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und Vermene
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3. Jahrgang.
So, aldemokrat
Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowatischen Republit.
Sinowiews Ratschläge.
Von Mosfau, woher die Kompromißlojen schon manche Ueberraschung lieferten, fommt eine neue: das erweiterte Präsidium der Kommunistischen Internationale hat dort vor eini gen Tagen eine Sigung abgehalten, in der Sinowjew über politisch tattische Fragen referierte. Zum Schlusse der Beratungen Ind Sinowjew, so heißt es in dem Berichte über die Sizung, die Delegierten ein, an den Beratungen des Seniorenkonvents( Aeltestenrat) über die Nationalitätenfrage in den Sowjetföderativrepubliken teilzunehmen, um somehr, da die nationale Frage beinahe in allen Sektionen eine gewisse Rolle spielt. Wie? Es gibt also wirklich eine nationale Frage und zwar nicht nur in Sowjetrußland, sondern auch beinahe in allen Seftionen"? Wer hätte noch vor einem Jahre dieses Einbekenntnis für möglich gehalten? Nun sagt es der große Si nowjew selber und er verweist nicht nur die Delegierten darauf, daß diese Frage„ eine gewisse Rolle" spiele, er bemüht sich auch, ihnen nahezulegen, sie nicht länger zu ignorieren und alles zu tun, um schon jest eine Lösung der Frage zu betreiben.
Mittwoch, 20. Juni 1923.
Eine Wendung auf dem Devisenmarkte?
Eine leichte Besserung der Mart. Bor neuen Stügungsmaßnahmen.
Berlin , 19. Juni. ( Eigenbericht.) Auf dem Devisenmarkt ist heute eine Stockung eingetreten, anscheinend, weil die französische Regierung die Marfabgabe eingestellt hat, da auch der Frank zu sinken begann. Der Dollar sant auf 140.000( 147.000), das Pfund Sterling auf 643.000( 680.000), die tschechische Krone behielt ihren Kurs.
Es verlautet, daß sich nunmehr auch die Regierung endlich entschlossen hat, eine neue Stügungsaktion einzuleiten. Es steht aber noch nicht fest, welche Wege sie dabei einſchlagen
wird.
Heute vormittags hatte der Reichskanzler eingehende Besprechungen mit Vertretern der Banken über den Marksturz und die Devisenpositif. Die Besprechungen wurden nachmittags fortgefeßt.
Das Organ der deutschen Vollspartei, die Zeit", will sogar die heute bei der amtlichen Dollarnotierung eingetretene Abschwächung schon darauf zurückführen, daß neue Maßnahmen erwartet werden, die anscheinend diesmal nicht geeignet seien, der Spefulation Einläufe auf Vorrat günstig erscheinen zu lassen.
Ultimative Forderungen der Sozialdemokraten.
Berlin , 19. Juni. ( Eigenbericht.) Da foum zu erwarten ist, daß eine Besserung in der außenpolitischen Lage bald eintritt muß die Sozialdemokratic Maßregeln ergreifen, die allein noch geeignet sind, die Arbeiterklasse vor dem Verjinten ins tieffte Elend zu schüßen. Morgen werden der Regierung Forderungen vorgelegt werden, die die Sozialdemokratie mit allen Mitteln durchzusehen bereit ist. Dieser Entschluß wird gleichzeitig der Regierung bekanntgegeben werden.
Die Hauptforderungen sind: Eine offizielle Erklärung, daß die Löhne und Gehälter den Preisen anzupassen sind und Vorangchen der Regierung in dieser Frage, Schaffung cines wertbeständigen Lohnsystems, Einführung der Wertbeständigkeit der Steuern, stundungen nur noch auf Goldbasis mit Goldzins, nur wertbestän dige Ruhrkredite, Einschränkung der bisherigen Kreditwirtschaft und Ausfuhrabgaben wie vor der Ruhraktion, Vervielfachung der Zwangsanleihe, Vorauszahlung auf die Einkommensteuer, Reform der Vermögenssteuer, Aenderung der Devisenpolitit, Wechsel in der Leitung der Reichsbant.
Nur diese Maßnahmen tönnen Deutschland vor der Katastrophe retten und die Sozialdemokratic wird sich mit aller Macht für ihre Durchführung einsehen.
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Nr. 141.
