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4. Jahrgang.

Stzialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen   sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.

Die Meute fläfft und geifert.

Was wäre selbstverständlicher, als daß die ,, wohlanständige" bürgerliche Provinzpresse, ob sie von Juden, Geistlichen oder Hakenkreuzlern geschrieben wird, das Attentat auf Dr. Seipel zu wüster und wütender Hetze gegen die Sozialde mofratic benüßt? Die beschnittenen und die anti­jentitischen Bekämpfer des Margismus, die ge­weihten und die weltlichen Verteidiger der heili­gen Ordnung des Kapitalismus, fie alle ver juchen die Tat eines Entgleiften und Verzweifel­ten, eines Produftes ihrer Ordnung", der So­zialdemokratic aufzubürden. Der Zusammenhang ist doch so leicht zu konstruieren: der Täter war cin mal sozialdemokratisch organisiert, die Sozialde­mokratic hat Seipel bekämpft, also ist sie ver­antwortlich für das Attentat! Wenn auf so be queme Art ein Argument" gegen die Sozialdemo fratie zu gewinnen ist, die bürgerlichen Zei hungsschreiber würden sich für Dummtöpfe halten, wollten sie es nicht benutzen!

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Mittwoch, 11. Juni 1924.

Millerand zurückgetreten!

Paris  , 10. Juni.  ( Savas.) in halb neun Uhr abends wurde folgendes amtliches Nommuniqué vom Präsidenten der Republik ausgegeben. Der Mini­präsident hat sich mit den Ministern ins Elisée begeben, um den Präsidenten über die Ereignisse im Parlamente in Senntnis zu sehen. Millerand hat Fran cois Marsal und seinen Kollegen für die ihm zur Verteidigung der Verfassung gewährte Hilfe gedanft. Da die Minifter ihre Demission angeboten hatten, ant­wortete Millerand, daß er angesichts des Berichtes über den Verlauf der Sit­zungen in beiden Kammern, den er socben vom Ministerpräsidenten erhalten habe, beschloffen habe, zurückzutreten. Er habe demzufolge das Kabinett ersucht, in Funktion zu bleiben. Mittwoch vormittag wird ein Ministerrat zusammen­treten. Die Entscheidung des Präsidenten wird in beiden Kammern zu Beginn der morgigen Sitzung zur Kenntnis gebracht werden.

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329 gegen 214

Paris  , 10. Juni.  ( Eigenbericht.) Heute nachmittags um drei Uhr stellte sich die Regie­rung Marsal der Kammer mit einer furzen Erklärung vor. In dieser betont sie einleitend, daß das Kabinett nur zu dem zwved tonstituiert sei, um dem Parlamente die Möglichkeit zu geben, zu der Debatte tonstitutioneller Natur Stellung zu nehmen, die seit einigen Tagen in Parlamente geführt werde. Das neue Kabinett habe unter diesen Umständen auf die Anfstellung eines eigenen Regierungsprogrammes verzichtet. Seine Mission habe ein bestimmtes und eng be­grenztes Ziel; entweder das Parlament spreche sich dahin aus, daß die konstitutionellen Regeln unantastbar und dem Streit der Parteien entrüdt sein müssen. In diesem Falle bedeute das Votum den Führern der neuen Mehrheit, daß fie die Pflicht hätten, die Verantwortung für die künftigen Geschide Frankreichs  , die ihnen bereits angeboten worden sei, aus den Händen des Präsidenten der Republik entgegenzunehmen. Im anderen Falle, das heißt, wenn das Parlament die in der Botschaft des Brändent formulierten. Brinzivien nicht billige, werde des night co das neue Minifterium dem Präsidenten von bent Scheitern seiner Miffion Mitteilung machen und dieser werde daraus die Konsequenzen ziehen.

In zwei Gruppen fann man die so eifrig an dem neuen Verleumdungsfeldzug wider die So­zialdemokratie teilnehmenden Zeitungen teilen: in die ,, objektiv" sich gebärdenden und in die un berhüllt und skrupellos hehenden. Der Teplitz­Schönauer Anzeiger", der letzte Repräsentant des Altliberalismus, versucht seinen Lesern das Gru­schn vor dem Kommunismus beizubringen. Er sieht in dem Attentäter ein beklagenswertes Werk­zeug des kommunistischen   Terrors, der durch Schredenstaten in den verschiedenen Ländern ver­Bolschewismus mit dem terroristischen Anarchis mus gleichzustellen! Aber der gute Bürger, der die chartischen seelischen Stimmungen eines nicht zu sozialistischer Erkenntnis gereiften verelende­ten Proletariers nicht zu verstehen vermag, der es für ganz selbstverständlich hält, daß jeder Arme sein Los geduldig trägt, der im Geleife feiner ,, Ordnung denkende Bürger muß eben, um sich eine solche Tat erklären zu fönnen, nach Verschwö nern, Auftraggebern, Terrorgruppen und Bolsche wisten suchen...

