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4. Jahrgang.

Saldemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowatischen Republit.

Samstag, 21. Juni 1924.

Die Krise des Fascismus. Deutschlands letzte große Chance

für die Ausnahme in den Bölkerbund.

Berlin , 20. Juni. ( Eigenbericht.) Der Korrespondent des Sozialdemokratischen Parla­mentsdienstes in Genf hatte am Freitag eine Unterredung mit dem ehemaligen schwedischen Ministerpräsidenten Branting, in der er unter anderem um eine Auskunft darüber bat, wie ein Gesuch Deutschlands um Aufnahme in den Bölkerbund behandelt werden würde. Branting betonte, daß der gegenwärtige Augenblick der günstig fte sei. Auch im Böllerbundsrate stehe man einer Aufnahme Deutschlands sympathisch gegenüber. Ein Um­schtvung der öffentlichen Meinung in Frantreich und Belgien zugunsten einer Aufnahme Deutschlands in den Bölkerbund fei bereits zu verzeichnen. Allerdings müsse das Gesuch Deutschlands in voller Aufrichtigkeit und ohne jeden Vorbehalt unter Anerkennung des politi fchen Status quo eingereicht werden. Bei einer solchen Einstellung würde Deutschland ohne weiteres einen Siß im Böllerbundrate bekommen. Große Bedeutung habe im Eventualfalle vor allem die Person des zukünftigen deutschen Vertreters. Das Bertrauen des Aus. landes würde zweifellos nur ein Mann haben, der im Geiste des internationalen Vertrauens und der aufrichtigen Demokratie fein Amt übernehmen würde. Deutschland habe eine legte große Chance, die es nicht unben üht vorübergehen lassen dürfe.

Deutschlands schwere Finanstrife.

Matteottis Ermordung.

Die Opposition verharrt auf dem Blaze.

Bezugs Bedingungen: Bei Zustellung ins Haus oder bel Bezug durch die Post: monatlich.... 16.­

vierteljährlich

"

halbjahrig

48. 96.­

8

ganzjährig

1192­

Radftellung von Mann­stripten erfolgt nur bei Ein­fendung der Refourmarfen.

Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich frith.

Nr. 145.

hundgebung an das italienische Parlament anläß­lich der Ermordung des Abg. Matteotti befürwor­tet, mit 94 gegen 38 Stimmen verworfen.

Hoesch bei Herriot .

Parks, 20. Juni. Ministerpräsident Herrlot hat heute vormittag den deutschen Botschafter Dr. von Hoesch empfangen. Es ist möglich, daß Herr von Hoesch in den nächsten Tagen nach Berlin reist, um der Reichsregierung über die neue Situation Bericht zu erstatten. Ueber die heutige Unterredung ist wenig zu sagen, da es der Reichs regierung überlassen werden soll, die Mitteilungen zu machen, die fie für nötig bäft. Es ist aber ant­zunehmen, daß hauptsächlich über das Micum­blominen gesprochen worden ist.

Herriots Reise nach London . Paris

, 20. Juni. Für die Reise Herriots nach London find folgende Dispositionen getroffen: Herriot reift am Samstag in 10 nhr von Paris ab. Es werden ihn begleiten: Der Chef des Ra binettes des Außenministeriums Bergery, ferner der Dolmetsch des Obersten Rates Camerling und der Cef des Privatfekretariates Caponat. Herriot wird in London um 5 Uhr nachmittag ankommen und fich fofort nach Checquers begeben, wo er bis Sonntag 4 Uhr nachmittag verbleiben wird. Nach bekannten Soldaten eine Balme niederlegen. London zurüdgekehrt, wird er am Grabe des un­Montag früh reist er nach Brüffel ab.

