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Wiederaufnahme des Eisenbahn­| verkehrs mit dem Ruhrgebiet .

Die leitende Idee der fascistischen Regierungspolitit.

4. Dezember 1923.

dem ganzen Gesetz bleibt also eigentlich nichts als daß man lokalen Elementen, die an Gewaltwirt­die größere Abhängigkeit der Schankwirte von der schaft gewöhnt waren, Polizeifunktionen anver­Willkür der Präfekten . Da die Präfekten heute traut hat, die bei den Mangel an Vorbildung, bei alle Fascisten sind und sich vom Minister des In- der ungenügenden Auslese der Mitglieder und bei nern nur insofern abhängig fühlen, als dieser der dem bestehenden Parteihaß unfehlbar zu leber­Heerführer" des Fascismus ist, so haben wir griffen neigen. unter dem Deckmantel der Alkoholbekämpfung eine Machterhöhung der fascistischen Behörden.

Düsseldorf , 1. Dezember. ( Savas.) Die fran ( Von unserem italienischen Korrespondenten.) zösisch- belgische Eisenbahnregie im besetzten Gebiet und die deutsche Eisenbahnverwaltung haben mit Die italienische Politik unter dem heutigen Auf die gleiche Linie mit dem Falle von Mi­Vorbehalt der Billigung durch das Reich einen Surfe erweckt im Ausland den Eindruck ziel randola ist eine Gewalttat zu setzen, die sich bei Vertrag unterzeichnet, demzufolge der seit 1. Jän- bewußter Geradlinigkeit. Die Kenntnis der hic­ner d. J. unterbrochene Eisenbahnverkehr zwischen sigen Verhältnisse war im Ausland immer ziem Diese Tendenz, an Stelle des geschrie- Terni in Umbrien zugetragen hat, wo der fas dem besetzten Gebiete und dem übrigen Deutsch lich oberflächlich, und ist es begreiflicherweise heute benen Rechts, das wenigstens formell für alle cistische Bürgermeister( dem in den kleinen Orten land wieder aufgenommen werden wird. Deutsch - in weit höherem Maße, wo fede regierungsfeind gleich ist, das Gutachten der Behörden, Italiens von Rechts wegen die höchste lokale Po­land wird die Lokomotiven und alles Material, liche Aeußerung eines Korrespondenten diesen mit also der Fascisten zu sehen, ist überhaupt für die lizeigewalt zusteht) den Pfarrer des Ottes im welches es bei den Jännerereignissen aus dem Ausweisung oder andern Scherereien bedroht. ganze Regierungspolitit charakteristisch. Es han- Rathaus hat von maskierten Individuen über­Ruhrgebiet entfernt hat, wieder ersetzen. Nun ist aber nichts irriger als die Ansicht, daß delt sich hier um eine rückschrittliche Tendenz in fallen und durchprügeln lassen, weil er in einer die fascistiche Politit sich von der der vorhergehen- staatsrechtlicher Beziehung. Dem Geiste nach Eingabe an die Provinzialbehörde gegen die Ab­Deutschland protestiert gegen Belgiens den Kabinette dadurch unterscheide, daß sie die gleichwertig, aber den Folgen nach weit ernster ist schaffung des Armenarztes Einspruch erhoben Verwirklichung eines Programms anstrebt, wäh- die Aufhebung der Trennung von hatte. Auch andere Unterzeichner der Eingabe Requisitionen. rend die früheren sich opportunistisch den Ver- richterlicher und ausführender Ge- wurden durch Stockschläge verwundet ins Kranken Berlin , 3. Dezember. ( Wolff.) Der deutsche hältnissen anpaßten. In Wirklichkeit hat auch der walt. Diese Trennung, die zu den größten Er- haus gebracht. Hier ging die Gewalttat nicht von Geschäftsträger in Brüssel hat der belgischen Re Fascismus fein anderes Programm als das, sich rungenschaften des liberalen Gedankens gehört, der Miliz, wohl aber von einem der fascistischen gierung eine Note überreicht, in welcher die am Ruder zu erhalten; da er aber