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3. Jahrgang.

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Sozialdemokrat

Zwei Krititer.

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Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.

In der Liliengasse in Prag ist über unser Blatt lebhafter Unmut ausgebrochen. Um es uns ganz gründlich zu geben, hat man dort gleich zwei der deutschdemokratischen Feder­helden gegen uns losgelassen, damit sie uns gehörig in die Schranken verweisen. So rechnet denn die Bohemia" in einem wutentbrannten Artikel mit uns wegen unserer Betrachtungen über die neueste Idee Lodgmans, die Schaffung einer großen deutschen Einheitspartei", ab, und in dem wie brüden wir uns nach der Ver­leugnung der geistigen und parteipolitischen Zusammengehörigkeit der beiden Blätter nur aus? also in dem der Bohemia" nahe­stehenden, wenn auch unabhängigen" Mon­tagsblatt", laßt Herr Dr. Franz Bacher alle Fontänen der Ironie und seines überlegenen Geistes gegen uns spielen, weil wir seiner Sehnsucht nach Beseitigung des direkten Wahl­rechtes eine, wie er meint, es mit der Wahr heit nicht genau nehmende" Würdigung ge­widmet haben. Es handelt sich also um einen geradezu konzentrischen Angriff gegen uns, der den Eindruck machen könnte, als schlügen die Geistesgranaten nur so in uns hinein. Aber da wir die Dinger, mit denen wir beschossen werden, näher befehen, merken wir, daß es doch nur Frösche" und andere knallende Feuer­werkskörper sind, welche die schwere Artillerie in der Liliengasse verschießt. Die Hauptsache scheint dort zu sein, daß es eben knallt.

an­

Mittwoch, 25. April 1923.

An die Arbeiter aller Länder!

es kann dazu kommen, wenn die international vereinigten Arbeiter dieser Gefahr nicht ent­Der Frieden Europas ist neuerlich in Gefahr. Der Krieg ist noch nicht da, aber gegenwirken.

Ueberall ist die Reaktion am Werke und sucht ihre Herrschaft zu festigen.

Ueberall zeigt sich sozialer Rückschritt. Und die gleiche Tendenz ist in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht wahrzunehmen.

Diftatur und Fascismus in allen Spielarten sind das Gepräge unserer Zeit. Beides Bewegungen, die auf den Untergang der Freiheit zielen.

Diese Situation hinzunehmen, würde heißen, eine sichere Versflabung in der Zukunft afzeptieren.

Es hieße anerkennen, daß von jest ab Gewalt und Unrecht, soziale Ungerechtigkeit und Ausbeutung über die Völker allein Macht haben sollen.

Es hießze, sich mit der Herrschaft brutaler Gewalt abfinden und Verzicht leisten auf eine Ordnung der Freiheit und menschenwürdiger Arbeit, die zu errichten Aufgabe der Arbeiterorganisationen der ganzen Welt ist.

Wenn die Plutokratie der ganzen Welt, um ihre politische und wirtschaftliche Herrschaft zu befestigen, die Rückkehr zu langen Arbeitszeiten und niedrigen Löhnen anstrebt, die Unter­drückung der gewerkschaftlichen Freiheit verlangt und die Wiederkehr jener Zeit, in der sich das Unternehmertum von Gottes Gnaden dünkte, dann fordert Pflicht und Interesse der Ar beiterschaft, dieses schändliche Vorhaben zunichte zu machen und es zu beant worten mit einen Kampf für neue Freiheiten und ein besseres Dasein.

Die Befreiung der Arbeiter verlangt zunächst die Aufrechterhaltung der er worbenen Rechte, die dazu dienen sollen, neue zu erwerben. Gegenüber dem inter nationalen Zusammenschluß der Profitmacher und Ausbeuter muß die internationale Solidarität des organisierten Proletariats eine Tatsache werden.

Je dreister sich die Reaktion gebärdet, je fühnor die Angriffe auf die freiheitlichen Ideen und die Würde der Arbeit werden, um so intensiver müssen sich die Massen zur Wehrsetzen.

Die Befreiung der Arbeiterklasse fonn nur das Werk der Arbeiter selbst sein!" Das will heißen, daß die Arbeiter nur durch eigene Kraft und ihre eigenen Mittel, und nur durch diese allein, instande sind, das entwürdigende Joch der modernen Lohnsflaverei abzuwerfen und durch neue moralische und materielle Erfolge ihre endgültige Befreiung vor­zubereiten.

