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So' aldemokrat

Zentralorgan de. Deutschen   sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republic.

Samstag, 3. November 1923.

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Nr. 257. Sachſen  

und die prole- Rüdtritt der sozialdemokratischen Keichsminiſter

tarische Einheitsfront".

In der ſchärfſten Verurteilung des von der Stresemann   lehnt die Forderungen der Reichstagsfraktion ab. deutschen  

Reichsregierung durch die Sprengung der sächsischen sozialdemokratisch- kommunisti­fchen Regierung in Sachsen   verübten Gewalt­altes herrscht gemis bei allen Sozialdemokraten bolle Einmütigkeit. Nun erscheint es aber not­wendig, auch die andere Seite des fächſt­jchen Falles: den Anteil der Kommunisten baran und ihre an den Sturz der sächsischen Regierung sowie die Bildung der neuen Re­gierung geinüpfte tolle Seße gegen die sozial demokratische Partei zu besprechen. Die Tat der Reichsregierung zu mißbilligen und dies um so entschiedener, als dieselbe Regierung den bayrischen Hochperrätern kein Haar zu

Trümmen jucht, das kann nicht bedeuten, an bem Treiben der Kommunisten achtlos bor überzunchen. Die Kommunisten nehmen die Ereignisse in Sachsen   zum Anlaß einer neuen überdimensionalen Schimpftampagne gegen die Sozialdemokratic. Wie alles, mas in der Welt vorgeht, den Stommunisten dazu dient, über die Sozialdemokraten herzufallen, jo mimen fie auch über die Vorgänge in Sadjen eine schwere and furchtbare Enttäuschung der Ar­beiterschaft, faseln von Salbeit und Schwäche" der fozialdemokratischen Führer, bon denen selbst die lists orientierten" in der Stunde, wo es angeblich zu handeln" golt, böllig verianten und zusammenbrachen". Der fommunistische Berleumbnnenparat arbeitet aljo wieder einmal mit Dampi.

Und warum das alles? Weil die deutschen  Sozialdemokraten sich nicht den Parolen und Methoden der Kommunisten fügen wollen! Für die deutschen   Arbeiter dieses Staates, die nicht unmittelbar unter der Einwirkung der Vorgänge in Deutschland   stehen, ist es gewiß nicht immer leicht. angesichts der sich dort über­stürzenden Ereignisse, welche unsere deutschen  Genossen oft vor die kompliziertesten Fragen der Taktik stellen, rasch genug ein abschließen­des Bild und Urteil zu finden. Dies und die Heße der Kommunisten müssen unsere Genossen zur Vorsicht mahnen, sich nicht verwirren zu Iassen.

Austritt aus der Regierung.

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Die große Koalition gesprengt. Berlin  , 2. November  .( Eigenbericht.) Die fozialdemokratischen Mitglieder des Strefe mann- Kabinette haben heute abends ihren Rüdtritt erklärt. Damit hat eine Episode ihr Ende erreicht, in der die sozialdemokratische Partei unter Zurüdjekung ihrer Parteiinteressen alles getan hat, um das deutsche   Volt aus seiner großen Be­drängnis zu retten. Wenn das Deutsche Reich, was jest kaum vermeidbar erscheint, in Trim mer geht, so trägt an dieser katastrophalen Entwicklung allein die deutsche Bourgeoisie ihre volle Schuld.