Ueber Desterreich nach Rußland .
Von unsern Berliner Mitarbeiter. Während die Untersuchungsfommission des deutschen Reichstags sich seit Wochen schon um die Ermittelung der Schuldigen an dem Zusammenbruch der Stüßungsaftion für die Marf im April bemüht, ist die deutsche Währung von einer neuen Ratastrophe cr eilt worden. Binnen wenigen Tagen stieg der Dollarfurs auf 50.000, dann auf 80.000 und 90.000, je: hat er die 100.000 Marfgrenze schon weit hinter sich gelassen. Am letzten Tage der vergangenen Woche mußten an der Berliner Börse für 1 Marf in Gold 28.000 Marf in Papier gezahlt werden. Mit dieser Entwicklung ist der Reford der österreichischen Krone geschlagen, die ihren Tiefstand mit dem 21.000. Teile der Friedensparität erreicht hatte, bevor sie stabilisiert werden konnte. Die unheilvolle Entwickelung der deutschen Währung zeigt sich in folgender Gegenüberstellung der deutschen Mart jur österreichischen Rrone: Jm August 1922 jahlte man in Deutschland für 100 öfterreichische Kronen Mt. 1.25, im September Mf. 1.80; am 15. Juni 1923 muß man in Deutschland rund Mf. 150.- für 100 Kronen zahlen. Die Prophezeiung der Pessimisten, daß die deutsche Marf den Schicksalsweg der österreichischen Krone gehen werde, hat sich also er. füllt. Es fragt sich nun, ob die deutsche Wäh rung auch die nächste Etappe, die Sowjetrußland heißt, erreichen wird. Auf dem besten Wege dazu ist Deutschland bereits, es reist über Desterreich nach Rußland . Schon rechnet man in Deutschland faum noch mit Hundermarkscheinen, sondern mit Tausendern. Es ist noch gar nicht so lange her, daß der Zehntausendmark. schein ein schwer zu wechselndes Papier war, heute ist der Bunderttausendmarkschein eines der gebräuchlichsten Zahlungsmittel, bald wird er von der Million abgelöst sein. Die alltägliche Rechnung mit Riefenfummen, von der wir noch vor wenigen Monaten aus Rußland wie von einer faum vorstellbaren Erscheinung gehört hatten, ist uns hente zu einer Selbstverständlich. feit geworden. Und noch ist keine Grenze für diese Entwicklung sichtbar: einen Bewertungs maßstab für die deutsche Währung gibt es nicht mehr, wenn man heute für 1 Dollar 140,000 Warf zahlen muß, so fann er ebenjogut morgen Million und übermorgen 1 Vapiermilliarde wert sein.
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Noch vor kurzem gehörte es zu den vielen, seither preisgegebenen dogmatischen Glaubens jägen der kommunistischen Partei, daß eine Lösung der nationalen Frage in der kapitali stischen Gesellschaft schlechthin unmöglich sei. daß jede Beschäftigung mit ihr eine unnüße Zeitvertrödelung bedeute und die bedingungs-, lose Ignorierung aller nationaler Streitfragen war ein Grundgeseß der„ wahren Internationalisten", wie sich die Kommunisten selbst zu benennen beliebten. Daß die deutschen Soziol. demokraten dem nationalen Problem nicht auswichen und sich mühien, es zu bewältigen, um den Weg des Klassenfampjes zu ebnen und die Voraussetzungen für die Herstellung der proletarischen Einheitsfront zu schaffen, das wurde ihnen von den wahren Internationalisten" Sozialpatriotismus ein nationales Programm dadurch schufen, daß Frage habe in sich eiwas aus der Zweiten ausgelegt, als zweckloje Mühe, ein Flickwerf sie Thesen zur nationalen Frage" aufstellten. Internationale"! Er tadelte an der englischen in die Welt zu setzen, das doch nur die Auf- Da wurde denn klar, wie sie die nationale fommunistischen Partei, daß sie die„ ungegabe habe, die zusammenbrechende fapitali Gerechtigkeit verstehen! Die Thesen, deren all- heure Bedeutung der nationalen Befreiungs In den Besprechungen des Untersuchungsstische Gesellschaftsordnung zu stüßen. Noch zur gemeiner Teil eine zu