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4. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowatischen Republit.

Weltpolitit und Klassen­fampi.

In die Londoner   Verhandlungen darauf ist ihr Steden zurückzuführen

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und

versu=

chen nunmehr deutsche   und französische   Indu­strielle einzugreifen. Die deutschen   Indu­striellen, welche in den letzten Wahlen vielfach die deutschnationale Partei unterstützt haben, schen sich um ihren Wahlerfolg gebracht. Das Bemühen der Deutſchnationalen, in die Regie: rung zu gelangen, führte nicht zum Erfolg, und der Versuch, das Sachverständigengutachten zu Falle zu bringen, endete schließlich mit der Blamage der Deutschnationalen in jener Reichstagssigung, in der sie durch ihre Abwe­fenheit der von ihnen bekämpften Regierung zu einem Erfolge verhalfen. Deswegen müssen die Vertreter der deutschen   Schwerindustrie als Privatpersonen, gleichsam neben der Konfe­renz, ihre Interessen vertreten. Anders die französischen   Industriellen. Ihr Führer

Freitag, 15. August 1924.

Heute Entscheidung in London  .

London  , 14. August.( Reuter.) Mary stattete Herriot   in seinem Hotel einen Besuch ab. Die private Unterredung dauerte eine Stunde. Auf dem Wege vom Hotel in die Downing Street   erklärte Marr denen, die ein Interview zu erlangen trachteten: Ich bin stumm und Herriot   auch."

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Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früb. Nr. 192.

Herriot und die Sozialisten.

Von Paul Faure  , Generalsekretär der Sozia­Listischen Bartei Frankreichs  .

Jeden vernünftigen Menschen ist es fiar, daß die französischen   Wahlen den Sturz des Bloc national als Resultat gezeitigt haben, wenigstens für die Kammer, denn im Senat ist ja die einem letzten Rest der Anhänger Poincarés verbündete Rechte geblieben, die noch immer das Kabinett stürzen faun. Dieser Ausgang muß von allen Demokratien sich entwideln, den Frieden sich festi­gen, eine europäische soziale Wirtschaft wieder er stehen sehen, als einen allgemeinen Fafciemus oder eine rettungslose Anarchie risfieren vollen.

Der Hava 8 berichterstatter telephoniert um 7 Uhr abend: Herriot  hat in Downing Street   seine alfiierten Kollegen über seine Unterredung mit dem Reichskanzler Dr. Marr und über dessen Borhaben, den Finanzministerienen als glücklich angeschen werden, die lieber die Dr. Luther nach Berlin   zu schicken, damit er mit dem Reichspräsidenten und den Parteiführern Fühlung nehmen könne, in Kenntnis gesetzt. Hierauf begab sich MacDonald zu den deutschen   Ministern, die in einem Nebensalon warteten, und fonferierte lange mit ihnen. Schließlich hat Reichskanzler Dr. Marr auf sein Vorhaben, den Finanzminister nach Berlin  zu senden, verzichtet. Er wird sich darauf beschränken, mit dem Reichs: präsidenten Ebert telegraphisch in Verbindung zu treten und wird die offizielle Antwort des Reiches morgen früh bekanntgeben. *

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Loucheur gebietet in der Kammer über 45 Die geftrigen Verhandlungen ergebnisios.

Stimmen, die das Zünglein an der Wage bil­den und die imstande sind, den Sturz Herriots Die Frist für die Räumung des Ruhrgebiets- die große Klippe der Konferenz.itschen Lehren, fcaveit sie dem historischen Wate herbeizuführen. Die Rücksichtnahme auf diese Gruppe hat bewirkt, daß Herriot   von der ein­jährigen Räumungsfrist der Ruhr nichts nach­laffen will. Berlin  

