Einzelpreis 70 Seller.

-

Redaktion and Verwaltung: Prag , 1. Savličtovo nám. 32.

Telephone: sedattion: 6795, debattion: 6797.

Postschedamt: 57544.

Inserate werden laut Tarif billigst berechnet. Bei öfteren Einschaltungen Preisnachlah.

4. Jahrgang.

So cldemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.

Die Frühjahrssession.

Donnerstag. 6. März 1924.

Bezugs Bedingungen. Bei Zustellung ins Haus oder bei Bezug durch die Post:

monatlich.... Kč 16.­

vierteljährlich

halbjährig

ganzjährig.

48.­

96.­

192.­

Radftellung von Manu­Stripten erfolgt nur bei Ein­Sendung der Refourmarten.

Erscheint mit Ausnahme bes Montag täglich frig.

Nr. 56.

Vor der Auflösung des Reichstages. Auch eine Auslands­

Die Sigungen, zu denen heute die beiden Häuser des Parlamentes zusammentrefen, er­Die Reichsregierung will den Anlaß zum Staatsstreich erzwingen. öffnen dessen von der Verfassung vorgeschrie­bene Frühjahrssession. Seit den letzten ordent- tage begann heute nach längerer Unterbrechung bringen zu lassen, in der die gesamte Arbeit der Berlin , 5. März.( Gigenbericht.) Im Reichs Koalitionsparteien eine motivierte Erklärung ein­lichen Sizungen des Parlamentes, die in die die Weiterberatung der Abänderungsanträge zu Regierung gerühmt und diese aufgefordert Zeit vor Weihnachten fielen, liegt eine zwei- den auf Grund des Ermächtigungsgesetzes erlasse wird, in diesem Sinne weiterzuarbeiten. Die einhalbmonatige, durch keinerlei triftige Gründe nen Regierungsverordnungen. Koalitionsparteien der bürgerlichen Mitte wollen zu rechtfertigende Pause. Zweieinhalb Monate Für die Sozialdemokratie sprach Genoffe die sicher zu erwartende Ablehnung war das Parlament ausgeschaltet, ein Zeitraum. Breitscheid. Er wies noch einmal darauf hin, dieser Erklärung dazu benüßen, den Reichstag auf den man gewiß nicht mit dem Namen„ Weih- daß die Sozialdemokratie verlangen müsse, daß zulösen und den Wahlkampf unter der Parole nachtsferien" ansprechen kann. Arbeit hätte es der Reichstag von seinem verfassungsmäßigen zu führen, daß der Reichstag wegen der Opposition genug gegeben, denn an Material waren ins- Rechte einer Korrektur der Regierungsverordnun von rechts und links die Gesundungsarbeit der Re­gesamt 45 Gesetzesvorlagen von der Herbst gen Gebrauch mache. Die Debatte wird sich vor gierung erschwert habe. Die bürgerlichen Mittel­gesamt 45 Gesetzesvorlagen von der Herbst aussichtlich mindestens noch diese Woche hinzichen, parteien hoffen, auf diese Weise ihre Wahlaussich fession unerledigt zurüdgeblieben, darunter sehr da zu der jetzigen zweiten Rednergarnitur noch ten zu verbessern. Dieses plumpe Manöver wird wichtige, die eine gründliche Beratung und eine dritte folgen soll. Es ist daher mit einer Aus- die sozialdemokratische Reichstagsfraktion zweifel Durcharbeitung notwendig machen würden. Es dehnung bis in die nächste Woche hinein zu rechnen. los zu vereiteln verstehen. ist nun schon seit Jahren so: das Parlament Indessen geht das Rätselraten über den Ter- Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion trat wird so oft es nur irgend geht, auf lange min der Neuwahlen weiter. Die Zentrumsfraktion heute vor und nach der Reichstagssizung zu einer Perioden ausgeschaltet und wie ein lästiger hielt heute im Beisein ihrer Minister eine Sihung Besprechung zusammen. Sie ist nach wie vor ent­Ballast behandelt, der den Fünfmännerabsolu- ab und beschloß, den 6. April als Wabltermin vor schlossen, auf eine fachliche Behandlung nicht zu tismus beschwert. Endlosen Vertagungen folgen zuschlagen. Alle diese Vorschläge sind aber vor- verzichten. Die Fraktionssisung dauert unt dann kurze Sißungsabschnitte, in denen in läufig noch nicht endgültiger Natur. In Regie- chn Uhr abends noch an. atemloser Haft, um die den Vorlagen gesetzten rungsfreisen besteht die Absicht, durch die Fristen einhalten zu können, expressiv und er­zessiv großes Aufwaschen gehalten wird. Die Geseze werden dann mit einer Eilfertigkeit be­ge­