Die Ereignisse, die zur Sprengung führten, spielten sich wie folgt ab: Die fozialdemokra tische Fraktion hatte bekanntlich von der Annahme ihrer Forderungen das Verbleiben ihrer drei Vertreter in der Regierung abhängig gemacht. Die Forderungen tengen   leineswegs sozialistischen Charakter, ihre Verwirklichung sollte dielmehr ausschließlich der Er­haltung der jesigen Staatsform dienen. Es hätte eigentlich jedermann als selbstverständlich erscheinen müssen, daß diesen Poftulaten auch die bürgerlichen Parteien, soweit sie auf dem Boden der Weimarer   Berfassung stehen, zustimmen. Tatsächlich wären die Demokraten und das Zentrum bereit gewesen, über die sozialdemokratischen Forderungen zu verhandeln. Nun machten sich wieder dieselben Bestrebungen bemertbar, die schon das erste Kabinett Strefe mann zu Fall gebracht hatten und die auch damals darauf abzielten, die Sozialdemokraten aus der Regierung hinauszudrängen, damit es ihnen dann um so leichter gelinge, den Kurs der Reichsregierung ungehindert nach rechts zu wenden, mit einem Worte: der read­tionäre Kure, wie er in Bayern   herrscht, sollte nach ihrem heißesten Wunsch auf das ganze Reich ausgedehnt werden. Diese Bestrebungen erwiesen sich ft är ter als alle vernünftigen Er wägungen der bürgerlichen Elemente, die einem Entgegenkommen den Sozialdemokraten ge genüber das Wort redeten.

Für heute Nachmittag hatte der Reichskan ter die Führer der sozialdemokratischen Fraition zu einer Besprechung eingeladen. Diese Auetage verlief ergebnislos, da alle Versuche, ein Kompromiß herbeigusi hren, scheiterten. Daraufhin faßte die Fraktion mit erdrüdender Mehrheit nur 18 Genossen waren anderer Meinung den Beschluf, ihre Mitglieder aus der Regierung abzuberufen.

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Was jetzt geschehen, was jeßt kommen wird, weiß in Deutschland   kein Mensch; man spricht davon, daß das Kabinett auch ohne Sozialdemokraten fortbestehen werde. In diesem Falle müfte es sich auf die Deutschnationalen füßen, was natürlich sofort die schärffte Opposition der Sozialdemokraten auslösen würde. Gegen einen deutschnationalen Einfluß auf die Regierung fträuben sich übrigens auch die Demokraten. Auch mit der Möglichteit einer Reichstagsauflösung muß gerechnet werden, wenn der Kabinettsbildung sich unüberbrüdbare Hindernisse in den Weg stellen sollten. Die rechts­stehenden Kreise bemühen sich, beide Möglichkeiten auszuschalten und unter Veseitigung Stresemann eine neue Regierung nach dem Muster des Herrn von Kahr ans Ruder zu bringen, die Deutschland   im reaktionären Sinne beherrschen würde.

Würde dieser Verfuch tatsächlich unternommen werden, so wären die heftigsten polis tischen Erschütterungen und der Würgerkrieg die Folgen.

Was aber auch kommen mag: die Sozialdemokratie hat ihre Bewegungsfreiheit wiedergewonnen, sie wird im Entschei ungslampf zwischen Kapital und Arbeit an der Spiße des Proletariats stehen und es zu verhindern wissen, daß die besißenden Klaffen auf den Trümmern des Deutschen Reiches ihre reaktionären vom Haß gegen die Arbeiterschaft er­füllten Absichten verwirklichen fönnen.

Muß die neue Regierungskrise innerpolitisch verhängnisvolle Wirkungen auslösen, so wird sie einen nicht weniger schädlichen Einfluß auf die außenpolitische Lage des Reichs ausüben. Gerade jest machten sich Zeichen einer Vesserung der Situation bemerkbar, die durch die Absicht, eine internationale Kommission zur Untersuchung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Deutschlands   einzusehen und durch die entschiedene Absage Englanda an die separatistische Bewegung im Rheinlande gekennzeichnet war. Solange das Chaos in Deutschland  , das durch die leßten Ereignisse noch vergrößert wurde, andauert, ist na türlich an eine befriedigende Weiterentwicklung dieser Anfäße nicht zu denken.

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Erdrüsende Mehrheit für den Regierungstrije in Sachsen  .