wizzend wirken will. Belge Cachterminis, best Parlament Sie in der

Forscher geht schon die Teplitzer Zeitung" Tos. Sic fennt ihre Pflichten als Blatt des großen Anti- Marx! Zwar gehört auch sie noch zu den Objektiven": fie bezeichnet den Mordanschlag als die Tat eines Einzelnen. Sie ist also objektiv" genug, die Sozialdemokratie nicht direkt des Mordauftrages zu beschuldigen. Aber schuldig ist doch die Sozialdemokratic! denn: Jaworeks Tat empfing Ziel und Richtung aus seiner Zu gehörigkeit zur jezialdemokratischen Partei!" Wie­so? Nun,

Noch bevor Marsal die Botschaft aus dem Elisee verlas, wurde von dem Kartell der Linken folgender von Herriot  , Blum und Genossen gestellter Gesamtantrag eingebracht:

Die Kammer, entschlossen, in teinerlei Beziehungen zu einem Ministerium zu treten, dessen Zusammenseßung eine Regation der Rechte des Parlamentes ist, lehnt die verfassungswidrige De­batte, die man ihr aufzwingen will, ab und beschließt, jede Dis fuffion zu vertagen bis zu dem Zeitpunkt, da sich ihr ein in leber­einstimmung mit dem souveränen Willen des Landes konstitnier­tes Ministerium präsentieren wird."

Zu diesem Antrag der Linten erhält das Wort der Sprecher der Minderheit, der frühere Minister Seibel. Nach ihm spricht noch einmal Marsal und hierauf der Kommunisten­führer Ea chin, der in den schärfften Ausdrücken den sofortigen Rüdtritt des Präsidenten for­derte. Inzwischen sand die Abstimmung statt und führte zu dem Ergebnis, daß die Tagesord nung Herriot mit 329 gegen 214 Stimmen von der Kimmer angenommen wurde. Bei Be endigung der Kammerfißung veranstalteten die Kommunisten eine Demonstration für die Dritte Internationale  . Die Rechte antwortet mit lärmenden Zwischenrufen.

Der Senat, der gleichzeitig tagte, beschloß mit 154 gegen 144 Stimmen, sich zu vertagen, das heißt, die Entscheidung der Kammer abzu warten. Damit hat sich auch der Senat gegen Millerand ausgesprochen.

" Zwei Jahre lang- so lange ist Doktor Seipel Bundeskanzler schmähte die sozial- 00000000000000 demokratische Presse von der führenden Arbei­

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Nr. 136.

So viel Behauptungen, so viel Lügen! Die. Bolkspost" zitiere wörtlich die Aufforderung zum Mord in einem sozialdemokratischen Blatte. Sie nenne den Namen des roten Mietlings"! Sie wird diese Aufforderung überhören und weiter lügen. Wenn es nur nüßt! Man kann ja nach her beichten!

Wo alles fläfft und geifert, schimpft und lügt, da können die Nationalsozialisten" nicht fehlen! Das ist ja ihr Lebenszwed. Der Tag", das Blatt jener Partei, die kein Blut sehen kann, wenn es nicht das ihrer Gegner ist, geifert:

Nicht der Arbeiter Jawuref ist auch in diesem Falle wieder der wirkliche Täter, sondern jene die Arbeiter betrügende Clique, die selbst keine Arbeiter sind, aber mit Hilfe der Arbeiter allein: die Macht erringen wollen, um das arbeitende. Volk für den jüdischen Großkapitalismus zu ver­slaven. Die erwachende Arbeiterschaft wird aber, auch diesen Arbeiterbetrügern, wie der jetzige Kurs zeigt, in allen Ländern, wo sie sich eingenistet haben, die Abrechnung quittieren. Herr Bauer und Herr Deutsch   mögen jetzt nur schreien: Haltet den Dieb! Sie mauscheln hin und mauscheln her. aber der Mordanschlag auf Seipel ist und bleibt' doch unverwischbar in das Schuldbuch der Sozial­bemofratie eingegraben."

