50. August 1928.

Kleine Chronit.

Die Rampagne gegen erwachsene Analphabeten In Megiko. Die erste, im Jahre 1922 eingeleitete Rampagne zeitigte das Resultat, baß 50.000 Perfo nen lesen und schreiben lernten. 6000 Personen stellten fich freiwillig als Lehrer zur Verfügung. Man hofft, daß die diesjährige Rampagne noch größere Resultate zeitigen wird. Zu diesem Zwede werden die Wanderlehrer Missionäre  " genannt und von Unterlehrern" begleitet. Diefe haben den eigentlichen Unterricht zu erteilen, während sich die Missionäre damit beschäftigen, das Interesse und den Ehrgeiz derjenigen zu wecken, die erzogen werden follen. Das merikanische Staatssekretariat für Erzie. hung hat überdies ein neues Departement errichtet, das sich mit der Kultur der Eingeborenen und dem Analphabetentum befassen soll. Ferner ist es be strebt, die Arbeiter durch Gesangsunterricht und line. matographische Aufführungen zu bilden.

Die Prager   Hasardeure vor Gericht.

Ein Nachspiel zum Selbstmord des Banlbeamten Brod.

Otto Lauscher gestand ein, daß er einmal Baccarat gespielt habe. Er erklärte, daß es sich stets

Die Wählerin"

Bette 5.

Wahlausgabe der Zeitschrift: Die Sozialdemo­fratin" erscheint in den nächsten Tagen.

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Borzüglich geeignet zur Agitation unter den Frauen und Mädchen. Bestellungen mit An­gabe der genauen Versandadresse sind zu richten an die Verwaltung, Prag   II, Savlíčkovo nám. 32. Bestellet sofort, weil sonst vergriffen.

nur um Beträge von hunderten von Kronen geban. Boltswirtschaft und

Boltswirtschaft und Sozialpoliti.

Stlavenleben.

Elandalöse Zustände bei der Hainspacher Forst. verwaltung in Zeidler und Wolfsberg  .

