Einzelpreis 70 heller.
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a.21
An die Kneiafewer schaff
Kommission
2. Jahrgang.
Pischern.
Testenstr.87.
Durchgepeitscht!
Das Schandwerk ist vollendet! Nach einer mehr als zwanzigstündigen Sigung, die von Freitag halb vier Uhr nachmittags bis Samstag Mittag dauerte, hat das Abgeordnetenhaus die Beamtenvorlage beschlossen. Der Verlauf der Sißung und alle den Beschluß begleitenden Nebenumstände sind in der Geschichte des Parlamentarismus geradezu unerhört. Wenn es etwas an dem Parlament dieses Staates noch zu schänden gab, die Koaittionsparteien haben es gestern nachts in restlosester Weise besorgt. Aber der Berlauf dieser ebenso schmachvollen wie denkwürdigen Sigung lieferte neben dem Beweis, daß die nadte Gewalt der brutalen Mehrheit den urfprünglichen zarten Reimen der Demokratie längst den Garaus gemacht hat, auch noch den anderen: daß die Koalition auf tönernen Füßen steht, daß sie bereits in allen Fugen fracht, und daß die Koalitionsparteien nur noch die gemeinsame Schuld und die gemeinfame Furcht vor dem Strafgericht der Wähler zusammenhält. Die Beschlußfassung über die Beamtenvorlage ist den Koalitionsbrüdern gestern gar nicht so leicht geworden, wie sie es sich vorgestellt hatten. Freilich, gegenüber der Opposition bewährte sich auch diesmal prompt die Präzision ihrer Abstimmungsmaschine, aber der Wurm, der ihre Kraft schwächt und ihr Dasein bedroht, sitt innen und hätte gestern um ein Haar dem Leben der Roalition und damit der Regierung ein Ende gemacht.
aldemokrat
Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei
er tschechoslowatischen Republit.
Sonntag, 17. Dezember 1922.
Der polnische Präsident ermordet.
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Natellung
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Nr. 296.
Am 20. Dezember Wahl des n euen Präsidenten.
Der Täter ein bekannter Anhänger der nationaldemokratischen Partei. PAT.) Auf Einladung des Sejmpräsidenten
Warschau, 16. Dezember.( Poln. Ag.) Heute vormittags wurde bei der feierlichen Eröffnung des Salons für Malerkünfte ein Attentat auf den Präsidenten Polens , Narutotoicz, berübt. Der Präsident wurde getötet. Der Urheber des Attentates, der Maler Eligiusz Niewiadomsli wurde verhaftet. Das Präsidium des Ministerrates teilt mit: Anläßlich der Ermordung des Präsidenten von Polen , Gabriel Narutowicz , hat das Amt des Präsidenten nach Punkt 40 der Verfassung der Marschall des Sejme, Batah, übernommen. Der Marschall des Sejms ruft eine Sigung der Nationalversammmlung zur Wahl eines neuen Präsidenten ein.
Warschau , 16. Dezember. ( 16.30 Uhr.) Im Augenblide, als Narutowicz in Begleitung zweier Adjutanten, des Ministerpräsidenten Roval und zweier anderer Minister vom Präfi benten des Malerbundes in den ersten Ausstellungssaal geführt wurde, gab der Maler Niewiadomski von rückwärts aus einem Revolver drei Schüsse ab. Der Mörder, der fich unter den Besuchern der Ausstellung befand, wollte nach dem Attentate die Flucht ergreifen, wurde aber von den Umstehenden zurüdgehalten. Der Präsident fiel sofort zu Boden und verschied nach einigen Minuten.
Der Mörder ist ungefähr 52 Jahre alt und als Anhänger der nationaldes motratischen Partei belannt. Vor einigen Jahren war er Referent im Minifterium der Rünste.
Derzeit tagt der Ministerrat, der sich mit der durch die Ermordung des Präsidenten der Republit gefchaffenen Lage befaßt. Welche Lösung die gegenwärtige Situation finden wird, weiß man nicht bestimmt, in politischen Kreisen aber nimmt man an, daß nach dem Rüdtritte des Staatschefs Pilsudsti dieser mit der Bildung des neuen Rabinettes betraut werde.
