Einzelpreis 70 Heffer.
-
Telephone: Tagesrebattion: 6795.
Rachtrebaftion: 6797.
Poftichedamt: 57544.
Inserate werden laut Tar billigt berechnet. Bei öfteren Einschaltungen Preisnachlaß.
3. Jahrgang.
Suzialdemokrat
Zentralorgan der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowatischen Republit.
Vor der Auflösung?
Die deutsche Reichsregierung droht, den
Samstag, 8. Dezember 1923.
Gieg der englischen Arbeiterpartei.
Neuorientierung der englischen Außenpolitit.
-
Bezugs- Bebingungen:
Bei Juftellung ins Haus oder bel Bezug durch die Vost:
monatlic
olerteljährlich
halbjährig
ganzjährig
K 16.
48.
95.
192.
Rüdftellung von Manu
ffripten erfolgt nur bei Einfendung der Retourmarten.
Ericheint mit Ausnahme des Montag täglich früh
Nr. 287.
Die Komödie Prášet.
Der Antrag unserer Genossen im Senat auf Untersuchung der Spiritusaffäre durch einen parBor einer lamentarischen Ausschuß wurde bekanntlich mit der Begründung abgelehnt, daß die Angelegenheit die Gerichte beschäftige, und daß diese Klarheit in die Sache bringen werden. Reichstag
aufzulösen und Neuwahlen auszu- Die tonservative Regierungspartei entscheidend geschlagen. schreiben. Die Maßnahme soll noch heute erfolgen, wenn sich für das Ermächtigungsgeseb, das in dritter Lesung zur Abstimmung steht, teine Mehrheit findet. Der Reichskanzler ist bereits seit Donnerstag im Besiße der Ermächtigung zur Reichstagsauflösung, doch ent schied er sich im letzten Augenblick dafür, bis Samstag zuzuwarten, da noch die Möglichkeit besteht, die fehlenden fünf bis sechs Stimmen durch Herbeiholung fehlender Abgeordneter aufzubringen. Jedenfalls ist die Frage des Weiterbestandes des heutigen Reichstages in allernächste Nähe gerüdt. Selbst wenn es diesmal noch gelingen sollte, die Auflösung zu vermeiden, so besteht kaum die Hoffnung, daß die nächsten Wahlen erst mit Ablauf der Funktionsperiode des Reichstages, das ist im Juni des nächsten Jahres, vorgenommen werden, denn Regierung und Reichstag sind innerlich. zu sehr zerfahren und erschüttert, als daß sie noch auf längere Zeit die Möglichkeit ihrer Erhaltung auf der bisherigen Grundlage hät ten. Es ist klar, daß Reichstagsauflösung und Neuwahlen in der gegenwärtigen beispiellos fritischen Lage Deutschlands für Staat und Volf von folgenschwerster Bedeutung sein müßten. London
, 7. Dezember. Bei den Wahlen, deren Gesamtergebnis bis auf 20 Site bereits vorliegt, ist die Regierung gegenüber der Gesamtheit der Oppofitionsparteien in die Minderheit geraten. Es wurden gewählt: Konservative 255, Liberale 144, Arbeiterpartei 184 und Unabhängige 12. Insgesamt also 595. Im bisherigen Parlament hatten die Konservativen 346, die Liberalen 117 und die Arbeiterpartei 145 und die Unabhängigen 7 Site inne. Die Regierungspartei hat somit 90 Site ver loren.
Soweit belannt geworden ist, befinden sich unter den Gewählten: der Führer der englischen Arbeiterpartei Genosse Ramsay Mac Donald, ferner die Genossen Glynes, Thomas, Lawrence( Chefredakteur des Zentralorgans„ Dailh Herald") und Genosfin Bawrence( die erfte Arbeiterabgeordnete im Unterhause!), zwei Söhne des unterlegenen Genoffen henderson, Ministerpräsident Baldwin, die erste bürgerliche Abgeordnete Ladh Astor, der frühere Ministerpräsident Asquith , Handelsminister Philipp Lloyd und Generalstaatsanwalt Douglas Hopp.
