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Redaktion

Kreisgewerkschar

An die

Kommission

Einschaltungen Preisnachlaß.

2. Jahrgang.

Fischern.

Lastenstr.87.

ldemokrat

eutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.

Freitag, 1. September 1922.

Das Spiel mit dem Feuer. Zahlungsaufschub für Deutschland  .

Die große Tragödie Deutschlands  , deren verhängnisvoller Aft vielleicht eben jetzt in Paris   zu Ende gespielt wird, und das in sei­nen Grenzen kleinere, doch ebenso furchtbare Drama Desterreichs, haben, weil man hier ganze Völker und Staaten um Sein und Nichtsein ringen steht, die Aufmerksamkeit von den Dingen der Diplomatie abgelenkt. Man schaute erschüttert auf die Vorgänge selbst und übersah leicht die jämmerliche Art und Weise, auf welche die verantwortlichen Männer, spie= lenden Kindern gleich, bereit waren, unter dem Notbau diefer Nachkriegswelt ein Feuer anzu­Iegen.

Wenn die Zeitungen in den letzten Tagen nicht die große Sturmglode drohender Kriegsgefahr geläutet und Kriegshezze betrie­ben haben, so ist das nur das Verdienst der Nationen Mitteleuropas  , die einfach zu schwach und ausgesaugt sind, als daß sie wie­der in das selbstmörderische Stahlbad" hin­eintaumeln fönnten; die regierenden Dilettan ten taten jedenfalls das Ihre, um einen zwei­ten Juli 1914 herbeizuführen. Wie damals Leichtsinn, Unverstand und ruchlose Verwegen­heit mit dem Feuer spielten, bis das Ultima­tum zur Büchtigung" Serbiens   herausfam und die haltlose Mutmaßung einer Bokalisa­tion" des Brandes an der harten Wirklichkeit zerschellte, so ging jeßt, durch keinerlei Erfah­rung gewißigt, der Prälat Seipel auf Rei­sen und begann, die kleine Entente, Deutschland   und Italien   gegen einander auszuspielen. Und man muß den Atteuren des von Seipel inszenierten Puppentheaters den Ruhm lassen: sie erwiesen sich der Intentionen ihres hochwürdigen Herrn Regisseurs. durch­aus würdig und zeigten sich bereit, so lange bramarbasierend und mit den Säbeln zu ras seln, bis das hohle Geflunker wieder zu einer traurig- blutigen Wirklichkeit führen konnte.

Deutsche   Schatbons mit sechsmonatiger Laufzeit zahlbar in Gold.

Paris  , 31. August.( Wolff.) Nach dem gemeldeten Beschlusse über das Moratoriumsgesuch Deutschlands   nahm die Reparationskommission einstimmig folgende Entschließung an:

Die Reparationskommission beschließt über das neue Moratoriumsgesuch vom 12. Juli 1922 mit Rücksicht darauf, daß Deutschland   jeden Kredit nach innen und außen verloren hat und die Mark auf drei Tausendstel ihres Wertes gefallen ist, zu entscheiden:

1. Die Reparationskommission verschiebt den Beschluß über das Gesuch, wie es von Deutschland   gestellt worden ist, bis sie den Plan einer radikalen Reformen der öffentlichen Finanzen Deutschlands   fertiggestellt hat, der folgendes vorsicht:

a) Gleichgewicht des Budgets,

b) die etwaige Herabsehung der auswärtigen Schuldenlast Deutschlands   für den Fall, daß die in der Reparationskommission vertretenen Regierungen vor­her ihre Zustimmung gegeben haben in dem Maße, wie eine solche Herabsetzung als für die Herstellung seines Kredites notwendig erachtet werden würde, c) Währungsreformen,

d) Aufnahme äußerer und innerer Anleihen unter Berüdsichtigung Konsolidierung der finanziellen Lage.

Der

2. Um für die Vorbereitung und Durchführung der in dem vorerwähnten Paragraphen 1 angekündigten Maßnahmen die notwendige Zeit zu schaffen, wird die Reparationskommission als Begleichung der Barzahlun= gen, die am 15. August und 15. September 1922 fällig find, und falls nicht in der Zwischenzeit andere Vereinbarungen getroffen worden sind, als Verglei­chung der darauf folgenden Barzahlungen, die zwischen dem 15. Oktober und dem 15. Dezember 1922 fällig werden, deutsche Schahbons mit sechsmonatiger Laufzeit zahlbar in Gold annehmen, Bons, die mit Garantien ausgestattet find, über welche die deutsche   Regierung und die belgische Regierung, für die die Barzahlungen bestimmt sind, sich einigen werden und, falls keine derartige Vereinbarung zustande kommt, garantiert werden durch Deponierung von Gold bei einer auswä v- tigen Bank, zu deren Wahl   Belgien seine Zustimmung gibt.