Prag  , 20. August. Vor einem Einzelrichter| Anwalt Brobs erstattete daraufhin bei der Staats. beim Strafgericht Prag II fand heute cine Affäre anwaltschaft die Anzeige gegen die Hasarddeure. ihr vorläufiges Ende, die seinerzeit in Prag   großes Da den beiden Mitschuldigen Taussig und Aussehen erregt hat, da in ihrem Mittelpantte einige Singer die Anklagefchrift nicht zugestellt worden Stüßen der Prager Gesellschaft" eine wenig chren- war, fand heute die Verhandlung nur gegen Direk volle Rolle spielten. Am 12. Juni hat fich be- tor Rofenbaum, gegen Otto Lauscher, den fanntlich der Bankbeamte Otto Brod, angestellt Berufsspieler Freyler und gegen den Direktor beim Prager   Bankhaus Petscher, wegen finan. des Hotels de Sare" Sindelat wgeen Hasar­zieller Verluste" erschossen. Der Selbstmord des dierens, beziehungsweise Begünstigung desselben 24jährigen Beamten wäre bald der Vergessenheit statt. anheimgefallen, wenn es nicht dent Sozialdento­frat" gelungen wäre, die Vorgeschichte dieses Selbst mordes aufzudecken. Otto Brod hatte nicht wegen finanzieller Verluste allein Selbstmord begangen delt habe und daß die größte Differens beim Spiele er war das Opfer einer Spielergesell sechs bis achttausend Kronen ausgemacht habe. schaft geworden, an die er in zwei aufeinander Kurz darauf gab er aber zu, daß Brod an einem Telegraphisch übermittelte Fingerabdrücke. Die folgenden Nächten im Sote! de Sage" beim Bac- Abend 90.000 K schuldig blieb, die er erst am näch. italienische Polizei bedient jich neuerdings eines caratspiel 400.000 kronen verloren hatte. sten Tage bezahlt habe. Am zweiten Abend fei er Verfahrens, das es gestattet, die Fingerabdrücke von Diese Spielergesellschaft bestand aus dem Länder- gar 140.000 Stronen bis zum nächsten Tage schnl­Verbrechern durch das ganze Land zu telegraphic bankdirektor Arthur Rosenbaum- unrühm- dig geblieben. ren. Man bedient sich dazu eines Neßes von 200 lichst bekannt wegen seiner wiederholten Bemühun­Der idyllisch gelegene Ort Zeidler sicht bis 400 numerierten Quadraten, in die die feinen gen, unter den Bantbeamten gelbe Organisationen Verhandlung nicht erschienen war, ist erwiesen, daß friege ziemlich ähnlich. Arbeiterkolonnen von 200 Von dem Berufsspieler Freyler, der zur gegenwärtig einem Militärlager aus dem Welt­Linien der Fingerspitzen eingezeichnet werden. Es genügt, durch das schon übliche Verfahren zur tele- thia" Gustav Taussig, dem Direktor Alexander ipielen ist und daß er in verschiedenen Hotels in Textil- und Holzarbeitern, unter Führung eines ins Leben zu rufen, dem Direktor der Karpa. er Berufsvermittler von vasard. Mann, zusammengestellt aus Metall, Berg, graphischen Uebertragung von Zeichnungen die ein- inger, dem Inhaber des Prager   Bankhauses Prag  ( Hotel de Sage", Hotel Passage" Zimmer Partieführers, ausgerüstet mit Rudfäden, Decken, zelnen Teillinien und die Nummer des Quadrates Nather   u. Co. Otto Lauscher und dem Profes- gemietet hat, wo er vafardpartien ararnaiert, wäh- Shgeschirren und Werkzeugen, wechseln sich gegen­telegraphisch zu übermitteln. Die älteste Banknote. Die älteste noch vorhan Gesellschaft eine so ungeheuerliche Summe verloren besigt. In den Hotels führt er stets einen Stoffer Forstverwaltung in Sainspach läßt die von den fionalspieler Freyler. Otto Brod, der an diese rend er selbst eine Wohnung in Brag- Weinberge feitig ab. Die Dr. Oswald Thun- Salm'sche dene Banknote wurde, wie in einem Hefte der hatte, besaß nun fein Geld, um seinem Vater und mit, in dem sich das Inventar eines Be. Nonnen vollständig vernichteten Waldbestände Rundſchan" ausgeführt wird, in einent der ersten seinem Better 110.000 K, die er sich zu Spekula- rufs hasardeurs befindet. Freyler spielt g: schlagen und verwendet dazu zum größten Teile Regierungsjahre des ersten Kaisers der Minationszweden ausgeborgt hatte, zurüdzuzahlen. Er wöhnlich nicht mit, sondern streicht zum Schluß von der staatlichen Arbeitslosenunterstüßung aus Dynastic( um die Mitte des 14. Jahrhunderts) wandte