Bette&

Die Erzählung des Alten.

Von Maxim Gorki .

Auf einer fleinen Station zwischen Rom und Genua öffnete der Schaffner die Tür unseres Rupees und hob, mit Hilfe eines rauchgeschwärz ten Bahnarbeiters einen fleinen, einängigen, alten Mann in unsern Wagent. Er ist schon sehr alt!" sagten beide zu glei­ Er ist schon sehr alt!" sagten beide zu glei

cher Zeit und lächelten gutmütig.

ich überall arbeitete, wo ich Arbeit erhielt. Es| war schover, aber die Jugend fürchtet die Arbeit nicht nicht wahr?

Als ich neunzehn Jahre alt war, traf ich ein Mädchen, das ich liebgewinnen sollte. Sie war ebenso arm wie ich, aber groß und fräftig, lebte mit ihrer Mutter zusammen, einer kranken Greisin, und arbeitete wie ich, wo sich nur immer Arbeit fand. Sie war nicht sehr schön, aber klug und gut. Dazu batte sie eine wunderbare ist doch ein wahrer Schas, nicht wahr, meine Stimme! Sie fang wie eine Künstlerin, und das Herren? Auch ich fang nicht schlecht.

Der Alte schien noch ziemlich rüſtig zu sein; nachdem er den Beamten mit einer anmutigen Bewegung seiner rungligen Hand gedankt hatte, nahmt er höflich und fröhlich den zerknitterten, dem wir uns lange angeschaut hattem staubigen Hut von seinem grauen Kopfe und

fragte, während er die Polstersitze mit scharfen Augen musterte: Gestatten Sie?"

Fahren Sie weit, Großvater?" fragte mein

Gefährte. ,,, nur drei Stationen!" entgegnete der Alte freundlich. Ich fahre zur Hochzeit meines Enkels." Einige Minuten darauf erzahlte er bereits feine Gefchichte. Dabei bewegte er sich hin und

her, wie ein gelnickter Ast an einem stürmischen Tage, und seine Rede übertönte das Rollen der Räder.

Ich bin ein Ligurier. Wir Ligurier sind

alle fehr träftige Leute. Sehen Sie, ich habe drei zehn Söhne und vier Töchter, und ich verrechne mich bereits, wenn ich die Zahl meiner Enfel fest stellen will. Das ist schon der zweite, der heute heiratet. Das ist doch schön, nicht wahr?"

Er blickte die Anwesenden mit seinem farb­lofen, immer noch luftigen Auge ſtolz an und lächelte leise vor sich hin:" Sehen Sie, wieviel Menschen ich dem Lande und dem König ge­

schenkt habe!"

Wollen wir heiraten?" sagte ich ihr, nach verdrießlich. Weder du noch ich haben etwas; Das wäre lächerlich, du Cinauge!" fagte sie wovon werden wir leben?"

in der Tat nichts. Allein wieviel braucht man Das war die lauterste Wahrheit, wir hatten denn, wenn man jung ist und sich lieb hat? Sie nötig hat, wenn man liebt. So bestand ich denn auf meinem Willen und trug schließlich den Sieg

davon."

wir zusammenleben."

Wir verabredeten also alles den Pfarrer auf."

Ja, du magst wirklich recht haben," sagte Ida endlich. Wenn die heilige Madonna uns iest hilft, wo jeder für sich lebt, wird es natür ich noch leichter für sie sein, uns zu helfen, wenn und suchten " Das ist doch Heller Wahnsinn!" fagte er. Gibt es denn noch zu wenig Bettler in Ligu­ rien ? Der Teufel narrt euch, ihr müßt gegen seine Versuchungen antämpfen, sonst werdet ihr teuer für eure Schwäche bezahlen." Die ganze Jugend der Gemeinde lachte uns aus, die alten Leute tadelten und verur teilten uns. Aber die Jugend ist starrlöpfig und hat von ihrem Standpuft aus recht! Der Soch zeitstag brach an. Wir waren inzwischen auch nicht reicher geworden und hatten keine Ahnung, wo wir in der Hochzeitsnacht schlafen würden." Wir gehen ins Feld hinaus," sagte Ida. Warum sollte es dort übel sein? Die Madonna erweist den Menschen überall die gleiche Güte, und die Liebe ist allerorten gleich heiß, wenn die Menschen jung sind..."

