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Er ist ohne Liebe und Haß. Nur den regen-[ feuchten Herbst fann er nicht leiden. Der den alten Husten, der ihn einst auf einem Spreeboot befiel, in den Lungen aufstöbert. Man hört ihn faum. Er spricht vor sich hin. Welkes Menschen­laub, das vermodert. Aus blühend weißen Kra­gen bohrt sich der Jungenkopf des Statsan­waltsvertreters gegen ihm: zehn Tage Saft. Er hört es nicht. Lehnt gegen die braungetafelte Holz­wand und atmet die Wärme der Saalluft. Drei Tage Saft, die verbüßt sind, verkündet der Rich ter. So obenhin wie: es ist ja doch hoffnungslos. Der Bettler nicht. Sie können gleich gehen. Aber der hört schon nicht mehr. Steiner sieht zu ihm hin. Die nächste Verhandlung beginnt. Erst viel ter bemerkt man, daß der Landstreicher eingefchla­fen, immer noch auf der Bank liegt. Eine Hand­bewegung des Dieners kehrt das ar ne Stückchen Menschenabfall hinaus. In den Straßen weht ihn der milde Februarwind das Trottoir cutly in. Und er tauntelt dabin, irgend einem fernen Kehricht­hausen zu. Keiner wird bei seinem Tode bei ihm icin.

Bom Gild der Irren.

Von Peter Scher .

Die Jrren haben es viel leichter, vernünftig But fein.

Wenn zum Beispiel der dide Baron, der merkwürdigerweise für verrüdt gehalten wird, weil er beständig sich selber sucht, ohne sich ic finden zu können wenn der mit irgend einer Einrichtung der Anstalt oder des Planetensystems nicht zu frieden ist, verfaßt er einen Brief, in dem er sich unter eingehenden Darlegungen aller Details über die beanstandeten Mängel verbrei tet und eine Fülle tiefsinniger Verbesserungsvor schläge anfügt.

Dieses auf einem für solche Zwede immer bereitliegenden Bogen zu Papier gebracht habend, macht sich der Frre mit besonderem Genuß daran, die jeweils fällige Adresse aufs Kuvert zu malen.

Manchmal lautet sie: An Se. Heiligkeit den Papst. Manchmal lapidar: An Gott . Manchmal: An Se. Hochwohlgeboren das Volk.

Sobald das Kuvert mit Umsicht und Bein­lichkeit verschlossen ist, hat sich des Jrren gewöhn lich schon ein Gefühl wohltuender Entspannung bentächtigt.

Behaglich wie irgend ein Gesunder dehnt er die Arme und begibt sich neu gestärkt an die Aus­itbung einer erfreulichen Genußtätigkeit.

Sinter seinem Rücken hat mittlerweile der Wärter mit erhabener Gleichgültigkeit den inhalt­schweren Brief ergriffen und in den für diese Dofumente bestimmten Papierforb geworfen.

Klads! ist er da hineingefallen und liegt unier den anderen bis zum Augenblick, da das Zimmermädchen fommt, um aus den Papierkör ben Material zum Feuermachen zu gewinnen.

Der Baron ist unterdessen glüdstrahlend da mit beschäftigt, auf allen Vieren über den Teppich zu jagen und fäuschend naturgetreu wauvau zu machen.

Oder er sitzt im Lehnstuhl und blättert ge dankenvoll in einem alten Journal, dessen Ab­bildungen unbestimmte gruselige Reminiszen en an jene Zeit in ihm auslösen, da er noch im Zu stande der Vernunft verharren mußte.

sich

Aber im ganzen ist er restlos glüdlich, denn er weiß: wenn ihn etivas stört, braucht mur zu erheben und eine Gemuß bereitende An flageschrift an die herrschende Gewalt zu richten, die ihm gerade würdig scheint.

Wie traurig haben wir Vernünftigen es doch dagegen.

