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3. Jahrgang.

Saldemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.

Der freigesprochene Soldatenschinder.

Gegen den ehemaligen f. u. f. Leutnant und jeßigen kommunistischen Kreissekretär von Reichenberg Beuer wurde im Jahre 1921 in ciner Wählerversammlung die schwere Beschul­digung erhoben, daß er im Kriege die ihm

interstellte Mannschaft unmenschlich hart be­handelt habe und er wurde dafür ein Sol­datenschinder genannt. Damals empfand cs die kommunistische Partei noch als selbst. verständliche Pflicht, daß sich Beuer, der eine hervorragende Vertrauensstellung in der Partei hekleidet, von diesem schweren Vorwurf öffent lich reinigen müsse, und er rief damals selber das staatliche Gericht an, indem er gegen drei Teilnehmer jener Wählerversammlung die Ehrenbeleidigungsklage einbrachte. Hätte das Kraßauer Bezirksgericht troß der schwer be lastenden Aussagen einer langen Reihe von Zeugen die Angeflagten verurteilt, Herr Beuer und mit ihm die kommunistische Parteileitung hätten die von Beuer selbst angerufene Som­petenz des Gerichtes nicht im mindesten an­gezweifelt, doch das Gericht fällte den Spruch, daß es den Wahrheitsbeweis für den auf Beuer gemünzten Ausdruck Soldaten­schinder" für erbracht halte und sprach wegen dieses Ausdruckes die Angeklagten frei.

Dienstag, 10. Juli 1923.

Bevorstehender Friedensschluß in Lausanne .

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Räumung Konstantinopeis nach Ratifizierung des Bertrages. Rüd erstattung der Göben" an die Türkei. - Friedensschluß in 8 bis 10 Tagen. Friedensschluß in 8 bis 10 Tagen. Lausanne , 8. Juli. ( Wolff.) Der heutige Tag verging in gespanntester Erwartung, da mon allgemein die auf den Nachmittag einberufene Sigung der Delegierten für die entscheidende hielt. Die Sigung begann um 5.30 Uhr nachmittags im Schloß Hotel von Ouchy und wurde um 8 Uhr unterbrochen. Die Delegierten teilten mit, daß die Sißung um 11 Uhr nachts wieder anfgenommen und im Laufe der Nacht eine amtliche Mitteilung veröffentlicht werden joll.

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Nach einer dreieinhalbstündigen Nachtfißung gab die Konferenz um 1.30 Uhr nachts fol­gende amtliche Mitteilung aus: Die offiziösen Sigungen, die seit Samstag statt­gefunden haben, führten zu einer grundsäßlichen Einigung zwischen den Delegatio­nen der einladenden Mächte und der türkischen: Delegation über die drei noch zur Verhandlung stehenden Fragen; den Zahlungsmodus der Kupons der ottomanischen Schuld, die Konzessionen und die Räumung Konstantinopels . Die Sach­verständigen wurden beauftragt, die hierüber vorbereiteten Terte endgültig ins Reine zu brin gen. Sie werden hierauf dem zuständigen Komitee der Konferenz unterbreitet werden.

Hiezu erfährt man noch: die Regelung der Kuponfrage und der Räumung Konstantinopels entspricht den letzten Meldungen. Die Kuponsrage bleibt aus dem Vertrage fort. Die Alliierten behalten sich jedoch vor, in der Komiteejißung eine Erklärung abzugeben, wo­nach die Privatkontrakte zwischen den Titresinhabern und der türkschen Regierung durch neue Abmachungen ersetzt werden müssen und nicht einseitig aufgehoben werden fönnen. Die Räu mung Konstantinopels beginnt sofort nach Ratifizierung des Ber trages durch die türfische Regierung und muß sechs Wochen nach Ratifizierung durch die Türken beendet sein. Die Konzessionsfragen sollen in einem besonderen Anhange zum Vertrage geregelt werden. Die Türfen und Engländer werden noch über einige Punkte, die die Buntte, die die Konzessionen betreffen, Inftrufionen ihrer Regierungen einholen. Auch die an­deren I werden sich noch über einige Einzelfragen mit ihren Regierungen zu ber ständigen haben. Wie man weiter erfährt, werden den Türfen das Kriegsihiff, Göben" ſowie die aus Konſtantinopel fortgeführten Waffen, und Munitions. lager zurüderstattet werden. Man rechnet damit, daß der Friedensschluß in acht bis zehn Tagen erfolgen fann.