Die Abstimmung.

Daß die Reise Seipels mit ihren verwo­Paris, 31. Auguſt( Wolff).   Frankreich und genen Vorschlägen eine mittel- und osteuro-   Belgien stimmten in der Reparationstommiſſion päische Striſenſtimmung hervorrufen müsse, lag gegen die Gewährung eines Moratoriums an auf der Hand, nur der gute Mann selbst schien   Deutschland. England stimmte dafür,   Italien ent­davon rein gar nichts zu ahnen.   Deutsch- hielt sich der Abstimmung. Desterreich, der. Kristallisationskern, um den sich einst der alte Habsburgerstaat zusammen­schloß, olog, ist aus eben biejem Grunde auch der

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Nr. 205. Dunkle  

Wolfen. Von Rudolf  

Breitscheid.  Berlin, den 29. August 1922.

Nach dem gewaltigen Sturz am Anfang und in der Mitte der vergangenen Woche ist die Mart wieder ein wenig in die Höhe gegangen. Es gibt Optintisten, die in dieser angesichts des absoluten Standes unserer Valuta wirklich sehr geringfügi­gen Erholung das Anzeichen einer Wendung zum Besseren erbliden, und diese Leute stüßen sich dabei auf die velativ günstige Darstellung, welche die deutsche Regierung von dem Verlauf und dem Abschluß der Verhandlungen mit den Ver fretern der Reparationskommission gegeben hat. Aber es ist leider mehr als zweifelhaft, ob die Hoffnungen, die durch diesen Bericht und die Reise   deutscher Regierungsvertreter nach Baris erweckt werden, berechtigt sind. Man muß es ganz unumwunden aussprechen, daß die Konfe renzen bisher zu feinem Ergebnis geführt ha ben, und wenn auch in letzter Stunde von deut­  scher Seite ein neuer Vorschlag gemacht worden ist, der bekanntlich auf eine Garantierung der vertragsntäßigen Kohlen und Holzlieferungen durch Reichsverträge mit der Privatindustrie hin­ausläuft, so handelt es sich hier doch eben nur um einen Vorschlag, und die Aussicht, daß sich mit ihm die Poincarésche Idee der produktiven Pfänder" abwürgen laffe, ist noch recht gering.

Die über   Deutschland hängenden   Wolfen find nicht zerstreut worden. Die Gefahr bleibt bestehen, daß die Reparationsfommission das Mo­ratorium entweder ablehnt oder an Bedingungen Inüpft, die in   Berlin für unerfüllbar gehalten werden, oder daß   Frankreich sich schließlich auf dem Wege der Gewalt jene Sicherheiten ver­fchafft, die wir ihm gutwillig nicht zugestehen wollten. Daß England dabei dem Verbündeten in den Arm fallen werde, glauben heute auch die­jenigen nicht mehr, die immer die größte Hoffnung auf Lloyd   George gesetzt haben. England wird zusehen und sich im voraus auf die Bestätigung feiner häufig ausgesprochenen Ansicht freuen, dah   Frankreich auch mit Hilfe der produktiven Pfänder nicht zu seinem Geld kommen werde. Die Frage bleibe hier unerörtert, ob von  deutscher Seite alles geschehen ist, um diese über­aus fritiſche Wendung zu verhüten, jedenfalls iſt die sogenannte Erfüllungspolitik einstweilen zu cinem gewissen Abschluß gekommen und die erſte Wirkung ist die Katastrophe der deut­chen Mart. Der Dollar steht auf 1500, nach dem er vorübergehend schon 2000 überschritten hat. Hatte der Mord an Nathenau allenthalbert

