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4. Jahrgang.

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str.10.

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ใช้ sued

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.

Die gekaufte öffentliche Meinung.

Sonntag, 10. Feber 1924.

Berschärfung im Bodenbacher Metallarbeiter Kreit.

1200 Arbeiter im Streit.

-

1300 ausgesperrt. Der Unternehmer.

--

Unerhörte Brutalität

ezugs Bedingungen:

Bei Zustellung ins Haus oder bei Bezug durch die Poſt:

monatlich

vierteljährlich

16.­

48.­

96.­

192.­

halbjährig

ganzjährig.

Ridstellung von Mann­stripten erfolgt nur bei Ein­Sendung der Retourmarten.

Ericheint mit Ausnahme des Montag täglich früh. Nr. 35.

Der französische Parteitag

,, Wäre unsere Partei nicht in Tours gespalten worden, wir stünden in drei Mo naten dort, wo heute die Labour Party steht, und niemand unter uns würde zuch nur eine Sekunde zögern, ebenso zu handeln wie sie."( Léon Blum auf dem Parteitag in Marseille .)

Die Geschichte, um die es sich handelt, spielt in Frankreich , aber ihr Schauplag fönnte ebenjogut in jedes andere Land verlegt werden. Sie ist auch nicht aus den jüngsten Tagen, jondern datiert aus ver Zeit vor dem Welt­frieg, aber sie auf unsere Zeit zu verlegen, würde nicht schwer halten, denn es ist seither nicht anders geworden. Sie betrifft die Kors ruption der Pariser großzen bürgerlichen Presse, die sich sowohl zur Zeit des ruſſiſch - japanischen Krieges als auch in der Zeit vor dem Welt­frieg, das einemal durch den rollenden russi schen Rubel faufen ließ, um für Finanzopera­tionen des zaristischen Rußland Stimmung zu machen, das anderemal durch die damals unter der Leitung Poincares stehende französische Regierung, die einen von ihr verwalteten Rubelfonds dazu verwendete, um durch die be­stochene Presse den ihr erforderlich erscheinen­den friegerischen Geist zu erzeugen. Daß der Die Firma Oechsler in Nicgersdorf hat Pressesumpf erst jest bekannt wird, liegt daran, ihren Betrieb bereits gestern eingestellt und daß er sorgsam zugedect gehalten wurde und ihre Arbeiter entlassen. Bei der Firma auch jest verdankt man seine Renntnis nur Garms in Bodenbach fanden die Arbeiter, als dem Zufall, daß durch die russische Revolution sie sich heute früh zur Arbeit einfanden, die 3 firenge fernzuhalten. die Gebeimarchive der zaristischen Regierungen ihren Hütern entrissen und ans Tageslicht ge­bracht wurden. Würden die Geldquellen be fannt werden, aus denen die bürgerlichen Zeis tungen in der unmittelbaren Gegenivart ge speist werden, und nicht nur sene Frant­reichs, es würde sich ergeben, daß sich nichts geändert hat, und daß in der Kapitalistenpresse aller Staaten das gedruckte Wort dem Meist­bietenden, den Reichen und Mächtigen, dic­nend ist.

In den letzten Tagen des Jänner und in Bodenbacher Metallarbeiter ist heute eine betrieben ist die Aussperrung heute mittags erfolgt. Parteitag der französischen Sozialdemokratie ge Bodenbach, 9. Feber. Im Kampfe der gänge verschlossen. In den übrigen Be- den ersten Tagen des Februar hat in Marseille der deutende Verschärfung eingetreten. Wie bereits gemeldet, haben die Firmen Garms- tungen Britte ab und bersuchen mit den Sozialismus, hervorgerufen durch die Spaltung Die Firmen lehnen Verhan d- tagt. Den Jahren der Chnmacht der französischen Bodenbach, Maurer- Tetschen, Höntich verwerflichsten Mitteln, einen Keil in die Arbeiter auf dem Parteitage in Tours, folgen nunmehr Altstadt, Haardt- Neschwih, Eulau und Dechsler- Riegersdorf am 4. ds.beiter, meist indifferente, heran und versprechen kommunistische Partei überall gespalten wurde, Wahner shaft zu treiben. Sie treten an einzelne Ar- Zeiten des Wiedererstarkens des fran ösischen Sozialismus. Während die durch Anschlag beianntgegeben, daß fic, falls der ihnen, falls sie auf den Abschluß eines Ver­Streit in den Bergmann, Chandor- und Graba- trages verzichten, die Arbeit Montag aufnehmen trat die Einheit der französischen Sozialdemokratie Werken bis Donnerstag nicht beendet ist, den zu können. Ihre Versuche scheitern jedoch auf dem Parteifongreß erfreulich zutage, die Reden Betrieb einstellen und sämtliche Arbeiter an der einmütigen Kampfentschlossenheit der der Delegierten waren hoffnungsfreudig und sie haben ihre Drohung wahr gemacht und fämt entlassen würden. Die genannten Betriebe fiche Arbeiter, insgesamt 1300, an 8- gesperet.