, 14. August.( Eigenbericht.) Die Verhandlungen über die Räumung des Ruhrgebietes haben bis in den späten Nachmittag zu einem positiven Ergebnis geführt. Heute vormittags hat die deutsche   Delegation gemeinsam mit Macdonald und dem amerikanischen   Botschafter in London  , die beide zur Annahme der Frist von einem Jahr ricten, unterhandelt. Später fanden zwei kurze Konferenzen der Deutschen   mit den Fran­zosen und Belgiern statt. Das einzige positive, Ergebnis der Unterhandlungen war, daß die Tage der dem In­frafttreten des Dawesplanes gelten soll. Dieser Entschluß Herriots ist nicht, wie man ange nommen hat, auf Einwirkung von englischer und amerikanischer Seite zurückzuführen, sondern stand schon Mittwoch fest. Innerhalb der deutschen   Delegation wird das Zugeständnis Her­riots als unzureichend crachtet, weil die Franzosen von einer etappenweisen Räumung nichts wissen wollen. Daher erklärt sich die pessimistische Stimmung. Man setzte zunächst noch Hoffnungen auf die Möglichkeit eines englischen oder amerikanischen   Eingreisens. Bedenklich ist aber, daß Herriot durch Ministerratsbeschluß gebunden ist. Nicht Loucheur, der sich für die interalliierten Schulden mehr interessiert, hat Herriot scharf gemacht, sondern der Minister­präsident fam Montag mit einer mabänderlichen Formel aus Paris   zurück. Unter diesen Um­ständen kann man die Gerüchte verstehen, Her riot werde erneut nach Paris   zurückkehren, um die Zustimmung zu weiteren Zugeständnissen zu erlangen. Das Tragische ist, daß beide Teile wirklich auf eine Berständigung hinarbeiten, aber sowohl die deutschen   wie auch die französi­ schen   Delegierten können aus innerpolitischen Gründen nicht gut zurückweichen, dazu kommt, daß Herriot   von seiner früheren Erklärung für eine cinjährige Räumungsfrist nicht abzugehn vermag, ohne in Paris   einen Sturm zu erre gent.

Räumungsfrist von unterzeichnung des Protokolles und nicht erst mit die

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versammelten, um die Delegierten Deutschlands  zu empfangen. Diese jedoch erjuchten, ihre Antvort erst nachmittags geben zu dürfen, indem sie offen bar eine Meldung aus Berlin   erwarten.

So zeigt sich also in den letzten Tagen, daß die Kapitalisten aller Staaten auf die Füth­g in und rung der Verhandlungen in London   und auf deren Rejultat Einfluß zu gewinnen versuchen. Für das amerikanische   Finanzka­pital handelt es sich hiebei um ein enormes Geschäft. Wenn wie verlautet die große Anleihe von 800 Millionen Goldmark zu einem Kurse von 93 aufgelegt und den Banken zu einem Surse von 90 überlassen werden soll, beträgt der Emissionsgewinn der amerikani­ schen   Banken allein 3 Prozent, das sind 24 Millionen Goldmark oder 192 Millionen. Das französische   Kapital wieder hat das Bestre­ben, im Sinne des Sachverständigengutachtens die an Frankreich   zu leistenden Reparations­zahlungen in deutschen   Unternehmungen anzu­legen, sodaß das französische   Kapital beträcht­lich an deutschen   Industrieunternehmungen be= teiligt sein würde. Das deutsche   Kapital schließlich verfolgt mit der ihm eigenen Bruta­lität seinen Plan, den größeren Teil der dem deutschen   Volte aus dem Sachverständigengut­achten erwachsenden Lasten auf die Schultern Macdonalds Vermittlung. der in den letzten Jahren so hart geprüften deutschen   Arbeiterklasse zu legen. London  , 14. August.( Havas.) Herriot   teilte Das internationale Proletariat aber ist Vormittag den Führern der alliierten Delegatio. durchaus nicht gewillt, das Opferlamm ameri- nen den Inhalt der Unterredung mit, welche die kanischer, französischer und deutscher   Stapitali- französischen und die belgischen Delegierten mit Kapitali- ben Vertretern Deutschlands   hatten. Alle sten zu sein. Die Folge der Londoner   Konfe- Alliierten bevollmächtigten aner­renz wird darum eine Verschärfung des kannten, daß Frankreich  , indem es die Lassenkampfes in der ganzen militärische Räumung des Ruh. gebietes in der Welt sein, der Schwerpunkt dieser Klassen­kämpfe wird zunächst in Deutschland   liegen, wo es sich nach der Annahme des Sachverständi genplanes im Reichstage um die Ausführungs­Sodann würden die Vertreter Deutschlands  gefeße handeln wird, bei deren Beratung schon der Kampf zwischen den einzelnen Klassen der telephonisch berufen und auf Ersuchen Herriots gab ihnen MacDonald in Anwesenheit des amerita­Bevölkerung, insbesondere zwischen Arbeiter- nischen Gesandten Kellogg   einstimmig den Stand­flasse und Unternehmertum, um die Verteilung punft der Alliierten bekannt. Die deutschen   Dele­der Lasten entbrennen wird. Aber auch in den gierten waren sichtlich in Verlegenheit gebracht, anderen Ländern werden die Klassenkämpfe durch die Aufforderung, die an sie dahingehend verschärft werden. Deutschland   wird bestrebt gerichtet wurde, beizustimmen, daß die französisch sein, die Reparationslasten durch gesteigerten belgischen Truppen während der ersten zwölf Export abzutragen, und die anderen Industrie- Monate nach Infrajeßung des Dawesplanes im staaten der Welt werden bemüht sein, ihren Ruhrgebiet   verbleiben. Marr and Stresemann bisherigen Export aufrecht zu erhalten. In ersuchten daraufhin um eine Bedenfzeit bis Mit­tag ,, was ihnen bewilligt wurde. den Konkurrenzkämpfen der Kapitalistenklas- Hierauf erstattete MacDonald über seine In­sen der einzelnen Staaten werden die Indu- tervention den Führern der alliierten Delegatio­striellen versuchen, die Produktionskosten bei nen Bericht, die sich neuerdings um 12.30 Uhr empfangen werden. gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Profits in