nichts verpflichtende Frage nicht begreife" und daß sie sich auf ausschusses hat der Reichsbaufpräsidem a venZeit, da unsere Genossen im Pariamente den Serumrederei darstellt, die ebenjogut oder einen Wortradikalismus beschränke", ohne sich frein sich mit besonderer Beflissenheit dagegen Antrag auf Einjeßung eines Ausgleichsaus ebensoschlecht von jedem tschechischen National weder in der irischen noch in der folonialen gewandt, daß man bestimmten Rapitalisten die schusses zur Beratung der nationalen Frage demokraten besorgt werden könnte, werden Frage zu einer Aktion großen Stiles aufzu Schuld an dem Zusammenbruch der Stübungs einbrachten, hatten die Kommunisten für diejen zum Schlusse in" Forderungen" zusammengeraffen. Er jagte weiter:„ Die nationale Frage feien sich ihrer Pflicht tem Staate gegenüber wohl aftion beimesse. Die einzelnen Wirtschaftsführer Antrag, obwohl er auch die Unterschriften der faßt, die geeignet sind, die Herzen der tsche ist auch eine Lebensfrage der bewußt, dagegen habe sich die Gesamtwirt fommunistischen Abgeordneten trug, nur Sport chischen Machthaber zu erfreuen. Es wird darin fitif" und den gleichen Vorwurf wie den eng- ich aji in der fritischen Zeit mit Devisen und Sohn, wobei sie die Bemühungen unserer die Beseitigung der nationalen und sprachlichen lijchen machte er auch den Kommunisten in übermäßig eingededt und damit den Genossen auf Anbahnung eines nationalen Vorrechte in„ möglichst weitgehendem Jugoslawien, wobei ez zu dem Schluſſe kam. Zusammenbruch der Stübungsaktion herbeigeAusgleichs in den Augen der Arbeiterschaft Maße" gefordert und die weitgehende" daß in der nationalen Frage bisher Nihi führt. Man sieht, daß der Reichsbankpräsident dadurch herabzusehen versuchten, doß sie sie der Ausgestaltung und Bewegungsfreiheir" der is mus herrsche:„ llusere Partei hat bisher hier umgefehri argumentiert wie man es sonst Absicht, in die Regierung hineinzugelangen, Selbstverwaltung in Gemeinde, Bezirt und nicht begriffen, daß sie hinter sich die Mehr von den Verteidigern der kapitaliſtſchen Wirtverdächtigten. Den Haupistolz der Kommuni- Sercis. Ferner:„ Regelung des Schulwejens heit der Bevölkerung des Landes haben muß." schaft gewohnt ist. Er beschuldigt das kapitaliſten bildete es, daß sie darauf hinweisen tonn nach den Grundiäsen weitestgehender Es ist nicht so sehr die Sorge, die„ Wehr- ſtiſche System in seiner Gesamtheit und will von ten, in ihrer Partei stünden deutsche und ische Selbstverwaltung", aber domit die Machthaber heit der Bevölkerung" hinter seine Partei zu den sonst üblichen Ausreden chische Proletarier einträchtig vereint. Da sie nicht etwa beunruhigt werden, wird gleich hin- bringen, als der Umstand, daß die fommuni. die nationale Frage hartnädig leugneten und zugefügt, daß diese„ weitestgehende" Selbst. ſtiſchen Reihen sich überall bedenklich lichten, so ihre„ Einigkeit" keiner Belastungsprobe verwaltung weder im Schulwejen. Der Sinowiew dazu treibt, jeiner Partei zu auszujeßen brauchten, gelang es ihnen, die noch in der übrigen Verwaltung raten, den bisherigen Standpunkt des Ni Fiktion, die wahren Internationalisten" zu auf Grund einer territorialen hilismus" gegenüber den vrattischen und dränjein, eine Zeitlang aufrechtzuerhalten. Wie es oder personalen nationalen genden Fragen des staatlichen und politischen jezt darum steht, zeigt, wie wir an anderer Autonomie erfolgen dürfe! Wie Lebens zu verlassen. Solange sich die Massen Stelle berichten, das Verholten der tschechischen von einer„ Selbstverwaltung", noch dazu von mit der Phrase von der unmittelbar bevorStommunisten in einem Ort des darbißer einer„ weitestgehenden" die Rede sein könnte, ſtehenden