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Der neugewählte Präsident Polens ist also dies steht außer Zweifel einem politischen Attentat zum Opfer gefallen und der Täter, der ehemalige Referent im Ministerium der Künste"(!), ist nicht als ein„ Irrsinniger" zu betrachten, als den ihn gewisse Kreise jetzt schon hinstellen möchten, sondern als ein Exponent des Blocs der Rechten, so daß also wohl die christlichen Nationaldemokraten" Polens an der Beseitigung des Präsidenten mittelbar die Hauptschuld tragen. Die Atmosphäre, die ihre wüste Agitation gegen Kommunisten", Arbeiter und nationale Minderheiten im Lande geschaffen hat, muß mit Notwendigkeit der art traurige Früchte zeitigen, und die in ganz Polen nach der Präsidentenwahl entfesselte Agitation, die blutigen Unruhen in Warschau und Bosen waren durchaus geeignet, einen politischen Terroraft wie der Ermordung des Präsidenten unmittelbar auszulösen.
Die Untat fügt sich vollkommen in die Linie der Entwicklung, die wir leider in allen Ländern Europes wahrzunehmen genötigt sind. Ueberall versucht es eine gewalttätige, vor feiner Schurkerei zurückschreckende Reaktion, ihren Willen, den Willen einer zahlenmäßig geringen Minderheit, durch Drohungen und Versprechungen und durch den Appell an die niedrigsten Instinkte der Mehrheit aufzuzwingen, überall sammelt sie rückfichtslose Stoßtrupps, die das Proletariat mit allen Mitteln einschüchtern. Was in Un garn Horthy , in Deutschland Ehrhardt und Hitler , in Italien Mussolini unternommen haben, ahmt in Polen Korfanth nach, er korrigiert den Mißerfolg bei den Wahlen durch Dolch und Bombe. Man muß die Erscheinung als europäische Seuche erfassen, um sie in ihrer ganzen furchtbaren Gefährlichkeit zu verstehen, und muß auf der Hut sein, damit das Gift dieser Seuche nicht auch bei uns zu wirfen beginne. Die Vergewaltigung des Parlaments, die wir gestern in Prag erlebt haben, und die diktatorische Willkür, mit der Raschin und seine Nationaldemokra ten Opposition und Koalitionsgenossen tyrannisieren, zeigt, in welcher Richtung sich auch bei uns die Dinge entwickeln, und läßt Schlimmstes befürchten. Die Ermordung des polnischen Präsidenten erleuchtet wie eine Fadel mit grellster Helligkeit die von Saß und But geschwängerte Situation Europas , sic wirft ihren blutigen Lichtschein über das Schlacht und Trümmerfeld, das von der europäischen Zivilisation übrigblieb, und vermag auch uns zu warnen. Arbeiter, seid auf der Sut! Der Feind lauert und hält die meuchlerische Waffe vielleicht auch schon gegen Euch bereit!
Warschau , 16. Dezember.( 19 Uhr 15 min.) Rataj ist das Kabinett nach 12 Uhr mittags su einer Beratung zusammengetreten, welche bis zum Abend dauerte. Nach den bisherigen Infor mationen wurde beschlossen, die Nationalver sammlung( den Sejm und Senat) für den 20. Dezember, 12 Uhr mittags, zur Wahl des neuen Präfidenten einzuberufen.
Zum Zeichen der Trauer wurde die Flagge auf dem Sejmgebäude auf Halbmast gehißt. Alle Theatervorstellungen sowie öffentlichen Vergnü gungen wurden bis auf weiteres im ganzen Lande
verboten.
Warschau , 16. Dezember. Der heutige Mi nisterrat, der um halb 15 Uhr eröffnet wurde, ist eben beendet worden. An demselben nahnt auch der frühere Staatschef Pilsudski teil. Die Nach richt, daß Pilsudski das neue Kabinett bilden wird, wird dementiert, dagegen wird eine neue Version verzeichnet, wonach an die Spike des neuen Ministeriums der frühere Kriegsminister und jetzige Generalstabschef General Siforsti, gestellt werden soll.
Der Sejmpräsident Rataj erklärte gegenüber Pressevertretern, er wolle, daß das neue abinett bereits morgen gebildet sei. Die neue Regierung müsse die volle Garantie für die Erhal tung der Ruhe und Ordnung im Lande übernehmen.
Narutowicz.
