiv machen und für die Industrie günstige Bestandsbedingungen erzeugen, tausende von Arbeitslosen, die auf die färgliche Arbeitslosenunterstützung angewiesen find, Hände, die gern arbeiten möchten, aber zum Feiern gezwungen find. Alle Hoffnungen, die diese fleißige und intelligente Arbeiterbevölkerung hatte, daß es bald wieder besser werden wird, daß sie sich wieder durch redliche Arbeit das Notwendigste verdienen wird, sind zuschanden geworden und neues Ungemach bricht täglich über die arbeitende Bevölkerung des Randgebietes herein. Insbesondere die Glasindustrie ist von einer Katastrophe ergriffen, wie sie seit ihrem Bestehen keine heimgesucht hat. Die Aufträge werden storniert, unterwegs befindliche Waren aufgehalten, das Geschäft stockt. Die Metallindustrie sperrt einen Betrieb nach dem anderen es gibt wohl kaum einen größeren Metallbetrieb, wo nicht Kurzarbeit geleistet würde und auch die Beamten, die sich stets von der Arbeiterschaft dadurch zu unterscheiden bermeinten, daß fie Lebensstellungen" hätten, während der Arbeiter von einem Tag zum andern leben müsse, in der Ungewißheit, wo er in der nächsten Woche sein Brot finden werde, werden massenweise entlassen und teilen das Schicksal des modernen Proletariers. Und die Herren Fabrikanten, statt alle Hebel in Bewegung zu sehen, um der Serise Herr zu wer den, haben in dem schlechten Geschäftsgang ein vorzügliches Mittel erblickt, um die Arbeiter aller Rechte zu berauben, um ihre Löhne zu kürzen, um alle Errungenschaften, die sich die Arbeiterschaft feit 1918 erworben hat, zu demolieren. Sie sehen nur ihr Profitinteresse, mögen darob die Kinder ihrer Arbeiter verhungern, mögen die Arbeiter, die zwei oder drei Jahrzehnte in einem Betrieb Bon 922 Arbeitern nur 110 voll beschäftigt. gearbeitet und ihre ganze Lebenskraft ausgegeben haben, um dem Unternehmer Mehrwert zu schaffen, auf der Straße zu Grunde gehen.
retten zu können. Zumindest wird unter der Arbeiterschaft dieser Anschein erweckt. Man bietet vielfach in den noch beschäftigten Betrieben Lohnreduzierungen an unter der Vorspiege lung, dadurch die Arbeiter vor gänzlicher Arbeitslosigkeit retten zu können. In Wirklichkeit ist dies aber die strupelloseste Ausbeutung der trostlosen Lage, um noch aus dem Elend der Arbeiter separaten Profit schlagen zu können. Die Gewerkschaftsverbände der Glasarbeiter
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haben sich an die Regierung gewendet, da mit diese endlich Maßnahmen treffe, die drohende Statastrophe abzuwenden. Es sind ihr Forderungen unterbreitet worden, in welchen die sofortige Aufhebung der Kohlenabgabe, Berminderung der Frachttariffäße und Postgebühren, Schaffung der größtmöglichen Ericichte rungen für die Einfuhr der Rohprodukte, welche die Glasindustrie braucht, sowie für die Ausfuhr der fertigen Fabritate verlangt wird. Ferner wird auch die größtmöglichste Unterstüßung der Arbeitslosen gefordert. Es wird nun im Berlauf der nächsten Wochen von der Regierung eine Enquete aller an der Glasindustrie beteiligten Faktoren stattfinden, um über die Möglichkeit einer Abwendung der Katastrophe zu beraten. Die Vertreter der Gewerkschaften werden dort ihre Forderungen mit aller Entschiedenheit vertreten und durchzusehen versuchen. Ferner wird auch die zurücknahme der erfolgten Entlassungen gefordert werden mit dem gleichzeitigen Verlangen, eine Kontrolle der Betriebe durchzuführen, ob die Entlassungen oder Betriebseinschränkungen begründet find. Sämtliche Entlassungen sollen zurückgenommen und den Arbeitslosen die staatliche Unterstüßung ausbezahlt werden, wozu der Unternehmer einen entsprechenden Beitrag zu leisten hat. Der Zentralverband der Glasarbeiter mit dem Site in Tannwald hält auch im Verlaufe der nächsten Tage in allen Orten Versammlungen ab, in denen die Arbeiterschaft über die Ursachen der Katastrophe au fgeklärt werden und eine Entschließung, die notwendigsten Forderungen beinhaltend ,, zur Annahme unterbreitet wird.