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Die französischen, belgischen und deutschen  Minister kommen um 15 Ühr im Außenamt zu­jammen, und falls die Deutschen   bis dahin ihre Antwort erteilen, wird der alliierte Bierzehnerrat um 17 Uhr zusammentreten.

Allgemein jetzt man voraus, daß die Deut. schen schließlich auf eine einjährige Räumungsfrist eingehen werden, daß sie aber fordern werden, daß inzwischen der numerische Stand der Offupations truppen reduziert werde.

Beit eines Jahres zugesteht, den Beweis aroschen er Versöhnlichkeit gegeben hat, und waren der Ansicht, daß die deutsche   Regierung auf diese Bedingung entschieden eingehen sollte.

Das deutsche Kabinett gegen die Borschläge.

Daher rührt unsere politische Einstellung der Unterstüßung der Regierung Serriot, deren Haupt ein Mann von offensichtlich gutem Willen und gutem Glauben ist. Ich persönlich habe feine bes sonderen Sympathien für die Radifalen, aber ich schreibe diese Dinge, weil ich so dente. Das soll in feinem Fall einen Verzicht auf unsere Unabi hängigkeit als Partei bedeuten, noch eine Schwächung irgend einer unserer programmati schen Forderungen, die diese Augenblickeverhält nisse überdauern. Aber Dottrin und Taftif sind verschiedene Dinge. Was den marri rialismus entwvachsen, eine unvergleichliche Kraft gibt, ist der Umstand, daß sie keine Aktionen von Individuen oder Gruppen Einzelner in hre stren gen Formen einschließen, die nach einer under­änderlichen und geraden Theorie festgelegt sind, sondern daß sie diese den tausend Wirklichfe ton des Lebens anpassen. Die Notwendigkeit oor Stunde heißt jest nicht Augen und Ohren schlic ßen, sondern einen vernünftigen Ausgleich finden als Folge der schmerzlichen und ungeordneten Erbschaft des Krieges.. Das ist die dringende Auf­gabe, das ist ein Aft des Gemein vohies. Die­jenigen, welche glauben, daß aus einem Erzeß des! Bösen das Gute geboren werden könnte, find in einer groben Täuschung besangen. Der Umgang mit dem russischen Bolschewismats nimmt ihnen jedes kritische Urteil und jede vernünftige Schäßung. Ein ungeheures Land, in dem es wenig Industrie gibt, in dem das bäuerliche Ele­ment vorherrscht, fann eine Strife dieser Art überwinden, übrigens nicht ohne Schaden und ohne darunter zu leiden. Aber die westlichen mo dernen Nationen mit ihren mächtigen Industrien, ihrer dichten Bevölkerung, mit ihren ausgedehn ten Städten würden zu Tode getrossen werden, wenn infolge des Ruins ihrer Finanzen und der Unausgeglichenheit ihrer Wirtschaft alles plötz­lich ins Stocken geriete und der Desorganisation verfiele. Das heißt nicht eine Revolution, die Gutes schafft, die eine neue Ordnung anstelle der alten fluchwürdigen und überlebten jept, erstehen lassen, sondern ein endloses Chaos, in dem mit der fapitalistischen Zivilisation auch die Hoff­mung auf eine Verwirklichung des Sozialismus verschwinden würde. Deshalb wachen wir, unse­rer Verantwortung bewußt, in diesen Tagen, die Sicherlich eine der schwierigsten und heikeisten Perioden der Geschichte unserer Rasse bedeuten, darüber, daß wir feine Fehlschritte tun und feine Dummheiten begehen. Wir nehmen nicht an der Portefeuilles angeboten hat. Unsere ökonomischen Regierung teil, in der man uns die Hälfte der die an der Ansichten sind nicht die der zoute, to m Macht sind. Wir sind ihnen nicht verbunden, und sie sind nicht an uns gefettet.