Weltrevolution füttern ließen, fonn Bezirkes, wo diese sich weigern, mit den deut- wenn das nationale„ Programm" der som- ien er und die Seinen alle Probleme beiseite schen Stommunisten eine gemeinsame Liste für munisten zur Ausführung fäme, das bleibt schieben. Nun, da niemand mehr an das Mosdie Gemeindewahl aufzustellen und, da die liefstes Geheimnis des Herrn Schmeral. der fauer Zaubermittel glaubt, heißt es Farbe beBarteileitung ihnen ein selbständiges Vor mit diesem„ Programm" die deutschen stom tennen auch in der nationalen Frage gehen verboten hat, sich entschlossen haben, doch munisten zum Wohlgefallen der tschechischen und da kommi Sinowjew zu der Erkenntnis, lieber mit den tschechischen Sozialdemokraten Nationalisten gründlich. über den Löffel bar- daß der Standpunkt der Sommunisten dazu als mit den deutschen Kommunisten gemeinsam bierte. in sich eigentlich etwas aus der zweiten In in den Wahlkampf zu gehen. Die Kommunisten Sinowjew fühlt nun, daß das bisher von ternationale" habe. Daß sie ihr radikales Wortwerden versuchen, dem Vorfalle eine bloß den stommunisten in der nationalen Frage getue weiter üben, kann niemanden darüber lokale Bedeutung zuzumessen, aber erst, wenn betriebene Versteckenspiel ebensowenig genüge, täuschen, daß sie in der praktischen Tätigkeit ihr wahrer Internationalismus" entschei- wie die von Schmeral und Genossen betriebene für die politische und soziale Sebung der Lage dende Belastungsproben bestehen sollte, wird Demagogie. Er hat daher in seiner Rede den der Arbeiterschaft, zu der sie sich sehr wider man ihnen dies glauben fönnen. Vertretern der Sektionen ein ganzes Batet ihren Willen entschließen müssen, zu den Daß sie selber einsahen, daß die Leug- von Ratschlägen auf den Weg mitgegeben. Methoden und Erkenntnissen der nung des nationalen Problems ein Kunstgriff Was werden diese für Augen gemacht haben. Sozialdemokratie zurückkehren sei, der auf die Dauer seine Wirkung verjage, als sie aus dem Wunde Sinowjews, also eines müssen. Sinowjews Ratschläge sind eine bekamen, der neue Abschwörung der kommunistischen Phradafür spricht, daß sich die Kommunisten der ihrer Gottsöbersten zu hören bekamen, Tschechoslowakei auf ihrem letzten Parteitage Standpunkt der Kommunisten zur nationulen feologie!
von den„ Aus
wüchsen" nichts wissen. In der Wirklichkeit ist aber das eine von dem andern nicht zu trennen: hat die Wirtschaft als Ganzes gegenüber den Be dürfnissen des Staates versagt, so sind auch ihre einzelnen Träger dafür hafibar. Dabei mag die persönliche Schuld in dem einzelnen Falle größer oder geringer fein: die fapitaliſtiſche Wirtschaft ist auf der Befriedigung des privaten Egoismus aufgebaut, sie nimmt auf den Staat, auf das Vaterland, nur so weit Rücksicht, als es dem eigenen Interesse als zweddienlich erscheint. Richtig ist allerdings, daß die Stüßungsder sogeaktion durch eine felbſtloſe Singabe nannten Wirtschaftsführer noch längere Zeit hätte fortgesetzt werden können. Nach einer sehr vorsichtigen Schäßung fann der Devisenbefis des deutschen Sapitals im In lande auf mindestens zwei Milliarden Goldmark angegeben werden. Nach der Behauptung aus ländischer Wirtschaftsfachverständiger ſoll er wesentlich größer sein, insbesondere soll sich jen seits der deutschen Grenze wieder so viel deutscher Kapitalsbejiß angesammelt haben, daß er bereits den Friedensstand übertrifft. Ob die eine oder die andere Schäßung richtig ist, soll dabingestellt bleiben, an der Tatsache läßt sich nicht rütteln.
daß das deutsche Kapital, als die Reichsregierung die Dollarschapanleihe auflegte, und zur Einzahlung von Devisen aufrief, von seinen Beständen so gut wie nichts herausgab. Die Groß