Aber das fommt nur davon, daß wir alle Wärter haben, denen die segensreiche Einrichtung des Papierkorbes nicht bekannt ist und die darum alle Aufschreie an ihre zufällige Adresse weiter geben.

Tages- Neuigkeiten.

Rote Herzen.

Bon Otto Koenig.

Ich weiß ein Haus am Rand vom Häufermeere, grau, rauh, und öd, und drinnen ein Rammer. Sort hauste jahrelang in wüster Leere ein greifer Krüppel zweisam mit dem Jammer. Ein Kämpfer war er einst im großen Heere der ruhelosen mit den derben Knochen und ein Verkündiger der neuen Lehre. Doch Kraft wie Mut ward ihm im Fron zer­brochen.

Ein pfeilgetroffner Aar, von dem die Schwung­traft wich,

gelähmt an Leib und Geist, verlassen und verwaist, verkroch er sich.

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Und schweigend sproßten jene roten Blüten, und tranken Licht und leise Rätselworte und auch wohl Tränen. Rote Herzen glühten an jenes Hauses kahlem Fensterborde, bis daß der Greis aus seinem stumpfen Brüten

29. April 1923.

halten wollte) an das Unterrichtsministerium ge-| ein unheilvolles Dunkel gehüllt. Dieses Dunkel wendet habe, welches ihm erklärte, daß am 1. Mai erhellt uns teilweise ein Artikel in den Narodni feine Vorlesungen gehalten werden dürfen. Von Listy", in dem es heißt: Die Verhältnisse in der dieser Verfügung des Unterrichtsministeriums Mähr.- Weißkirchner Akademie bedürfen einer so machte der Rettor den Dekanaten Mitteilung und fortigen Untersuchung und einer Aufklärung int erklärte der Abordnung der sozialistischen Studen- der Deffentlichkeit. Es ist allzuklar, daß die n tenschaft, er werde dafür Sorge tragen, daß die stalt nicht in Ordnung ist. Wenn wir nicht irren, Verfügung des Ministeriums nicht übertreten beginnt das Schuljahr mit dem 1. Oktober. Nun, werde. Bor ihrer Vorsprache beim Reftor seit dem 1. Oktober sind sechs junge Menschen­Steinherz hatten die Vertreter der sozialistischen leben den Verhältnissen in der Akademie Studenten beim Prodekan der medizinischen Opfer gefallen. Im Oktober wurden zwei Aka­Fakultät, Professor 3eynet, interveniert, der demiker durch eine Granate zerrissen, feit den ihnen folgende Erklärung abgab: Osterfeiertagen haben sich drei erschossen. Wir begnügen uns nicht mit der Versicherung, dag die Gründe der Selbstmorde unbekannt sind, denn wir müßten von vornherein wissen, wer die Un­tersuchung geführt hat. In einem Falle wissen wir bestimmt, daß der Selbstmörder einen Brick hinterlassen hat und angab, daß er die Quäle­reien nicht ertragen fönne; die berüchtigten mili­tärischen Quälereien find leider Gottes allen gut bekannt, die sie verkostet haben."

Der 1. Mai ist kein Universitäts feiertag, wir haben uns nur nach den Er­lässen des Unterrichtsministeriums zu richten. Uebrigens geht uns der 1. Mai nichts an, wir find leine Arbeiter.

Diesmal ist dem Serrn Professor Zeynet, der so wader in die Fußstapfen seines Kollegen Elschnig tritt, seine reaffionäre Absicht trop feiner guten Stenntnis der Grlässe des Unterrichts ministeriums nicht gelungen. Aber für künftige Zeiten und Ereignisse wird man sich auch diesen Mann merken müssen. Für Profeffor Zeynet gilt dasselbe, was wir gestern über Elschnig gestört ward durch den Tad. Wie Arme gesagt habent. Nicht nur die sozialistische Studen ganz heimlich starb er und die Herzen blühten.tenschaft, sondern alle sozialistischen Arbeiter, Bald riß ein roher Griff die Blumenscherben Sand und Kopfarbeiter, werden die Namen der Reaktionäre und Arbeiterfeinde Elsch vom Fenster weg und fort zu Wuſt und nig, Zeynet, Falsch und Konsorten im Gedächtnis Wüstenei.