Eben jetzt noch lag Italien zu Füßen des fascistischen Diftators, auch die Bourgeoisie der anderen Länder schwelgte in der Bewunderung jeiner Erfolge, und nun auf einmal sucht die Bourgeoisie von ihrem bisher so hochgefeierten Helden abzurücken und alle aus Italien ein­langenden Nachrichten sprechen dafür, daß Mussolinis Glanz in der Stimmung der Be­völkerung verblichen ist, ja noch mehr: daß her Fafcismus in eine schwere Krise geraten ist, aus der er faum heil hervorgehen dürfte. Eine rasche Wendung, bei der es aber ganz natürlich zugeht, und von der nicht gesagt werden fam, daß bei ihr Gottes Fügung im Spiele ist. Es ist das an dem sozialistischen Abgeordneten Matteotti verübte scheußliche Verbrechen, das mit der Wucht eines Natur­ereignisses das Boltsempfinden in seinen Tie­fen aufgewühlt hat, und das im ganzen Lande so starke politische Gegenströmungen weckte, daß Berlin , 20. Juni. Der Vizepräsident der fich das fascistische Gewaltregime in seiner Reichsbank von Glasenapp sprach gestern bei dem Existenz bedroht sieht. Mussolini selber war es, deutschen Industrie- und Handelstag in Nürn der diese Wirkung der fascistischen Untat vor- berg über die gegenwärtige Finanzlage Deutsch­aussah. In der italienischen Stammer hat der lands und erklärte u. a., man dürje jich keiner Eine Trauerfeier der Arbeiterschaft. Deputierte Delcroir, ein Kriegsheld, der im schweren Krise befinde. Die Schleier Bäuschung hingeben, daß man sich in einer Seriege durch einen Kopfschuß an beiden Augen der Inflation seien gefallen und das Fehlen nritee der Oppositionsparteien trat am Donners Rom, 20. Juni. Das interfrattionelle Ro erbfindet ist, eine aufsehenerregende Rede ge- effettiven Kapitals werde jest tag abend neuerlich zu einer Sizung zusammen halten, in der er sagte, daß sich durch das offenbar. Die Reichsbank habe etan, was und beschloß, daß jede Oppofitionspartei nächste Der Umstand, daß kein finanzieller Schicksal Matteottis alle ein wenig mitbedroht fie tonute. Ihre Kapitalsanlage in Wechfeldis- Woche in einer besonderen Sißung die Lage prü- Beamter an der Unterredung mit Diacdonald fühlen, and in der er dem Duce( Führer) jagte, fonten und Lombard ist von 452 Millionci om fen jolle. Nach den Blättern werben die Oppo- teilnehmen wird, macht es wahrscheinlich, daß die der Augenblick jei gekommen, aus dem Bit 80. November 1928 auf 2070 lionen amfitionsparteien den parlamentarischen Bo- Frage der interallierten Schulden gar nicht be tprenbündel den härtesten Stab herauszu- Goldmart gewachsen. 3.3 6. Juni 1924, aljo um etwa 1.6 Milliardedeu nicht verlassen. Die Arbeiterorgani handelt werden wird. Die Unterredung wird. be, ziehen, um mit diesem Stab die Knoten der Glasenapp, find wir nahezu am Ende an eine Tranerfundgebung für Matteotti zu veran- treffen: Die politischen Vorbedingungen für die aber," fagte fationen fordern die Arbeiter auf, am 25. Juni wie verlautet, hauptsächlich folgende Fragen be Gewalt entzweizuhauen, die geheiligt war, gelangt. Wir haben so gut wie teine Mittel ftalten. folange das Vaterland ihrer bedurfte, die aber mehr und mußten deshalb die Kreditsperre Anwendung des Experten planes, ferner die Rüstungskontrolle in Deutschland und die heute unangebracht ist und dem Vaterland un- verhängen. Zur Zeit können 16.5 Millionen heilvollen Schaden zuzufügen droht". Nach ihm Pfund der deutschen Wirtschaft zur Verfügung Sympathietandgebung der franzöfifchen Frage der Sicherheit Frankreichs , namentlich unter dem Gesichtspunkt der Völkerbundautorität. ergriff Mussolini das Wort und führte in seiner gestellt werden, von denen etwa 11 Millionen Rede aus, nur ein Feind von ihm, der durch ordnung der Dinge können wir die jeßt bewilligt worden sind. Bis zur Neu Paris , 20. Juni .( Havas.) Die Abgeordneten­Smuts Niederlage. lange Nächte an etwas Teuflischem geflügelt währung aufrecht erhalten. Es wird fammer stimmte mit den Stimmen der Linken hatte, habe das Verbrechen ersinnen und durch dabei auf einen starten Verlauf von Waren und gegen die Stimmen der Rechten für einen soziali führen können. Daß Mussolini so sprach, daran Preisabbau hingewirkt werden müssen. Auf die stischen Antrag, in welchem dem Schmer; Daner fönnen wir aber nicht auskommen und über die Entführung des italieni wat zu erkennen, er ſei ſich bewußt, das Gebrauchen ausländische Kredite, die wir aber nie- schen Abgeordneten Matteotti Aus bäude des Faſcismus müſſe durch die Mordtat mals vor Erledigung der Reparationsfrage er brud gegeben, dieser politische Word auf das einen unheilvollen Stoß bekommen. Darum halten können. Die grundsägliche Annahme des schärfte verurteilt und dem italienischen jette er auch Himmel und Hölle in Bewegung, Sachverständigengutachtens wäre daher geboten!" der Urheber des Verbrechens habhaft zu werden, um einen Abstand zwischen ihm, zwischen der Herriot hat das Bertrauen der

Jdec des Fascismus und den Mördern Mat tenttis zu markieren

Jest

Kammer.