Stresemanns Ablehnung. Berlin  

, 2. November( Eigenbericht.) Der Reichstanzler hatte in der Besprechung mit unse ren Genossen erklärt, daß die sozialdemokratischen Forderungen nach seiner Rüdsprache mit den Ver­tretern der bürgerlichen Parteien für unannehm bar angesehen werden müßten. Der Reichskanzler begründete die Ablehnung mit grundsät­lichen unt sachlichen Erwägungen. As prinzipiellen Grund für die Ablehnung führte Stresemann   an, daß das Kabinett fich nicht dem Bortours aussehen könne, daß es seine Politik auf die Forderungen einer einzelnen Partei feststelle und besonders unter dem ,, marristischen Drude" gegen Bayern   vorgehe. Das würde heißen, die innere& rife noch mehr zu verschärfen. Außer dem erklärte der Reichsfanzler, die verlangte Auf­hebung des militärischen Ausnahme­zustandes in diesem Augenblicke mit Rücksicht auf die Ereignisse in Sachsen   und an der thi­ringischen Grenze Bayerns   für unmög lich.

lich ist, denn was dori Diktatur des Prole­tariats" heißt, ist in Wirklichkeit nur die Dik­tatur der selbsternannten Sowjetregireung, bestenfalls die Diftatur einer Partei, das ist der kommunistischen  . Die Kommunisten baben wohl die Weltrevolution, nachdem sie das italienische und ungarische Proletariat dem weißen Schreden ans Messer geliefert haben, abgesagt, aber die Krise Deutschlands   und die bittere Not des deutschen   Volkes läßt sie jetzt die Goffnung hegen, daß es doch möglich wäre, wenigstens Deutschland   zu bolschewisieren. So huldigen sie seit einiger Zeit wieder der ver­berblichen Romantik, der Weg aus dem deut­fchen Wirrjal gehe nur über den Bürgerkrieg, gehe nur über die Diftatur und den Terror. Diesem Zwede gilt die auch von Herrn Karl Kreibid aus Reichenberg   im Abgeordnetenhause verkündete Parole, daß die Diktatur der Bourgeoisie nur durch die Diktatur des Pro­letariats verhindert werden fann". Darin liegt eine Behauptung, die von ganz falschen Vor­aussetzungen ausgeht: Ga ist falsch und ver­logen, als hätte das Proletariat Deutschlands  awischen einer Diftatur von Links oder Rechts au wählen. Zu entscheiden ist nur: entweder Diktatur des hakenkreuzlerischen Fascismus, oder Erhaltung der Republif und Demokratie! Jeder, der die Möglichkeiten und wirklichen Wachtverhältnisse in Deutschland   fennt, weiß, daß es ein Drittes nicht gibt! Wer einen an deren Weg, als den Stampf um die Erhaltung des demokratischen Staates propagiert, spielt ein leichtsinniges, frivoles Spiel mit dem Schicksal der Arbeiterklasse. Die Kommunisten sind auch in Deutschland   nur ein Bruchteil der Arbeiterschaft, daß sie selbst die Diktatur etablieren fönnten, glaubt niemand, und eben­sowenig ist anzunehmen, daß ihrem Diktatur­

Als in Sachsen   die Einigung zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten erfolgte, wurde dies von der gesamten Arbeiterschaft freudig begrüßt. Das erschien begreiflich, denn welcher sozialistisch gesinnte Arbeiter empfindet es nicht schmerzlich, daß sich das Proletariat in Bruderkämpfen zerfleischt. Damals schien tatsächlich eine Selbstbesinnung der Kommuni­sten eingetreten zu sein und man konnte er hoffen, daß sie, unbeschadet ihrer sonstigen Einstellung, gemeinsam mit den Sozialdemo­fraten das zur Zeit Wichtigste und Nahe­liegendste tun werden: die Republik   und De mokratie vor dem Ansturm der deutschnatio­nal- monarchistischen Reaktion und die Arbei­terschaft vor der Gefahr des weißen Terrors zu schützen, denn die Demokratie ist doch auch für die Kommunisten der Boden, auf dem sie allein für ihre Ideen werben können. Aber es die nach den Weisungen der Moskauer   Zentrale nicht aber die getroffenen Vereinba.ungen gefchrei die übrige Arbeiterschaft nach den rus­fehlte in der sozialdemokratischen Partei auch zu erst vernichtet" werden muß, der fonnte sein. So mußte bald zwischen unserer Partei sischen Erfahrungen folgen werde. Um auf dem schon damals nicht an warnenden Stimmen, diesem Mißtrauen eine gewisse Berechtigung und den Kommunisten ein flaffender Gegen- Umwege über den Hungertod zahlloser Men­welche das Zusammengehen mit Stommunisten nicht absprechen. fat entstehen, ber eben die Auflösung der fo- fchen und eitt Schreckensregime von Bürger­zialdemokratisch kommunistischen Soalition frieg, Diktatur und Terror zum Kapita= herbeigeführt hätte, wenn nicht der brutale lismus zurüdzukehren, wie das in Gewaltstreich der Reichsregierung die offene Rußland geschehen ist, dazu werden sich sozial­Aufzeigung der Unmöglichkeit dies Bündnisses demokratisch bewußte Arbeiter nicht hergeben verhindert hätte. und werden sich zu einer so I chen Rettung"