Der 1. Mai b. J. muß in entscheidender Weise der Welt das Erwachen des Be­wußtseins der inernational organisierten Arbeiterklasse lünden.

Die Nöte der Gegenwart und die Gefahr neuer blutiger Sonflifte müssen, weit davon entfernt, uns zu entmutigen, unsern Glauben im Gegenteil noch festigen und neue Begeisterung und Entschlossenheit wecken, um die Mächte der Finsternis und Unter drückung endgültig zu besiegen.

Immer drohender werden diese Gefahren, und darum muß auch unsere Aktion eine im­mer energischere werden.

Nationalismus, Imperialismus, Militarismus wünschen ein neues Blutbad herbei, von dem sie sich ein neues Erwürgen der Völferfreiheit versprechen.

Die Arbeiter aber wollen den Frieden, der die Arbeit von ihren Fesseln be­freien, den Völkern ihre Unabhängigkeit sichern und eine bessere Zukunft vorbereiten soll.

Möge der 1. Mai d. J. in überwältigender Weise diesen Willen kundtun, der sich auf Vernunft und Recht stüßen fann. Und möge das Proletariat aller Länder an diesem traditio nellen Tag der Arbeiterforderungen der Welt die unbezwingliche Macht der inter­nationalen Solidarität der Arbeit demonstrieren.

Das Büro des Internationalen Gewerkschaftsbnnd 3: J. S. Thomas( England), Vorsitzender.

2. Jouhaux( Frankreich ), Th. Leipart ( Deutschland ), C. Mertens( Belgien ), Vizevorsitzende.

E. Fimmen, J. Ondegeest, J. Saßenbach, John W. Brown,

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Nr. 95.

Die Hezze gegen die sächsische Regierung.

Reichsregierung und Staatsgerichtshof sollen ein­greifen. Abkommandierung bayrischer Faseisten nach Sachsen .

Von unserem Dresdener Mitarbeiter. Das Programm der neuen sächsischen Re­gierung erfährt die schärfsten Anfeindungen durch die Bürgerlichen . In mehrere Tage dauernden Debatten richteten die Volksparteiler, die Deutsch nationalen und auch die Demokraten im Land­tage die schärfsten Angriffe gegen das neue sor zialistische Stabinett. Natürlich sefundiert ihnen die ganze bürgerliche Presse Sachsens , ja ganz Deutschlands . Besonders ungestüm wird gegen den im Regierungsprogramm vorgesehenen Selbstschutz der Arbeiterorganisationen, gegen deren Kontrollausausschüsse für das Wirtschaftsleben und gegen das in Aussicht genommene Arbeiterfammergeset it Felde gezogen.

Verblümt und unverblümt verlangen die Reaktionäre aller Schattierungen wegen dieser Programmpunkte, die verfassungswidrig seien, das Eingreifen der Reichsregierung gegen die sozialistische Regierung in Sachsen , sogar mit Waffengewalt soll diese zur Raison gebracht werden.

Wegen der Aeußerung des Ministerpräsiden ten Zeigner, daß die Beilegung des Ruhrkonfliktes ,, ohne ein großes Opfer der besitzenden Klasse nicht denkbar ist", und wegen der sonstigen der ben Wahrheiten in dessen Programmrede wird er in der schlimmster Weise beschimpft und als ,, Bolschewist" hingestellt. Kein Wort aber fin det das von der Sozialistenangst ergriffene Bür­gertum für das starke Bekenntnis der sozialisti fchen: fächsischen Regierung zur Reichseinheit und zur Republik und gegen die von monarchisti. fchen Wotiven geleiteten fascistischen Treibereien in Bayern . Damit dokumentieren die Bürger­lichen, wie wenig ihnen an der Reichseinheit liegt und daß das Gerede von der Einheitsfront" nur Schaumschlägerei ist, die so lange betrieben wird, als man die Arbeiter im Abwehrkampf gegen die Franzosen bra.cht.