leber die Regelung der Konzessionsfragen wird noch mitgeteilt, daß die allgemeinen Alauseln die Anerkennung der Konzessionen vor dem 29. Oftober 1914 behandeln, die besonde­ren Klauseln sich auf die Gesellschaft Widers- Armstrong, die türkische Petroleumfompagnic, die allgemeine Eisenbahnregie, andere Klauseln auf die Anpassung der Konzessionskontratte an die wirtschaftlichen Verhältnisse bezichen und die Regelung der Konzessionen in den abgetrenn­ten Gebieten seitseßen.

durch die einladenden

Der Vertrag tritt nach Ratifizierung Mächte in Kraft. Bis zur Retifizierung gelten bestimmie Klauseln zugunsten der alliierten Staatsangehörigen.

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Lausanne , 9. Juli. ( ovas.) Die Sowjets werben ausgefordert werden, den Vertrag über die Meerengen zu unterzeichnen.

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Bezugs Bebingungen: Bei Bustellung ins Haus ober bei Bezug burch bie Bost

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monatlich. 16.­vierteljährlich 48. halbjübrig. 96. gansiübrig. 182.­

Matelung

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Grigeint mit Musnahme bes Montag taglia frig.

Nr. 158.

Nicht Berechtigungs-, sondern Bildungsschule!

Zur Organisation der Obermittel.

schulen.

Der Gründe, weshalb Eltern ihre

Kinder in die höhere Schule schicken, gibt es viele: Wein Sohn soll mehr werden als ich!" ist der hübschefte von ihnen, gewöhnlich lauten sie etwa: Er soll Advokat werden, Advokaten ver­dienen viel," oder: Staatsbeamte haben eine gute Altersversorgung und ein bequemes Leben" oder: Die Technik regiert die Welt, als Ingenieur wird es der Bub am weitesten bringen." Und die Kin der, die aus derlei Motiven die Schule befuchen, betrachten sie auch dementsprechend: Sie nehmen jie als ein unvermeidliches Whiß hin, leben an ihr vorbei in ihrer eigenen privaten Welt und wenn sie sie hinter sich haben, bemühen sie sich, al­les dort Gelernte so schnell als möglich zu ver­gessen. So halten es die jungen Leute mit robuster fürperlicher und namentlich seelischer Konstitution; die zart und empfindlich Gebauten tragen im täg lichen Stampf mit einer Schule, die ihr Inneres nicht zu erschließen vermag, oft schmerzhafte Wun den fürs Leben davon und gar mancher bricht am Wege, des Wanderns müde, zusammen, ein trauri ger Anblick, dem Dichter wie Frank Wedekind und Hermann Hesse erschütternde Worte geliehen ha ben. Die Galeere des Gymnasiums," von welcher J. S. Machar spricht, wird solange das garstige Sklavenschiff bleiben, als es nicht auf­hört, Zuchtanstalt von Berufsmen schen mit allzu eng umschriebenen Zielen zu sein. und als es sich nicht auf seine eigentliche Aufgabe besinnt: im Entwicklungsgang des jungen Men­schen eine diese Entwicklung nach Kräften för­dernde Stufe darzustellen.

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Praktisch gesprochen: Bisher ging, wer Jurist, Mediziner oder Theologe werden wollte, ins Gym­nasium, der fünftige Technifer in die Realschule, wer sich mit geringerer fachlicher Ausbildung zu­friedengabdoch die Fachbildung war stets die Hauptsache in Gewerbe, Handels. Ackerbau­schule, Lehrerbildungsanstalt und dgl. In jeden dieser Institute paufte er sich eine gewisse Merge von Wissensstoff und Fertigkeiten ein, die er mehr oder minder gläubig von seinen Lehrern über nahm, der Bildungswert dieser Gegenstände, d. h. ihre Fähigkeit, Geist und Charakter 3n formen und zu selbständiger Tat auf gleichem Gebiet antzu regen, tonnte sich int mer nur zum geringsten Teil auswirken, weil tes ,, Durchlommen," das rasch Fertigwerden, die Summe des erworbenen Lehrstoffes höher ein­geschäßt wurden als die freilich stets im Munde geführten Bildungswerte, furz, weil die Quan­tität höher stand als die Qualität. In