andere Inter - ist zwar nicht gefeblich aber faktisch abgeschafft. In Partei angehörigen Träger der Regierungsgewalt Reichsregierung gegen die Liquidierung des in effengruppen vertritt, jind seine Lebensbedingun- den kleinen Orten ist die fascistische Miliz gleich in einer Gemeinde aus. Duisburg beschlagnahmten Eisenbahnmaterials gen von denen der früheren Regierungen verzeitig die richtende und die vollziehende Gewalt. Natürlich liegt es nicht im Programm des protestiert und dessen Erlös als Entschädigung für schieden. Er ist genau so opportunistisch wie diese, Das lag dem Steim nach im Prinzip des Knüp- Fascismus, die Bürger auf Wohl und Wehe der die Familie des getöteten belgischen Leutnants aber für sein Fortkommen find eben andere Dinge pels und des Rizinusöls, hat sich aber recht kräftig fascistischen Miliz auszuliefern und die gesetzliche Graff und an das belgische Rote Kreuz zufam opportun, als für die liberal- demokratischen Re- ausgewachsen. Es ist zu Dußenden von Malen Sicherstellung ihres Lebens aufzuheben, aber es men 1,250.000 französische Franks bezahlt werden gierungen, die ihm voraufgegangen sind. vorgekommen, daß Bürger in den Lokalen der folgt eben mit unerbittlicher Logit aus den Ver­soll. Die Regierung bedauere, feststellen zu müssen, Aus diesem Grunde ist es so furchtbar schwer, Milis wegen irgendeines Verbrechens gegen den hältnissen, durch die die Partei zur Regierung ge­daß die belgische Regierung ihre Macht im besetz sich in der gegenwärtigen italienischen Politit zu Fascismus" zur Rechenschaft gezogen und dann langt ist. ten Gebiete mi z brauche, anstatt diese reine orientieren. Nichts ist wandelhafter als das, was mißhandelt wurden. Ein ganz besonders krasser Es ist solsch, zu glauben, daß sich der Faſcis­Rechtsfrage entsprechend dem Vorschlage der deut die Anpassung von uns fordert. Man sieht das Fall hat sich dieser Tage in Mirandola in der Pro- mus mit eiserner Faust dem Druck der äußern schen Regierung dem Haager Gerichtshof zu un- in der auswärtigen Politit, wo die vinz Modena zugetragen. Dort wurde ein älterer Umstände entgegenstemmt; er gibt vielmehr in terbreiten, der die berufenste Instanz für die un- Fascisten gewissermaßen ein Programm hatten. unbescholtener Kleinbauer namens Baraldi auf allem nach, was irgend seinen Existenzbedingun parteiische und gerechte Erledigung der Ange- Der Fascismus war bei seinem Regierungsantritt bas lokale Rommando der Miliz geladen, wo man gen als Partei von Vorteil sein fann. So ist es fegenheit gewesen wäre. Die Note stellt ferner durch und durch franzosenfreundlich, ein Verfech ihm zumutete, auszusagen, daß er seine 15jährige eine Legende, zu behaupten, der Fascismus hätte feft, daß Belgien für die Erschießung des deut- ter der eisernen Faust gegen alle Besiegten. Die Tochter verführt hätte. Der Mann wies mit Ent- ein Regime der Sparsamkeit in der Verwaltung schen Bolizeibeamten Schmielewsti, die mit dem engen Beziehungen der französischen mit der ita rüstung das Ansinnen zurüd, in dem gleichzeitig eingeführt und die italienischen Finanzen saniert, Falle Graff aufs engste zusammenhängt, noch lienischen Schwerindustrie und die notorische die Absicht lag, ihn der Weitschuld an dem von der wie es ein Traum Mussolinis war, in wenigen nicht die geringste Entschädigung gezahlt habe. Er Monaten die Lire auf 50 Schweizer Centimes zu Interessensolidarität dieser mit der fascistischen Tochter begangenen Kindsmord zu zeihen. Partei schienen Italiens Auslandspolitik ganz in wurde darauf in das