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3. Jahrgang.
Sozialdemokrat
Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischer Arbeiterpartei
der
in e chechoslowakischen Resul.
Freitag, 16. März 1923.
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Nr. 62.
Der Fall Bergler. Der Kampf gegen das Schutzgesetz dauert forte Wohlwollen", gründlich auszuützen.
Die Geschichte eines tschechoslowa
tischen Gesandten.
II.
Der
das ihm, dem nationalen Helden, entgegengeEnde September 1921 ließ er sich herab, der Am 15. dies. Monates hielt in Prag der Boll- zung beschloß, die Lokalorganisationen aufzufor- an ihn am 2. August ergangenen Aufforderung, zugsausschuß des Parteivorstandes der deutschen dern, dahin zu wirken, daß die Versamm zur Auseinandersetzung über seine Angelegenfozialdemokratischen Arbeiterpartei in Gemein- Iungstätigkeit in allen Orten fortge- heit nach Prag zu kommen, zu folgen." Bildet schon das bisher Gesagte über die schaft mit den Vertretern der Kreisorganisa- set wird, damit der Bevölkerung der Inhalt Außenminister verlangte hier von ihm, daß er Zustände in der Gesandtschaft in Tokio einen tionen unter dem Vorsiz des Genossen Abg. Hil- und die Bedeutung des Schutzgesetzes in eindring- refigniere, doch Bergler bat und drohte. Er Standal von nie dagewesenen Dimensionen, so lebrand eine Sipung ab, in der in eingehen- licher Weise llar gemacht werden kann. Die De- wollte, daß man ihm noch zwei bis drei Jahre ist damit der Gipfelpunkt des Unerhörten noch der Weise die Fortführung des Kampfes gegen zirksorganisationen werden aufgefordert, falls drohte, wenn dies nicht geschehe, daß er den den vollen Gehalt als Gesandten zahle, er lange nicht erreicht. Und hier geht es nicht das Schußgefeß erörtert wurde. In der Protest- Verfolgungen aufgrund des Schutzgesetzes ganzen Vorfall der Oeffentlichkeit übergeben, mehr allein um die Schuld der Lumpengesell erklärung, die namens des Klubs der Abgeordne- geschehen sollten, hierüber an den Parteivorstand daß er als- Abgeordneter kandi. schaft, die in Tokio jahrelang mit der Fühten im Parlament abgegeben wurde, ist bereits stets sofort genauestens zu berichten. rung der diplomatischen Geschäfte der Tschecho- die Ankündigung erfolgt, daß der Kampf gegen wurde der Beschluß gefaßt, eine Agitations chen Affäre machen werde. Ehe es gelang, Ferner dieren und die Sache zu einer politi▪ jlowakischen Republik betraut war, sondern auch um die Schuld des Systems, wie es bei den dauernden gefeßlichen Ausnahmszustand un- broschüre gegen das Schuggefeß zur Maffen- Pergler zur Resignation zu bewegen, verging uns seit dem Umsturze sich im Schatten und ter allen Umständen weitergeführt wird. Die Sit- verbreitung herauszugeben. wirklich noch mehr als ein ganzes Jahr. Da Schuße des Nationalismus und Patriotismus Dr. Benesch vor seinen Drohungen nicht zu etabliert hat. Die Interpellationsbeantwortung rüdwich, willigte Pergler mündlich in die Re signation ein, doch schriftlich wollte er dies erst
ſucht als Grund dafür, daß eine solche ausge- Vor einem englischen Vermittlungsverfuch? nach seiner Rückkehr nach Amerika tun. Er ver
juchte Bande von Strolchen in der Gesandt
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Bonar Law zum Eingreifen gezwungen.