11. Feber 1923. Der gelähmte und vom Rheumatismus und Der Einfluß der sozialdemokratischen titgliede Fieber gequälte Ettore Cano rief ihr von der machte sich in der Bezirksverwaltungsfommission zu Tür seines Häuschens zu: nächst in der Erweiterung des bisherigen Aufgeben Frag ihn doch, ob er auch Wein für seine freises der Bezirksvertretung geltend. Seit Jahr Gäste hat? O, diese Menschen; was fann es zehnten haben die Bezirksvertretungen nur stereotype Leichtsinnigeres geben als fie!" Verwaltungsarbeit im Sinne des Bezirksvercretunge

er

Auf der Wange des alten Liguriers, in ciner gefeßes vom Jahre 1864 geleistet und sich durchaus der tiefen Falten, blißte ein Tränlein auf. Er nicht angestrengt, aus eigener Initiative neue Tätig warf den Kopf zurück, lachte lautlos und den feitsgebiete im Interesse des Gemeinwohles zu es Kopf schüttelnd vor sich hin und fuhr wie ein öffnen, wiewohl gerade diese Körperschaften geeigne wären, auf manchen Gebieten Vorbildliches zu leisten Kind mit den Händen durch die Luft. O, ihr Herren!" fagte er schwer atmend Von der Bezirksverwaltungskommission Terscher und kämpfte gegen die Tränen an: Am Hoch wurde zunächst die Erweiterung des Aufgabentretjes seitsmorgen hatten wir alles, was wir brauchten: durch einen Ausbau der sozialen Fürsorg ein Bild der Madonna, Geschirr, Wäsche, Möbel bewirkt. Das Referat hierüber wurde Genossen Adol weinte zu gleicher Zeit und ich tat dasselbe. Alles mit auch die erste Neuerung iſt alles, ich schwör es Ihnen! Jda lachte und einer übertragen. Der erste Beschluß und da lachte; es ist doch nicht schön, am Hochzeitstage zu die Einführung der Schulärzte Man machte ihm sofort einen Plas frei. Er zupfte seinen blauen Leinwandanzug zurecht, weinen, und alle Leute lachten uns aus." feufzte erleichtert auf, legte die Hände auf die Wissen Sie, meine Herren, es ist verteufelt im Bezirke Tetschen . Vorher, und zwar mit Beginn Kenie und verzog feinen zahnloser Mund zu wissen doch alle, meine Herven, wie wenig man sagen darf. Noch besser aber ist es, wenn man zialdemokratischen Mehrheitsfraktion die Stadtvertre schön, wenn man von Menschen unsre Leute" des Schuljahres 1919 hatte über Initiative der so. einem gutmütigen Lächeln. fühlt, daß sie zu uns gehören, daß fie uns nahe tung Bodenbach die Einführung des Schularztdienstes stehen, mit uns verwandt sind, daß sie unser Nach diesem Vorbild erfolgte durch die Bezirksver. für die Bodenbacher städtischen Schulen beschlossen Leben nicht als einen Scherz und unser Glüc waltungskommission die Schaffung von 15 schulärzt nicht als einen Spaß ansehen!" Das war mal eine Hochzeit! Ein wunderlichen Auffichtsdistrikten, in denen die Kinder, im barer Tag! Die ganze Gemeinde bluate auf uns, ganzen 10.000, in jedem Distrikt einem Schularzt zu. gewiesen wurden. Die Kosten für die Einführung und alles fam in unsern Schafftall, der sich plötz der Schulärzte beliefen sich im ersten Jahre auf lich, wie im Märchen, in ein reiches Haus ver- 40.000 K, welche zur Gänze von der Bezirksverwal wandelt hatte. Wir besaßen alles: Wein, Fleisch tungstommiffion getragen wurden. Als Honorai Früchte, Brot, und alles und war luftig und war für jeden Schularzt 3 K per Kind vereinbart. vergnügt. Denn es gibt kein größeres Ver- Der Durchschnitt der zu beaufsichtigenden Kinder in anügen als den Menschen Guies zu tun. Glauben einem Schuldiſtrikt beträgt etwas über 600. Durch Sie mir, es gibt nichts Schöneres und Luſtigeres!", die Inſtitution der Schulärzte gewann die Deffent. Auch der Pfarrer war gekommen. Seht," lichkeit im Dezirke zum erstenmal nach dem Kriege sagte er nu strenger, aber sütiger Stimme, eine Uebersicht, wie unsäglich traurig es um die feht, das sind Menschen, die für euch alle ge- Bolksgesundheit bestellt ist. Aus den Berichten was arbeitet haben, und die für euch gesorgt haben. damit sie an diesem Tage, dem schönsten ihres entnehmen, daß im Bodenbacher Schulsprengel einschließlich der Landgemeinden zehn Prozent aller ebens, froh sein dürfen. Es war eure Bflicht. Stinder an Zuberkulose, 18 Prozent an Lebens. so zu handeln, denn sie haben für euch