sterben,

So war der Alte tot, all seine Blühten rot

verwelkt vorbei-?-

Jenseits der Hoffnung und im Zauberkreise fruchtlos vergabter Taten saß er, zehrend von Bettelbrot nach der Enterbten Weise und jeder Lust und jedem Troste wehrend. Nur wenn zu höchst auf ihrer Himmelsretje die Sonne stand, vergaß er seiner Schmerzen. Ans Fenster stelzt er dann und fingert leise an seinem Blumentopf voll roter Herzen. Und rüdt und dreht sie emsig dann ins hellste Licht

und murmelt über ste

und raunt, doch was und wie, verstand man nicht.

Der Zeit schau ich voraus und schau die Stunde da jenes Elendhaus in Schutt zerfallen;

ein junger Walb wird sprießen aus dem Grunde

und seine Wipfel seh ich grünend wallen. Ein freies, frohes Volt vom neuen Bunde wird fciern dort im Walde seine Maien. Da flingt der Hain in seiner welten Runde von Jauchzen aus den luftbewegten Reihen, da tummelt lenzfrisch freudeatmend jung und fern ab von Not und Leid

alt,

zu fener späten Zelt in diesem Wald.

Und durch das Didicht seh' ich tinder schwirren, Bersteden spielend und verwundert stehn, daß glühend fie im Sonnenlichterflirren hellrote Blumenherzen leuchten ſehn; und jubeln laut und bringen von den zieren, den zarten Blumen heim mit frohen Scherzen, und alles staunt, wie in dem Wald, dem wirren, erblühen mögen solche rote Herzen, ganz wild und wie von selbst und frisch und farbenrein, und sinnt, wer nur gefät, was nun in Blüte steht. So wird es sein!

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behalten.

Unsere Mainummer erscheint am Dienstag zur gewöhnlichen Stunde in verstärktem Um­fange und mit zahlreichen wertvollen und inter­effanten Beiträgen, zum Teil aus der Feder be­deutender Führer ausländischer Bruderparteien. Die Genossen und Genoffinnen, die ständige Beser unseres Blattes sind, werden wohl für die Weiterverbreitung unserer Mainummer Sorge tragen und so mithelfen, dem Sozialismus neue Kämpfer, der Partei neue Mitglieder, dem Zen­tralorgan neue Leser zu werben.

Gegen die Aussiger Zensurwillkür. Die Ab geordneten Genossen Beutel und Kirpal haben an den Minister des Innern wegen der

von uns schon besprochenen Uebergriffe der Aussiger politischen Bezirksverwaltung eine In terpellation gerichtet, in der der Minister gefragt wird, ob er bereit ist, dem Leiter dieser Bezirks verwaltung wegen feines gesetzwidrigen Vor gehens eine Rüge zu erteilen und ihm die Wei­sung zu geben, die politischen Rechte der Arbei terschaft nicht zu beschränken.

Neue Lungenkomplikationen Lenins . Aus Moskau wird gemeldet: Das Krankheitsbulletin vom 24. April verzeichnet das Wiederauftreten leichter Katarrherscheinungen im linken