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Nr. 197.
Wenn die alten Griechen nicht wußten, was sie in schweren Augenblicken ihres Daseins tun sollten, so lenkten sie ihre Schritte vertrauensvoll nach Delphi und fragten eine weise Frau, die Pythia , um Rat, die aus Dämpfen, welche
einem Abgrund entstiegen, den Willen der Göt
ter herauszulesen vorgab. Ihre dunklen Andeu tungen wurden von den Priestern Delphis in noch dünklere Sprüche gekleidet, in die man hineininterpretieren konnte, was das Herz einem nur eingab, und das taten denn auch die Ratheischenden, die mit dem Rätselspruch beschenkt wieder heimpilgerten, nach Kräften.
Diese geschichtliche Erinnerung drängt sich unwillkürlich bei der Lektüre des amtlichen Be richtes über die Begegnung Beneš- Seipel und ebenso angesichts der Darstellung auf, welche Bundeskanzler Seipel den Prager Journalisten über den Erfolg" seiner Prager Reise gab. Mit besonderer Freude hob der Herr Prälat hervor, daß er nichts zu verheimlichen brauche" und daß ,, jedes Wort auch vor der Deffentlichkeit Bestand" habe. Wie denn auch nicht? enthält doch fein Wort einen greifbaren Kern, ist doch jedes wie Gummi dehnbar und pythisch dunkel! Es ist der alte, liebvertraute Brauch des Herrn Dr. Beneš, noch verstärkt durch die berufliche Art seines geistlichen Mitunterredners, mit sehr, vielen Worten weniger als nichts zu sagen.
Man bedenke nur, worum es in den Ges sprächen ging, und vergleiche mit dem wahrlich weltbewegenden Thema das unsäglich dürftige Resultat der Besprechungen. Desterreich steht vor dem Zusammenbruch. seine Bevölferung vergeht in Sunger und jammervoller Arbeitslosigkeit, aus der Verzweiflung und Empörung drohen Flammen emporzuschlagen, die Mitteleuropa verzehren und damit den ganzen Kontinent als Stulturfaltor auslöschen können. Silfe tut int nächsten Augenblic not, Hilfe von innen und von außen. Selbstbehauptung, zu der die borhandenen, privattapitalistisch gebundenen Reichtümer Desterreichs doch eine gewisse Grundlage liefern, mußte sich verbinden mit der Einsicht der immerhin besser gestellten Nachbaren, daß der Brand der österreichischen Hütte auch ihr eigenes Haus in Flammen seßen muß. Statt dessen unternimmt der für Desterreichs innere Politik verantwortliche Dr. Seipel im eigenen Lande nichts und geht mit einem nebelhaften Programm auf Reisen; und der erste Nachbar, an den er sich wendet, speist ihn mit Zusiche rungen ab, die jenes Programmes durchaus würdig find. Tröstungen wie ein greinends Kind braucht Desterreich nicht, aber Dr. Seipel hat fie Unterftügung vom Völkerbund zu gewärtigen sei, und Entlassungen in größerem Dr. Benes hat sie gespendet, wenn er ver sicherte, daß gewisse Mächte" beim Völkerbund das Beste zu tun gewillt seien.