Narutowicz war von Beruf Ingenieur, führte in der Schweiz die Elektrifizierung der Wasserfräfte durch und war längere Zeit als Professor des Polytechnikums in Zürich tätig. Ueberhaupt verbrachte er den größten Teil seines Lebens im Auslande. In die Heimat wurde er erst bei Bildung des Kabinetts Ponifowski berufen und übernahm in diesem Kabinett das Portefeuille des Ministers für öffentliche Arbeiten. Nach dem Sturze dieses Kabi. netts wurde er mehrmals als Kandidat für die Mintsterpräsidentschaft genannt und übernahm schließlich im Kabinett Nowak das Portefeuille des Außenministeriums. Präsident Narutowicz galt allgemein als Parteigänger der Linken, war aber politisch nicht engagiert. Seine Kandidatur war von der radikalen Bolfspartei Wyzwolenie gestellt worden.
Unternehmeranschlag auf die Buchdruder.
Brag, 16. Dezember. Heute wurde in den Drudereien den Vertrauenslenten durch ein Zirfular befannigegeben, daß die Prinzipale beabfichtigen den Gehilsen vom 1. Januar an 40 Pro zent der. Teuerungszulage abzuziehen. Da bet cinem Wochenlohn von 350 Kronen die Tene rungszulage 224 Kronen beträgt, so kommt der Abzug einem Betrage von 89.60 Kronen, das find 25 Prozent des gesamten Einkommens, gleich. Dieses Vorgehen bedeutet ein brutales Diktat der Unternehmer und eine Ausschaltung der Organi= sationen, die sich die Buchdruder auf leinen Fall gefallen lassen werden.
Schon in den Nachmittagsstunden des Freitag war die Krise, die infolge eines heftigen Konfliktes unter den Regierungspar teien ausgebrochen war, so bedenklich gewor den, daß die Sprengung der Koalition un mittelbar bevorstehend schien und es durch zogen bereits Gerüchte von Neuwahlen das Haus. Die Krise hatte ihren Ursprung darin, daß ein Teil der tschechischen Nationalsozialisten, gedrängt durch ihre Staatsangestelltenorganisationen, rebellierte und gegen die Vorlage Stellung nahm, deren ärgste Härten ste wenigstens gemildert sehen wollten. Es zeigte sich auch diesmal, daß bei den tschechischen Nationalsozialisten das sozialistische Gewissen weit lebhafter schlägt, als bei den tschechischen Sozialdemokraten, die wie immer, so auch hier, sich als die treuesten Vollstrecker des Willens der bürgerlichen Parteien bewährten. Der in letter Stunde rege gewordene Widerstand der tschechischen Nationalsozialisten drohte mit der Demission des nationalsozialistischen Eisenbahnministers Stříbrny zu enden; auch ber nationalsozialistische Abgeordnete Pelikan tündigte die Niederlegung seines Mandates an und der der gleichen Partei angehörige Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, Buři- acht Uhr früh die Sigung wieder aufgenom- schnallen, wobei über ihnen auch nach Durch- los Ausgaben auf Ausgaben häuften, an diebal, fündigte sogar in einem Schreiben an men werden konnie. Daß es eine in feinem führung der in drei Etappen zu erfolgenden sen schlechten Staatsfinanzen die Schuld trägt. das Präsidium seine Mandatsniederlegung an. Parlament der Welt mögliche sfandalöse Bu- Herabseßung ihrer Gehalte das Damokles. Nun wird den Staatsangestellten die ebenso Alles schien in völliger Auflösung. Doch ge- mutung war, die Abgeordneten in dieser ihrer schwert weiterer Gehaltskürzungen schweben ehrende wie patriotische Pflicht auferlegt, von lang es den anderen Koalitionsparteien, ihre Verfassung noch zur weiteren Verhandlung zu bleibt. Damit der Staat auf großem Fuße ihrem Einkommen herzugeben, damit die Folnationalsozialistischen Bundesgenossen mit der zwingen, das fennzeichnet die skrupellosen Ge- weiter leben fönne, damit er sich weiter den gen dieser Wirtschaft wenigstens zum Teil beZusicherung irgendeiner Resolution, deren In- waltmethoden der Mehrheit aufs neue. Je- Lurus eines ohne Maß und Ziel wohlgemä- feitigt werden. Wenn sie nun schon an nichts halt die Staatsangestellten etwas beruhigen denfalls hat die Regierungskrise in der vor steten Militarismus leisten fann der in anderem sich sattessen können, so dürfen sie es follte, an der