Durchgefallen sind: das frühere Mitglied des Kriegsfabinetts Churchill( einer ber gehäffigsten Arbeiterfeinde), Aderbauminister Sanders( biefer prophezeite noch Dienslag eine Riederlage der Arbeiterpartei und sch äßte die Zahl der Arbeitermandate auf 78!), der Parlamentssekretär der Admiralität Boyd Carpenter, der Rommunist Satlatvalla. **
Wie steht nun der Fall in Wirklichkeit? Ein gewisser Pret I erhob im Pilsner nationaldemofratischen Blatte, dem ,, Cesty dennit" die Beschuldigung, der Präsident des Senates, Prášet habe in seiner Eigenschaft als Präsident der Genossenschaft der landwirtschaftlichen Spiritusbrennereien den sozialistischen Parteien zehn Millionen Kronen gegeben, um sie von einer Opposition gegen die Regierungsverordnung, mit welcher die Bewirtschaftung des Spiritus geregelt wird, abzuhalten. Auch nachdem Prášet im Zehnerausschuß der Koalition erilärt hatte, er habe niemals Geld einer sozialistischen Partei oder einem einzelnen Ange hörigen dieser Partei gegeben, wiederholte Prett die Beschuldigung und erklärte sich bereit, die Wahrheit seiner Beschuldigung zu beweisen. Wir haben nichts davon gehört, daß Prášef gegen Prett oder den Cesty dennit" oder eines der Blätter, welche die Beschuldigung nachgedruckt haben, die Ehrenbeleidigungsflage erhoben hätte.
ermutigen. Amtsge an eine
Ganz nebenbei, in höchst verschwommener Weise wurde gesagt, Pretl habe eine den Fall betreffende Strafanzeige überreicht. Unterfuchen wir, ob diese Strafanzeige ihreit 3wed erreichen tann. Unser Strafgeset behandelt die Bestechung nur in den Paragravhen Die gegenwärtige Regierung Marg ist Eine Niederlage Boincarés. fallen, weil die äußere Politik Lord Curzons 104, 105 und 311. In allen diesen Fällen bandelt der Regierung Baldwins geschadet hat. Es war es sich aber nur um Geschenfannahme in Amtseine Verlegenheitsregierung bedenklichster Art. in Baris, 7. Dezember. Die Pariser Mit- ein Fehler der englischen Regierung, den Widersachen und um Verleitung zum Mißbrauche der Wochenlang war es unmöglich, eine Regierung tagszeitungen verzeichnen nach den vorliegenden ſtand Deutschlands in Subraebet au Die ist nur ſtrafzu finden, welche die Mehrheit. des Meichstages Meldungen über die englise en Waylen ais vor Auger der Solidarität der Entente gibt es teine bar, wenn sie an einen Beamtenber hinter sich gehabt hätte, und so mußte schließ- aussichtliches Resultat die Folgerung, daß die Hilfe für das Juselreich. Der Leitartikel des übt wird. Nur der Beamte, der ein Geschenk lich an die Bildung einer Regierung geschritten Ronfervativen nicht mehr die Re- Temps" schließt aber aus dem Wahlergebnisse annimmt, und derjenige, der einen Beamten durch werden, von der man hoffte, sie werde von Fall gierung behaupten tönnen. Auch wenn in England zwei Folgerungen: Erstens, die eng- Geschenke zu einer Parteilichkeit oder zur Berzu Fall die nötige Mehrheit aufzutreiben im- ble legten Ergebnisse der konservativen Partei lischen Wahlen von 1918 haben den Wahlen der legung der Amtspflicht zu verleiten sucht, verfal stande sein. Stüßen kann sich die neue Regie- Mehrheit für die Gesinnungsgenossen Baldwins len Charakters gegeben. Wenn die englischen den Falle gar nicht. Weder die sozialistischen Bareinige Siege bringen werden, werde die absolute übrigen Ententestaaten den Stempel des nationalen der Strafe. Darum geht es aber im vorliegenrung Marr aber nur auf eine Minderheit. Sie nach französischer Auffaffung nicht mehr zu er- Wahlen von 1923 eine neue Wendung der teien, noch deren Angehörige find Bea mte, üben besitzt nicht das Vertrauen der Rechtsparteien, langen fein. Die franzöfifche Presse tröstet sich politischen Richtung ankündigen, dann ein Amt aus. Ihre Bestechung ist nach dem Strafwird aber dabei auch von links mit mißtraui- über diesen Schlag für die Politit Poincarés mit wird die Heftigkeit der unausbleiblichen Erschult- gesetze überhaupt nicht strafbar. Die schen Augen angesehen. Es ist also taum je- der Erwägung, daß die englischen Wahlen weniger terung durch die Festigkeit der Regierungen pa- mysteriöse Anzeige, von der soviel gesprochen wird, mals eine Regierung in Deutschland auf so durch Außenpolitit beeinflußt worden sind als riert werden müssen. Zweitens, die französische und die der Vorwand zur Ablehnung des Antrages zitterigen Beinen gestanden, wie diese. durch den Kampf zwischen Schußzzoll und Frei- Regierung hat die Aufgabe die Entente cordiale auf Einsetzung einer parlamentarischen Unterhandel. zu schützen und die Fundamente für eine Versuchungskommission war, fann nicht zum Ziele ständigung mit England vorzubereiten. Frank führen, und die ganze Oeffentlichkeit wird nachher Regierung zu verhandeln, wenn diese andere reich muß bereit sein, mit einer anderen englischen ebenso flug sein wie vorher. Regierung geschaffen ist.