Es handelte sich nicht darum; es galt zu wäh len: entweder Poincaré  , der sich auf die Reaktion im Innern stützte und der in der Außenpolitik durch seine unvernünftige Ruhr­Berlin, 14. August.( Eigenbericht.) Die politik eine Atmosphäre des Krieges und des Reichsregierung ist der Auffassung, daß die Räu- Sasses erstehen ließ; oder Herriot  , der Libe mung in furzer Frist erfolgen und der Endtermin ral und demokratisch gesinnt, seine Kraft in der zweifelsfrei festgelegt werden müsse. Dieser Stand- fleinen republikanischen Bourgeoisie und im Pro­punkt wurde in einer heute vormittag unter Bor- letariat sieht und der den Frieden will, der sehn­jih Eberts abgehaltenen Kabinettssißung cinstim- lichst wünscht, das Ruhvabenteuer zu liquidieren abends nach Ankunft Luthers cine neue Sibung gleich strebt. Wir haben gewählt. Im Laufe mig vertreten. Es ist zu erwarten, daß Freitag und der nach einem festen internationalen Aus­unter Vorsitz des Reichspräsidenten   stattfinden der nächsten Monate werden wir sehen, ob die wird. Sonnabend sollen dann die Parteiführer Menschen, denen wir geholfen haben, die Macht zu ergreifen, den Mut und den Willen haben wer­den, zu handeln und reale Arbeit zu leisten und ob sie, wenn sie als gute Europäer und Demo­

der bisherigen Höhe herabzusetzen und daher die Herabdrückung der Produktionskosten durch Dekonomisterung des Produktionsprozesses  .| gegenseßen, sie wird ihre Gewerkschaften zu den kraten diese Anstrengung chrlich versucht haben Senkung des Arbeitslohnes zu bewerkstelligen. Typisierung der Produktion, Hebung der Tech- stärksten Burgen ihrer Abwehr ausbauen müß- werden, die unumgänglichen Lösungen in Bel­Der französische Sozialismus hat das Be­Diese Gefahr besteht auch für die tsch e cho- nit und kaufmännische Organisation der Erzeu- sen. In diesen lassen kämpfen, die gien, England und Deutschland   finden werden! slowakische Industrie. Die tschechoslowa- gung herbeizuführen, werden ihre Weisheit in der Arbeiterschaft in allen 2än- wußtsein, unter diesen Umständen seine Pflicht tische Industrie ist der deutschen   technisch und der Herabseßung des Arbeitslohnes zu bekun- dern bevorstehen, wird die Sozial setan zu haben und dem Geist und dem Buch­demokratie die mächtigste, zähest e, staben der internationalen Abmachungen von organisatorisch unterlegen und die tschechoslo- den trachten. wakischen Unternehmer," weit entfernt davon ,. Diesem Bestreben wird die Arbeiterklasse und treueste Sachwalterin der   Paris, Frankfurt  , Berlin   und Amsterdam   unver­brüchlich treu gewesen zu sein. die Konkurrenzfähigkeit der Industrie durch in allen Ländern den stärksten Widerstand ent- Arbeiterinteressen sein.