Haftlokal der Miliz gesperrt, bringen. Die seit dem Friedensschluß mit großer Die neue Separatisten- Regierung. den Bannkreis Frankreichs zu stellen. Als sich aus dem er wenige Stunden später bewußtlos ins Müthe eingeleitete Sanierung der italienischen Dorten Regierungschef und Außenminister. aber auch dem Sturzsichtigsten zeigte, daß Frant Hospital getragen wurde, ohne das Bewußtsein Finanzen ist durch den Fascismus cher in ihrem reich mit großem Eifer den Abgrund grub, der wiedererlangt zu haben, verstarb. Der Arzt Rhythmus verlangsamt als beschleunigt worden. Koblenz , 2. Dezember. ( Havas.) Die proviso unfehlbar Europa verschlingen mußte, rückte die stellte Todan Herzschlag(!!) fest, aber ein Das tatsächliche Defizit, nach Abzug der außer­rische Regierung der Rheinlandrepublik hat die fascistische Regierung energisch von Frank Mitglied der fascistischen Wiliz zeigte die Sache an, ordentlichen Kriegslasten, betrug sieben Williarden Demission von Meten und Matthes angenommen reich ab und an England heran, obwohl worauf die Leiche obduziert und Zertrümmerung im Budgetjahr 1920/21, fünf Milliarden in fol­und hat Dorten einstimmig zum Chef der pro- feinem Parteigeiste die heutige franzöfifche Politik der Schädeldede durch Stockhiebe festgestellt wurde. genden Verwaltungsjahr; im eben Leendeiem visorischen Regierung und zum Außenminister er viel näher liegt als die englische. Darauf hat man alle in dem Lokal der Miliz an- Jahre 1922/23 belief es sich auf etwa vier Milliar­mannt. Theodor Ochler wurde zum Vizepräsiden- Diese Anpassung an tatsächliche Verhältnisse, wesenden Faſciſten verhaftet, darunter zwei Eiffi- den und soll im laufenden Jahre zweieinhalb ten gewählt. Außerdem wurden zwölf weitere die im Grunde auf einer richtigen Einschätzung ziere der Miliz. Wenn aber nicht ein fascist die Williarden betragen. In dem Budgetjahr 1922/23, Regierungsmitglieder ernannt. Als Residenz europäischer und auch italienischer Interessen be Sache angezeigt hätte, wäre der Alte, infolge der das zu dreiviertel fascistischer Verwaltung unter­wurde Em s bezeichnet, da die offiziellen Gebäude ruht, ist nun in der äußeren Politit freudig zu be- verbrecherischen Beihilfe des Arztes einfach ohne stand, sind die Einnahmen gegenüber dem Vor­von Koblenz, welche auch weiterhin die Hauptstadt grüßen und würde segensreich sein, wenn hinter Sang und Klang verscharrt worden, man hätte jahr von rund 13 Milliarden auf 11 Milliarden der Rheinländischen Republik bleibt, von der in der richtigen Erkenntnis größere Macht und grö- seinem Andenken die Schuld für die Verführung gesunken, was in der italienischen Finanzgebarung teralliierten Kommission gebraucht werden. ßerer internationaler Einfluß stände. In der des halbwüchsigen Mädchens aufgehalft und fein bisher noch nicht vorgekommen war. Der frühere innern Politik handelt es sich aber bei der An- Bahn hätte nach der Sache geträht. Die Miliz Finanzminister Wellenberg berechnet die sielac­passung darum, nicht den Interessen des Landes, hat sich hier offenbar in den Dienst des Verfüh- priesenen Ersparnisse auf 179 Millionen im lau sondern denen der herrschenden Partei Rechnung rers gestellt, der einer der Ihren sein muß, und fenden Jahre, denen Mehrausgaben gegenüber­zu tragen. Daraus ergibt sich ein eigenartiger hat in wenigen Minuten gerichtet und ihr Urteil stehen, die noch nicht in Rechnung zu setzen ſand. Zickzackurs, weil gar viele widerstreitende Inter - ausgeführt. Natürlich sind jetzt, wo die Sache So gestaltet sich der Fascismus