Barlamente die wärmste Sympathie ausgefpro

Loudon, 20. Juni .( AR.) Aus den Ergeb­nissen der Wahlen in Südafrika geht hervor, daß die vereinigten Nationalisten und Sozialisten im neuen Parlamente eine Mehrheit von unge­fähr 25 Stimmten haben werden. Die Blätter schreiben sehr anerkennend über General Smuts, dessen Partei nach 14 Regierungsjahren, seit dem Bestande des Parlamentes der Union selbst, zum erstenmal geschlagen wurde und zwar so, daß auch Der Schweizer Nationalrat drückt sich. Smuts fein Mandat verlor. Der Staatssekretär für Kolonien Thomas sprach gestern abends im Bern , 20. Juni .( Schweiz . Dep. Ag.) Der Parlamente über die Dankbarkeit und Anerken­stammer hat mit 313 gegen 234 Stimmen der Nationalrat hat eine sozialistische Vo- nung, zu der die britische Regierung für General Regierung das Vertrauen ausgesprochen. tion, welche die Absendung einer Sympathie- Smuts verpflichtet ist."

Kammer. Paris

, 20. Juni .( 1 Uhr 30 Min. früh.) Dic

Aber eben nur zu markieren, denn nicht ein empörtes fittliches und menschliches Gefühl ist es, das Mussolini jetzt so sprechen und han­deln läßt, sondern die Besorgnis um die Er 0000000ITIILUZIILLOKATH

chen wird.

