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4. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowatischen Republit.

Schänder der Demokratie.

Freitag, 11. Jänner 1924.

Ein politischer Massenmord.

Der Hergang des Attentates. Mittag" aus Frankfurt am W. meldet, verlautet Berlin , 10. Jänner. Wie die B. 3. am aus zuverlässiger Quelle, daß bei dem gestrigen Anschlag im Wittelsbacher Hof" in Speyer außer Seinz- Orbis ein gewisser Weiß, Weigl und Fußheller getötet, sowie mehrere Personen, darunter ein gewisser Lilien thal, schwer verletzt wurden. Die Getöteten waren, der Frankfurter Zeitung " zufolge, alle Führer der pfälzischen Separatisten.

Seit vielen Wochen und bald werden es Monate geworden sein- dreht sich bei uns der Führer der Bjälzischen Separatisten und vier Barteigenossen erschossen. alles um die Korruptionsaffäre des Senats­präsidenten Prašek. Was sich bei uns politisches Berlin , 10. Jänner. Gestern abends 9 Uhr Bier weitere Separatisten erschossen. Leben nennt, das erschöpft seinen Inhalt an ist der Führer der Pfälzischen Separatisten Guts­der Frage, ob Herr Prašek endlich zu gehen den im Hotel Wittelsbacher Hof" in Speyer von befizer Heinz aus Orbis bei Kirchheimbolan­geruht oder nicht, und, welches die von der einem Unbekannten ermordet worden, als er das Spiritusgesellschaft bestochenen Parteien und Effen einnehmen wollte. Es erschienen plößlich Personen sind. Die Zeitungen enthalten über drei Männer, riefen Hände hoch!" und feuerten. die Angelegenheit täglich spaltenlange Berichte Heinz stürzte sofort zu Tode getroffen zu Boden. und Betrachtungen, und es gibt gewiß feinen Einer feiner Begleiter wurde leicht verlegt. Die Menschen, den es, wenn er das Wort Spiritus Täter haben sofort die Flucht ergriffen. Ihre hört, nicht zum Brechen reizt. Dennoch rührt Persönlichkeiten konnten nicht festgestellt werden. sich die übelriechende Sache nicht vom Flecke. Die Polizei und die Befaßungsbehörden haben Vielleicht gerade deshalb, weil man hofft, taltet. Die Automobile, welche die Stadt verlaf­Hausdurchsuchungen in der ganzen Stadt vezan daß die Schmußwelle, wie so manche andere fen, werden von Patrouillen durchsucht. vorher, wieder verebben und die Affäre im all­gemeinen Ueberdruß, sich weiter mit ihr zu be- heute nachts festgenommen: Oberregierungsrat Als Geiseln für die Ermordung wurden schäftigen, im Sande verlaufen werde... Herr Dr. Pöllmann, Direktor Dr. Lehmann, Oberlan­Brašek ist noch immer Senatspräsident, und desgerichtspräsident Viabel. Staatsanwalt König, che eine wirkliche Klärung und Reinigung er- Bürgermeister Göhring, Amisrat Müller und folgt, wird noch einiges Wasser die Moldau Justizassesor Biabel. Außerdem wurde nachts hinabfließen. Uno selbst, wenn es gelingt, Pra- von den Separatisten eine strenge Paßkontrolle šek von seinem Posten zu entfernen wird er ausgeübt. darum auch aus dem politischen Leben ver- ordentlich überraschend. Zwei von ihnen hatten Das Borgehen der Attentäter war außer schwinden? Werden dann auch seine Mitſchul- sich vorher an den Tisch gesetzt, an dent Heinz saß digen der Verantwortung verfallen und aus- und sich mit ihm und seiner Umgebung unterhal gemistet werden? Was geschieht mit den an- ten. Staum hatten sie sich dann aus dem Saal deren Affären, deren Duft seit Jahr und Tag zurückgezogen, so öffnete sich die Türe, vier oder unser öffentliches Leben verpestet? fünf junge Männer, die ungemein faltblütig vor Man stelle sich vor, wie in jedem anderen gingen, riefen Sände hoch und gaben fofort Lande, das auf die Bezeichnung Kulturstaat die Schiffe ab. Einer ihrer Mittärer ſchaltere Lande, das auf die Bezeichnung Kulturstaat unmittelbar nach der Tat den eleffrischen Zen Anspruch erhebt, ein solcher Fall tralschalter aus, so daß die Täter unbehelligt im gesezt, daß er überhaupt möglich wäre- be- Dunkel entfamen. handelt und erledigt werden würde. Er wäre vor allem deshalb nicht leicht möglich, weil an­derswo das, was hier gang und gäbe ist, die

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Nr. 10.