nicht von essen in die fascistische Partei ausmünden und ans Licht gekommen ist, alle Verdächtigen verhaf innen heraus, etwa als Ausdruck einer überragen­Rechte auf Dankbarkeit geltend machen können. tet worden, obwohl sie Fascisten sind, aber da den Persönlichkeit, sondern er bildet sich unter Man bedenke, daß der Fascismus bei seiner Be- durch wird die Tatsache nicht aus der Welt ge- dem Druck der Umwelt, mur daß er eben seine Le­fizergreifung der Regierung mit der ganzen Tra- schafft, daß es einer staatlich anerkannten, aus bensbedingungen in einer anderen Umwelt fin­dition und der herschenden Kliquenwirtschaft Staatsmitteln erhaltenen Behörde möglich war, det, als die vorhergehenden Ministerien. Daher brach; er hatte also freie Hand und konnte radi sich ihrer Autorität zur Vollziehung einer Privat sein 3idzadkurs. Mussolini sicht heute ein, faler vorgehen als seine Vorgänger. Radikal vor rache oder einer privaten Intereffen dienenden daß er keine Regierung der Hochfinanz darstellen Sachverständigen- Konferenz. gegangen ist er aber nur, wo es sich um die Ver- Erpressung zu bedienen. Die Miliz ist aus kann, deshalb sein Bestreben, sich nach links zu wirklichung von Interessenforderungen, nicht, wo Fascisten aller Gesellschaftsklaffen und aller Bil- orientieren. Die Einheitssozialisten( Fraktion T- Washington, 3. Dezember .( Havas.) Von es sich um die von Programmsätzen handelt. dungsgrade zusammengekehrt worden, mit so ge- rati) haben diesen Monat in Mailand beschlossen, offiziellen Streifen wird verlautbart, daß die Ver- Typisch ist in dieser Beziehung z. B. das Gesez ringer Auslese, daß man als ersten Schritt die unter allen Umständen in der Opposition zu vera einigten Staaten die Teilnahme an der Repa- gegen den Alkoholismus, das allen Betrieben wegen gemoiner Verbrechen Vorbestraften aus harren und eventuell zur Wiederherstellung der rationskommission nicht abgelehnt haben, untersagt, nach zehn Uhr Abend Wein und merzen mußte. All diese Leute fannten feine verfassungsmäßigen Rechte einen Block mit bür schon deshalb nicht, da sie bisher keine offi- andere alkoholhaltige Getränke abzugeben. Die Grenzen ihrer Macht. Sie waren durch die Straf gerlichen Parteien zu bilden. So sucht Mussolini zielle Einladung erhalten haben. Die Maßnahme schnitt vielen Interessen ins Fleisch, expeditionen gewöhnt, das Urteil zu fällen und zu Fühlung zu der sog. sozialistischen Gironde, der ich Vereinigten Staaten erwarten, daß die derzeitigen war aber trotzdem im Interesse der Volksgesund vollstrecken und meist auch die Buße einzufas- Eurico Ferri angeschlossen hat. Der gute Mann Bestrebungen mit einem günſtigen Ergebnisse ab- heit zu begrüßen. Kaum war aber das Gefen er- fieren. Jetzt hat man ihnen behördilche Funt hat aber, nach all den vielen Salti Mortali feiner schließen werden. Sie können sich allerdings nicht lassen, so folgten die Zugeständnisse: wo die wirt- tion und behördliche Würde verliehen und viele Laufbahn keinen Anhang mehr im Lande. Darum an dem Sachverständigenausschusse beteiligen, in- schaftlichen Verhältnisse gut waren, wo die öffent von ihnen sehen durchaus nicht ein, warum sie wirbt er heute Anhang, der ihm als Mitgift die­solange sie nicht den Umfang seiner Aufliche Ordnung zufriedenstellend usw. durften die heute weniger Machtbefugnisse haben sollten, als nen soll. Ohne Mitgift wird sich das Geschäft für gaben fennen. Präfekturen das Verbot teilweise aufheben. Von sie vorher hatten. Der Grundschler liegt darin, Mussolini kaum verlohnen.