gearbeitet, schwäche( Marasmus) leiden. In feinem Schulspren. Silbergeld: die Arbeit ist stets mehr wert als der Bolig, betrug der Prozentsatz der tuberkulösen Stin. und die Arbeit steht höher als alles Stupfer und gel war es beffer. In Industriegemeinden, z. B. Breis, den man für sie zahlt! Das Gees verder 20, an Darmkatarrh erkrankten 40 Prozent, zu schwindet, die Arbeit aber bleibt... Diese rückzuführen auf die andauernd schlechte Ernährung. Menschen find froh und befcheiden, ihr Leben war Aber auch rein agrarische Gemeinden zeigten Herz­schwer und michevoll, aber sie klagten nie. Sie krankheiten, Entzündungen und Herzasthma zu 24.5 werden noch mehr Mühsal ertragen und doch nicht Prozent. Am schlimmsten stand es in dem Arbeiter. jammern, denn ihr werdet nen in ihren orte Tyssa ( bekannt durch seine naturschönen Tyssaer gute Sände aber ihre Serzen find noch offer." krankheiten aufweisen! Nicht besser steht es in der schweren Stunden zur Seite stehen. Sie haben Felsformationen), dessen Minder 40 Prozent Lungen­O, er hat mir und da und der ganzen fährlich von Tausenden von Ausflüglern und Erho­Gemeinde hiel Schönes und Gutes acfagt!" lungsbedürftigen besuchten sogenannten Böhmi­Der Alte sah uns alle der Reihe nach mit fchen Schweiz . In den Orten Herrnskretschen , feinem einem Auge, das jung und heik leuaytete, Johnsdorf , Stimmersdorf und Niedergrund hat die triumvhierend an: Bevölkerung eine Umstellung in ihrem Erwerbsleben Das ist meine Erzählung von den Men vornehmen müssen, da der Zustrom der vielen Frem fchen, meine Herren. Sie ist schön, nicht wahr?" ben dieses an Naturschönheiten so reichen Gebietes seit Kriegsbeginn aufgehört hat. Die Bevölkerung fristet eine geradezu kümmerliche Existenz. Die Tu­Sör mal, Hugo, du könntest den alten! lichen Untersuchungen weisen 17 Prozent lungen­Schafftall ausfegen und Stroh hineintragen. franke Kinder auf, weitere 17.6 Prozent zeigen Er­Wenn er auch länger als ein Jahr leer steht und Im Jänner 1920 tonstituierte sich die Be- krankungen an Darmfatarrh. So war das erste Er­trocken ist, muß man ihn dennoch gut instand sirksverwaltungskommission in Tetschen , um die der gebnis der Schularzt- Institution eine Anklage sezen, wenn du mit deiner Jda dort leben willst." Bezirksvertretung und dem Bezirksausschusse zugegen die bürgerliche Gesellschaft, die Wir hatten also schon unser Häuschen! Jch fommenden autonomen Verwaltungsaufgaben fort nichts übrig hat, das Nachkriegselend zu lindern. An­stand singend bei der Arbeit, als der Schreiner zuführen. Die Zusammensetzung der Bezirksverwal- fänglich war sogar in der Bevölkerung ein kleiner Constancio in der Tür auftauchte: tungskommiffion erfolgte nach dem Schlüssel der Ge- Widerstand gegen die Schulärzte zu überwinden; aber Du willst mit der Ida hier wohnen? Ja, meindewahlen im Jahre 1919 zu 60 Prozent aus So- schon im zweiten Schuljahr zeigte sich, daß die Def­aber habt ihr denn auch ein Bett? Wenn du zialdemokraten und zu 40 Prozent aus Bürgerlichen. fentlichkeit volles Verständnis für die vom Bezirk ge­fertig bist, fönntest du zu mir hinüberspringen Die Sozialdemokraten erhielten zehn Vertreter ein- fchaffene Neueinrichtung besaß und eine Rundfrage und dir eins holen. Ich hab grad eins übrig." schließlich des Vorsitzenden und acht die Bürgerlichen. des Bezirksschulausschusses an die Schulleitungen er­Als ich zu ihm ging, schrie die böse Marie, Seither sind drei Jahre verflossen und es lohnt sich, gab beispielsweise das Urteil eines Lehrkörpers, in die Krämerin: diese Tätigkeitsperiode dahin zu untersuchen, ob sie dem es hieß: Die Einrichtung hat sich so gut be­,, Diese Unglücklichen, so heiraten sie, ohne ein sozialdemokratische Mehrheit in der Bezirksverwal- währt, daß, wenn sie nicht schon bestünde, sofort an Laken oder ein Kissen zu haben! Du bist ja tungskommission im Sinne des Programms gewirkt ihre Schaffung geschritten werden müßte." wahnsinnig, Einauge! Schicke mal deine Braut hat und Erfolge verzeichnen kann, deren Nachahmung Die Tätigkeit der Schulärzte ist in Dienstbor. zu mir hinüber empfehlenswert ist. schriften festgelegt und besteht in der gesundheitlichen