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schaft von Tokio die Repräsentanz der Republik Eine neue Reparationstonferenz. Der Druck des englischen Unterhauses. bilden konnte, den Umstand geltend zu machen, daß der diplomatische Außendienst des neuen Staates beim Umsturz außer einigen Konsularbeamten niederer Kategorien feinerlei Grundlagen vorfand und über fein geschultes Beamtenmaterial verfügte. Das wäre schon an und für sich feine Rechtfertigung für die über ein Jahr andauernde Schandwirtschaft in der genannten Gesandtschaft, no ch weniger aber für das, was später folgte. Der Mangel an geschultem Personal entschuldigt nicht die Bedenkersigkeit, mit der bei der Aufnahme von Beamten und das gilt nicht nur vom Außenministerium vorgegan gen wurde. Als Befähigungsnachweis galt vor allem und gilt auch heute noch die po litische und nationale Gesinnung des Bewerbers, seine Zugehörigkeit zu einer der an der Macht befindlichen tschechischen Parteien und des Grad des Einflusses, den ihm die Protektion der führenden Personen dieser Parteien gewährte. Kenntnisse und Befähigung spielten dabei eine untergeordnetere Rolle. Ein solches System mußte schließlich solche Giftblüten, wie den Tokiver Gesandtschaftsskandal zeitigen. Daß Pergler in dem Rufe stand, sich wie übrigens schon gesagt: höchst ungefährliche- Lorbeeren für die„ tsche chische Sache" im Striege erworben zu haben, das genügte, um ihm, dem Abenteurer, einen der höchsten Posten und eine der hervorragend Berlin
, 15. März.( Eigenbericht.) Mit größter Bestimmtheit taucht in den Pariser und Londoner Blättern die Behauptung auf, daß der englische Kabinettsrat eine Anfrage an die deutsche Regierung beschlossen hat. Nach der einen Version soll der deutschen Regierung der Vorschlag gemacht werden, als gleichberechtigte& Glied an einer Konferenz teilzunehmen, der ein englisch - amerikanisches Reparationsproble m zur Beratung vorliegen soll. Nach einer an deren Fassung soll die deutsche Regierung auf gefordert werden, ihre Anerbieten zu formulieren. Die Möglichkeit, daß Verhandlungen eingeleitet werden, scheint umso eher gegeben, als die Brüsseler Konferenz die Räumung des Ruhrgebietes prinzipiell beschlossen hat. Der bisherige Mißerfolg der Aktion hat sicher dazu beigetragen, die Verhandlungsbereitschaft der Franzosen zu erhöhen. Es ist aber auch mög lich, daß sie auf den mäßigenden Einfluß der belgischen Regierung zurückzuführen ist. Für die größere Attivität der englischen Regierung ist jedenfalls die Tatsache ausschlaggebend, daß die parlamentarische Stellung der Regierung immer unsicherer wird. Bei der leßten Abstimmung im Unterhaus erzielte fie nur noch eine Mehrheit von 48 Stimmen; sogar fonservative Abgeordnete gaben ihrer Mißbilligung der Regierungspolitik durch Stimmenthaltung Ausdr ud. Deutschland
ist selbstverständlich, wie der Neichskanzler in seiner letzten Rede angedeutet hat, jederzeit zu Verhandlungen bereit. Die Ae ußerungen einzelner Abendblätter, daß Deutsch land erst nach vorangegangener Räumung des Ruhrgebietes verhandeln werde, find nicht ernst zu nehmen. Die deutsche Regierung wird sich hüten, im entscheidenden Augenblick alle Chancen aus Prestigegründen aufzugeben.
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Ein unflares Dementi. Deutschland der englischen Regierung einen Vorschlag vorlegen würde, auf den die Aufmerksamkeit London , 15. März. Reuter meldet: Die eng Franfreichs gelenkt werden sollte, wird sich Englische Regierung hat definitiv erklärt, daß es ihr land darauf beschränken, die Reichsregierung dar heute nicht zu steht, zwischen Frankreich und auf aufmerksam zu machen, daß der Vorschlag Belgien und der deutschen Reichsregierung zu Frankreich und Belgien direkt vorgelegt werden vermitteln. Es ist klar, daß es an der deutschen müsse. Deutschland hat übrigens die Freiheit, die Regierung liegt, einen Vorschlag zu machen, der Bedingungen des Vorschlages zu veröffentlichen, Frankreich und Belgien befriedigen würde, die der Frankreich und Belgien so automatisch er dann die Verhandlungen beginnen könnten. Wenn reichen würde.
