Bette 9.

Ich konnte nicht ausreden, denn der auf­geregte Mensch zog einen Revolver und schoß mir eine Kugel in den Kopf. Während des Nie­dersinkens sagte ich:

pfauchen zu hören, erwischte einmal meine Fraut, fagen Sie mir, warum haben Sie es noch nicht und hängen da wie Gewissensbiffe. Sie sind so auf dem Gang und sagte, indem sie mit Mühe mit einem Fettfled über der Brust versucht? Das aufgenommen, wie sie gefunden wurden, ein un die Tränen zurückdrängte: Wir sind ganz weg heilt unbedingt, Freund! Unbedingt! Am besten endlicher Schrecken lagert auf ihren Gesichtern, über den Husten von Ihrem Gerrit Gemahl. Es find Spedscheiben, mit einem heißen Meffer auf der Schrecken des Sterbens. Mit offenen Mün wäre gewiffenlos, ihm nicht ein gutes Mittel zur gestrichen dern stehen sie, ihr letzter Schrei liegt gleichsam Abhilfe zu raten. Er muß sich abends die Füße noch in der Luft, man hört ihn, wenn man sie in heißen Sauerteig einschlagen. Das treibt die ansieht. Der Kampf des Todes hält ihre Augen Sigen vom Hals nach unten. Das ist außerordent halb offen, das Weiße schimmert unter dem lich gut. In drei Tagen ist der Husten beidi!" Augenlid. Da sind Bärtige und Bartlofe, Frauen Ich widelte meine Beine in heißen Sauer- ,, Vergessen Sie aber nicht, es muß Bauchspect und Männer, Jünglinge und Greise. Sie würden teig. Ich muß sagen, es scheint mir ein gutes auf der Straße gefunden, im Tiergarten, in Mittel gegen falte Füße, besonders wenn man Er spendete mir hustend noch eine Kugel, Spreekanälen. Oft ist sogar der Fundort unbekannt den Teig den ganzen Tag über nicht abnimmt. worauf ich mit einem melancholischen Seufzer oder nicht genau bekannt. Die Wasserleichen sind Man geht sich auch vorzüglich damit. Wie auf aus der Welt ging. Wohl um eine Weimute zu aufgedunsen, von Schlammtrusten bededt, fie einem Teppich. Meinen Susten hat es gleichgültig früh, denn ich hätte ihm noch gern gesagt, daß sehen aus, wie schlecht mumifizierte ägyptische gefaffen. er unbedingt einen Leinwandfled nehmen muß. nige. Die Kruste auf ihren Gesichtern hat Risse um keinen Preis Barchent. Barchent soll nicht so und Sprünge wie eine schlecht vertvahrte Gips­gut sein... masse. Die Brüste der Frauen sind schauberhaft geschwollen, die Züge verzerrt, die Haare wie ein Häufchen Kehricht auf gedunsenem Kopf.

Eines Tages, als ich wieder einmal so vecht bröhnend hinausbellte, als hätte ich eine auf Voll­dampf gestellte Schnellzugslokomotive in den Ein­gelveiden, riet mir eine weise Frau, mit allen Zeichen der Aufregung über mein Leiden, einige sogenannte Sympathiemittel, die untrüglich Hilfe bringen müßten. Sie verlangte etwas viel von mir, und ich sträubte mich deshalb ein bißchen,

fein!"

Hans Pilz( Wien ).

Die Toten ohne Namen.

25. Feber 1928.

Raffe und Menschheit.

Prof. Felix v. 2uschan hat im Welt Ver. lag, Berlin , ein auf Tatsachen fußzenden, im höchsten Sinne aufklärendes und Vorurteile widerlegendes Buch über Völker, Ras fen, Sprachen" veröffentlicht. Es ist ge eignet, den Wirrwarr der Rassenfragen wirklich Ju klären. Zugleid) seigt es fid) in seinen Schlußfolgerungen, die wir hier wiedergeben, im Einklang mit den Geboten wahrer Mensch. lichkeit.

einzigen Art: Homo sapiens. 1. Die gefamte Menschheit besteht nur aus einer einzigen Art: Homo sapiens.