Betriebseinschränkungen bei Mannesmann. probiert, wenn er fragte, weldje
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Umfange zu befürchten. Komotau , 22. Auguft.( Eigenbericht.) In den Mannesmannröhrenwerken in werden, wie uns mitgeteilt wird, bedeutende Betriebseinschränkungen vorgenommen. Ab 20. Auguft arbeiten folgende Betriebe nur noch in fünf Schichten: Walzhalle, Brecherei, Stahlplay, Hammerwerk, Fertighalle und mechanische Dreherei. Von diesen Betriebseinschränkungen werden 700 Arbeiter betroffen. Ferner arbeiten ab 20. August in vier Schichten: Kaltziehhalle, Mastenfabrik und Schlangenfab rit. Von dieser Einschränkung werden 112 Arbeiter betroffen. Die Gesamtbelegschaft der Betriebe beträgt 922 Mann, wovon nur noch 110 Mann durch sechs Schichten voll beschäftigt sein werden. Neue Entlassungen sollen vor der Hand nicht vorgenommen werden, doch werden, wenn sich der Absatz der Werte weiter verschlechtern sollte, Entlassungen in größerem umfange be. fürchtet.
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Während solche leere Worte ausgetauscht werden und man ihre Umsetzung in die Wirklichkeit erhofft, fann Oesterreich verreden. Soll aber das schwere Wert des Anschlusses an Deutschland zustande kommen, muß die ganze Welt des österreichischen Voltes unerschütterlichen Willen dazu sehen, eine zaghafte Anfrage mit fromm- priesterlichem Augenaufschlag fann Frankreichs starres Nein" nicht wenden und natürlich auch die geringe Geneigtheit des Herrn Dr. Beneš nicht umstimmen, der doch seine Weifungen aus Paris empfängt. Demgemäß blieb die Aufrollung des mitteleuropäischen Problems" durch Dr. Seipel völlig resultatlos, und weil seine Anschlußpistole nur mit Wasser ge laden war, fonnte er auch für eine wirtschaft liche Annäherung an die Tschechoslowakei nichts Kläglicher fonnte der Besuch gar nicht ent
Das Empörendste aber in dieser fürchterlichen Entwicklung, die das Bestehen der tschechoslowakischen Industrie bedroht, die unsere Arbeiterschaft zu Tausenden zur Auswande rung zwingen wird, wenn es nicht bald anders wird, ist die Untätigkeit und Impotena ber gegenwärtigen Regierung. Man hört auch nicht ein Wort davon, daß sich der Ministerpräsident und die Verwalter der wirtschaftlichen Ministerien für die jämmerliche Notlage der Arbeiterbevölkerung unserer verantwortlichen Wirtschaftspolitiker der Regierung nicht mehr gefallen lassen! Herr auch nur interessieren. Der Herr Beneš ver verdoppeln, um eine Besserung zu erzielen. Beneš möge nicht unterschäßen, was es heißt, handelt mit aller Welt, er hat die kleine Aber man scheint jetzt andere Sorgen zu haben, wenn 13.000 Glasarbeiter arbeitslos find. Entente im Stopfe, das militärische Bündnis die Pětka verhandelt, wer Minister werden denen morgen vielleicht tausende Arbeiter aus mit Südflawien muß befestigt werden, er gibt soll, die Tätigkeit des gegenwärtigen Ministe- anderen Branchen folgen werden. Der Arbei- Wesentliches durchsetzen. allen Menschen in Europa Ratschläge, wie man riums erschöpft sich darin, geduldig abzuwarten, terschaft hat sich eine Erregung bemächtigt, die es machen soll, die englischen und französischen bis ſein Ende naht, die Minister interessiert es zur staatlichen Notwendigkeit den. Wenn er ein Ergebnis gezeitigt hat, so die illustrierten Blätter beschäftigen sich mit ihm nichts mehr, sie überlassen