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langte, daß er nach Amerifa noch als Ge. sandter zurückkehren dürfe, welchem Wunsche der Minister wieder mit Rüd. sicht auf die revolutionäre Tätig feit Pergler3" die Erfüllung zusagte, doch Bergler verblieb weiter in Prag, nahm seine mündliche Resignationserklärung zurüd. Am 15. Mai 1922 wurde ihm ein Reisevorschuß von 1500 Dollar gewährt, nachdem er doch wieder zugesagt hatte, von Amerika aus seine Resignation zu überreichen, doch ließ er sich noch fünf Monate trop feines Ehrenwortes hiezu Zeit. Während dieser ganzen Zeit, also bis zum Oktober 1922, erhielt er den vollen Gehalt als Gesandter und schwinbelte, nach Amerifa zurückgekehrt, dem Washingtoner tschechoslowakischen Gesandten unter falschen Vorspiegelungen einen Betrag 3000 Dollar heraus. Das Ministerium zeigte sich auch da wieder„ benevolent": es genehmigic nachträglich nicht nur diesen Betrag, es strich auch alle von Bergler in der Zeit seiner Gesandtschaft in Tokio von ihm behobenen" Beträge! Seinen Lumpereien fügte er noch die hinzu, daß er in Amerika gegen das Außenministerium mehrere Erpressungsveruche unternahm, indem er gegen dasselbe in amerikanischen Zeitungen scharfe Artikel schrieb, mit welcher Tätigkeit er aufzuhören versprach. wenn ihm das Ministerium„ entgegenkommen" würde. Das Ministerium aber blieb dem gewiffenlosen Menschen, Abenteurer, Defraudan
von
ten, Betrüger und Erpresser gegenüber wohl wollend! Diesem Wohlwollen hat es die Bevölkerung der Republik zu danken, daß sie Bergler bis zu seinem Lebensende eine fette Pension zahlen darf! Statt des Striminals ein lebenslänglicher Ruhegenuß! Die„ revolutionäre Tätigkeit" Berglers hat sich für ihn wahrhaftig gelohnt.
Von den zahlreichen Lehren, welche sich
sten Würden, die der Staat zu vergeben hat, zu verleihen. Man wußte sogar um die Qualität der ihm zugeteilten Beamten, denn, wie die seinem und dem Gelde der Gesandtschaft keinen| ließ, unter der Bedingung, daß seine Familie Interpellationsbeantwortung ausdrücklich fest Unterschied machte, für sich und seine Familie sich dauernd in der Tschechoslowakei niederlasse, stellt, wurde Pergler noch vor der Abreise nach nach Belieben der Kassa ohne Quittung Vor- eine Verpflichtung, die Pergler nicht erfüllte. Tolio von den Herren Jan Masaryk schüsse auf Gehalt, Behr- und Reisegelder ent- Nun geriet, wie der Interpellationsbeantund Strimplaufmerksam gem a cht, nahm, über die bis zum heutigen Tage noch wortung zu entnehmen ist, das Außenministe. sich vor Novat zu hüten. In sehr maß- feine Verrechnung erfolgte. Diesem Vorbilde rium in einen argen Gewissenskonflikt. Sollte gebenden Streisen fannte man also den Cha- des Vorgesetzten folgten auch einzelne Beamte es gegen Bergler disziplinär einschreiten, wie rafter dieses Lumpen, dennoch wurde seine An- die Kassa war gewissermaßen Gemeingut. gegen die anderen schuldigen Beamten, oder aus der Sache ergeben, ist jene nicht die letzte, stellung geduldet. Die„ verläßliche nationale Ein ganz untergeordneter Angestellter der Ge- sollte es zur Austragung der Angelegenheit die sich aus der Betrachtung ergibt, was geGesinnung" deckte alles zu. Die Art des Vor- sandtschaft, der Diener Ružička, verwaltete" einen anderen Weg wählen. Pergler geschehen wäre, wenn sich der Fall zur Zeit der ganges bei Beamtenernennungen illustriert auch einen Teil dieser Legationsgelder, was er in richtlich zu verfolgen, fiel dem Geltung des Gesezes zum Schuße der Republik die Anstellung der Beamtin Eliasch, die, der Weise tat, daß er von ihnen schließlich Ministerium überhaupt nicht ein! ereignet hätte. Wessen Sinn nicht von einem wie die Antwort des Ministers besagte, einen sogar die Privatschulden der Ge- Und nun heißt es wörtlich in der Antwort des irregeleiteten„ Patriotismus" umnebelt ist, Ministers: ,, Mit Rücksicht auf die hohe muß erkennen, daß die