Völker mit einer anderen Kultur als die unfere; 2. Es gibt Beine wilden" Völker, es gibt nur aber es gibt einzelne weiße Wilde", rohe, unge. aber es gibt einzelne weiße Wilde", rohe, unge fich teine Mühe geben, die Eingeborenen kennen bildete und an Tropentoller leidende Europäer, die zu lernen, unter ihnen wie Wilde hausen und sie in und der denkber grausamsten Weise mißhandeln

ausbenten.

3. Die trennenden Eigenschaften der sogenann ten Raffen" find im wesentlichen durch klimatische,

4. Es gibt keine an sich minderwertigen Rassen, 5. Es gibt in jeder Roffe einzelne minderwertige Individuen.

Wenn diese Toten Namen hätten, sie wären nicht so vorwurfsvoll. Nach den Gesichtern und Kleidungsstücken sind sie im Leben nicht wohl­habend" gewesen. Sie gehören jenen Schichten an, die man Die unteren" nennt, weil sie zufällig sosiale und andere Fattoren der Umwelt entstanden. unten find, und der des versinkenden Mittelstant= des, der dieser fühlbaren Zeit so viele Opfer zu­führt. Man sieht die Bilder von Tagelöhnern, Dienstmädchen und von anderen Menschen, die nur schwere Arbeit verrichten müſſen, und man ficht Gesichter der Abgeglittenen, der verzweifelt heitliche menschliche Gruppe hatte ursprünglich auch 7. Cine in ihren törperlichen Eigenschaften eit­in den Tod Gesprungenen. Nicht oft wächst so eine einheitliche Sprache. Im Lauf der Zeit ist aber ein Totenkopf aus einem Stehkragen, dem euro - durch Wanderungen, durch Bölkerverschiebungen päischen Abzeichen des Bürgertums. Fast immer aller Art, durch mehr oder weniger Friedliche oder aus offenen, dunkelfarbigen Hemden. gewaltsame Durchdringung, durch Handel und Ver.

6. Die meisten Rassen sind der Umwelt in voll­endeter Beise angepaßt.

ehr das ursprüngliche Berhältnis faſt überall ves Sprache nur besteht.

Sprache nur in ganz seltenen Ausnahmsfällen 8. Der Unterschied zwischen den verschiedenen

Von Josef Roth ( Berlin ). Die namenlosen Toten der großen Stadt cuf die Unternehmungen, die sie mir austalte, hängen, ordentlich in Neih und Glied, in den Pho­einzugehen. Mis mich meine Frau aber fragte, tographenschaukästen des Polizeipräsidiums, im ob ich fie denn durchaus zur Witwe und unsere Parterre. Das ist die grausame Ausstellung der elf Kinder zu Waisen machen wollte, fügte ich grausamen Stadt, in deren asphaltierten Straßen, mich. Ich sprang( genan nach den Worten der graubefchatteten Parks und blauen Kanälen de weifen Frau) um vier Uhr früh aus dem Bette, Tod lauert, mit Revolver, Knebel und betäuben ging fünfmal im Zimmer auf und ab, wischte dem Chloroform. Das ist sozusagen die anonyme dann mit einem buntgetupsten Tuche denen Seite der Großstadt, ihr Elend, das feinen Namen fterschweiz" von allen Glasscheiben unfever Woh hat. Das sind ihre unbekannten Kinder, deren nung und schlug hierauf meinen Sals in dieses Leben Unrast, Kneipe und Verborgenheit heißt, Tuch ein. In den Knoten des Tuches knüpfte ich, deren Ende blutig ist und gewaltsam, ein mörderi wie das Rezept es verlangte, einen Kellerschlüssel, sches Finale. Sie stolpern besinnungslos in eines Iustete immer nur in südlicher Richtung und das der zahllosen Gräber, die eigens für sie, an allen genau fünf Minuten nach neun Uhr vormittags, ihren Wegen bereitstehen, und das einzige Anden - wurde am 2. Dezember 1921 im Abort des Bota. dwunden, so daß jezt eine Deckung von Raffe und der zahllosen Gräber, die eigens für sie, an allen nachdem ich mir noch einen Kopfguß mit einem Waffer gegeben hatte, das um zwei Uhr nachts ken, das sie der Nachwelt hinterlassen, ist ihr Por von mir selbst auf den Gang gestellt werden, trät, aufgenommen am sogenannten Tatort" vom mußte, das Tuch wieder weg. Diese Sympathie- Apparat der Polizeikommission. mittel sagten meinem Susten so zu, daß er seine So oft ich das Schaufenster eines Photogra­Sympathien für mich in außerordentlichem Grade phen sehe, die Bilder der Lebenden, der Braut verstärkte. Ich gewann nach dieser Heilmethode leute, der Konfirmationskinder, der lächelnden die Fähigkeit, so träftig zu husten, daß ich durch Gesichter, die weißen Schleier, den papierenen ihn leichtere Gegenstände, wie Salzfäffer und Blumenschmud, die Orden eines Exellenzporträts, Zündsteine, ganz gut vom Tische blasen konnte. deren Anblick allein schon das Geräusch des Klim­Nun, der Husten juhr fort, überall, wo er perns hervorruft, denke ich an jenen Staften der jich repräsentierte, die Herzen zu bewegen. Ich Toten in der Polizei. Er sollte nicht im Sorridor wurde mit Ratschlägen überschüttet. Ich tat, was des Polizeipräsidiums hängen, sondern an weit ich konnte. Ich das Spißwegerichtraut nach sichtbarem Play in der Mitte der Stadt, deren Ich umgürlete nächtelang meinen Sinnbild er ist. Die Schaufenster mit den Por­Hals mit einem in Leinwand gehüllten Absud träts der Lebendigen, der Feierlichen, der festlich von Kamillentee. Ich goß alle möglichen Flüssige Gestimmten, geben eine falsche Vorstellung vom feiten in meinen ſtöhnenden Schlund. Ich glaube, Leben. Es geschehen nicht lauter Trauungen, es auch Effigfäure habe ich eingenommen. gibt nicht nur schöne Frauen mit runden Schul­tern und Stonfirmation auch Morde, plötzliche Schlaganfälle und Ertrinkungstode werden in die fer Welt gefeiert.