haltung der Macht, von der er weiß, daß sie sein Strahlenglanz ist verblaßt, das Rechts- in der stidigen Sumpfatmosphäre, in die kein Rühmens gemacht von seiner letzten Rede, die trotz der Stüße seiner dreimalhunderttausend und Freiheitsgefühl im italienischen Volfe ist frischer Hauch drang, das Giftkraut einer fich als Einleitung einer inneren Friedensaktion Schwarzhemden auf schwankendem Grunde ruht. erwacht und sehnt die Demokratie herbei, welche unfehlbar und unantastbar fühlenden fascisti- angesehen wurde, aber die Triebfeder seines Matteotti ist nicht das erste Opfer des Fascis allerdings durch das verantwortungslose Treischen Hierarchic emporschoß. Diese Hierarchie Handelns war doch nur die Vorsicht und die mus; in den innerpolitischen Kämpfen feit der ben der Kommunisten eine Zeitlang in Miß besepte alle gutbezahlten Posten im Staate, Ahnung, daß feinem Gewaltregime lange Dauer Stabilisierung der fascistischen Gewalthorden kredit geraten war. Solange der Fascismus die Würdigkeit für ein Amt wurde nach dem beschieden sein kann. Diese Einsicht hielt ihn, wurden von ihm tausende Menschen getötet, von einer großen nationalen Idee getragen Grade der fascistischen Gesinnungstüchtigkeit, den Diktator, auch davon ab, mit dem Barla­hunderte in die Verbannung getrieben, zahllose schien, solange seine Mannen als eine Miliz nicht nach den Fähigkeiten und der Ehrlichkeit mentarismus vollends zu brechen. Er wußte, sozialistische Vereins- und Gewerkschaftshäuser der Ordnung angesehen wurden, übertönte sein des Bewerbers bemessen. Da gab es Millionen daß sein Regierungssystem Spannungen wecken geplündert und angezündet. Der Fascismus Nimbus alle moralischen Regungen bei der für fascistische Zeitungen und Spitzel, es gab müsse, für die ein Ventil offengehalten werden scht seine Verbrechen gemeinhin mit den Aus- großen Menge und seine Gewalttaten wurden Millionen bei der Vermittlung von Delfonzes müsse, sollten gefährliche Explosionen vermieden schreitungen und Gewalttaten der Kommuni- als eine notwendige Begleiterscheinung der ſionen, von Konzessionen für hunderte von werden. Darum juchte er ein Mittelding von ften, welche diese in den ersten Jahren nach Ordnungstifterei Mussolinis beurteilt. Die Re- Spielbanken und von sonstigen üblen Geschäf Diktatur und Demokratie zu schaffen, suchte dem Umsturz verübten, zu rechtfertigen, doch aktion erschien dem italienischen Bürger not- ten. Dem guten Bürger wurde schwül zumute; nach einer Form, die den Absolutismus mit Mussolinis Ordnungsbanditen hausten mit der- wendig, als Italien von der Gefahr der Bol- die Demokratie war erschlagen, aber das der Konstitution, den Fascismus mit der De­ſelben Bestialität auch gegen ungezählte Per- schewisierung bedroht wurde, doch dieser Zu- rettende neue System war noch weit schlimmer mokratie versöhnen sollte. Dieser Heuchelei hat jonen anderer Parteien. So wurde von ihnen stand besteht längst nicht mehr, ohne daß aber als das alte. Der staatliche Zwang, der auf der der Mord an Matteotti ein schmähliches Ende die Wohnung des ehemaligen italienischen Mi- der Fascismus sich veranlaßt gefühlt hätte, ab- Bevölkerung lastete, hatte als leßte Frucht die bereitet. Mussolini wütete: Ein infames be­nisterpräsidenten Nitti in Stücke geschlagen, zudanten. Der italienische Bürger fühlt sich Korruption gezeitigt. Das hatte viel böses stialisches Schicksal muß meine guten Absichten er selbst mußte flüchten, und wie ihm erging durch das heutige Herrschaftssystem eingeengt Blut gemacht, che sich dieser Mord ereignete, immer im letzten Augenblick durchkreuzen", aber es Hunderten anderen, die im Geruche demo- und bedrückt, er mißtraut ihm daher, dies um der die Empörung hell auflodern ließ, denn Mussolini irrt, nicht auf seine guten Absich­fratischer Gesinnung standen. In Turin wur- so mehr, als sich in die fascistischen Garden, Matteottis Ermordung wurde mit dem Trei- ten" kommt es an, sondern darauf, daß sich den eines Nachts, einer wahren Bartholomäus- wie dies noch stets bei solchen Bewegungen ben dieser raffgierigen Meute in Verbindung Diktatur, welcher Art sie immer ist, sich mit nacht, gleich zwei Dußend politische. Gegner er der Fall war, zahlreiche dunkle Elemente und gebracht. Man erzählt sich in ganz Italien , Demokratie nicht verträgt. Er hat die Geister mordet. Von Gewissensbedenken is der Fa- fragwürdige Ehrenmänner eingeschlichen haben, daß Matteotti beseitigt wurde, weil er gegen gerufen, er wird sie nun nicht los. Wer Ge­scismus also nicht angekränkelt. die im Trüben zu fischen suchen. Unter dem die fascistischen Panamisten Material besaß, walt sät, kann nicht Frieden ernten. Gewalt­Warum nun doch Mussolinis ostentativ Deckmantel des Patriotismus fonnten sich das er in der Kammer vortragen wollte, und methoden können nimmer zur Freiheit führen. zur Schau getragener Abscheu, warum die ganze Scharen von Ehrgeizlingen, die hoch um diese Absicht zu vereiteln, sei er unschädlich Mussolini hat sich über die Gebote der Demo­Krise des Fascismus als Folge dieses leßten kommen wollten, Geschäftemachern und Hai- gemacht worden. fratic brutal hinweggesetzt, die Versöhnung" in der Reihe der fascistischen Verbrechen? Die fischen, die zu profitieren suchten, einniften. Mussolini ist dieser Umschwung in der mit dem von ihm entmannten Parlament mußte. Verhältnisse in Italien haben sich geändert, Die Presse wurde bedrückt, jede jelbständige Stimmung der Bevölkerung nicht unbekannt eine Komödie bleiben. Ein kostbares Menschen­die große Masse ist des Fascismus als Herr geistige Regung erstickt, jede Stritit und Mei geblieben und deshalb hat er in letzter Zeit leben mußte vernichtet werden, um diese Wahr­schaftsform im Staate überdrüssig geworden, nungsfreiheit gedrosselt, was wunder, daß sich versöhnliche Töne angeschlagen. Man hat viel heit sichtbar werden zu lassen.