noch Beichen und Wunder. Die Wunder Pius X . Es geschehen immer noch Zeichen und Wunder. Wers nicht glaubt, leje folgende erbauliche Mitteilung, die mir der Frankfurter Zeitung " entnehmen: Auf Wunsch des jeßigen Papstes hat die Kirche den Prozeß zur Selig und Heiligsprechung Pius X Maria Theresiaorden abzugeben! Nicht viel Sarto instruiert. Es sind nach den kanonischen leicht bei einem Antiquitätenhändler, der nach Borschriften auch die Beweise beizubringen, daß dem Umsturze die überflüssig gewordenen Order in die Schar der Seligen und Heiligen Auf densmedaillen und-bänder zusammengekauft hat, zunehmende mehrere Wunder vollbracht und auch nicht bei einem ehemaligen Besitzer hat und die Prozeß- Atten enthalten, was den Ve dieses höchsten österreichischen Ordens, der heute nezianer Papst angeht, ein reichliches Material. vielleicht einem begeisterten Legitimisten den das wahrscheinlich wieder Anlaß zu medizinischen Ordensplunder unter Berechnung einer entspre Diskussionen geben wird. Im Jahre 1912 er­chenden Tare anhängen will, nein, Maria hielten zavei leidende Florentiner Nonnen eine Theresiaorden perleibt auch heute noch das Audienz beim Papste. Pius legte ihnen die Hand Ordenskapitel dieses Ordens. Wer es nicht auf den Kopf und sagte zu ihnen: Habt Ver­glauben will, der lese in der Warnsdorfer trauen, Ihr werdet genesen und viel zum Ruhme Abwehr" nach, die unter dem Titel Mit dem Gottes arbeiten." Und im selben Augen mit einer gewissen Befriedigung berichtet, daß öffentlichen Audienz erschien ein Mann mit einem Maria Theresienfreuz nachträglich ausgezeichnet" blid wurden sie gesund. Bei einer der ehemalige tu. t. Feldmarschalleutnant feit seiner Geburt gelähmten Söhnchen, das nicht Schön" dieser Tage vom Ordenstapitel des aufrecht stehen konnte. Gebt ihn mir," sagte Maria Therefienordens wo besteht so etwas der Heilige Vater und nahm ihn auf die Senic. noch? eine Zuschrift erhielt, in der es heißt, Wenige Minuten später war er ge das das ant 16. Dezember 1922 abgeschlossene heilt. Und ähnlicher Fälle wird noch eine 8. Ordenskapitel Schön für eine am 6. Septem- ganze Reihe aufgezählt. Der Papst legte allen ber 1914(!!) in Serbien vollbrachte Waffentat" Beugen strengstes Stillschweigen auf und pflegte der Zwerfennung des Ritterkreuzes des Mil. zu sagen: Ich habe nichts damit zu tun, es ist Maria- Ther. Ordens für würdig erachtet" bat. Die Macht des Heiligen Schlüssels." Ja, so ver­Die Zuſchrift ist die Erledigung eines nachträg sichern die Afte, die heilende Kraft des Papstes lidh eingebrachten Gefuches des ehemaligen" äußerte sich noch nach seinem Tode. In 1. u. f. Feldmarschalleutnants Schön. Glaubt folge seiner Fürsprache wurden geheilt am 7. demnach Herr Schön ettva, daß ihm der Besin November 1914 Schwester Pia vom Guten Sir des Ordens einmal nüblich sein könnte? Oder ten von schwerer Meningitis, acht Monate nach will der Herr Feldmarschalleutnant a. D. seinen dem Tode des Papstes das hoffnungslos erkrankte Mitbürgern die von ihm vollführten Waffen- Töchterchen eines Eisenbahners und im Jahre taten" wieder ins Gedächtnis zurüdrufen? Tem 1920 die Oberin des Noviziates von der Christ Herrn Schön wäre jedenfalls von beiden Jdeen lichen Lehre in Nanch. Ja, der Kardinal Vives dringend abzuraten!