ſchloſſen, wie beim Båder die Semmeln, Der Staatshaushalt der Arbeiterregierung.

baden werden. Zum Vorteil der ewig wackeli­gen Koalition, doch nicht zum Vorteil der Ge­feße. Die lange Frist, die man auch jest wie­der fruchtlos verstreichen ließ, soll wohl be­weisen, daß diese Schluderwirtschaft weiterzu treiben beabsichtigt ist.

-

Mehraufwand fir

Armee- und Marineansgaben werden gekürzt. das linterrichtswelen. Berlin , 5. März. Der„ Vorwärts" melbet I neuneinhalb Millonen Pfund niedriger als im aus London , daß von der Arbeiterregierung vor Borjahre. Das neue Budget werde die finanzielle zulegende Budgetprogramm werde chva vierzig Unterstügung Nordirlands ( Ulster ) in der Höhe Millionen Pfund Sterling weniger Ausgaben von 3,400.000 Pfund des Vorjahres aufgeben. Die enthalten, als der vorjährige von der konservativen Sparmaßnahmen erstrecken sich auf die Ausgaben Regierung aufgestellte Haushaltplan. Die Ans fast jämtlicher Ministerien, dagegen werden die gaben für Armee und Marine sind um Unterrichtsausgaben erhöht.

Im Parlamente wäre aber auch sonst manches zu sagen notwendig gewesen. Die innen- und außenpolitischen Ereignisse haben das Bedürfnis der Bevölkerung danach wach­gehalten. Aber ebendarum wurde das Parlament zum Schweigen verur­teilt! Immer aus dem Gedanken heraus: je seltener das Haus tagt, desto mehr werden die Schwächen des Staates verhüllt, desto we­niger braucht die Politik der Machthaber Rede Amerifa gegen die Bindung Reparationen und Antwort zu stehen, desto weniger erfährt das Ausland, wie es um uns steht. Ein Sprich­

Die Allierten unter sich!

Kriegsschulden.

-W― London

, 5. März. Der diplomatische Bericht wort behauptet, die tugendhaftesten Frauen erstatter des„ Daily Telegraph " erfährt, daß amt wären diejenigen, von denen am wenigsten gesprochen wird. Bei uns sucht man diese liche und politische Streise in Washington über den Sprichwortweisheit auf das öffentliche und po im Briefwechsel Poincaré- Macdonald enthaltenen litische Leben durch das Zwangsmittel der Simveis, daß Reparationen und Krieg Ausschaltung des Parlamentes zu übertragen. fchulden bei der kommenden Erörterung über und vermeint, unsere Zustände, unsere Verhält

die Neuregelung mit einander verbunden wer­den sollen, beunruhigt seien. Staatssekretär Hughes habe immer wieder dargelegt, daß die amerikanische Regierung niemals zustimmen würde, diese beiden Fragen zusammen zu erörtern, da sie sie als vollkommen verschieden ansicht und daß sie niemals, nicht einmal unoffiziell, bei irgend einer Konferenz vertreten sein werde, die auf dieser Grundlage einberufen werden wird.

Information.

Was die tschechoslowakischen Sozial. demokraten ihren Bruderparteien

erzählen.

Jede sozialistische Partei ist bemüht, ihre aus ländischen Bruderparteien über die Besonderheit der politischen Verhältnisse ihres Landes, über die Eigenart ihrer Stampfbedingungen zu unter­richten, in der Internationale Verständnis für ihre Taktif zu wecken. Diese Auslandsberichte sind notwendig; sie ermöglichen es nicht mir den Parteien der Internationale, allmählich ihre Po­litik zu einer wirklich internationalen, die Lebens­bedürfnite und Arbeitsschwierigkeiten der anderen sozialistischen Parteien berücksichtigenden zu machen, sie sind auch eine der Voraussetzungen des Werdens einer mirklichen Internationale, ciner Internationale, die mehr ist als bisher die in Hamburg geschaffene neue Internationale wer­den konnte: Zusammenfaffung des einheitlichen Wollens vieler Millionen Arbeiter zu gemein­sament, einheitlichen Wirken.