Bodenbach, 9. Feber. Im Streit der hiesigen Chamottearbeiter ist teine Beränderung eingetreten. Der Kampf dauert mit unverminderter Hartnäckigkeit an. Am Streife jind 130 Arbeiter beteiligt. Zuzug ist

Aussperrung der Sertilarbeiter in Zannwald.

3meitaufend Arbeiter aufs Pilaster geworfen.

geszuversichtlich.

Den Haupipunkt der Tagesordnung des Par­teitages bildete die Stellungnahme zuden Wahlen. Es handelte sich darum, ob die fran­sösischen Sozialdemokraten in den Wahlkampf selbständig eintreten sollen, ob sie ein Wahlbünd nis mit den beiden kommunistischen Partelen oder mit dem Block der Linken bilden sollen. Diese Entscheidung hat Bedeutung nicht nur für Frank­reich, sondern für ganz Europa; es gilt doch, dent nationalen Blod und seinen Willensvollstreder Poincaré zu stürzen und damit der europäischen Politil eine neue Wendung zu geben, die Verstän digung zwischen Deutschland und Frankreich in die Age er ein Wunder, wenn in der frans zösischen Parteipresse darüber wochenlang geschrie ben und auf dem Parteitag buchstäblich Tag und Nacht mit ungeheurem Intereffe gesprochent wurde.

Um die Entscheidung des französischen Par Tannwald, 9. Feber.( Eigenbericht.) Scit| wiesen jeden Vorschlag brüst zurück und schließlich feitages zu verstehen, muß ganz turz das Wah!- Die Pariser Humanité" veröffentlichte mehreren Wochen steht die Arbeiterschaft der übersandie die Streistanzlei der Organisation der stem zur französischen Stammer erläutert wer in den letzten Wochen eine große Zahl von aus Tertilwerfe" in Tannwald im Ausstande, Textilindustriellen ein Ultimatum, in dem die den. Das französische Wahlrecht ist ein hinfendes" | Verhältniswahlrecht. Das Proporzſyſtem gilt den alten zarist ischen Geheimarchi zu dem sie von den dortigen Scharfmachern in der Arbeiter aufmerksam gemacht werden, daß ab natürlich nur dann, wenn in einem Wahlkreis zaristischen ben stammenden Dokumenten und Ziffern, frivoisten Weise herausgefordert wurde. Die Un- Samstag, den 9. jeder Beschäftigte als entfeine Partei mehr als die Hälfte der abgegebenen aus denen hervorgeht, wie in allen Jahren vor terenehmer verlangten, daß die Arbeiterschaft lassen gt, der die Leistung der separaten Buy Stimmen erhält. Ist dies jedoch der Fall, dann dem Strieg die gesamte Pariser Presse, von den außer der vollgeleisteten 48stündigen Arbeitzet ſtunde über die 18stündige Arbeitszeit hinausst die ganze Liste derjenigen Barici gewählt, großen Weltblättern bis zum letzten Sfandal, eine weitere Stunde dazu verwende, um die Ma veriveigert. Da die Arbeiterschaft der ,, Tersverte" welche mehr als die Sälfte der abgegebenen Stim schinen zu reinigen. Eine Entscheidung des Min sich auch durch dieses provolante Vorgehen der men erhalten hat. Man nennt dies die Prämie blättchen mit einziger Ausnahme der Arbeiter- teiums für soz ale Fürsorge, welches von beiden Tannwalder Scharfmacher nicht einschüchtern Veß für die absolute Mehrheit". Mit Hilfe dieſes presse, von den Agenten der russi Parteien in dieser Streifrage angerufen wurde, und die Leistung einer Gratisarbeitsstunde ab Wahlrechtes hat bei den letzten Wahlen der natio schen Regierung Bestechungsgel ist sonderbarer Weise nicht erfolgt. Infolgedessen lehnt, ist die angedrohte Entlassung mit dem heu nae Block in Frankreich den Sieg errungen und der angenommen hat. Die nun veröf- bestanden die Unternehmer darauf, daß die sepaigen Tage in Wirksamkeit getreten. Durch das Wahlrecht zwingt nun die Gegner des natio fentlichten Dokumente sind der Humanité" rate Busstunde" auf Grund ihrer selbstherrlichen die Aussperrung sind mehr als zweitausend nalen Blods, sich so zusammenzuschließen, daß der von der Sowjeiregierung zur Verfügung ge- Verfügung zu erfolgen habe. Alle Bemühungen Arbeiter und Arbeiterinnen brotnationale Block in den meisten Wohlfreisen eben nicht die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhält. stellt worden. Der erfte Teil bezieht sich auf der Tert larbeiterun on, die Unternehmer von los geworden. Vor dieses Problem ist auch die Arbeiterffasse ge­die Zeit des Beginnes des russisch- japanischen ihrem Ditat abzubringen, blieben erfolglos, sie 080600000000000000000000000000000000508650