Die Persönlichkeit der Täter steht noch nicht fest, aber selbst wenn es wahr wäre, was von französischer Seite behauptet wird, daß der Mord von nationalistischer Seite ausgegangen ist, so

muß doch als der wirkliche Schuldige die ben. Ihr beauftragter General de met hat französische Regierung bezeichnet wer den Separatistenputsch begünstigt und damit die Pfalz der Schredensherrschaft einer heimischen Bevölkerung war strengstens verboten, Abenteurerbande ausgeliefert. Der ein­sich irgendwelcher Waffen zu bedienen, dagegen lonnten die Separatisten ungehindert durch die ihnen begünstigt, in die Pfalz einbrechen und fich der öffentlichen Gebäude bemächtigen.

der Städte, der Gewerkschaften und der Betriebs. Noch am 20. Dezember haben die Vertreter Der Sonderberichterstatter der„ Times" in räte in der Pfalz der Rheinlandskommission einen Speyer gibt folgende Schilderung des Mordes, Protest überreicht, in dem sie die jeßigen furcht fielen gestern abends 9 Uhr 15 Minuten, als der heute nicht erledigt worden. Die Separatisten der sich in seiner Gegenwart abspielte. Danach baren Zustände schilderten. Dieser Protest ist bis Berichterstatter mit etwa dreißig anderen Perso, ermordeten Separatistenführern handelt es sich fennten unbehindert ihr Treiben fortsetzen. Bei den nen in einem Zimmer des„ Wittelsbacher Hofes ermordeten Separatistenführern handelt es sich speiste, plößlich eine Anzahl Schüsse. Drei Ber- um ſehr zweifelhafte Persönlichkeiten: so war der sonen, die an einen Tisch genau gegenüber dem an ihrer Spike stehende Heinz- Orbis zugleich Berichterstatter saßen, ſanten durch den Stopf gebie den Lieferstreit der Landwirte gegen die Leiter einer Banernorganisation, troffen zu Boden. Diejenigen, die geschossen hat lönnten, das Hotel aber nicht vor Ablauf einer Milch lieber auf die Straße gegossen werde, als ten, riefen den Gästen zu, daß sie unbesorgt sein Städter proklamierte und aufforderte, daß die Viertelstunde verlassen dürften und daß dic. All- fie unter dem geforderten Preis an die Stadtbe­tion sich gegen die Separatisten richtet. völkerung abzugeben. Nach furzer Zeit trafen Gendarmen und deutsche Polizei, Separatistentrupps und französisch- afri­fanisches Militär im Hotel ein und nahmen eine Untersuchung aller Anwesenden vor. Es kam zu teiner weiteren Störung. In der Stadt herrscht Ruhe. Bisher sind keine Berhaftungen vorgenommen worden. Auch vor dem Hotel wur­I den drei Verlegte gefunden.

Französischer Jesuitismus. Frankreich und England fand einige Tage hindurch Paris , 10. Jänner. Paris , ( Bavas.) Zwischen der Pfalz statt, wo die franzöfifche Regierung ein Meinungsaustausch über die Situat.onin fürzlich über die Existenz geheimer Verbin dungen, welche Gewalttaten gegen die Separa­tisten vorbereiten, berichtete. Der Mord au Seinz hat unglüdlicherweise die französischen Meldungen ter, gegen welches die britische Regierung prote­stiert hat, gerechtfertigt. Beide Regierungen haben beschlossen, daß die Delegierten der interalliierten Rheinlandskommission diese Angelegenheit unter­fuchen.

Vereinigung von Geschäft und Politit, minde Straßentämpfe zwischen Separatisten und Pfälzern. beſtätigt und das Vorgehen der franzöſiſchen Arm­

stens durch die besseren Sitten, wenn schon nicht durch gesetzliche Hemmungen, erschwert wird. Viele Tote. Frankreichs Blutschuld an den Vorfällen. Daß eine fapitalistische Gruppe die öffentliche Berlin , 10. Jänner .( Eigenbericht.) Die zu blutigen Zusammenstößen zwischen Meinung und einflußreiche politische Personen Ermordung der Separatistenführer in Speyer hat den Separatisten und Pfälzern, bei zu kaufen sucht, kommt gewiß auch in anderen bereits zu schweren Folgen geführt. Nicht benen es eine Reihe Todesopfer gab. Ländern vor, denn die Korruption liegt im nur, daß eine Anzahl städtischer und staatlicher Man muß damit rechnen, daß die Bluttat zu Wesen des Kapitalismus, aber er ist anderswo Beamten von den Franzosen als Geifeln ver- weiteren heftigen Erschütterungen doch stubenreiner und seine Träger entbehren haftet worden find, kam es in der Stadt Speyer in der Rheinpfalz führen wird. der naiven Unverfrorenheit, in den Versuch, ihrem Treiben zu steuern, eine unwürdige und