Sollen diese Auslandsberichte diesem Zwecke dienen, dann müssen sie unbedingt wahr sein, rückhaltslos und rüdsichtslos wahr. Dann dürfen jic sogar vor der Selbstkritik nicht zurüdschreden. Denn auch die Fehler, die wir als solche erkannt haben, muß das sozialistische Ausland Tennen fer­nen! Und beffer ist's, es lernt sie durch uns selber fennen, als in der Verzerrung bürgerlicher oder tommunistischer Darstellung.

Auch die tschechoslowakische Sozialdemokratie

hat einen eigenen Auslandsdienst eingerichtet. Ihm dient der in deutscher Sprache erscheinende Tschechoslowakische Sozialdemokrat" und ein, in französischer Sprache herausgegebenes Tschecho flowakisches Bulletin". Bom Tschechoslowafa schen Sozialdemokrat" und vom Tschechoslowaki schen sozialistischen Bulletin" liegen bisher je drei Lieferungen vor. Sie ermöglichen bereits ein Ur teil darüber, wie die Tschechoslowakische Sozial­demokratie die Internationale über ihre Politik und über das politische Geschehen in der Tschecho flowakei überhaupt unterrichte:

Der Tschechoslowakische Sozialdemokra" ist verhältnismäßig harmlos. Er ist ja für Deutsch land und für Desterreich und für die Arbeiter parteien jener Länder bestimmt, in denen der Ein­fluß der deutschen Sprache stärker iſt als der ciner andern, etwa der franzöſiſchen . Diese Sozialiſten bekommen doch auch deutsche sozialdemokratiscre Blätter, die in der Tschechoslowakei erscheinen, in die Hand, wohl auch das eine oder andere der gro zen bürgerlichen Blätter; sie müssen also auf sehr

feit kommen, wenn die Tore des Parlaments haben. Es genügt, wenn sie vor ihre Blösen| Staates nagen. Offiziere in höchster Verlange die kapitalistische Weltordnung besteht,

ist? Korruption wird es immer geben, so­gewiß, doch daß sie zu einer Epidemie aus artet, das weist auf ein schleichendes Uebel hin, das nur fortwuchert, weil ihm durch das hier herrschende System, durch den Geist der Korruption, Vorschubgeleistet