sich daher an Otto Lauscher um ein Dar einen perzentuellen Gewinn ein. geschiedene Arbeiter des Egerlandes. Diese wurden nach dem Sturze der Mongol- Dynastic ausgegeben; lehen in dieser Höhe. Lauscher verweigerte dieses über Ansuchen der Forswerwaltung durch In­fie ist somit älter als die wirkliche erste Bank in Darlehen. Die Hasardeure glaubten nun, daß es serate des Holzkäufers Anton Beck und Komp., Europa  , die von Barcelona  ( 1401), und drei Jahr sich um einen Erpressungsversuch des Brod Holzhändler in Marienbad  , in den Tageszeitungen hunderte älter als die Gründung der Bant von handle und fürchteten, er könne sie zur Anzeige des Karlsbader Gebietes von den Arbeitsvermitt­Stockholm( 1668), welche die erste Bank war, die in bringen. In ihrer Furcht liefen sie daher zum Ab lungsämtern von Karlsbad   und Umgebung nach Europa   Papiernoten in Umlauf brachte. Die Note vokaten Dr. Hirsch, der vom Anwalt des Brod die Zeidler und Wolfsberg   geschick!. Den Arbeitern hat, wie das Zentralblatt für die Papierindustrie", Zusicherung zu erlangen versuchte, daß Brod gegen wurde ein guter Lohn von mindeſtens 30 Kro­Wien, berichtet, zu oberst eine Aufschrift, welche in die Hasardeure leine Strafanzeige erstatten werde. nen täglich, sowie gute Unterkunft versprochen. der Uebersetzung lautet: Ein allgemein sültiger Da dieser Versuch des Dr. Hirsch fehlschlug, drohte Es stellt sich aber bald heraus, daß sie von der Wertschein der Taiming Dynaftie". Auf beiden er in der Kanzlei des Anwaltes Brod, wo sich diese Forstverwaltung nach allen Regeln der Kunst Seiten ist u lesen: Wertschein der Taiming- Szene in dessen Gegenwart abspielte, in das Bank Nach durchgeführter Verhandlung werden rüdsichtslos ausgebeutet werden. Der Dynastic, allgemein gültig unter dem Himmel". haus Petscher zu gehen und Brob bei seinem Chef Freyler und Lauscher zu je tausend Kro- Tarifvertrag wurde nur für schlagfähiges starkes In der Mitte steht mit großen Buchstaben: Ein zu denunzieren. Dr. Hirsch fuhr auch tatsächlich 31 Swan"; 1 Swan 1000 Momme oder zehn Münz- Direktor Popper des Bankhauses Petschef. Der nen Geldstrafe, im Nichteinbringungsfalle zu Solz, von welchem sich die Rinde seicht loslöst, drei Wochen Arrest verurteilt. Direktor Rosen- abgeschlossen. Den Forstarbeitern wurde bereits schnüre zu 100 Momme( eine Momme ungefähr Antvalt Brods, Dr. Stein, ging dem Dr. Hirsch banm und sindelat wurden freigespro- im März dieses Jahres unter den jenigen schlech­gleich eine Arone österreichischer Währung. Unter nach, erklärte dem Direktor Popper die Sachlage hen.(!!) Rosenbaum mit der Begründung, daß ten wirtschaftlichen Verhältnissen ein zehnpro en­ Ein Kwan" sind die zehn Schnüre mit Münzen ab- und ersuchte ihn, Brod nicht zum Selbstmorde zu er burch seinen Verluft beim Hatarhspiel genütiger Lohnabbau aufgezwungen. Gegenwärtig sind gebildet. Darunter ist zu lesen: Auf Grund einer treiben. Direktor Popper erwiderte auf diese Vor gend bestraft(!!) fei, Sindelar deshalb, weil nur noch junge Bestände zu schlagen, außerdem Vorstellung Unseres Finanzministers wird der ſtellungen: Er soll sich halt erschießen; er nach seiner Angabe von dem Hazardspiel nichts Drud und die Prägung von Wertscheinen der ich fann ihn daran nicht hindern". gewußt habe. Der Staatsanwalt hat felbftver­Taiming Dynastic gestattet, die überall neben den Popper erflärte dann weiter, daß Brob icbes ftändlich gegen dieses Urteil die Berufung ein Stupfermünzen gelten sollen. Wer falsche Scheine Vertrauen in der Bant verloren habe. Wäh gelegt. Im Falle Rosenbaum wegen des Frei­herstellt oder solche verwendet, soll enthauptet wer- rend der Unterredung des Dr. Stein mit Direktor spruches, bei den anderen Angeklagten wegen zu den, und wer Fälscher angibt oder ergreift, soll eine Popper erschoß sich Brod in seiner Wohnung. Der geringen Strafausmaßes. Belohnung von 250 Silber- Tael erhalten; überdies soll er das bewegliche und feste Eigentum des Ver. brechers erhalten. Am... Tag im Monat