Ein Konflitt unter den Alliierten wegen der„ autonomen Bjala".

fennung dieser Autoritäten protestierte, London

, 10. Jänner..R.) Die Lage in der bayrischen Pfalz erivedt auch weiterhin die Auf­unverdiente Stränkung zu erblicken. Hier hält fen, begnügte sich der Koalitionsausschuß in die mit völlig reinem Schilde aus der Affäre merksamkeit der britischen Streise. Desgleichen man sogar immer noch trotz aller erschreckenden edler Bescheidenheit, auf die bloße Versicherung heraussteigen wird, denn sie alle sind mit befaßt sich die Presse ausführlich mit dieser An­Erscheinungen mit dem Amte eines politischen Prasets hin, er habe keiner politischen Partei schuldig daran, daß der Skandal solche Dimen- gelegenheit. Es wird hervorgehoben, daß der Funktionärs und Würdenträgers die Stelle eines Bestechungsgelder zukommen lassen, alles in Ordfionen annehmen konnte und sie alle haben aus französische und belgische Oberkommis­Verwaltungsrates und Sachwalters eines Bank- nung zu finden und Prašek ein solennes Ver- Sorge um die Erhaltung der Koalition, den fär in der Rheinlandkommission zur Registrie unternehmens oder irgend einer zweifelhaften trauensvotum auszustellen. Einer gerichtlichen Prašef in entscheidenden Augenbliden unter rung gewisser Erlässe der separatistischen Aemter Industrieritter- Gesellschaft für durchaus verein. Austragung ging der Herr Senatspräsident in ihren Fittichen gededt. Keiner dieser Parteien einwilligten und daß die britische Re bar. Anderswo würde ein ähnlicher Funktionär weitem Bogen aus dem Felde, dagegen jorgie sind Bedenken darüber aufgestiegen, welchen gierung gegen die daraus abgeleitete Aner­wie Prašek auch nicht einen Tag die Beschuldi- er dafür, daß ſein Hauptanfläger, Pretl, noch moralischen Wert eine Koalition habe, deren weil sie mit der britischen Politik, welche schon gung, Korruption geübt zu haben, auf sich fiyen von Stattfinden der Generalversammlung aus Erhaltung es verlange, daß Angehörige, selbst früher dargelegt wurde, wie auch mit den frühe lassen dürfen. Er würde unverzüglich alle ge- der Spiritusgenossenschaft ohne Verhör ausgewenn sie den Beſthauch der Storruption aus- ren Erklärungen der franzöſiſchen und belgischen richtlichen Schritte zu seiner Rehabilitierung zu schlossen werde, um ihn so mit Gewalt zum ſtrömen, aus dem politischen Leben reinlich Regierung im Widerspruch steht. unternehmen gezwungen werden, oder er müßte Schweigen zu bringen. Alles war darauf an- ausgeschieden werden. Die agrarische Partei will Der Berichterstatter der Times" gibt eine feinen Rücktritt vollziehen. Der Drud der öfgelegt, die Tatspuren zu verwischen. Prasetet einen Untersuchungsausschuß einsetzen. eingehende Darstellung der jüngsten Ereignisse. fentlichen Meinung und wohl auch seine eigenen reinzuwaschen und sein teueres politisches Leben Mußte sie sich erst durch den aufsehenerregenden Er bemerkt, daß die von der Rheinlandfommis­Ehrbegriffe würden es ausschließen, daß er vor der Stoalition zu erhalten. Daß dieje Ver Schritt des Präsidenten der Republik dazu fion registrierten Resolutionen wie dies mit den seiner restlosen Reinwaschung das ihm über- tuschungsbestrebungen ein volitischer Standel zivingen lassen, die ihr vom ersten Augenblicke Erlässen vom 2. Jänner der Fall war, definitive ohnegleichen waren, bedachten die wackeren Soalian blante Selbstverständlichkeit hätte sein müſ- zehn Tagen dagegen Einspruch erheben wird. Der Gültigkeit erlangen, da feine Regierung binnen tragene Ehrenamt ausübe.