in einer Regierung auf der Grundlage der Die Geschichte der Einheitsfront" mit Demokratie für unmöglich, zum mindesten den Kommunisten in der sächsischen Regierung für verfrüht erklärten, da deren Abhängigkeit hat diesen Warnern recht gegeben. Den Kom von den Moskauer   Wolfenschiebern und die munisten fiel es vom ersten Tage dieser Ein­innere Berfahrenheit der kommunistischen Bar heitsfront nicht ein, sich an die Bereinbarungen tei die von zwei Strömungen beeinflußt zu halten, welche die Grundlage für das Bu- Um dies in vollem Maße zu erkennen. Deutschlands   nicht verstehen. Ganz abgesehen ist noch zu groß sei, als daß sie als ver sammengehen mit ihnen bildeten. Dabei han- muß man sich das Wesen des Bolschewismus, davon, daß infolge der Zermürbung der Ar­läßliche Weggenossen in Betracht kommen belte es sich feinesfalls um vorübergehende dessen Jünger die Kommunisten sind, vor beiterklasse, der Macht ihrer Gegner und der fönnte. Mandje jahen in dem Eintreten der Schwankungen und vereinzelte Bersuche, den Augen halten. Die Kommunisten verwerfen. allgemeinen Lage in Deutschalnd eine solche Kommunisten in die sächsische Regierung nur eingeschlagenen realpolitischen Kurs zugunsten im Gegensatz zur Sozialdemokratie, die Demo- proletarische Diktatur" augenblicklich ins ein vorübergehendes schlaues Manöver, um die der fommunistischen Homantit zu verlassen, fratie, wobei sie sich mit den Rechtsputschisten Reich der Märchen gehört. Daß die Kommu­deutschen Sozialdemokraten hinters Licht zu sondern um eine aufgelegte und systematische auf einer Linie finden. Nach Lommunistischen nisten dennoch wieder der Putschtaktik an­führen und sie zeitweilig in Sicherheit zu Treulosigkeit. Es ging ihnen nur darum, die Grundsätzen gibt es nur einen Weg zur hängen, ist Torheit und Verbrechen zugleich. wiegen. Wer sich dessen bewußt bleibt, daß von ihnen zu demagogischen Zweden gepredigte ettung, den Weg, den Rußland   ging, also: Das war, wie in einem zweiten Artikel ge­das Hauptziel der Angriffe der Kommunisten Einheitsfront rein äußerlich herzustellen, doch die proletarische Diftatur". Aber nicht einmal zeigt werden soll, die Ursache des Zerfalles der nicht die Bourgeoiste oder die bürgerlichen die Grundlage ihres Handelns sollten allein in Rußland   haben die Bolschewiten den Be sozialdemokratisch kommunistischen Koalition Parteien sind, sondern die Sozialdemokratie, ihr Bille, ihre Methoden und ihr Biel, weis erbracht, daß eine solche Diktatur mög in Sachsen  .

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