unser Bett sein, und der Himmel würde für So beschlossen wir denn: die Erde follte unsere Kleidung sorgen!"

,, Wie ich mein Auge verloren habe? O, das ist schon lange her! Ich war ein fleiner Bursche, aber ich half dem Vater schon. Er mußte einmal den Weinberg umgraben ein harter Boden, mit vielen Steinen, der eine sorsfältige Pflege verlangte. Ein Stein sprang von seiner Spitz hade ab und traf mein Auge. Ich entsinne mich nicht mehr, ob es sehr geschmerzt hat, aber wäh­rend des Mittagessens fiel mir das Auge heraus, o, das war furchtbar, meine Herren! Man setzte es mir wieder ein und legte warmes Brot ,, Doch nun beginnt eine neue Geschichte. Ich darauf, aber das Auge war bereits tot!" bitte um Ihre Aufmerksamkeit, meine Herren, Der Alte rieb seine braune, runzlige Wange es ist die schönste Geschichte meines langen Le fräftig und lächelte wieder gutmütig und fröhlich. bens! Am Tage vor der Hochzeit sagte der alte Damals gab es noch nicht so viel Aerzte, Giovanni, bei dem ich lange gearbeitet hatte, zu und die Leute führten ein viel törichteres Leben, mir, er stieß die Worte zwischen den Zähnen her­o ja! Ob sie beffer waren? Ja, das mag wohl bor, denn er hatte eine Pfeife im Munde, und be. fein!" merfte so ganz nebenbei, wissen Sie denn es handelte sich ja um eine leinigkeit:

Sein einäugiges, lederfarbenes Gesicht mit den tiefen Falten und den Haarem, die eine grau­grüne Farbe hatten wie Schimmel , nahmen einen schlauen Ausdruck an.

Wenn man so lange gelebt hat wie ich, darf man doch aufrichtig über die Menschen sprechen,

nicht wahr?"

Er hob den gekrümmten, dunklen Zeigfinger bedeutungsvoll empor, wie wenn er jemand drohen wollte.

,, Also, meine Herrschaften, ich will Ihnen etivas von den Menschen erzählen:

Als der Vater starb, war ich dreizehn Jahre alt. Ich war flink und unermüdlich bei der Arbeit das war alles, was mir der Vater hinterlassen hatte, denn unser Haus und Feld waren wegen der auf ihnen lastenden Schulden verkauft worden. So lebte ich denn mit meinem einen Auge und meinen zwei Händen davon, daß

Der Held im Schatten.

Roman von Karl Bröger . Der Knabe im Zwinger. Im Zwinger steht noch das Haus, rissig und grauwandig, nach allen Winden offen, den milden wie den rauhen, die sich an den vier Ecken stoßen. Dicht unter dem First hängt die kleine Dachstube vor, einem Vogelbauer ähnlich, klein, eng, be­scheiden in sich geduckt.