Es ist überflüssig, zu sagen, daß dieses Urteil des Gerichtes nicht als das Entschei dende bei der Beurteilung der Frage nach Schuld oder Nichtschuld Beuers angesehen wer­hen kann, aber maßgebend dafür ist das im hellen Lichte des Tages durchgeführte Be­weisverfahren, und dieses war für Beuer, troß aller Beschönigungsversuche der fommunistischen Presse, vernichtend. Keine Partei, die auf Reinheit hält nicht einmal eine bürgerliche Partei!- würde nach diesen Bengenaussagen einen Menschen, dem derartig Diffamierendes nachgewiesen wurde, auch nur eine Stunde länger auf einem Vertrauens­posten dulden. Anders bei der kommunistischen Partei, die sich anmaßt, die einzig wahre Hüterin aller revolutionären Grundsäße und Gefühle zu sein, und die über andere Parteien und deren Angehörige als strengste Sitten­und Gesinnungsrichterin waltet, wobei sie nie verfehlt, den kleinsten Irrtum des Einen als die schwerste Verfehlung aller seiner Partei­genossen und auch der ganzen Partei auszu­schreien. Ihr fiel es nicht ein, den Beuer fallen zu lassen. Daß er ein bestialischer Quäler seiner Mannschaft war, daß er die ihm verlichene auch über Beuers Schandtaten der Maniel der wahl, die auch dem Arbeitergericht" als als gerade notwendig war, aber das erschien Macht brutal und hochmütig ausnüßte, die bolschewistischen Nächstenliebe gebreitet. Als er Richtschnur mitgegeben wurde, war es dem der Versammlung nur als ein kleiner Schön­Soldaten Proletarier, die gegenüber dem all- nach dem Gerichtsurteil der Partei seine Funf. Kreisausschuß ein leichtes, dem Urteil dieses heitsfehler, über den nichts weiter zu sagen ist. mächtigen Herren Vorgesetzten wehrlos waren, tion zur Verfügung stellte, da erklärte der Arbeitergerichtes" mit Veruhigung entgegen. Beuer wurde nochmals des vollen uneinge­zu drangsalieren, zu erniedrigen, zu tyranni Kreisausschuß der kommunistischen Partei in zubliden und dem Beuer schon im vorhinein schränkten Vertrauens versichert und als er gar fieren und zu mißhandeln, was machte das in Reichenberg ohne noch die Beschuldigungen vorschußweise das uneingeschränkte Vertrauen" felber als Redner für sich in die Schranken den Augen der über die Sozialpatrioten" durch ein anderes Forum geprüft zu haben auszusprechen. Das so präparierte Arbeiter- trat, da wurde er, wie der Vorwärts" erzählt. wetternden kommunistischen Parteihäupter aus! daß er feinen Anlaß habe, dem Ge- gericht" hat denn wenn es auch das Ver- von der ganzen Versammlung mit stürmischem Jetzt schrie Beuer doch wacker im kommuni- nossen Bener das Vertrauen zu trauen in die volschewistische Justiz bei der Beifall begrüßt". Wer die Redefreiheit kom. stischen Chorus gegen die Sozialverräter" entziehen oder einzuschränken". übrigen Arbeiterschaft nicht stärkte die Er munistischer Versammlungen fennt, der kann mit kraftvoller Stimme mit, war also voll. Das sittliche Pathos der Erklärung des Rei- wartungen seiner Auftraggeber nicht enttäuscht. sich vorstellen, daß in der Versammlung kein wertiges Mitglied und einer der Stimmführer chenberger Streisausschusses weist darauf hin. Es wurden nur waschechte Kommunisten als Wort des Widerspruchs laut wurde. Es war der kommunistischen Partei, da durfte er nicht daß dieser den Beuer jetzt erst als vollwertig Beugen einvernommen, oder solche, die nichts daher ein rührendes Verbrüderungsfest. In im Stiche gelassen werden. Das gebot schon und seines Vertrauens würdig befindet. Um wußten", das übrige besorgte die Erleuchtung den Armen lagen sich beide, und weinten vor vie Solidarität, denn wenn man die Ver- aber jenen kommunistischen Arbeitern, deren durch den heiligen Geist des Bolschewismus: Rührung und Freude. Als dann der eigens gangenheit so manches später zum kommuni- Denten noch nicht so verkrüppelt ist, daß sie Herr Beuer entstieg der Untersuchung durch herbeigecilte Karl Kreibich , der mit seiner tischen Parteiführer gewordenen ehemaligen einen gerichtlich gebrandmarkten Soldaten dieses Gericht unschuldsvoll wie ein frisch- Jeschkenverteidigung in seiner Vergangenheit t; u. f. Leutnants überprüfen wollte, es fämen schinder als ihren einzig würdigen Partei gewaschener Engel. auch einiges zu vergessen hat, die Schimps­über die Art, wie sie damals Krieg und Mili- fekretär ansehen, die Augen zu verkleben, wurde In einer Majjenversammlung", zu der register aufzog und zur höheren Weihe des tarismus sabotierten, wenig erbauliche Dinge erklärt, ein Gericht von Arbeitern" werde die sich wohlgezählte 475 Personen eingefunden Tages wieder einmal die Sozialdemokraten heraus. Wer daran zu rühren wagt, der ist Beschuldigungen gegen Beuer überprüfen und hatten, wurde am Freitag über das Ergebnis zum Tode verurteilte, kannte die Begeisterung nach der Reichenberger Terminologie ein Ver- in einer öffentlichen Volksversammlung" über der erbärmlichen Komödie, die sich Arbeiter feine Grenzen mehr. räter an der Heitslehre des Kommunismus das vorgelegte Material" und das gefällte gericht" nannte, mit der üblichen kommuni- Mit ihrem Scherbengericht glauben die und ein Arbeiterfeind. , Urteil" Bericht erstatten. stischen Aufmachung Bericht erstattet". Der Kommunisten die schmutzige Sache bereinigt zu