"

Jahres der Bungwu- Periode" Die Angabe der Ziffer des Tages, Monats und Jahres ist derart verblaßt, daß sie nicht gelesen werden kann. Die Hungwu Periode entspricht den Jahren 1868 bis 1399 der christlichen Zeitrechnung. Dieser Schein wurde im September 1888 beim Niederreißen eines Hauses in Peking   gefunden und von dem Numis­

Verbreitet die Arbeiterpresse.

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Länderbankdirektor Arthur Rosenbaum muß bei der Einbernahme gleichfalls eingestehen, daß er hafardiert hat. Er will aber auch nur ein­mal gaspielt haben. Bei dieser Gelegenheit habe er 1200 K verloren.

Der Direktor des Hotel de Sage" Sindelar gibt an, daß er von dem Hasardiniel in den Räu. men des Hotels nie etwas gewußt habe.

Das Urteil:

läßt sich von den schwachen, ausgetrockneten Stämmen die Rinde sehr schlecht abschipven. Die Folge all dieser Umstände ist, daß die Arbeiter nichts verdienen können. Im Durchschnitt beträgt der Lohn bei einer zwölf bis vierzehnstündigen Arbeitszeit zehn bis fünfzehn Kronen täglich, von welchem Verdienste die Arbeiter bestenfalls OQTCNOSTORNOESE DOLOTOC ihr nadtes Leben fristen können, feinesfalls aber matiler Dr. Ehrenfeld in Wien   erworben. Weitere lich, daß alle Banknoten bis zur Einstellung der in der Lage find, ibren en Saufe einstweilen Exemplare gibt es in Europa   nur im Britischen   Ausgabe im Jahre 1455 auf ähnlichem Papier ge- hungernden Familien etwas abzutreten. Außer­Museum in London  , im asiatischen Museum in Pe- drudt wurden. Wie aus den Untersuchungen, die dem ist das Schlagen des Holzes in den ge tersburg und im tgl. Münzkabinett in Schweden  . Prof. Karabacek über die Papiererzeugung im birgigen und felsigen Gegenden, besonders des Marco Polo, der italienische Weltreisende, schreibt Orient anstellte, hervorgeht, fanden die Chinesen Sternberger Reviers, für diefe ungelernten Ar­über die chinesischen   Banknoten, die schon im 12. in der Papiererzeugung, in Plattendruck und in beiter äußerst gefährlich. Nach Berichten mußten Jahrhundert in Umlauf waren: Der große Khan der Papiergeldausgabe sehr bald gelehrige Schüler, bereits zwei Arbeiter diese gefährliche Ar­( Kublai) ließ die Rinde von Bäumen zu einer Art indem es in Syrien   schon Ende des 12., in Persien   beit mit ihrem Leben bezahlen Vor Papier   verarbeiten, welches als Geld im ganzen Ende des 18. Jahrhunderts Papiergeld gab, wo furzer Zeit wurde dem Arbeiter Franz Basler Lande zu gelten hatte." Auf solch Papier ist auch es aber nach furzer Dauer wieder außer Gebrauch aus Schmiedeberg bei Weiperi, welch ver­heiratet und Vater von sieben Stintern ist, von

Arbeiterprese.borliegende Note gedrudt, und es ist wahrschein. fam.

( Nachdruck verboten.)

Die Glücksbude.

28

Erzählung von Ernst Preczang  . Von da an hatte Jeremias seinen ständigen Blag auf jener Bank, die er oft vom Morgen bis zum Abend nur verließ, um ein wenig in dem kleinen Garten zu wandern oder mit Trude die Mahlzeiten in der Laube einzunehmen. Er begann wieder zu lesen und sich für die Dinge der Außen­welt zu interessieren. Nene Kräfte schienen ihn zu erfüllen. Stleine Gartenarbeiten beschäftigten ihn. Er war voller Hoffnung und Zuversicht. Er und Frau Trude. Der alte Friede webte wieder um sie her, die alte Freude. Nur manchmal, wenn sie auf der Banf am Sause saßen, mußte Frau Trude hinaussehen auf die Wiesen und Felder, auf den Fluß, der da unten sein silbernes Band zog, auf die blauen Wälder am Horizont, auf die staubige, grane Landstraße, deren Krümmungen und eine sie an den Bäumen verfolgen fonnte, Schnsucht wollte in ihr aufwachen nach der Glücksbude, die nicht still stand, wie sie selber es mußte, die von feiner Hecke eingeschlossen war wie das Haus hier. Nicht mehr als zwanzig Schritte fonnte sie in einer Richtung gehen, dann schlossen die Dornen vor ihr den Weg.