Heulend blies der Wind in einer Märznacht des Jahres 1886 um das graue Haus. Das dürf­tige Lichtlein in der Dachstube bebte und zitterte. Jeden Augenblid wollte es erlöschen, den aus­sichtslosen Kampf aufgeben gegen den grimmigen Nordsturm.

Aufgeregt, fast hilfloser als sein Erstgeborener, und erstaunt aufzuckend, wenn aus dem Stuben winkel der schrille Diskant des Söhnleins dem Leben einen sehr zornigen Hymnus sang.

Drei Jahre Verwaltungsarbeit

Von Franz Kögler , Bodenbach.

bleibt eines Abends zu lang mit dem Schatz auf der Bank sitzen. Was ist da schon dabei?

bertufloſe ſteigt deshalb, die Ergebniſſe der ſchulärzt­

terlichen Gefühls in goldene und silberne Schnüre. Manchmal stieg wohl eine zornige Traurigkeit in Maria Mäl darüber auf, daß sie Mutter gewor den war, es aber nicht sein durfte. Diese Traurig­teit zerbrach aber an der harten Einsicht, daß arme Leute geboren sind, zu arbeiten.

Johannes Löhner war wenigstens hernach nicht davongelaufen. Das wurde ihm von der Johannes war enttäuscht. Die auffällige Welt im Zwinger gutgeschrieben, und selbst Kleinheit seines Sprossen verletzte sein einfaches Maria Mäl glaubte an ein ungewöhnliches Glüd, Gemüt, denn seine vierkantige Art schäßte am weil sie wußte, daß es nicht alle Männer so Ernst Mäl ging ins fünfte Jahr, als sich die Menschen besonders die Brustweite. Damit schien! halten. Hüterin feiner ersten Kindheit legte und die Welt es bei seinem Stammhalter nun allerdings nicht Seit der Entlassung Löhners vom Militär so geräuschlos verließ, wie sie darin geschaltet hervorragend bestellt. wohnten die zwei Leutchen zusammen. Hoch hatte. Am Nachmittag winkte die runzelige Hand Gutmütig lächelnd trug die Hebamme den oben in der Dachstube des grauen Hauses führten noch hinter den Garanien- und Fuchsienstöden her­mörderisch schreienden Bengel durch die Stube, fie den kleinen Hausstand, so gut das gehen wollte. vor, am Abend lief es durch die ganze Nachbar­hielt ihn seinem Erzeuger unter die Nase und Erste Sorge war, arbeitsfähig zu sein. Das graue schaft: Die alte Sindelmännin hat der Schlag orakelte, auf eine fleine alte an der Nasenwurzel Gespenst, das treppauf durch die Welt des Zwin- getroffen!" So tam die erste Nacht, die Ernst deutend: Der Bub hat Verstand. Ich kenn' mich gers schlich, ging nur an Türen vorüber, hinter unter dem elterlichen Dach verbrachte. Unfaß da aus. Vor dreißig Jahren ist es gewesen..." denen es gesunde, kräftige Arme wußte. Darum liches Entsetzen hielt das Kind wach. Was war Andächtig horchte Johannes Löhner auf die schleppte Johannes Löhner täglich elf Stunden mit Mutter Sindelmann geschehen? Geschichte eines Kindes mit einer Falte unter der Mörtel und Ziegelsteine, und Maria Mäl knüpfte Die zwei nächsten Tage waren voll aufge­Dann wäre die Welt ganz finster gewesen, Nasenwurzel, das später eine Leuchte im Leben Silberborten, daß ihre Augen brannten. regter Erlebnisse. Am Mittag gingen Vater und die zu beschreiten Ernst Löhner sich eben anschickte. wurde. Er besaß die unbegrenzte Hochachtung Das Kind stand dem Sinn eines solchen Mutter in ihren besten Kleidern fort, die Mutter Uebermäßig hell war die Welt wohl auch jetzt einfacher Menschen vor geistigen Gaben. Infiar Lebens im Weg. Eine Mutter, die arbeiten muß, einen mächtigen Kranz in der Hand mit einer nicht, doch ein kleines, freundliches Lämpchen spen- war ihm nur, woher sein sind solche Gaben kann die eigene Nacht nicht opfern. = wa