Ja, die Schwerarbeiter Ludendorff  , Woll­schad, Patzel, der wirklichen" Arbeiter v. Gräfe, Dinter, Senirsch usw., die ist die berufene Be fämpferin des politischen Terrors! Zwar sind die Mörder Erzbergers, Rathenaus und zahlreicher anderer Politiker Deutschlands Völkische", die im Tag" hoch gepriesen und gefeiert wurden, zivar pflegen die Wiener   Hafentrenzler nur mit und von Zeit

dem Revo zoteiten zu gefnaffen, hvert tic

Zeit einen

wissen, daß fie höchstens eine lächerlich eine Geldstrafe wegen verbotenen Waffentragens für das so verdienstvolle Wegpupen von Sozialdemo fraten zu erwarten haben, aber es ist doch ein großer Unterschied zwischen Mord und Mord: Schießt ein Bölkischer" einen sozialdemokrati­schen Arbeiter oder einen demokratischen Politiker nieder, dann ist das eine heldische Tat, begeht ein wirr gewordener Arbeiter in einem Verzweif lungsanfall ein Attentat, dann ist das, auch wenn dieser Arbeiter mit der Sozialdemokratie gar nichts zu tun bat, ein sozialdemokratisches Ver. brechen...

Dieser feine" Unterschied in der Beurtei lung des Terrors wird deutlich sichtbar in der prahlerisch fett gedruckten Meldung des Tag" über bölkische" Terrorafte:  

Wien, 3. Juni. 150 Nationalsozialisten nahmen das fluchwürdige Attentat auf Seipel zum Anlaß zu Rundgebungen gegen die Juden, die in der Braterstraße begannen und sich bis in die innere Stadt abspielten. Die Nationalsozialisten machen für das Attentat die jüdisch geleitete Presse ver. antwortlich. Sie zogen in geschlossenen Reihen durch die Praterstraße, wobei sie riefen: Die Ju­den sollen für Seipel büßen." Sie drangen in zwei Raffeehäuser ein und verprü gelten dort die Juden. Auch auf der Straße wurden mehrere Juden verprügelt und übel zugerichtet."