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Keine Vorlesungen am 1. Mai an der deut­schen Universität in Prag . Die sozialistischen Unerhörte Zustände in der Militärakademie Studenten sprachen gestern beim Rektor Profes- in Mähr.- Weißkirchen. Dieser Tage hat abermals for Dr. Steinherz vor, der ihnen mitteilte, daß er ein 3ögling der Weißkirchner Militärakademie sich aufgrund der gestrigen Mitteilungen des Selbstmord verübt. Da der Grund des Selbst Sozialdemokrat"( über die Provokationen des mordes angeblich unbekannt ist, erscheint die Professors Elschnig, der am 1. Mai Vorlesungen| Selbstmordepidemie in der Militärakademie in

Tuto bat sogar bescheinigt, daß eine Nonne der Redemptoristen durch bloßes Auflegen einer Halskette des heiligzusprechenden Papstes geheilt worden sei. Es ist wohl nicht nötig, diesem Wundertätigkeitsbericht einen Kommentar beizufügen. Jeder bilde fich feim Urteil selber.

obwohl fast nie ihre Hände sich berührten und| ling Franz an der Brust padte, schüttelte und sen bis zur Tür zu schleifen. Die Stumme und das Wunder. feine Worte zwischen ihnen gewechselt wurde, keine schrie:" Du hast mich betrogen gestern... Du

Ben Hans Gathmann.

III.

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Franz wehrte den rohen Griff ab, doch der andere griff noch heftiger zu: Willst du mir ge­ben was mir gehört..

deutliche Gebärde, lebte die Mutter doch unter dem bist ein Zump!" Eindrud, daß sich da etwas geheimnisvoll.und unterirdisch entspann, was verhängnisvoll werden tonnte. Die Stumme mit der Schwere und Sef­Von diesem Tage an war ein stummes Grü- tigkeit ihrer Gebärden und der Unergründlichkeit Da erblidte er den verschlossenen Reisekorb, ken und Willkommenheißen zwischen den beiden ihres Wesens war ihr schon immer faſt unheim- warf sich auf ihn und versuchte mit heftigen Schlä Menschen, das die Elendstammer so erhellte, daß lich und sie konnte sich nur von diesem drückenden gen und Stößen ihn aufzureißen. Das gelang die Mutter aufmerkjam wurde. Betrachtete sie Gefühl der Angst ihr gegenüber befreien, wenn nicht und an dem vergeblichen Bemühen entfachte bisher den Mann und sein geheimnisvolles Trei fie sie quälte, ſchait und schlug. Daß die Stumme sich erst recht seine But. Fran; aber warf sich ben mit Mißtrauen und Neugierde, so setzte sich aber auf alles so gut wie gar nicht reagierte und jetzt, vom letzten Dämmer des Schlafes befreit, jetzt der Baß gegen die unglückliche, stumme Toch die Wahrheit ihres Wesens eben in Stummheit auf ihn. ter noch tiefer in ihr hartes Wesen. und leidender Ergebung verschloß, steigerte die Ein heftiges, stummes Ringen begann, in Sie quälte die Stumme bis aufs Blut, aber Wut und die Angst der Alten. Diese wuchs, als sie das widerlich die Stimme der Wirtin kreischte, die nur, wenn der Mann abwesend war. Da Worte merkte, daß irgend etwas zwischen der Tochter drohte, die Polizei zu holen. Doch die beiden wirtungslos am tauben Ohr der Armseligen ver- und dem Mieter bestand, das sich noch nicht Kämpfenden ließen nicht von einander ab. hallten, schlug sie, grundlos und hart, und entlud äußerte, aber doch deutlich war und sich gegen sie wurde deutlich, daß Franz den Kräften seines rie­ihre Wut, die einer verkommenen und bösartigen zu richten schien. Natur entstammte, an der Geduldigen, die keinen Eines Tages aber sollte sie einen dentlichen figen Gegners nicht gewachsen war. Er wantte und schlug über die Kante des Korbes, während Laut des Klagens und kein Wort des Wider Beweis dafür bekommen. der andere versuchte, in die Tasche des Unterlie­spruches über die stummen Lippen bringen konnte. Es war gegen Mittag. Der Mann aber sah das Leid in ihren großen, Der Mann schlief schnarchend auf seinem genden zu den Schlüsseln zu gelangen. fchönen, ja, schönen Augen stehen und schien die Strohfad, als es flopfte. Die Mutter öffnete und Ursache dieses Leids zu begreifen. Er fuhr die wurde sogleich von einem großen Seerl beiseite ge­Mutter öfter härter an als früher. und es kam schoben, der geneigt schien, sich auch mit Gewalt häufiger als sonst zu Streit und häßlichem Zank, Einlaß zu verschaffen. Seine drohende Miene der immer damit endete, daß sich die giftige Alte verriet nichts Gutes, und die Mutter, die im duckte und mit geballten Händen an der Tochter Grunde ihres Herzens furchtsam und seige war, borbeiging, die diesen Szenen mit dem schmerzhaf- starrte den Eindringling ratlos an. ten Ausdruck des Hinhorchens und der qualvollen Sucht, alles zu begreifen. beobachtete.