Wie häufig aber sagte Jeremias: It's nicht viel beffer hier als in dem Wagen? Wie gemüt­lich, wie anheimelnd und ruhig! Man sitzt immer unter denselben Bäumen und freut sich, wie die Blätter werden, die Blüten und Früchte. Alles ſehen wir wachsen, Viebſte!... Nein, ich möchte nie zurück in die Unruhe, in den Lärm, in dem ich doch nicht heimisch sin."

rück. Aber der Junge? Weißt du, was ich denke, Liebste? Wenn er dorthin zurüdfehren und mei nen Namen wieder zu Ehren bringen könnte!" Jeremi?"

Ja. Was bist du so erstaunt? Es ist doch nur natürlich. Oder willst du ihn untergehen las­sen in diesem Zigeunerleben? Wir konnten es ja bisher nicht ändern. Aber nun ist Friedrichs Arm geheilt und er braucht feine Hilfe mehr."

,, Was willst du tun,' mias?"

,, Mir ist da ein Gedanke gekommen. Vor allen Dingen muß der Junge doch einige Jahre Wenn wir ihn zu Dora die Schule besuchen geben würden...?"

.

,, Nein!" Frau Trude sagte es so heftig, daß sie selber erschrat. Hat sichat Dora an dich geschrieben?"

Er schüttelte den Kopf. Noch nicht. Ich fragte erst vor einigen Tagen bei ihr an."

Frau Trude stand auf: Du hast ihr diesen Vorschlag gemacht?"

Warum nicht? Sie würde Jeremi gut hal­ten, das ist außer Frage. Und ihn zu etwas Rech­tem erziehen."

,, Etwas Rechtem?"

,, Du bist erregt, Trude."

Ja, die kleine Falte auf der Stiin war wie der da. Die brennenden Augen blickten über die Hecke hinweg dorthin, wo die Bäume der Straße am Horizont verschwanden.

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Mit meiner Einwilligung wird Jeremi nicht zu Dora gehen,' mias. Oder er müßte es selbst

wollen."

,, Es ist dein alter Haß, Trude."

Ich hasse Dora nicht. Aber meinen Jun­

Sein Gesicht rötete sich; er fuhr auf: Dn gibst ihn lieber der Landstraße!"

Frau Trude schwieg. Es genügte ihr, ihn glücklich zu wissen. Und es waren ja auch nur gen geb/ ich ihr nicht.". einzelne Stunden, in denen sie sich arm dünfte, weil sie in dieser Enge eingeschlossen. " Die Tattenbachs sind ein feßhaftes Ge­schlecht, Trude. Wo sie sich niederlaffen, stehen sie so bald nicht auf.. Wie froh bin ich, daß ich wie der festen Boden unter den Füßen fühle! Ov wir hier Wurzeln schlagen werden?... Wohl faunt. Jah, ja, ich fann ja nicht in die Heimat zu­ Sie  

blickte ihm ruhig ins Auge und nichte: Sie blickte ihm ruhig ins Auge und nickte: ieber der Landstraße,' mias, als der Stadt, die dich ruiniert und beschimpft hat." Sie teat ins Haus.

Er sah ihr betroffen nach.

XII.

Er tat es. Aber sein Brief ging an einem Als der Sommer zu Ende ging, tamen zwei anderen vorüber, der ihm entgegengekommen war. Freidrich hatte ihn geschrieben, und er war nicht Briefe ins Haus. Zuerst dieser: an Herrn, sondern an Frau Tattenbach adressiert und lautete:

Lieber unglüdlicher Bruder!