Am 25.

Und der Ort, an dem fie der grænſige Tod erreicht, fennzeichnet ihr ganzes Leben. erreicht, kennzeichnet ihr ganzes Leben. Einer damer Bahnhofs gefunden. Am 25. Juni 1920 wurde jene Frau urbestimmbaren Alters aus dem Reichstagsufer der Spree gezogen. Januar 1918 starb jener bärtige, zahnlose Kopf Raffen ist, besonders was die moralischen Eigen. am Alexanderplay. Am 8. Mai des Jahres 1922 haften und die Intelligens angeht, nicht entfernt starb dieser, ein junger Mann, mit feierlichen- o groß als der zwischen einzelnen Individuen ein und derselben Raffe. gen, auf einer Bant am Arminiusplatz. Hat er die friedlichen Züge der wunderbaren Woinacht 9. Mischlinge sind( genau wie etwa die unch. lichen Kinder) niemals von vornherein minde auf dem Arminiusplatz zu verdanken? Die Nachlichen Kinder) niemals von tigall fang wahrscheinlich, als er starb, der Flieder wertig; sie werden es nur, wenn ihre Eltern ind. viduell minderwertig find. duftete und die Sterne glänzten.

Am 26. Oftober 1921 wurde jemand, ef.t etwa fünfunddreißigjähriger Mann, in der Span dauerstraße in Schlendorf, auf einem unbekannten Grundstück, erschlagen. Eine dünne Blutspur führt von der Schläfe zur Lippe, dünn und rot fließt es, das längstversiegte Blut des Begrabenen, auf dem Porträt, fließt es in alle Ewigkeit. Ver­geblich, auf Straniche zu warten, die einst die Mör der des Jbykus verrieten. Ueber den Grundstücken der Spandauerstraße schivärmen feine Kraniche, In der Meßwoche der Kinos, die Aktuali- man hätte sie längst abgeschossen und gebraten. täten zeigt, müßten die belehrenden Photographien Gott aber sieht hinter den Wolken, ungerührt, abgerollt werden, nicht nur die ewigen Baraden, einen Weltkrieg lodern- wie sollte er sich da Fronleichnamszüge des Patriotismus, die Bade- um einen einzelnen fümmern? Orte mit den Springbunnen, den Sonnenschir men, den magenbitteren Sprudeln, den Terrassen mit den Wagnermärschen. So schön ist das Leben nicht, wie man infolge der Meßwoche glauben fönnte.