Krieges, da an der Pariser Börse die russischen 0000000000030000008300300000083003363600000 9000000 Anleihepapiere plöglich bedenklich zu fallen be­

gannen, was sehr natürlich erschien, da die fötern, die gleichfalls gierig nach jedem Sap-| sident der Republik war und in der der rus- Serr Poincare mit Venüßung dieses ausländi­finanzielle Lage des Zarenreiches damals eine pen schnappien. Die monatikchen Bestechungs- fische Botschafter Js wolst i im engsten Ein- schen Geldes seine eigenen Zwede förderte und jehr schlechte war. Um den Strieg aber führen gelder betrugen zwischen 500 und 600 Franken, vernehmen mit ihm an der Verwirklichung der mit Hilfe dieses Rubelschayes zur Präsidenten= zu können, brauchte Rußland Geld, das es sich daneben bezogen noch einzelne Journalisten. imperialistischen Ziele des zaristischen Ruß- würde emporstieg, beweist die Aufdedung dieses nicht anders als mit neuen Anleihen beschaffen 33 an der Zahl, und unter ihnen Träger be land zusammenarbeitete. Im Herbste 1912, Standals die Feilheit der bürger­konnte. Daher mußte vor allem das Sinken kannter Namen, als persönliche Trinkgelder alfo nach dem Balkankriege, entstand in der lichen Preise, von der allerdings auch der alten Anleihepapiere verhindert werden. monatliche Summen bis zu 2000 Franken. Für Bartei Socialistes- radicaur( Radikal- Soziali-| schon vorher feststand, daß fie für Geld zu allem Wer anders konnte da für die erforderliche dieses Geld schwindelte die gekaufte öffentliche ſten, so nennt sich in Frankreich die am wei- zu haben ist. Stimmung sorgen, als die französische Presse! Meinung" der Bevölkerung über Rußlands testen links stehende bürgerliche Partei) So geschehen in Frankreich vor dem Dieser wurde denn die Aufgabe zugewiesen. Finanzen Potemkinsche Dörfer vor und mit die Besorgnis, es könnte wegen des Bündnisses Striege, so geschieht es noch heute und in allen ihre Posaunen zu blajen zum Muhme des glau Hilfe dieser bestochenen Journalistik vermochte mit Rußland, Frankreich unter der Führung Ländern. In Wien hat erst jüngst der Bekejsy­zenden Standes der russischen Zinanzen, der Rußland seine Anleihen in Paris bis auf 30 Poincares eines Tages lediglich wegen der Skandal ahnen lassen, wieviele von den Zei guten Aussichten des Krieges und der unbe- Milliarden Franken zu steigern, denen die russischen Balkanintereffen in einen euro- tungen aus den Geldfrippen der unterschied= dingten Sicherheit der russischen Anleihen. Für französischen Sparer seit 1914 vergeblich nach- päischen Krieg verwickelt werden. lichen Kapitalistengruppen gefüttert werden. diese sicheren Anleihen, welde vor dem Welt weinen. Segar der russische Vertreter Raffalo- Iswolski erkannte die Gefahr, die in dieser Anderswo waltet größere Vorsicht, aber die friege etwa dreißig Milliarden betrugen, ist be witsch war von der abscheulichen Käuflichkeit Auffassung lag und er drängte bei