Die Hetze gegen die sächsische Regierung hat auch schon einige Erfolge gehabt. Auf dem demo­fratischen Parteitag in Magdeburg erklärte Reichsminister Deser: Die Reichsregierung fönne weder rechts noch links Selbstschutzorgani sationen dulden. Alle Machtmittel müssen in den Händen des Staates liegen und müssen ein Vor gehen auch gegen links ermöglichen. Schwierig feiten in dieser Beziehung liegen in Sachsen und Thüringen ." Weiter wird über die Auffassung die in den Streifen der Reichsregierung über das Berhältnis zwischen Berlin und Dresden herrscht gemeldet, daß die durch die Bildung des Minist riums Zeigner geschaffene Lage die größte Ai merksamkeit erheische. Eventuell sei gegen

Also der Bohemia" haben wir es getan, weil wir den Froschmäusekrieg im deutschbürgerlichen Lager schilderten, der mit der Trennung in Aktivisten und Kampfgemein­schaftler anhub und den jeßt, da sie eine greu­liche Kazenjammerstimmung befallen hat, Lodg man und die Seinen durch die Gründung einer " großen deutschen Einheitspartei" zu beendigen suchen. Die gebildete Bohemia" hält das für eine schnoddrige Einmengung", wohl etwa so, wie wenn sich jemand in den häuslichen Streit zweier Eheleute einmengt. Wir könnten selbst von der Intelligenz der Bohemia" leute an­nehmen, daß es ihnen bewußt ist, wie lächerlich sie sich machen, wenn sie Betrachtungen über die bei den Deutschbürgerlichen über Ziel und Richtung ihrer nationalen Politik herrschende heillose Konfusion für eine unbefugte Ein­mengung" hält, aber wir würdigen den Schmerz und die Wut des deutschdemokratischen Blattes darüber, daß ihre nationale Einheitsfrontlerei cin derart flägliches Ende genommen hat. Die nationale Einheitsfront ist ja doch geradezu ein Kind der Bohemia". Wie oft richtete fie an die deutschen Sozialdemokraten väterliche Mah­nungen, der Einheitsfront beizutreten und wie fraten sie troß ihrer Mißerfolge" nicht teilen, der Held, und er beruft sich darauf, daß er männer, wieder nur die von den einzelnen oft mußte sie uns schelten, weil wir harthörig da sie von dem deutschbürgerlichen Wurstfessel schon zu einer Zeit, da unser Blatt noch in Parteien aufgestellten Kandidatenliſten gewäh blieben gegenüber ihren Vodungen. Und nun wirklich eine Welt trennt, auch wenn die den Windeln lag" Gott , wie geistreich! werden, wobei die Verschlechterung einträte, mußte sie sehen, daß die Einheitsfront nicht Bohemia" das Wort zwischen Gänsefüßchen über das Anorganische im Parlamentaris - daß die Wahlmänner leichter der Korrumpie­einmal unter den deutschbürgerlichen Parteien setzt. Am puzigsten aber ist, wenn das Blatt mus" geschrieben habe. Wir geben also zu, daß rung und Beeinflussung unterliegen würden. zu erhalten war, vielmehr in einer solennen dieser impotenten Partei auch noch zu wir nicht unter jenen waren, die sich daran Herr Bacher scheint gar nicht zu wissen, daß Keilerei endete. Das ist bitter und es muß sie Drohungen übergeht: wir würden nichts zu gewiß erinnert" haben, was der Herr Bacher die Beseitigung des direkten Wahlrechtes mit Grimm erfüllen, da wir, ihre Empfindun lachen haben", wenn das, was wir als unmög- vor eineinhalb Jahren im Montagsblatt" auch mindestens die teilweise Abschaffung des gen so wenig schonend, den Schwindel der lich hinstellen, zur Tatsache würde: das heißt, schrieb, wobei wir zu unserer Entschuldigung geheimen Wahlrechtes bedeutet, und da er deutschbürgerlichen Einheit aufzeigen. In der wenn die große deutsche Partei" entstehen anführen, daß uns die Schreibereien des Herrn eine Auslese" herbeiführen will, so ist kaum Wut über die Einmengung" sie ist so würde. Wenn! Wenn meine Tanie Räder hätte, Bacher nicht so aufregend erscheinen, als daß ein Zweifel, daß auch die Vernichtung des vehement, daß der Artikelschreiber