möglichst anhaltend geschlossen gehalten werden, ein Feigenblatt hängt. trauensstellung, darunter ein Oberstleutnant, um die Volfsvertreter von seiner Tribüne fern- Nichtsdestoweniger wird der Schachzug" haben seit drei Jahren in der unverschämtesten zuhalten. Welche naive Vorstellung! Dieses vergeblich sein und einer Aussprache über die Weise Bestechungsgelder angenommen, die in Mittel ist ebensowenig wie alle Wohlgerüche, einander jagenden Schmutzaffären wird die die vielen Hunderttausende gingen und dadurch welche die kostspielige offiziöse Auslandspropa- Mehrheit nicht entgehen. Es muß endlich den Staat bei den Benzinlieferungen um etwa ganda ausstreut, imitande, die in endloser Folge ein offenes Wort über die Erschei13 Millionen Kronen geschädigt, weil sie mit aufsteigenden Spiritus-, Benzin- und Petro- nungen gesagt werden, welche diesen limgehung aller anderen Offerte gewisse Ben- und bisher nichts Ernsthaftes dagegen unter­leumgestänke zu übertönen. Man kann darüber Staat auf die Stufe eines Balkanstaates herab- zinlieferanten bevorzugten, die sich für die genommen wurde. Es wird also die Pflicht des nur staunen, wie wenig Sehl daraus gemacht zudrücken drohen! Wenn es die Berufspatrio währten Bestechungsgelder durch Lieferung Parlaments sein, oder doch wenigstens der wird, daß es wirklich die Spiritusmillionen ten der parlamentarischen Mehrheit nicht als schlechterer und minderwertigerer Ware schad Minderheit desselben, die Initiative zu ergrei sind, welche die Stoalition bestimmten, von einer eine ihrer dringendsten Pflichten empfinden, los hielten. Das ist nicht ein Betrug wie an- fen, um an die Reinigung des öffentlichen Tagung des Parlamentes im Jänner und endlich Ordnung zu machen, so wird und muß dere Betrügereien, von denen die Polizei- Lebens mit größter Strenge und Rücksichts­Feber abzusehen. Die Brünner nationaldemo- dies die Opposition der Staatsleugner" mit berichte melden, das ist eine hoch politische losigkeit heranzutreten. fratischen Lidove Noviny", das Blatt der allen Kräften versuchen. Der Skandal stinkt Angelegenheit, denn hier geht es Neben der Erledigung der anderen parla­Familie Stransky, das trop seiner gelegent- zum Himmel und droht alles durch seine um die Steuergelder der Bevöl- mentarischen Arbeit wird in der anhebenden lichen und aus Geschäftsrücksichten geübten op- Schmutzwellen zu verschlingen. Daß wir alle ferung, hier geht es um ein Lebensin Frühjahrssession vor allem also diese Auf­positionellen Allüren die Geschäfte der Koali- in dem moralischen Morast leben, wirken und teresse der Oeffentlichkeit. Daß e3 gabe zu erfüllen sein. Die Koalitionsmehrheit tion besorgt, gibt zu, daß die Annahme nicht kämpfen müssen, die von mephitischen Dünsten den betrügerischen Offizieren und den mit ihnen wird bekennen müssen, ob sie alles wie bisher ganz unberechtigt sei, die Regierung habe vor geschwängerte Luft atmend, kann uns nicht verbündeten Zivilpersonen möglich war, drei gehen lassen will, sorglos und unbekümmert. einer parlamentarischen Behandlung der Spiri- gleichgültig sein. Wir bekämpfen den kapitali Jahre ihr lukratives Geschäft zu betreiben, das Es muß ihr zum Bewußtsein gebracht werden, tusaffäre Angst gehabt, aber darüber brauche ftischen Staat, die kapitalistische Gesellschaft, deutet tief! Muß sich nicht jeder fragen: wie- daß eine Koalition, die sich nur dadurch zu sich niemand besonders zu wundern". Denn: doch wir wollen nicht, daß sie in Fäulnis ver viel wuchert an solchen Fäulniserscheinungen erhalten vermag, daß sie alles vertuscht, der " Jede Regierungsmehrheit nüßt ihre Macht zu kommen, denn ihr Verderben müßte alles noch unter der Oberfläche, wieviel ist an ähn- Korruption neues Leben, neue Triebkräfte ver­solchen diplomatischen Schachzügen aus". Hier zu Grunde richten. Wenn etwas selbst die verlichen Betrügereien, die noch nicht aufgedeckt leiht. Sie macht sich nicht nur mitschuldig repräsentiert sich das herrschende System un stockteste und nur auf die Erhaltung ihres sind, vorhanden! Muß nicht solches Mißtrauen daran, daß das böse Geschwür um sich greift, verhüllt, wie es ist: verderbt, unverfroren und Lebens bedachte Koalition zur Besinnung brin- entstehen, und muß nicht dieses Mißtrauen sie wird geradezu zur Nährmutter der Korrup­naiv. Offen wird einbekannt: ja, es ist un- gen müßte, so ist es die leßtaufgekommene sich gegen jeden, der im öffentlichen Leben tion. An der Schwelle der Frühjahrssession endlich viel faul in Staate Dänemark , aber Benzin affäre. Was gab es für ein Auf- wirkt, wenden? Wäre es nicht eine schmäh- muß, mag es den Koalitionsbrüdern recht sein was wir tun können, um die öffentliche Be- sehen, als einige Jahre vor dem Kriege der liche Herabsehung für das Parlament, wenn oder nicht, im Interesse der Gesamtbevölke­sprechung dieser Fäulniserscheinungen zu hin- österreichische Oberst Redl als Spion entlarvt es nicht die Kraft und den sittlichen Mut fände, rung der Se ampf gegen die korrum­dern, wollen wir tun. Zu solchen Schachzügen wurde! Und doch war es nur ein Einzelfall. angesichts solcher unerhörter Vorkommnisse sich pierung des öffentlichen Lebens unsere Macht zu nüßen, ist unser Mehrheits - hier aber geht es um ein ganzes Nest von aufzuraffen und alles zu tun, was das Um stehen! recht. Die většina" braucht keine Moral zu bissigen Ratten, die am Stamme des sichfressen der Korruption einzudämmen geeig­

1