Ich war endlich so weit, daß ich meiner Frau, als sie mich wieder mit dem Hinweis auf ihre mögliche Witwenschaft zu einer Schandtat gegen meinen Husten reizen wollte, antwortete, ich fieße ihr, wenn sie mein Hinſcheiden schon so fürchte, den Vortritt. Ich ging filometeriveit hin ous ins freie Gelände, um dort husten su tönnen, obne in Gefahr zu geraten, eines mitfühlenden Menschen Ratschlag anhören zu müssen. Ich warf wütend mit Ehrenbeleidigungen um mich, wenn sich mir ein Mensch näherte, von dem ich annehmen mußte, daß er mir ein Mittel auf halfen wolle Da begegnete ich einmal auch dem Durch den Korridor des Polizeipräsidiums Manne , der mich heute vor Gericht geschleppt hat. gehen täglich, stündlich, sehr viele, hunderte Men­Er sagte mir mit umflorter Stimme, daß er meischen und niemand bleibt vor den Schaukästen nen Susten nicht verwinden fönne, und meinte, stehen, um sich die Toten anzusehen. Man geht aufgelöstes Bech um den Hals wäre... Nun, ins Fremdenamt, ins Paßami, um ein Visum zu da habe ich ihn eben geprügelt. Können Sie es holen, ins Fundbüro, einen Regenschirm suchen, mir verdenken, Serr?" in die Kriminalabteilung, einen Diebstahl anzu­zeigen. Ins Polizeipräsidium kommen lauter Menschen, die mit den Dingen des Lebens zu tun haben, und, abgesehen von mir, fein einziger Phi­losoph. Wer sollte sich um die Toten fümmern? Diese Toten sind häßlich und vorwurfsvoll

Sujiend hatte der Fremde geschlossen. Seine Geschichte hatte mich tief gerührt. Ich sagte zu

ihm: Sie haben gut getan! was müssen Sie gelitten haben! Aber was Ihr Leiden betrifft,

Der Held im Schatten.

Roman von Karl Bröger. ( 11) Bom Kaffeehaus rief er nachmittags ge Iegentlich an, doch nur, wenn ihn die ewige Farcdpartie cinen Augenblid freiließ. Um sieben Uhr abends unterzeichnete Herr Alfons Beißer die Briefe, schwenkte gönnerhaft den steifen Filz und ward nicht mehr gesehen.

Fräulein Rascher versah in der Hauptsache das ganze Geschäft. Ernst war eine wertvolle Stüße geworden. Zn arbeiten gab es immer, doch hatten Einteilung und Berechnung der Zeit fertig­gebracht, daß den zwei Leuten manche freie Stun de übrigblieb. Da drehte sich dann Fräulein Lene Rascher auf dem hohen Kontorbod abwärts, strich die Faiten der Bluse aus und lächelte Ernst auf

munterud au.

Ernst wußte dunkel, wohin das Mädchen zielte. Aber Lene war fünf Jahre älter, sah in ihver reisen Fülle einer wissenden Frau gleich und hatte Kleine Annäherungen des jungen Menschen bisher stets zurüdgewiesen.

Es sind etwa hundert Photographien in den Kästen und sie werden immer wieder erneuert. Tausende sterben ungekannt in der großen Stadt. Sie haben keine Eltern, keine Freunde, jie haben einsam gelebt, sie sind vergessen gestorben. Sie saßen nicht fest im Gefüge einer Gemeinschaft-- so viele Einsame gibt es in der großen Stadt. Wenn hundert erschlagen werden, leben noch Tau­fende weiter, ohne Namen, ohne Dach, Menschen, wie Steine. Einer gleicht dem andern, alle tom­men einmal gewaltsam um und ihr Tod hat nicht so schreckliche Folgen und kommt nicht in die Zeitung wie der Tod eines Talaat Pascha zum Beispiel.

Nur eine namenlose Photographie fordert teilnahmslose Menschen im Korridor der Polizei vergeblich zu einer Agnoſzierung auf.

lächelnd, den unordentlichen Anzug Fräulein Ra-| vierzig Pfennige besaß, laufte er ein Pfund Prali­schers. Er stellte sich taub und blind, ganz von nés. Das füße Zeug naschten beide im Weiter den Pflichten des Tages vergessen und trommelte gehen und, ohne recht auf den Weg zu achten, auf der Schreibmaschine cilfertig weiter. standen sie plöglich wieder vor dem Geschäftshaus Argus".