Abrüden von den Separatisten? Bonn, 3. Dezember .( Wolff.) Auf Veranlas­Bonn, 3. Dezember .( Wolff.) Auf Veranlas sung der Besa yungsbehörde wurde heute die Fahne der Sonderbündler vom Rathause her untergeholt. Auch in Beuel, Königswinter, Godes berg und anderen Orten wurden die Sonderbünd­ler aus dem Rathause entfernt und die Fahne

eingezogen.

Ameritas fragliche Teilnahme an der

Der Bettler.

Von Frizz Rosenfeld( Wien). Gestern bin ich einem Menschen wieder be­begnet, der in den Jahren meiner Kindheit die eigenartigste, verwunderlichste Gestalt gewesen, die meinen Gesichtskreis durchlief.

Es ist ein alter Bettler, den ich an einer Straßenece traf, an derselben Straßenede, an der er vor mehr als einem Jahrzehnt geftanden, als mein Schulweg mich täglich vorüberführte.

Er sieht fast genau so aus wie damals. Seine langen, dünnen, grauweißen Locken fallen über seine Schultern, der Hut in seiner Hand ist derselbe, nur der Rock, den er trägt, mag einige Flicken mehr aufweisen. Aber das besondere Merkmal, an dem ich den Alien sogleich wieder erkannte, die große Hornbrille, verleiht seinem Gesicht heute noch mehr als einst einen welt fremden, nachdenlichen Zug.

In meinem Zimmer stärkte ich ihn mit etwas Essen er langsam und andachtsvoll, als schätze er den Wert jedes Bissens sorglich ab. Eine ungewohnte Redseligkeit ergriff ihn, da er gegessen hatte, ein Behagen, welches er schon jahrelang vermißt hatte.

daß sein Wissen jemals versagt hätte. Es war Ich mußte lange auf ihn einreden, bis er ihm sichtlich eine Freude, die Kleinen von ihrem mir in meine Wohnung folgte; er humpelte an drückenden Stummer befreien zu können. Oft seinem Stod neben mir her es war mir ganz mals legte er seine magrie Hand, die damals noch so, als ginge ein alter Lehrer, dem ich stunden­nicht zitterte wie heute, auf unseren Kopf und lang gelauscht hatte, an meiner Seite. seine Augen streichelten uns förmlich. während er uns erflärte, was wir nicht rerstanden Dafür bekam er dann einen Teil unseres Frühstücks er nahm von jedem nur ein winziges Stückchen, um uns nicht zu berauben, und von den Aerm sten unter uns er fannte ein jedes genau vollte er gar nichts annehmen so sehr uns das auch schmerzte. Wenn wir zuhause von ihm era sähiten, betamen wir wohl auch ein Galbifid für ihn und es war unsere größt: Freude, es in ici­nen Hut werfen zu dürfen. Als er mix emmal eine besonders schwierige und unverständliche Rechnung, die ich durchaus nicht begreifen konnte, mit seiner liebevollen Geduld lösen geholfen, bet­telte ich zuhause so lange, bis ich die Erlaubnis erhielt, ihm auch am Sonntag ein Butterbrot an seinen Standort tragen zu dürfen, denn ich wußte, er oft nichts zu essen hatte, wenn er von uns Kindern nichts bekam.

Als wir größer wurden und andere Dinge unser Bewußtsein erfüllten, da gingen wir schneller an dem Bettler vorüber, gaben ihm ein Almosen, ein freundliches Wort, ein wehmütiges Lächeln über die kleinlichen Sorgen unserer Schulzeit- und als ich die Stadt verlies, da hatte ich, undankbar, wie die Menschen einmal sind, den Alten bald vergessen.

Nun, was treiben Sie denn eigentlich?" fregte er mich dann. Ich bin vorläufig noch Student" anwortete ,, Und was studieren Sie denn?" Philosophie."

ich.

" Philosophie," wiederholde er langjam, als hätte der Selang dieses Wortes für ihn eine be­sondere Bedeutung. Nach einer Weile sagte er: ,, Wenn mein Sohn noch lebte, hätte er jetzt schon lange ausstudiert."

Erstaunt fragte ich den Alten: Sie hatten einen Schn? Und warum lebt nicht mehr?" gegnete er.

er

"

Ja das ist eine traurige Geschichte" ent­,, War er frant?"

Nein, das nicht. Er war ferngesund und Und warum starb er denn?"