terzeitung" bis zum letzten sozialdemokratischen täter Jaworek aber war gar nicht regelmäßiger Wiens aus dem Chaos durch die Sozialdemo­Schmierblättchen den Bundeskanzler in Wort und Leser sozialdemokratischer Zeitungen, er war einer fraten wissen und nichts von dem ständigen Bild, stellte ihn als das Unglüd Defterreichs, als jenter Wirrköpfe, die sich in keine Partei einfügen Wach tzu wa ch& der österreichischen Sozial­den Urheber der wirtschaftlichen Nöte und als können und zwischen den politischen Extremen demokratie. Zu Nichtswissern fann ein Nichts­bezeichnete er wisser leicht predigen.. Arbeiterfeind hin. War es ein Wunder, daß in hilflos hin- und herschwanken, dem sozialdemokratischen Parteigänger und Be- sich doch bald als Sozialisten, bald als Komnut­Die frommen Schreiber der flerifalen Daß Menschen, die für den Mordanschlag triebsrat Jawuret, der tagein, tagaus diese auf nisten, um dann wieder Anschluß an die Christ Volkspoſt", die im Voraus wissen, daß sie jeder gar nichts fönnen, übel zugerichtet" wurden, parteigemäß gefärbten Schmäh- und lichsozialen zu suchen! Ein bürgerlicher Redal Zünde durch die Beichte wieder ledig werden, das ist natürlich kein verruchter Terror, das ist teur darf alles das natürlich nicht wissen, weil brauchen natürlich gar keine Rücksicht auf die nationales Heldentum! Sezzarteifel las, schließlich die Ueberzeugung an die Verderblichkeit der Seipischen Politik Fuß er sonst nicht sagen könnte, was seinen Auftrag Wahrheit zu nehmen. Sie haben es nie getan, Und wenn morgen oder übermorgen wieder faßte? Daß er, deffen Intelligenzarad nicht hin- gebern Freude, macht. denn ihnen hat stets der Zweck die Mittel geheia ein Sozialdemokrat von einem Völkischen  " nie­reichte, drei Worte fehlerlos aufzuschreiben, Dema. Daß die Teplißer Zeitung" wirklich nicht ligt, und dieser 3wed ist die Stärfung der fle- dergeknallt wird, dann ist auch das Heldentum! gogie und Parteikampf nicht vom Tatsächlichen weiß, was in der Welt vorgeht und doch über ritalen Macht. Daß ihr bedeutsamister Führer das Diese wenigen Proben aus bürgerlichen unterscheiden tonnte, dem verhetzenden Geschwäß alles im Tone des Informierten" schreibt, be- Opfer eines Desperados wurde, ja, das schmerzt Blättern zeigen den Arbeitern, wie gehäjjig, wie feiner Parteipreffe Glauben schenkte und daraus weist sie mit der Behauptung, die Wiener   sozial- fie gewiß, aber wenn das Unglück schon ein- skrupellos der Kampf gegen ihre Partei geführt die Folgerichtigkeit seiner Tat ableitete?" demokratische Partei bereite für Mittwoch große mal geschehen ist, dann soll es auch gehörig aus wird. Der Marrismus hat immer die Attentate Das Teplitzer Weltblatt, das froh sein könnte, Demonſtrationen vor, mit denen sie dartun will, genüßt werden. Also frisch drauf los behauptet, abgelehnt, er hat die Arbeiter unterscheiden ge­wenn es nur ein Viertel der Auflage des flein  - daß sie an dem Mordanschlag unbeteiligt iſt." Als daß die sozialdemokratische Partei den Mord ge- lehrt zwischen dem System und seinen Trägern, ften sozialdemokratischen Provinzblattes Defter ob man das wenn es zu beweisen nötig wäre wollt hat: er ba: die Arbeiterbewegung herausgeführt aus reichs hätte, ist berufen, über Schmierblättchen" just durch Demonstrationen beweisen könnte! Das Blatt des sozialistischen   Abgeordneten den Wirren des Anarchismus, in die fie in ihren Der Redakteur, der die Arbeiter In Wahrheit hat natürlich diese Kundgebung mit Zelenta und andere Zeitungen. Der roten Mente Werdejahren geraten war,- jeder bürgerliche Beitung" faum vom Schen kennt, fühlt sich berech dem Attentat gar nichts zu tun; sie wird veran­scheuten sich nicht, offen zum Mord Politiker weiß das oder sollie es doch wissen tigt, die Schmäh- und Hezartikel" der Arbeiter- staltet zu Ehren des in   Wien tagenden interna des Bundeskanzlers aufzufordern." und doch, wider besseres Wissen und ohne Gewissen Zeitung" anzuflagen! Nie hat die Arbeiter- tionalen Gewerkschaftskongresses und der Situng Es wurde im November 1922 bekannt, daß diese niedrige Mordhetze! Eine tief beklagens­Zeitung" den Bundeskanzler Dr. Seipel ge- der Exekutive der Sozialistischen Internationale die sozialistische Partei Terrors werte, von jedem Sozialdemokraten verabscheute schmäht, sie hat kein beleidigendes, verleßendes und sie war schon angekündigt lange vor dem trappen organisierte. Ein ver- und verurteilte Tat ist dem Bürgertum gerade hegter roter Mietling hatte die Ab- gut genug, sie zu einer elenden Hetze wider die Wort gegen ihn gebraucht, sie hat seine Politit, Attentat. Man ermesse darnach die Albernheit Sie hat die von ihm augurierte Sanierung Dester- der Schlußfolgerungen" der Teplitzer Zeitung": ficht geäußert, auf den Bundeskanzler gele. Partei der Arbeiter zu gebrauchen! reichs auf Kosten der Hand- und Geistesarbeiter" Durch eine solche Demonstration dokumentiert gentlich einer Reise in die Provinz ein Atten- Die Arbeiter lernen wieder einmal ihre Geg bekämpft, die bekanntlich auch außerhalb der So- fie auch, daß sie nicht Ruhe und ruhige Aufbau. tat zu verüben, um sich dann selbst aus dem ner kennen. Es ist gut, wenn sie sich gelegentlich zialdemokratie sehr kritisch beurteilt wird. Kein arbeit, sondern das Chaos will, aus dem sie ihre Leben zu schaffen ein Vorgang, der dem am selbst entlarven. Der Sozialdemokratie, ihrer Arbeiter konnte also gegen die Person arg geschwundene Macht herauszuholen 1. d. M. ganz aufs Haar gleicht. Es gelang da- Würde und ihrer Ehre vermag die klerikal­Seipels aufgehetzt werden, der ständige Le- gedenkt. Mit einer solchen Politik spricht sie sich mals der Polizei, dieses Individuum hinter Schloß nationale Verleumdungskampagne nichts anzu fer der sozialdemokratischen Zeitungen hat sehr selbst das Urteil." und Riegel zu bringen. Dieser Anschlag wurde haben. Sie ist für die Arbeiter lediglich ein Bei­wohl gelernt. zwischen der Person Dr. Seipels Die Teplißer Zeitung rechnet eben damit, auf dringenden Wunsch des Kanzlers geheimge- trag zur Erkenntnis der politischen Moral ihrer halten." Gegner. und seiner Politik zu unterscheiden. Der Atten- daß ihre Leser nichts von der Rettung

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