Das Spiel ging Wochen, ohne mehr zu wer­den, als läppische Kinderei. Heimlich aber schwelte das Feuer in beiden und wartete mur des Wind­bauchs, der es über ihre Köpfe trieb. Lene liebte sicher mehr das Spiel mit dem Feuer selbst; sie vergaß aber über dem Spiel, daß auch sie nicht feuerfest sei.

Fräulein Rascher ledte tagenartig die Lippen sauber und lächelte dankbar.

Ich hab' vorhin mein Taschentuch droben gelassen. Wollen wir es holen?"

Ernst ahnte den Vorwand. Er glühic vor Erwartung und mußte gewaltsam an sich halten, Die Zeit war Tändeleien günstig. Fastnacht seine Erwartung nicht zu zeigen. Das Haus war rückte nabe; es gab Musik auf Plaß und Gasse, dämmerig und menschenleer. Alle Geschäfte hat Tänze allerwärts, und der kommende Frühling ten geschlossen, niemand hörte die Schritte auf der wühlte den Menschen im Geblüt. Am Tag aller Stiege. Im Kontor herrschte Dunkelheit. Ernst Narren schlossen Ernst und Lene ihre Tätigkeit zuckte schon nach Streichholz, Licht zu machen, un­früher. Herr Alfons Beißer hatte schon um brei terließ es aber, weil Fräulein Rafchers unter Ihr die Poſt erledigt und war, bunte Papierbän- drüdte, wie er zu hören glaubte, heifere Stimme der um den korrekten Filzhut, trällernd abgegan- ihm ins Ohr zischte, ob er denn so furchtsam sei. gen. Großes Leben wogte in der Stadt. Die Mit hängenden Armen stand Ernst mitten im Menschen schoben und drängten sich in den Haupt- Zimmer. Die Luft bedrängte ihn, und um seine straßen, warfen Konfetti und Papierschlangen Ohren fauste es stürmisch. durcheinander und fuhren sich mit Pfauenfedern Sie mir suchen! Hier herum muß es liegen." Kommen Sie doch her, Ernst, und helfen um Mund und Nase. Kreischen und Quicken der Weiber, wichernde Stimmen der Männer, zornige Wieder fiel Ernst der seltsam klanglofe, bei Fräulein Rascher wurde nie in Herrenbeglei Schreie von Kopfhängern, denen kollerndes- Fräulein Rascher wurde nie in Herrenbeglei- Schreie von Kopfhängern, denen follerndes Ge- nah heisere Ton der Mädchenstimme auf. Folg tung gesehen. Streng lebte sie nach den Sittenvor- lächter antworte, das Gewühl vernummter, aus- samt tappend ging er, die Hände vorgestreckt, auf schriften ihrer fleinbürgerlichen Welt, und nur am schweifend und abenteuerlich belarvter Gestalten: Zimmerwinkel bewegte. den Umriß los, der sich verschwommen in einem Montag schatteten übernächtliche Ringe die sonst ein Meer leichter Lebenslust warf seine Sprißer wafferblauen Augen. Im Kontor nahm sich das bis unter die Dachfenster und schlug auch über Mädchen nicht ganz so sittsam aus. An der Bluse Ernst und Lene zusammen, die eng geschmiegt, fingerte sie viel öfter, als ersichtlicher Grund war, im heftigsten Strudel trieben. Das gut gebaute und mit Erust allein fnöpfte sie auch beherzt die Mädchen lenkte die männliche Liebenswürdigk it obersten zwei Knöpfe auf. Das war doch auch reich auf sich, zum großen Aerger ihres Begleiters, weiter nichts! Der Bub war doch erst fünfzehn der wütende Blicke nach den zudringlichen Bei Jahre. Man konnte die Knöpfe ja schließen, bern schoß. Ernst nahm Lenes Arm an sich, was wenn er frech werden sollte. ruhig gestattet wurde, und steuerte aus dem Tru­Ernst benahm sich aber gar nicht dumm. Ob-| bel. Vor einer Konditorei kam ihm der Einfoll. pohl es alle Mühe kostete, die Wallung zu bemei- Lene möchte vielleicht nichts gegen eine ffeine Stern, übersah er doch meist, sein und erfahren Näscherei haben, und da er noch drei Mark und

10. Die menschliche Gesellschaft hätte in dir Sand, sich vor minderwertigen, d. h. ajozialen od: antifozialen Elementen dauernd zu schien und 3- gleich ihre Anzahl wesentlich herobzuisken.