nicht vor. Dann wurden die innerpolitischen Not­standsmaßnahmen erörtert, mit deren Ausarbei­tung die einzelnen Ressorts noch beschäftigt sind. Morgen tritt der ueberwachungsausschuß des Reichstages zusammen. Vor allem soll die baye tische Frage erörtert werden. Die Parteifüh­rer halten sich morgen zu einer neuen Bespre chung der politischen Bage bereit, wenn das die tendig sollte. Beratungen des Reichskanzlers mit heutige Entscheidung der Reparationstommiſſion die Befürchtung neuer und schwerer innerer Kreuzungspunkt, an dem die Interessen der den Parteiführern. Kämpfe in   Deutschland erect, so erschüttern die verschiedenen Nachfolgestaaten einander be-   Berlin, 31. Auguſt( Eigenbericht). Beim  deutsch- französischen Schwierigkeiten den Glauben gegnen. In die Einflußsphäre der Tschecho- Reichskanzler fand heute um sechs Uhr abends   Berlin, 31. Auguſt( Eigenbericht). An der an eine günstige Entwicklung der   deutschen Wirt­slowakei gebracht, öffnet es dieser   Republik eine Besprechung mit den Führern der Parteien Berliner   Börse waren heute Gerüchte verbreitet, schaft, und das eine wie das andere das wirt­dank ihrer Freundschaft mit dem füdslawischen statt, die mit Ausnahme der Kommunisten durch wornach eine für   Deutschland ungünstige Entschaftliche Mißtrauen stärker als das politische­Königreich sozusagen den Weg zum adriati wegs vertreten waren. An der Besprechung nah scheidung der Reparationsfommission zu erwar- rauben dem   deutschen Zahlungsmittel feine schen Meer, so wie es als italienische Solonie men alle in   Berlin anweser den Minister teil. ten sei. Infolgedessen zogen heute die Kurse für Kauftraft. Draußen und drinnen vollzieht sich dem tschechischen Traum eines Zutritts zu über die Verhandlungen mit den Vertretern der lar stand, auf 1722, das englische Pfund stieg auf äußert sich in großem Umfang seines Mark­Der Reichsfanzler gab zunächst einen Rüdblid ausländische Zahlungsmittel weiter an. Der Dol die Flucht vor der Mart. Das Ausland ent Adria ein Ende setzt. Als Donaustaat spielt es in den Kombinationen aller am Donau- Reparationskommission und erläuterte besonders 78,40, der   Schweizer Franfen auf 3,28 und die befines wir haben Jahre hindurch zum guten |- den   deutschen Vorschlag. Eine endgültige Entschei- tschechische Krone auf 57,67. Teil von dem Stredit gelebt, den   Holland, Ame­dung der Kommission darüber lag zur Stunde i rika und andere Länder uns durch Erwerbung  Deutscher Valuta gewährten und im Inland sucht alles, was dazu imstande ist, sich durch An legen von Devisenreserven zu sichern.

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Der Schlag trifft selbstverständlich nicht alle Schichten des   deutschen Volkes mit gleicher Wucht, ia man darf wohl sagen, daß es bestimmte Kreiſe gibt, die ihn zunächst kaum verspüren, und daraus fache gewordenen oder unmittelbar bevorstehen­folgt, daß es falsch wäre, von einem bereits Tat­den Zusammenbruch der   deutschen Wirtschaft zu reden. Die Dinge vollziehen sich nicht mit so sprunghafter Blöglichkeit.