großmütig und frei- macht, daß sich die Regierung ernstlich mit den Erkenntnis, daß die kapitalistisch organisierten damit ist für die Unsterblichkeit genug getan. gebig alles ihren Nachfolgern, von denen man Forderungen der Gewerkschaftszentralen be- Staaten der Weiterentwicklung ihres Schidials Dafür vergißt man es ganz, daß das Mini- wieder nichts zu erwarten haben wird weil schäftigt. Wenn die Herren meinen, sich über rat- und machtlos gegenüberstehen. Der ihnen Agrarzölle noch unterhalten zu können, mit des Problem nur aus dem Gesichtswinkel des wesenhaft innewohnende Egoismus läßt jie je- l fterium, dem er vorsißt, auch nur eine Spur sie sich werden einarbeiten müssen. Die Regierung aber verkennt die Situa- dem Gedanken der Verteuerung aller Lebens- eigenen engsten Vorteiles betrachten, er heißt fie von Energie und Zähigkeit entwickelt, die troſtlosen wirtschaftlichen Verhältnisse zum tion. Die Arbeiterschaft kann es sich nicht mehr bedürfnisse wie ein Stind mit dem Feuer zu rechten und markten, auch wo ein Opfer für den Besseren zu wenden. Man mag uns nicht ent- gefallen lassen, daß ihren Eriſtenzbedingungen spielen, nur damit die Agrarier fette Profite andern ihre eigene Rettung bedeutet. So oragegenhalten, daß die Wirschaftskrise in der von denen, deren Pflicht es ist, so wenig Auf- machen, dann verkennen sie die kritische Lage, felte Dr. Benes über Desterreichs Zukunft, als Tschechoslowakei ihre Hauptursache in der durch merksamkeit geschenkt wird. Die Regierung in der sich die Arbeiterbevölkerung befindet. läge das Land auf dem Monde und wäre nicht den Strieg und die Nachkriegspolitik zerrissenen sieht untätig zu, wie die Unternehmer ihre Be- Die Erregung unter den nordböhmischen Ar- sein unmittelbarer, nach aller menschlicher VorWeltwirtschaft hat, daß unsere besondere triebe sperren und tausende von Arbeitern ein- beitern verlangt von Herrn Beneš nicht ge- aussicht zur Schicksalsgemeinschaft verurteilter Not nur ein Ausdruck der allgemeinen fach auf die Straße werfen. Die Gewerkschaften schniegelte und gestriegelte Worte aus seinem Nachbar; und die tschechische Presse ergeht sich Not ist: Dieser Gemeinplay läuft auf stille Re- haben in einer Konferenz vor mehr als sechs reichhaltigen diplomatischen Wörterbuch, son- in Orgien der Selbstgefälligkeit und Eitelkeit, des Hasses, der Rachsucht und des Geizes, indes fignation hinaus, auf ein Sichergeben in das Wochen bereits den Weg gezeigt, den die dern ernste Maßnahmen. Die Regierung darf sie verpflichtet wäre, ihren Lesern zu sagen: Unglüd Europas ,. das niemals weniger ange- Pflicht den Regierungsmännern schon längst nicht länger zögern, sonst ruht die Verantwor- Area res agitur!" es geht um deine höchstbracht war als jeßt. Gerade deswegen müssen hätte weisen sollen. Außer der Herabsetzung der tung für alles, was kommen wird, auf ihr. eigene Same! Du lebst und stirbst mit Defter wir im Innern alles tun, um die Folgen der Kohlensteuer hat aber die löbliche Regierung Caveant conjules die Regierung sei ge- reich!" Wo es gilt, über die Grenzen des ach Weltwirtschaftsfrise für die Tschechoslowakei nicht das Mindeste getan. Die Ar- warnt! abzuschwächen, gerade das müßte pie Straft beiterschaft wird sich diese Trägheit von feiten want!
sehen, bersagt eben der Kapitalismus in feinen Wortführern und in jedem seiner Organe.