Doch wie durfte Prašek handeln? Als er tionsmacher ebensowenig, wie den Umstand, sen? Ist sich diese Partei bewußt, welche Folgen Berichterstatter fügt hinzu, daß daraus die Not­beschuldigt wurde, als Vorsitzender der Spiri- daß ihre evangelische Wilde zu Praset, den ihre durch den Untersuchungsausschuß gewonne- wendigkeit einer energischen At­tusgenossenschaft aus dem zu seiner Disposition Präsidenten der Republik in die peinliche nen Erfenntnisse jetzt haben müssen? Erklärt tion seitens der britischen Regierung innerhalb stehenden Fonds von 30 Millionen Seronen, 3wangslage verseßte, sich zu Neujahr von einem sie Prašek für schuldig, bleibt an ihr der Vor zweier Tage hervorgeht, da Großbritannien nicht große Millionenbeträge zur Bestechung an Per- Menschen, auf dem der Vorwurf lastet, politische wurf haften, daß sie monatelang geschwiegen wünscht, eine autonome Regierung durch die von jonen und Parteien verausgabt zu haben, um Bestechungen verübt zu haben, die Hand drüf- und Prašek geduldet hat. Erkennt sie ihn aber der interalliierten Rheinlandkommission geführ ten pfälzischen Aktion anzuerkennen. Es fann darüber zu versichern, daß die Spiritusbrenner bitten. Daß Masaryk sich Prašek vom Beive vor sich gehen wird, für unschuldsvoll und engel einer autonomen pfälzischen Regierung keine ge ſich ihrer Zuſtimmung oder ihres Schweigens fen zu laſſen, oder sich seinen Beſuch zu ver- durch ihr Verfahren, das unter Luftabſchluß tein 3lveifel darüber beſtehen, daß die Einſchung auf Kosten des Staates und der Bevölkerung hielt, ist für ihn gewiß ehrenvoll, aber die rein, in welche Situation wird sie den Präſi- jegliche Gültigkeit erlangen kann, wenn sie nicht ungeheuere Liebesgeschenke erhalten, da ging coalitionsparteien haben es ihren sonderbaren denten der Republik dann bringen! Und erst im Rahmen der Weimarer Verfas­dies dem Gemütsathleten vorerst nicht einmal Ehr- und Reinlichkeitsbegriffen zuzuschreiben, die tschechischen Nationalsozialisten, die nach sung durchgeführt wird, was ein Plebiszit be­Shr- und ung unter die Haut, denn er wußte, daß er sich auf wenn die Tat Masaryks im In- und Auslande langem Schweigen zugeben müssen, durch Ver- deutet, das wenigstens ein Drittel der Wähler die Koalition und auf seine Partei verlassen weniger ehrenvoll für sie und damit auch für mittlung des anrüchigen Stabelač eine Millio fordern müßte, es müßte denn sein, daß sie die fönne, die ihn, wenn es nur irgend anginge, die Regierung aufgefaßt wurde. Aber trotz des nensumme für ihr notleidendes Kinounterneh- Anerkennung der deutschen Reichs­schon decken würden. Als die Angriffe gegen ungewöhnlichen Schrittes des Präsidenten, der men von der Spiritusgenossenschaft erhalten zu regierung erlangen würde. In feinem Falle Brašek ihre Fortießung fanden, mußte schließ der Verurteilung des Strebens gleichkommt, die haben! Der Schmuß steigt immer höher, die aber ist die interalliierte Rheinlandkommission be lich der Koalitionsausschuß doch notgedrungen Storruption im Staate einniſten zu lassen, ge- Atmosphäre wird immer stickiger. Den Schaden rechtigt, irgendeinem Staate die Anerkennung zu erteilen. Stellung nehmen, doch kein Verbrecher könnte schah noch immer nichts. Weder die Koalition trägt die Demokratie, die von dieser Art Hüter Der Daily News" und anderen Blättern sich ein idealeres Forum zu seiner Verantwor- noch die agrarische Partei, der Prašek angehört. in gewissenloſeſter Weise kompromittiert wird. zufolge sind zahlreiche Beweise darüber tung wünschen, als jenes war, vor das Herr fühlten sich bemüßigt, sich zu rühren, und so ist es wirklich unmöglich, in diesem Staate vorhanden, daß die spontane Bewegung in der Prašek geladen wurde. Ohne die Kläger zu darf er bis heute Senatspräsident sein. der Korruption im politischen Leben ein Ende Rheinprovinz auf Abtrennung vom Reiche rein hören und ohne einen einzigen Beweis zu prü- Es gibt kaum eine der Koalitionsparteien, zu machen? künstlichen und figurierten Charakter trägt.