Es hat lange gedauert, bis ich Deinen Brief nun beantworte. Aber ich wußte nicht, ob es Deine Frau gestatten würde. Du Armer hast ja wohl in Deinem Hause nichts mehr zu sagen. Jest wage ich es und schreibe aus Mitleid mit Eurem Kinde. Es zieht also mit einem wildfrem. den Menschen auf der Landstraße umher?! Jere mias, wie fonntest Du das zugeben! Der Junge wenigstens muß gerettet werden! Er muß, hörst Du?! Ich habe schon mit dem Rektor des Real­gymnasiums gesprochen; er will ihn zum Oftober aufnehmen, wenn ich für das Schulgeld und für anständige Kleidung sorge. Ich habe es verspro. chen. Sorge Du dafür, daß er Anfang September hier ist. Badet ihn aber vorher! Laßt ihm die Haare schneiden und ihn auch im Anzug nicht wie einen Stromer ankommen. Seine eine schmutzige Seele hoffe ich dann reinzufriegen. Es grüßt ihn und Dich herzlich Deine Schwester Dora.

P. S. Dein Nachfolger ist wegen betrügerischen Bankerotts verhaftet worden. Gottes Mühlen mahlen langsam usw.

Jeremias brannte der Kopf, als er diesen Brief gelesen. Alles Vorhergehende verschlang das Poftstriptum. Also hat es ihn doch getroffen, Trude! Unrecht Gut gedeiht nicht!! Sich' hier!" Er zitterte vor Aufregung.

Sic las. Las den ganzen Brief und reichte ihn ruhig zurüid. Ein faum merkbares Beben lief durch ihre Fingerspiben, als sie auf den Say von der tleinen schmußigen Seele" zeigte: ,, Was soll das,' mias? Wie kommt sie dazu?"

Er studierte den Saß einigemal, schüttelte den Stopf. Du mußt es nicht tragisch nehmen, Trude. Sie schreibt da so etwas hin-- aber wie ent­gegenkommend ist sie im übrigen! Das kannst du nicht leugnen. Es ist ein starkes Pflicht- und Ver­wandtschaftsgefühl in ihr wie in allen Tatten­bachs."

,, Du kennst meine Meinung.' mtias."

" Ja. Und ich will mich an dein Wort hal­ten. Jeremi soll selbst entscheiden. Noch heute schreibe ich an ihn."

Hochverehrte Frau Geriend!

Mir ist das Briefschreiben immer eine havie Arbeit gewesen. Aber dieser ist der allerschwerste. Wie werden Sie es nur aufnehmen? Ich habe hoch und heilig geschworen, auf das fleine Wiesel aufzupassen und ihn gejund an Leib und Seele wieder zu Ihnen zu bringen. Und nun? Krant ist er ja nicht, nein. Im Gegenteil: so gesund wie ein Fisch im Wasser. Aber er macht Seiten­sprünge. Er hat sich immer viel mit der Turnerei abgegeben und war gelenfig wie ein geölter Vind­faden. Dagegen konnte ich ja nichts tun. Und daß er am liebsten mit den Gymnastifern umging, das war doch nicht zu ändern. Nun wollte ihn der Direktor einer Truppe engagieren und dann sollte er mit ihnen fahren. Ich hab's ihm ver boten und hab ihn schließlich in den Wagen ge­sperrt. Ja, daß ich nur gleich die ganze Wahr­heit sage: er ist durchs Fenster gegangen und auf und davon! Jetzt schwimmt er wohl schon auf dem großen Waſſer. Denn die Truppe wollte noch Amerita. Liebe Frau Trude! Sie werden fürch terlich böse auf mich sein! Und Ihr Mann erst! Ich kann mich wohl gar nicht mehr vor Ihnen bliden lassen. Das beiliegende Schreiben hat er für Sie zurückgelassen. Ich bin ganz unglücklich. Friedrich.

Aus dem Schreibhefte stammte das aus­

gerissene Blatt:

Liebe einzige gute Mutter! Lieber Vater! Vergebt es mir, wenn ich Euch betrübe. Der Di reftor sagt, ich würde in einigen Jahren der be. rühmteste Artist sein. Er will mich ausbilden. Ich habe große, große Lust dazu. Wir fahren nach Amerika  . Von dort schreibe ich. Onkel Friedrich war sehr gut zu mir, aber halten fonnte er mich nicht. Es füßt Euch in Eile

Euer Sohn Jeremi. Frau Trude las den Brief zum zweiten, zum dritten Male. Sie faltete ihn zusammen, stedte ihn in das Nuvert und sah schweratmend vor sich hin. ( Fortsetzung folgt.)