Lauf beteiligten Staaten eine große Rolle,   Un­garn hat es überdies noch bei seinen dunklen monarchistischen Plänen mit ins Ralfül ge­stellt: furz, das Problem der Zugehörigkeit bietung eventuell zu kurz kommenden Konfur- feit sein, g'schaftelhuberisch an jedes Problem Desterreichs aufzurollen heißt, das auf einem renz weden mußte, so erging sich sofort die rühren und mit plumper Hand ein heikles Bulfan aufgebaute System des neuen Mittel- von Beneš und Ninčič inspizierte Presse in Werden stören, ist alles, was sie treffen, ob und   Osteuropa einer Reihe der heftigsten Er- drohenden Worten gegen das angeblich nach sie wollen oder nicht, sind sie Erefutivorgane schütterungen aussehen. Seipels Erbe lüfterne   Italien und Herr der nach Entladung und Machtentfaltung Damit soll nicht gesagt sein, daß Defter- Schanzer wieder wußte nichts besseres zu tun, lüsternen   kapitalistischen Welt, Neues orga­reich und seine staatsrechtliche Stellung ein als den Striegsminister im Ministerrat über nisch aufzubauen ist ihnen mit Wesensnotwen­Rührmichnichtan bedeuten, an dem die   inter- die militärische Lage berichten zu lassen, um digkeit verjagt. Freilich gehen sie nicht immer nationale Politik behutsam vorbeischleichen schließlich gestern fleinlaut zu erklären, daß mit so aufreizendem dilettantischen Ünvermö­müsse, um ja nicht anzustoßen. Wohl aber legt ide Veroneser Verhandlungen mit den öster- gen vor wie leßthin im Falle Desterreich, aber Man sagt, die Industrie sei nicht mehr in der eigentümliche Charakter des österreichischen reichischen Vertretern nur   ökonomischen Fra in der Sache selbst tommt es stets aufs Gleiche ſtande, ausländische Rohprodukte zu bezahlen. Problems jedem, der sich tätig mit ihm be- gen gälten. Gewiß, bei der Kriegsmüdigkeit hinaus. Man sehe nur, um vom fleinen Do- Aber das ist nur zum Teil richtig, da, wie gesagt, faßt, die heilige Verpflichtung auf, nur im ber Bölfer war nicht anderes zu erwarten, als naustaat zur großen Welt zurückzukehren, nach recht große Beträge an fremden Devisen- ein verantwortungsvollen Bewußtsein der mög- daß, umgekehrt wie bei der Emier Depesche,   Paris und erwäge, welch unermeßliche Verant-   Berliner Bantdirektor schätzte die Summe kürzlich lichen Folgen Hand anzulegen. Dieses Pflicht die Fanfare zur Chamade, die schroffe Heraus- wortung auf den vier Männern der Repara auf 3 Milliarden Goldmark in   deutschen Hän­Aber wenn tionsfommission ruht, wie aber nicht sachliche ist nicht nur beim Export, sondern auch bei dem gefühl merkt man unseren österreichischen Ge- forderung zum Rückzug werde. den sind. Das Fakturieren in Auslandswährung nossen an, die den Gedanken eines Anschlusses auch das Aeußerste der Welt erspart blieb Erwägungen, sondern Handelsinteressen, inneren Verkauf an Großzabnehmer in wachsen­ an   Deutschland treu und zäh hegen, aber in Neid, Mißtrauen, Verbitterung und Feind Machtfragen und niedrige Eitelkeiten die Ent- dem Maße Uebung geworden, und die Edelvalitta selbstverständlicher Vermeidung jeder aben- seligkeit haben hüben und drüben neue, reiche scheidung herbeiführen werden. Die Verbrecher, befindet sich demzufolge nicht nur im Besiz der teuerlichen Vabanquepolitik die Möglichkeiten Nahrung gefunden, ein akuter Völkerzwist welche, wenigstens auf der Seite der Zentral- impotierenden Industrien. Diese Bereitstellung des Augenblicks beachten und nicht mit dem mehr glimmert unter uns und wir haben, mächte, den Weltkrieg vom Zaune gebrochen von Devisenreserven macht es ja auch erflärlich, Kopf durch die Wand zu rennen versuchen. durch das letzte Beijpel gewißigt, allen Grund, haben, hat die Verachtung der Menschheit ge- daß die Mark in   Berlin in der Regel beträchtlich Die Seipel, Beneš, Ninčič und Schanzer zu sagen, daß die Kleine Entente te in friede- troffen. Das mag im Einzelfall moralische geringer notiert als an der New Yorker   Börse. hingegen ließen von fritischem Verantwor- ficherndes Bündnis bedeutet, wie man uns jo Genugtuung wecken, das sittliche Bewußtsein es also zunächst, die Fabriken in Gang zu halten, Der Vorrat an guten Zahlungsmitteln ermöglicht tungsgefühl nicht das Geringste wahrnehmen. gern glauben machen möchte. der Gesamtheit hat, wie wir trauernd sehen er ermöglicht sogar Erweiterungen der Betriebe Wie der österreichische Bundeskanzler, einer Die Sudelküche der äußeren Politik ha- müssen, dadurch nichts gewonnen. Denn nach und er gestattet endlich auch die Fortsetzung der augenblicklichen Eingebung folgend, den von ben aus der Katastrophe des lezten Jahr wie vor sehen wir Dilettanten oder Verbrecher Burusausgaben, die wir, mag der Dollar stehen ihm geleiteten Staat auf den Gant brachte, zehntes nichts, aber auch gar nichts gelernt. Die Schidsale der Welt entscheiden. wie er will, in   Deutschland nach wie vor fonsta was natürlich die Eifersucht der bei der Feil- Intrigen schmieden, von zappelnder Tätig-| tieven müffen.