Tuftig!"

Dieser Mann spielte chemals in unserem Leben eine wichtige Rolle. Er war sozusagen das Orakel, das wir Kinder in allen Nöten be­fragten, er gab uns Auskunft, wenn unser Ge­hirn uns im Stiche ließ, was bei manchen schwe, ren Schulaufgaben öfters vorkam. Er wußte stets die Antwort auf die Fragen, über die wir uns vergebens den of zerbrachen. Als gang Kleine löfte er uns die Probleme des Einmal eins, wenn die Orthographie uns ein dunkles Märchenland blieb, fragten wir ihn, und er wußte Er war ganz aus meiner Erinnerung vers genau, wo die Städte mit den fremdartigen Na- schwunden, als ich ihn gestern wiedersah. Auch In dem Bettler ging eine unheimliche Wand­nten lagen, die wir auf feiner Landfarte finden er erkannte mich sofort. Er ist gealtert, sein Gelung vor sich. Er redkie sich hoch auf, seine Augen fonnten. Es hieß sogar, daß er den Gymnasisten sicht ist eingefallen, er ist müde geworden. Wie erhielten einen fahlen Glanz und starrten mich ihre Lateinsorgen erleichtere aber davon ver- sollte es auch anders sein. stand ich damals nichts und darum wollte ich es Als er mich erblickte, leuchteten seine Augen ,, Weil ich ihn erschlagen habe nicht recht glauben. auf. Er steckte mir seine Hand entgegen, in seinem zusammen, fein Stopf fiel auf die Jeden Morgen bot sich dasselbe Schauspiel. Blick lag eine Herzlichkeit, die mehr als Erwachen Bruſt, ſein Atem ging schwer. Es war eine Der Alte wurde von uns Kindern umringt und alter Zeiten war, die etwas Väterliches an sich drückenbe Stille zwischen uns. srit Fragen bestürmt Ich erinnere mich nicht, hatte. Aber das ist doch nicht möglich- Sie

unverwandt an.

Er sant

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träumen" sagte ich, um ihn aus seinem düsteren Verjunkenſein zu reißen.

Ta richtete er sich wieder auf und gewann furchtbare Größe.

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Ja ja-ja- ja- ich bin ein Mörder ich hab ihn erschlagen Seleinigkeit willen ich verfluchter--" Ich Tonnte nicht anders, als ihn dem Austurm seiner Erinnerung überlassen. Er ergriff meinen Arm, zeg ihn nahe zu sich und begann zu erzählen.

,, Sie sollen es wissen. Es ist ja kein Geheim­nis die Leute haben es nur vergessen, weil es solange her ist, ich habe mein Sind nicht mit Vor­fez getötet nein ein gemeiner Mörder hin ich nicht aber ich hab es doch getötet - im Jähzorn erschlagen nennt man das.

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Meine Frau starb bei des Kindes Geburt. Das Stind war mein Einziges und Alles- ich verhäschelte es und verzog es, daß es eigensinnig und starrköpfig wurde. Es durfte sich alles erlau­ben ich hatte nicht das Herz, ihm den gering sten Wunsch zu versagen.

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-WO

Aber ich war von jeher jähzornig. Das wußte brause, wenn man mich reizt. Als er einmal et­der Kleine, Er begann zu begreifen, daß ich auf­fonnte, weil ich nicht das nötige Geld dazu hatte, was verlangte, was ich ihm unmöglich gewähren wollte er sich rächen und brachte mich in Zorn. Ich fuhr auf, hieß ihn schweigener folgte nicht reizte mich weiter ich verlor die Selbstbeherr­schung, und warf einen Gegenstand nach ihnt. Er brach zusammen ich hatte ihn schwer ver­leßt. Die Stunden der Selbstzerfleischung, die nun famen, kann ich nicht schildern. Ich hielt mich für den schwärzesten Verbrecher der Erde, ich spic mich an, ich geißelte mich, ich hungerte, aber alles schien mir zu gering als Sühne für mein numenschliches Vergehen.

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--O

Mein Kind wurde ins Spital gebracht und operiert. Es schwebte lange zwischen Leben und