Eine dumpfe Spannung lag in der' Quft und wurde von Tag zu Tag deutlicher und schwerer. Obwohl nichts Sichtbares noch zwischen den beiden Menschen bestand. die auf Stunden wie immer den gleichen Raum miteinander teilten,

Der sah sich rasch im Zimmer um, dann stürzte er sich auf den Schlafenden und rüttelte ihn unsanft wach."

Franz schien beim Anblick des rohen Ruhe­störers zu erschrecken und stand plößlich auf den Beinen, fampfbereit. Die Blide der Männer begegneten sich drohend, als plötzlich der Eindring­

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Da geschah, im leßten Augenblid, etwas un­

erwartetes.

Die Stumme, die den heftigen Kampf wie ein zum Sprung geducktes Tier beobachtet hatte, sprang plötzlich vor. Ihre geballte Hand schlug dem Fremden so stark ins Gesicht, daß er aufschrie und ein Blutquell aus seiner Nase schoß.

Die Mutter riß ihre Tochter, deren wuchtigen Leib ein Zornschütteln warf und deren Augen aus den Höhlen quollen, zurück, doch die Stumine gab ihrer Mutter einen schweren Stoß vor die Brust, daß sie taumelte und fallend den Stuhl umriß. Unterdessen hatte Franz die Zeit genußt. Den halbbetäubten Gegner padend, glückte es ihm, die­

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die Stumme half!

hinauszustoßen. Dann schloß er ab. Als er sich feuchend umivandte, stand zitternd und mit den Gliedern schlagend, die Stumme vor ihm.

In ihrer Kehle gurgelte ein Laut, und ihre Lippen öffneten und schlossen sich pfeifend. Franz sah plötzlich, daß sie schön war, gerabe, mit ebenmäßigen Geficht und starken Brüsten, die sich erregt hoben und fenkten.

rotes Gesicht noch einen Ton dunkler wurde. Er ergriff ihre Hand und drüdte sie, daß ihr

Dann wandte er sich zu seinem Lager und Die Stumme schlich still in die andere Ede des Zimmers. Beim Vorbeigehen an der feifenden Mutter erhielt sie einen Stoß ins Kreuz.

schlief bald darauf weiter.

Sie lächelte nur. Im Dunkel ihrer verkün merten Seele glomm unbegreifliches Licht auf.

IV.

Nach diesem Ereignis lam Franz ganze Tage nicht nach Haus. Er schien unruhiger noch als sonst, schlief mit allen und sonderbaren Traum­veben, auf die die Mutter gierig horchte, ohne ir­gend etwas Gewiffes zu erhaschen.

Die Stumme ging mit einem Lächeln um den Strengen Mund umher, das die Wut der Mutter noch mehr reizte, ebenso wie die Tatsache, daß Franz jedesmal, wenn er lam, jeßt der Stummen die Hand gab. So, daß ihre Hände ineinander ruhten, länger als bei einem gewöhnlichen Hände­drud und mit einer innigeren Berührung. Die Mutter sah diesem Treiben lauernd zu.

Fortsetzung folgt.)