100000000
0000000000000000000000000000000
Das wußte Prášek selbstverständlich genau und die Abschiebung der Affäre auf das Geleise der gerichtlichen Untersuchung bedeutet nichts anderes, als ein Vertuschen der Sache, wobei man
--
Nun will gerade diese Regierung vom Reichstag eine Kundgebung stärksten Vertrauens erreichen: sie verlangt die Bewilligung zu der Niederlage Baldwins: Die englischen Paris, 7. Dezember. Der Temps" schreibt eines Ermächtigungsgeseßes, das wohl an und Wahlen sind gegen die Politik Baldwins ausgefür sich wegen der gebotenen Raschheit, mit der die Regierung in der jetzigen Wirrnis der Verhältnisse Entscheidungen und Maßnahmen das der Erhaltung dieser Regierung gebracht verloren, auf die zu erlassenden Verordnungen darauf baut, daß die alles heilende Zeit auch die treffen muß, notwendig sein mag, das aber wird, von sehr problematischem Werte sein. Einfluß zu nehmen, da die Regierung dann Storruptionsgeschichte, wie soviele andere, in Verdeshalb im höchsten Grade gefährlich ist, weil Wohl ist es wahr, daß die Regierung Marr den Reichstag vertagen und die nötigen Vergessenheit geraten lassen wird. Darin werden sich es diese Regierung, die nicht das Vertrauen die letzte sein wird, welche dieser Reichstag her- ordnungen auf Grund des Artikel 48 der ruhen und nicht rasten, che nicht volle Klarheit ges die Herrschaften aber irren. Wir werden nicht der Mehrheit besißt, vom Reichstage unab- vorzubringen vermochte, und ebenso wahr ist, Reichsverfassung erlassen würde. Aber ein- schaffen wird. Noch so dezidierte Erklärungen hängig machen würde. Die Folge wäre zweifel. daß am Ende dieser Regierung neue Kämpfe schneidend kann diese Einflußnahme auch beim Prášeks fönnen Niemanden befriedigen. Der Anlos, daß die Regierung mit Ausschaltung des stehen. Doch alles spricht für die Annahme, Ermächtigungsgesetz nicht sein, die erwarteten geflagte leugnet, das ist sein gutes Recht. Auch der Reichstages zu regieren suchen würde. Nun daß diesen Kämpfen nicht mehr ausgewichen Verordnungen werden in jedem Falle eine Verzicht Prášels auf eine der beiden Stellen ist will sich aber das Ermächtigungsgeseß nicht nur werden fann. Sie müssen, früher oder später. Lebensbedrohung der Arbeiterschaft bilden. Kein Ausweg. Schon deshalb nicht, weil wir anauf neue Steuergeseze beschränken, es soll auch ausgefochten werden, wobei es zweifelhaft ist, wenn schon eine verkappte Rechtsdiktatur un- nehmen, daß Prášek, auch wenn er auf eine Stelden Beamtenabbau und die Arbeitszeitver- ob ein späterer Termin der Sozialdemokratie ausweichlich erscheint, dann lieber gleich eine lung in der Spiritusgenossenschaft verzichtet, es längerung in Angriff nehmen. Dieses Recht, günstiger sein wird, denn jedes Nachgeben, offene, ohne und gegen die indirekte Teilnahme bundenen Einfluß und das Einkommen man verstehen wird, sich den mit dieser Stellung vereiner so gut wie jeder Verantwortung entbun- jedes Opfer, dargebracht, um den Kampf auf der sozialdemokratischen Partei an ihr. Besser spricht von mehreren Hunderttausend Kro: en jährdenen Regierung erteilt, würde zu unabseh- zuschieben, trägt nur dazu bei, die ohnehin auch den Kampf gegen die Rechtsdiftatur von lich zu sichern. Aber das ist nicht das Entschei baren Konsequenzen führen. Vom Beamten- geringe Kraft der Arbeiterschaft durch die außen zu führen, als der wenig aussichtsreiche dende. Wir glauben den Erklärungen der tscheabbau würden, da alle Ministerien sich in den Steigerung der Verwirrung und Uneinigkeit Versuch, ihr von innen Konzessionen abzu- chischen Sozialdemokraten, daß sie nichts befomHänden der Reaktion befinden, gewiß vor- noch mehr zu schwächen. Dennoch hat die so- ringen. men und nichts genommen haben. Es besteht wiegend republikanisch gesinnte Beamte ge- zialdemokratische Reichstagsfraktion