weißen Schleife daran. dete immerhin schwachen Schein und ließ die haben sollte. Er wußte von sich genau, daß er die Der fleine Ernst fam also in Pflege. Eine Ernst sollte nicht aus dem Hoftor gehen. Er weise Frau sehen, daß sie einem Senäblein hilf- elende Dorfflippschule bis zur Entlassung in der bejahrte Witfrau, die gute, alte Lina Sindel- machte sich aber, kaum waren die Eltern außer reichen Dienst tat. zweiten Klasse geschwänzt hatte. Doch diese In- mann, nahm den ewigen Schreihals ins Haus. Sicht, auf die Suche nach Mutter Sindelmann. Jessas! Der macht ja net amal an recht- flarheit konnte ihn nicht groß anfechten. Sie war eine liebe Seele. Die fleischgewordene Sie hatte nur einige Häuser straßab gewohnt, und Schaffnen Maßtrug voll", urteilte die rundliche Mit gelaffenem Stolz nahm er die Glück Geduld schleppte sie ihren Pflegling durch alle Ernst stand bald vor dem niedrigen, schmucklosen Hebamme, während sie das Kind aller herkömm- wünsche von Sekamme und Nachbarinnen ent- Räume der bescheidenen Wohnung- es gab nur Haus. In den engen Hausflur führten vier aus­lichen Weihen unterzog, die der Mensch bei seiner gegen, fuhr übernächtig in den gipsbestaubten zwei, ein Zinimer und die giftgrün bemalte getretene Staffeln. Das Haus lag ausgestorben leiblichen Ankunft zu ertragen hat. Arbeitsrock und ging schwerschrittig in den grau- Küche- und war eigentlich nur am Sonntag da. Alles war zum Begräbnis fort, und niemand Drei oder vier Weiber der Nachbarschaft enden Morgen hinaus, seiner täglichen Arbeit mit der Welt unzufrieden, weil da die Eltern das hörte, als Ernst Mäl zaghaft an der Tür von waren trotz der frühen Stunde anwesend. Sie nach. Seind heimholten. Mutter Sindelmanns Wohnung Klopfte. Hilflos wollten ihre überschüssigen Tränen loswerden, zu Auf der Straße noch zeierte das gellende Sie fühlte sich ganz als Mutter des fleinen schluchzend sank das Kind auf den alten Abstreifer welchem Zwed ihnen Entbindung, Kindtaufe oder Streischen aus der Dachstube hinter ihm her und Ernst Mäl und war es auch, wenn eine Mutter hin, saß dort, von herzbrechendem Weinen ge­Begräbnis gleich wert ist. gutlaunig brummte er: Oh der Saubub wohl mehr ist als die körperliche Herberge während der schüttelt, und rief von Zeit zu Zeit den Namen Es gibt Menschen, die darin ein Vergnügen noch immer brüllt, wenn ich zum Mittag tomm.." neun Monate. Sie entdeckte das erste Lächeln, der Toten. Da feine Antwort kam, schlug es ver­finden. Die Weiber füllten den schmalen Raum Wieder war ein Sind vor der Hochzeit ge- sie lenkte die ersten Schritte, und das erste Wort zweifelt gegen die Tür und schlief endlich, des zwischen Tisch und Wochenbett, steckten die Köpfe kommen. Der Zwinger wo werden arme Leute des Kindes galt ihr. zusammen wie Gänse, wenn es donnert, und er anders geboren als in Zwinger ? nahm das Weinens und Wartens satt, auf der Schwelle ein. Von diesen kleinen Begebenheiten wußte Spät abends fand ihn die Mutter immer noch zählten erbauliche Geschichten von schweren Ent- Ereignis bemerkenswert ruhig hin. Die alte Ge Maria Mäl nur aus den Berichten der Pflege- schlafend, die geballten Hände gegen die Wohnung bindungen. schichte... Der Soldat lernt das Mädchen fen- fraut. Sie saß diese ganze Zeit im dumpfen der Toten streckend. Johannes Löhner saß mitten unter ihnen. Inen, genießt bescheidene Sonntagsfreuden und Fabriksaal und knüpfte alle Sehnsucht ihres mit­

( Fortsetzung folgt.)