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Das Rezept ist nicht mehr neu: was bei Dabei wurden dem aus wohlpräparierten Vorwärts" berichtet darüber unter dem flam- haben. Sie müssen freilich am besten wissen. den andern als Untat verdonnert wird. ist. Sommunisten zusammengeseßten Gericht gleich| menden Titel: Abrechnung mit den Nuß- wen sie für würdig halten, Funktionen in ihrer von einem Kommunisten verübt, nach ent- die nötigen Weisungen mit auf den Weg genießern der Klassenjuſtiz", was auf den Ton Partei zu befleiden. Von Beuer steht auch nach sprechender revolutionärer" Begründung, eine geben: das Urteil des Gerichtes wurde als hinweist, in dem es da herging. Daß die Be- dieser Komödie fest, daß er als Leutnant die verdienstliche Handlung, oder schlimmstenfalls Ausfluß der Klassenjustiz", die Belastungs- schuldigungen gegen Beuer nur Teufelswert, Soldaten wie Hunde behandelte, sie im feind. eine verzeihliche Abirrung". Die Weitherzig zeugen als Feinde der kommunistischen Partei, zum mindesten Verleumdungen fascistischer lichen Artilleriefeuer ererzieren ließ und ähn­feit im Verzeihen üben die Mostauanbeter das Ganze als Mache der Gegner hingestellt. Elemente waren, das war nun sonnenklar. Ganz liches mehr. Der Freispruch" dieses Soldaten­gegenüber ihren Anhängern nicht erst seit jetzt. Maßgebend" waren für die feine Kreis- nebenbei wurde geineint. Beuer sei eben ein schinders wird die Meinung über die Gesell­und so konnte sogar Enver Pafcha, der be- leitung nur jene Zeugen, die nichts auszusagen pflichtbewußter Offizier" gewesen, & auszulagen pflichtbewußter sichereitet, ſchaft, die den Namen des Sozialismus ſchön­rüchtigte bestialische Armenierschlächter ihr wußten, oder die Beuers recht durch sein Pflichtbewußtsein verleiten ließ. bet, nicht mildern! Berhalten zu Herzensfreund und Genosse werden. So wurde fertigen juchten. Bei solcher fürsorglichen Aus- von der Mannschaft etwas mehr zu verlangen",