Wiederholung solcher höheren Posten bei der Gesandtschaft erhielt, sandtschaftsbeamten bezahlte. weil sie wiederholt von mehreren Abgeordne= Was geschah nun? Zweifellos hätte die Stellung Perglers und seine politische Vorfälle nur durch ihre rücksichtslose Aufdekten empfohlen worden war". ganze Gesellschaft ins Kriminal gehört, doch Tätigkeit sowie feine Zeilnahme an fung verhütet werden kann. Wehe aber der Unter diesen Umständen fann es kein Er das Ministerium zeigte sich, wie es versichert, der Befreiungsaktion in der Zeit des Beitung, die es unter der Herrschaft des Schutzstaunen weden, daß der Herr Gesandte sich ge- benevolent", das heißt: wohlwollend! Wohl- Strieges entschied sich das Ministerium für das gesetzes gewagt hätte, Licht in diese Sache zu genüber dem Ministerium allmächtig fühlte und wollend gegenüber den pflichtvergessenen Ge- Vorgehen nach§ 80 der Dienstpragmatit, wo- bringen und zu versuchen, diesen Augiasstall zu alles für erlaubt hielt. Tatsächlich schritt das sellen, Defraudanten und Betrügern! Nicht nach die Zentralbehörde aus eigener Macht- reinigen! Ihr Redakteur wäre, auch wenn ihn Ministerium erst am 4. März 1921, also nach jeder, der die Gesetze des Staates überschreitet, vollkommenheit einen Beamten, der dauernd die beste Absicht geleitet hätte, wegen„ Vermehr als einem Jahr seiner„ Amtstätigkeit". erfreut sich eines gleichen Wohlwollens! Anstatt seine Unfähigkeit erweist. in den Ruhest and letzung eines Staatsgeheimnisses" auf Jahre in gegen Bergler ein, zu einer Zeit, da der Stan- die ganze Bande vor Gericht zu stellen, wurde verseßen kann." Das Ministerium hegte dieb- den Kerfer gewandert, indessen der schuldige dal schon zum Himmel stank. Pergler erhielt gegen sie das Disziplinarverfahren eingeleitet sicht, Pergler die Resignation nahezulegen und Gesandte vom Staate lebenslänglich gut verdreimonatigen Urlaub und das Ministerium und man begnügte sich damit, den Legations - alles gewissermaßen im Guten, auf sorgt bliebe. Schon dieser eine Fall zeigt den - nicht etwa das Gericht! leitete die Un- sekretär Dr. Rischmann in den dauernden friedlichem Wege" zu ordnen. tersuchung ein. Nach Perglers Beurlaubung Ruhestand(!!) zu verseßen, der Gesandtschafts- wieder die„ Benevolenz"," das Wohlwollen! Alles in allem ist der Fall Pergler ein famen immer neue Dinge ans Tageslicht, da beamtin Eliasch wurde die Vorrückung im Woraus flar hervorgeht, daß es zweierlei Sfandal, wie er in Europa kaum jemals da die übriggebliebenen Gesandtschaftsbeamten Amte eingestellt(!!), der Beamte Kizlink und Recht gibt: cines für die gewöhnlichen war. Die Patrioten werden vergeblich verendlich die Sprache fanden. Da zeigte es sich, der Diener Ružička wurden entlassen und nur Staatsbürger, ein anderes für jene, die sich suchen, Bergler nun von den Rockschößen abzudaß von einer ordentlichen Buch- und Kassa- Novak wurde doch eigentlich nur durch die politische und nationale Verdienste" erworben schütteln. Bergler war nur möglich in der Atzu 18 Mona haben. Bis jetzt wurde das wenigstens nicht mosphäre, wie sie der überhitte Nationalismus führung unter Berglers Leitung überhaupt Ungeschicklichkeit" Perglers nicht gesprochen werden konnte. In den Bu ten Freiheitsstrafe verurteilt. Bergler ver- gewissermaßen amtlich noch nie so offen zu- hier zeitigte. Sein Fall bedeutet das Urteil chern und in der Kassa herrschte- wörtlich brachte seinen Urlaub in Amerika , wo er sich gegeben. über das System, welches das politische und Aber damit hatte die Affäre noch lange nationale Leben seit dem Umsturz in den Fännach der Interpellationsbeantwortung: Un- vor allem vom Ministerium einen Reisevorordnung und Chaos", da Pergler zwischen schuß in der Höhe von 5517 Dollar auszahlen nicht ihr Ende erreicht, denn Bergler wußte gen hält.
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Also Wahnwig des Gesetzes.