Stange zu halten. Kaum war vergangenen Nacht, deren letaler Ausgang nur Hinkunft sogar noch erhöhte Anforderungen an dem hehren Bewußtsein tun, daß, während biese Krise beigelegt, als während der Nacht mit größter Mühe verhindert wurde, der Koa- zu stellen und einen noch ausgiebigeren Ap- die Besißenden auf keine der Annehmlichkeiten stunden eine neue ausbrach: die tschechischen lition ihre Vergänglichkeit drohend vor Augen petit zu entwickeln beabsichtigt werden die ihres Lebens zu verzichten brauchen, fie es Sozialdemokraten, neidisch auf den Erfolg" geführt. Biele solcher Belastungsproben, wie Angestellten des Staates an ihrer Kleidung, sind, die mit der Herabdrückung ihrer Lebensder Nationalsozialisten, wollten nun ebenfalls die gestrige, hält das innerlich an seinen Ge- ihrer Ernährung, ihrem kleinen Behagen, das haltung zur Besserung der in Mißstand geraein Buderl für ihre Wähler unter den Staats- gerfäßen zermürbte Koalitionsgebilde nicht sie sich vielleicht noch manchmal leisten tonn- tenen Staatsfinanzen beitragen. ten, Einschränkungen vornehmen müssen. angestellten, aber sie stießen auf den Wider- mehr aus. Der ganze Umfang der Gewissenlosigkeit, stand Raschins, der von, irgendeiner Verbesse- Das Schandwerk, das den harmlosen Ihren Familien, ihren Kindern werden sie mit der sich die Koalitionsparteien an den rung der Vorlage zugunsten der Staatsange- Titel: Gesetz betreffend die Dienst, Ruhe- von dem Bissen, den diese zum Munde füh- Staatsangestellten vergingen, wird erst sichtbar stellten nichts wissen wollte, sondern hart- und Versorgungsgenüsse der Zivil- und Mili- ren, abzwaden müssen; die armen Penſioni - werden. Die Unvernunft und Bedenkenlosig= nädig auf seinem Schein, der unveränderten tärstaatsbediensteten, führt, unter welchem sten des Staates aber, die schon jetzt ein wah- feit, von der sie sich leiten ließen, zeigt sich Annahme der Vorlage, bestand. Um ein Uhr Titel sich der ungeheuerlichste Anschlag ver- res Hungerdasein führen mußten, werben gut schon jetzt in der Tatsache, daß das Einfen nachts wurde die Sißung des Abgeordneten- birgt, der seit je gegen die Staatsangestellten daran tun, bald freiwillig die irdischen Freu- der Lebensmittel- und Warenpreise nicht nur hauses unterbrochen, der Ministerrat trat zu- und Pensionisten durchgeführt wurde, dieses den mit den himmlischen zu tauschen, denn nicht eine feststehende Tatsache ist, sondern sammen, der bis sieben Uhr morgens tagte und Schandwerk ist also Tatsache geworden. Noch sonst werden sie dies unter Mitwirkung des daß infolge des Sinkens des Wertes der in dieser Zeit schien jeden Augenblick das hat wohl der Senat darüber zu entscheiden, Staates, der ihnen jezt den armseligen Brot-| Krone auf dem Geldmarkte ein Steigen der stolze Gebäude der Koalition in Schutt und aber der dort zu fassende Beschluß wird noch korb noch höher hängt, in der noch weit weni Preise droht. Man kann jetzt schon vorausAsche zu zerfallen. Endlich gelang es die mehr eine bloße Formsache sein, als er es ger angenehmen Art des langsamen Bethun- sagen, daß die an den Staatsangestellten tschechischen Sozialdemokraten hatten sich mit für das Abgeordnetenhaus war. Die unter gerns tun können. Die staatlichen Finanzen durchgeführte Aushungerungsaktion weder für der belanglosen Aenderung einer Bestimmung der Führung Dr. Raschins stehende Koalition find schlechte, elende jogar, und es wird gar die Schuldigen noch für den Staat gute Früchte der Vorlage als Zugeständnis" begnügt darf auf ihren Lorbeeren ausruhen, die nicht zu leugnen versucht, daß die bisher be- zeitigen wird.
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Die verübte Tat wird nicht
eine Einigung herbeizuführen, so daß bei völ Staatsangestellten, die Pensionisten und ihre triebene nationalistische und protektionistische ohne Vergeltung bleiben.
liger Erschöpfung der Abgeordneten um halb Familien fönnen den Hungerriemen fefter Wirtschaft im Staate, dessen Lenker bedenken.