mit Mehr- Wie wenig ratsam die Zustimmung zum nicht der geringste Zweifel an der Wahrheit dieser troffen werden. In noch ärgerer Weise würde heit beschlossen, dem Ermächtigungsgeseß ihre Ermächtigungsgeseß war, geht schon jetzt aus Behauptung bei uns. Aber damit ist die Frage, die Ermächtigung betreffend die Arbeitszeit- Zustimmung zu geben. Der Beschluß zu dieser der Tatsache hervor, daß seine Annahme troß- nicht beantwortet. Die politische Moral was mit den ungezählten Millionen geschehen ist. verlängerung sich geltend machen. Es muß er- Bustimmung wurde mit 73 gegen 53 Stimmen dem nicht gesichert ist, und der Reichstag den erfordert vollständige undeinwandwogen werden, daß die Unternehmer in beschlossen, welche verhältnismäßig geringe noch vor der Möglichkeit seines Endes steht. freie Klarstellung. Herr Prašek irrt, wenn Deutschland , besonders im Ruhr- und Rhein- Mehrheit zur Kennzeichnung der Üneinigkeit Auch für die nächste Zeit ist die Gefahr, daß er das Gegenteil von der Zeit erhofft. Seine Vergebiet, unter Ausnüßung der schweren wirt- innerhalb der Fraktion ausreicht. Gewiß ist der Reichswagen an einem Prellstein zerschellt, gangenheit ist keine solche, als daß sie unbedingtes schaftlichen Serise zum Sturmangriff gegen den die Lage, in die sich die sozialdemokratische alles eher, denn gebannt. Es liegt uns ferne, Bertrauen in eine von ihm noch so feierlich abgegeAchtſtundentag übergegangen find, es würde Partei verfeßt sieht, eine äußerst schwierige unseren reichsdeutschen Genossen Ratschläge bene Erklärung rechtfertigen würde. Der richtige daher das Ermächtigungsgeseh nur einer Un- und komplizierte, und es kann nicht bestritten geben zu wollen, und wir verkennen nicht die weg wäre der von unseren Genossen im Sewat terstüßung des Vorstoßes der Unternehmer werden, daß die Fraktionsmehrheit auch manche ungeheueren Schwierigkeiten, die sich ihnen Prášet und den tschechisch- bürgerlichen Parteien beantragte gewesen. Aber wenn es schon Herrn gegen den Achtstundentag gleichkommen. politische Argumente für sich hat. Aber die entgegentürmen. Wir halten nur für unsere mit ihrem deutschen nationalsozialistischen AnEs hält daher schwer, zu glauben, daß die Buſtimung zu dem Ermächtigungsgesetz kann Pflicht, vor unseren Genossen aus unserer hängsel gelungen ist, diesen Weg abzuschneiden, so Arbeiterschaft und die Republik , von der heu- in ihren Auswirkungen für das deutsche Pro- Ueberzeugung fein Hehl zu machen, daß die bleibt noch ein anderer offen. tigen Regierung etwas Ersprießliches zu er- letariat so tragische Folgen haben, daß es Politik der Mehrheit der deutschen Meichstags- Wir fordern Herrn Prášet auf, sofort regen warten hat. Nicht einmal im bürgerlichen mehr als fraglich ist, ob diese Folgen durch fraktion geschichtlich zum Scheitern verurteilt Herrn Brett, der die Beschuldigung erhoben, und Lager dürfte man die Ueberzeugung haben, politische Erwägungen aufgewogen werden ist. Troßdem erfüllt uns auch die Ueberzeugung. Ehrenbeleidigungsklage zu erheben gegen die Zeitung, welche sie verbreitet hat, die daß die Regierung Mary jene starke Hand dar. lönnen. Die Mehrheit der Fraktion begründet daß die deutsche Sozialdemokratie aus Irrun- und das Verfahren bis zum Urteile in seinem ganstellt, welche notwendig ist, um die gigantischen ihre Entscheidung damit, daß sie darauf hin- gen und Wirrungen heraus, die Waffen finden zen Umfange vor aller Deffentlichkeit durchzufühAufgaben, vor welche sich das Meich gestellt weist, durch die Ablehnung des Ermächtigungs- wird, das deutsche Proletariat gegen die An- ren und sich nicht mit einer lendenlahmen Ehrensicht, zu bewältigen. Daher muß jedes Opfer, gesetzes hätte die Partei die letzte Möglichkeit schläge der Reaktion zu schützen! erklärung zu begnügen. Und wenn schon Herr