seiner die- Methoden für die Dienstbarmachung der bür­fanntlich seit dem Jahre 1914 nicht ein Gen der französischen Presse empört und in einem gierung, daß ihm ein neuer Bestechungsgerlichen Presse zur Förderung bestimmter time Zinsen gezahl worden. Die französische der jetzt in der Humanité" veröffentlichten fonds zur Gewinnung gewisser Zeitungen Interessen und zur Belügung der Oeffentlich­bürgerliche Presse zeigte sich bereit, zur Be Briefe an den Finanzminister Solowzew zur Verfügung gestellt werde. Nach einigen feit sind die gleichen. Die einzige hebung von Rußlands Geldnöte die Reflame schrieb er: Einzelne Individuen Verhandlungen, an denen auch Poincare teil- Presse, die in Frankreich nicht trommel zu rühren, doch sollte ihr die russische müssen allerdings von Hand zu nahm, wurde ein Fonds in der Höhe von einen Heller solcher Gelder an= Regierung während der Dauer des Krieges ein Hand bezahlt werden.... Ich hätte 300.000 Franken für etwaige plöbliche Not­monatliches Schmiergeld von einer nicht geglaubt, daß das Blatt von Dupuy, der fälle" bereitgestellt, von denen schon nach weni­Viertelmillion Franken zahlen, Petit Parisien", so fäuflich wäre. Man gen Wochen ein Drittel für Bestechungen ver­was damals eine schon bedeutende Summe war. lernt jeden Tag jemanden mehr ausgabt wurden, und zwar durch den fran Das war der Rarenregierung zu viel und es verachten..." zösischen Finanzminister Sloß begann das Feilichen, das für Mußland N af Ein anderer Teil der Veröffentlichungen über Auftrag des Ministerpräsi falowitsch. der Vertreter des russischen der Humanité" betrifft die Zeit, die mit dem denten Poincare! Der Fonds glitt den Finanzministers in Paris, zu besorgen hatte. Ausbruch des Weltkriegs unmittelbar zusam- Russen immer mehr aus den Händen, so daß Und sie nahmen alle. die feinen und| menhängt, es kommt ihm daher noch weit sie schließlich nicht einmal mehr die Kontroll­die Großen:" Figaro" . Temps"," Petit größere Aktualität zu. Dieser Teil der aus möglichkeit hatten. Journal". Eche de Paris". Eclair"." De- gegrabenen Dokumente handelt von der Pe­bots". Radical" Petit Parisien bis hinab riode zwischen 1912 und 1913, in der Poin zu den Revolverblättchen und den Proving- care zunächst Ministerpräsident, sodann Prä­

Und so geht es fort mit Grazie und Schmiergeldern. Abgesehen von der politischen Pikanterie, die darin liegt, daß der ehrenwerte

nahm, ist die sozialistische Presse! Ihr fließen auch in allen anderen Ländern feinerlei trübe Quellen zu. Hier liegt das Ge­heimnis, daß die bürgerliche Presse besser aus­gestattet sein fann. Sie zahlt und kann alle Nachrichten und Mitarbeiter ungleich besser zahlen, als die Presse der Arbeiterschaft. Um so mehr muß die Arbeiterschaft den Wert ihrer von kapitalistischen Einflüssen freien, absolut unabhängigen, einzig den Arbeiterinteressen dienenden Presse erkennen und für ihre Ver­breitung wirken!