Aber wie wollte ich gerecht sein von Grund aus! Wie fonn ich jedem das Seine geben! Dies fei mir genug: ich gebe jedem das Meine.

Nießsch.

Der gleiche Weg. A.:,,Wohin gehen Sie so eilig?" B.: Zum Arzt." Meine Frau gefällt mir nicht."-A.: Da gehe ich mit Ihnen. Meine Frau gefällt mir auch nicht."

Inser Leben ist der Mörd durch Arbeit; wir hängen fünfzig Jahre lang am Strid und zap­pefn; aber wir werden uns losschneiden.

*

Georg Büchter. Freiheit obate Bildung bringt Anarchie. Bi dung ohne Freiheit Revolution. Rudolf Virchewv.

Die meisten glauben, ihr eigenes Glüd zu fördern, indem sie ihre Wünsche befriedigen. Aber das ist durchaus zweierlei Wehe dem, der jeden erdentlichen Wunsch erfüllt sieht, dem nichts mehr zu wünschen, zu verlangen bleibt.

Mantegazza.

Stöhnen im abendlichen Haus. Die Laternen brannten schon, als Ernst und Lene das Haus verließen, mißtrauisch die Straße abspähend, ob ihr Geheimnis keinen Wisser hatte

Daß Ernst nun eine Geliebte hatte, war tief in seiner Brust begraben. Lenes Angst, er tönnie doch vielleicht unbedacht schwaben, zerschmolz rasch in Wohlgefallen über das männlich verschlossene Betragen des jungen Liebhabers. Jeden Tag gab Zene diesem Wohlgefallen Ausdrud. Eine Augen­sprache hatte sich zwischen ihnen gebildet, die in mer geredet wurde, wenn Ernst und Lene nicht af­lein waren. Herrn Alfons Beißes Kurzsichtigkeit war so entwickelt, daß er ga rnichts von dem Ver­hältnis seiner Angestellten fah. Daß zwei junge, stundenlang allein gelassene Menschen an anderes denten tönnten als an Hauptbuch und Kladde, fiel Herrn Alfons Beißer nicht im Traum bei. Dafür bezahlte er die Leute doch nicht.

Das Verhältnis seßte sich munter fort. Fran lein Rascher war ein vorsichtiges Mädchen. Wer durfte glauben, daß sie sich mit dem jungen Men­schen abgeben würde? Das war ja ein ganz grü ner Junge. Rein Dummikopf, aber auch ic Frechling. Er verehre sie zwar, wie Jungens von sechzehn Jahren das eben machen. Sie sei freund­lich mit ihm, aber mehr, als sich gelegentlich heim­begleiten lassen, erlaube sie nicht. Ernst wußte manches anders. Lene war cin Mensch, daß wir hier sind. Sie dürfen aber auch die Haarwurzeln und von fragloser Gemeinheit, Fürchten Sie sich? Es weiß doch kein kräftiges, blutvolles Mädchen, sinnlich bis unter nichts fagen! Ja?" was ihren Körper betraf. Sie schenkte Ernst nur Ernst und fing seine sinnlosen Liebtofungen mit alles zu versagen, und heizte ihre begehrlichen Lene ficherte lockend, drehte den Kopf nach Teile ihres Störpers, gewährte alles, um schließlich dem Gesicht auf. Sie füßte mit breitem, nassen Sinne an der unverbrauchten Straft des Jüng Mund, saugend und gierig, atmete erregt und sant lings. Ernst fühlte sich in dem Verhältnis immer rüdw..cts in die Arme des jungen Freundes. gereizt und nie befriedigt, schweifte in Gedanken Ernst bebte im Sturm seiner Begier, zog Lene noch mehr aus als im Verkehr mit Lene und auf die Stifte und verschüttete sie tief in Bärtlich stumpfte unmerklich gegen viele Feinheiten der feiten. Sinne ab.

Ungestört verhallte das verliebte Seufzen und

( Fortsetzung folgt.)