den Namen so wäre sie ein Omnibus! Wir begreifen, daß wir jahrelang unser Gedächtnis damit be- gleichen und allgemeinen Wahlrechtes des Genossen Czech nur mehr tschechisch schreibt der Bohemia" und ihrer Partei der Mund schweren würden. Wir gestehen auch zerfnirscht auf den Wegen liegt, auf denen er hiebei den erzählt das Blatt, daß wir Mißerfolge auf nach der großen deutschen Einheits- ein, daß wir die demokratische Gesinnung des tschechischen Reaktionären folgt. Herr Bacher Mißerfolge" häufen, und daß uns die Sorge partei" wässert, denn viel an Selb - Herrn Bacher, als wir behaupteten, er hätte fühlt sich schließlich durch den Vorwurf ge­leiden macht, wie wir das nächstemal vor dem ständigkeit hätte sie dabei nicht aufzugeben. erst jetzt den Mut zur Bekennung seiner Wahl- fräntt, er warte auf den tschechischen Staats­Urteil der Wähler bestehen werden". Dir ge- Aber auch wenn der holde Traum Erfüllung rechtsfeindschaft gefunden, sehr überschätzt haben. streich, damit dieser die Verschlechterung des jagt, liebe Bohemia"! Die deutschdemokra finden würde: die Bohemia" kann es glauben. Wenn diese stonstatierung Herrn Bacher Freude Wahlrechtes bringe. Nun, wie stellt er sich denn tische Partei würde glücklich sein, wenn unsere das Lachen" würde uns erst recht nicht ver- macht, so wollen wir sie ihm gerne bereiten. die Durchlöcherung des heute geltenden Wahl­Mißerfolge" schon ihre Erfolge wären! gehen! Aber er wirft uns auch vor, wir hätten ihn rechtes vor? Meint er, sie könne anders als Es ist mehr als drollig, wenn das Blatt einer Der zweite Unzufriedene mit uns ist Herr beschuldigt, er jähe gern die Abschaffung des durch einen tschechischen Staatsstreich bewirkt Partei, die ohne fremde Krücken den Weg ins Dr. Franz Bacher vom Montagsblatt". Nicht allgemeinen Wahlrechtes, wo er doch nur werden. Er möge noch so gekränkt tun, die Parlament überhaupt nicht gefunden hätte und etwa deshalb, weil wir von ihm mit Unrecht der Beseitigung des direkten Wahlrechtes Tatsache bleibt doch bestehen, daß er, der die nur wieder durch die deutsche Einheits- behauptet hätten, er wäre für eine reaktionäre das Wort gesprochen habe. Wir würden gerne Deutschdemokrat, es war, der sich bemühte, die­front" hineingelangen kann, sich den Kopf Verschlechterung des Wahlrechtes eingetreten, auch dies als Irrtum feststellen, wenn wir nur sem Staatsstreich das Wort zu reden. Wenn über die Sorgen" einer anderen Partei vor nein, damit brüstet sich der deutschdemokratische wüßten, was er sich unter der Beseitigung des er seinem Artikel gegen unser Blatt daher den Neuwahlen zerbricht! Daher denn auch die Herr noch. Er fühlt sich mur beschwert, weil direkten Wahlrechtes eigentlich vorstellt. Er will Titel gibt: Ignoranz oder Demagogie", so Liebe des Blattes für die deutsche Einigfeit", wir es angeblich mit der Wahrheit nicht doch damit eine Auslese der Fähigsten" be- sei ihm versichert, daß uns die Fragestellung ohne die doch ihre Partei endgültig in die genau nehmen". Wir hatten geschrieben, Herr wirten wie soll dies Bachersche Ideal ver- bei der Beurteilung seiner Ausführungen in Rumpelkammer der Geschichte wandern müßte. Bacher, der Deutschdemokrat, hätte noch vor wirklicht werden, wenn das Proportionalwahl- feine Zweifel stürzt: seine Drehereien sind So begreiflich ihre Empfindungen unter solchen einem Jahre nicht gewagt, auch nur versteckt recht und das Listenwahlrecht aufrecht bleibt beides zugleich! Umständen sind, so wird das Blatt schon er- für die Beseitigung des direkten Wahlrechtes und nur die direkte Wahl entfällt? Es würden lauben müssen, daß die deutschen Sozialdemo- zu schreiben. Das ist unrichtig, ruft Bacher, doch, auch bei indirekter Wahl durch Wahl­

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