Einzelpreis 70 Seller.

Redaktion und Verwaltung: Prag . II., Havličkovo nám. 32.

Tages

Παρέτ

-

Tephor

Postschedamt: 57544.

35.

17.

Inferate werden laut Tarif billigt berechnet. Bei öfteren Einschaltungen Preisnachlab.

4. Jahrgang.

So, aldemokrat

d

Zentralorgan ser Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.

Die Krise des Bolschewismus.

In der Internationale und in der Tschechoslowakei .

In der K. P. Č.( Sommunistische Partei der Tschechoslowakei ) und in deren Presse hat vor einigen Wochen eine Auseinandersetzung begonnen, deren Ursachen auch für das nicht­kommunistische Proletariat von Bedeutung sind und die darum unsere volle Aufmerksam feit erheischt. Die Beachtung der Vorgänge und Differenzen in der S. P. C. sind für uns um so wichtiger, als es sich hiebei nicht etwa nur um Meinungsfämpfe und zwar sehr schwere Meinungskämpfe innerhalb der kommuni­ stischen Partei dieses Staates handelt, sondern um tiefe Gegensäße, die die gesamte Moskauer Internationale durchziehen. Diese Gegensäße, die durchaus nicht neuesten Ursprungs sind, die aber in den letzten Monaten sich bedeutend verstärkten, tamen auf dem fünften internatio­nalen Kommunistenkongreß in Moskau über­aus deutlich zum Ausdruck. Die Dinge liegen in der kommunistischen Internationale nicht etwa so, daß ein gedanklich ganz gleichgerichte­ter Teil dem anderen, andersdenkenden gegen­übersteht, sondern die Differenzen, die vor­handen sind, sind abgestuft je nach der Denk­flarheit, Erfenntnis und Ehrlichkeit der ein­zelnen Führer und was besonders für die tschechoslowakischen Kommunisten gilt- nach ihrer Stellung zum Staat und zur nationalen Frage.

Donnerstag, 28. August 1924.

Der sterbende Reichstag.

-

-

Prügelszenen zwischen Kommunisten und Bürgerlichen . Ausschließungen. Polizei im Hause. Keine Zweibrittelmehrheit aufzutreiben. Berlin , 27. Auguft.( Eigenbericht.) Zu unerhörten Szenen Tamt es heute im Reichs tag. Wiederum waren es Kommunissen und Bölkische, die das Parlament zum Schauplak der rohesten Exzesse machten. Die Kommunisten hatten einen auch von den Sozialdemo­fraten unterstüßten Antrag gestellt, wonach die verhafteten und von den Sihungen aus­Gegen die sofortige Beratung dieses Antrages erhob der demokratische Abgeordnete Brodank geschlossenen Abgeordneten an den Abstimmungen zu den Gutachtengefeßen teilnehmen sollten. Widerspruch. Daraufhin wurde er von den Völlischen aufs heftigste beschimpft und die Kom­munisten lamen mit erhobenen Fäusten auf ihr zu. Als Abgeordnete anderer Parteien, be fonders Sozialdemokraten, die zwischen den Kommunisten und den Demokraten jißen, sich da zwischenwarfen, um Brodauf vor Tätlichkeiten zu schüßen, entstand eine Schlägerei, in deren Berlauf der Abgeordnete Brodauf von dem Kommunisten Neddermeyer verlegt wurde. Der deutschnationale Präfident Wallraff wußte sich nicht anders zu helfen, als daß er die Sigung aufhob und den Acltestenausschuß einberief. Nach zehn Minuten wurde die Sigung aufs neue eröffnet und es kam zunächst zu einer langen Geschäftsordnungsdebatte, in der die Kommunisten und Deutsch völlischen die Schuld an den heutigen Vor­fällen dem Abgeordneten Brodauf zuzuschieben suchten. Schließlich wurde die Sigung dann noch einmal auf Nachmittag vertagt.

In der neuen Sißung, die gegen sechs Uhr begann, teilte der Präsident mit, daß sich die heutigen Vorgänge nicht einwandfrei auftlären liegen. Festgestellt sei, daß der völlische Abgeord nete Graefe den Abgeordneten Brodauf gröblich beleidigt habe und deshalb einen Ordnungsruf erhalte. Es stehe tveiter feft, daß die kommunistischen Abgeordneten Nedber meyer, Grube und Epstein jich tätliche Angriffe hätten zufchulden kommen lasjen. Er schließe sie deshalb von der heutigen Sigung aus. Als die drei Genannten die Auf­forderung des Präsidenten, den Saat zu verlassen, nicht beachteten, wurde die Sigung auf fünf Minuten vertagt. Nach Wiedereröffnung wurden die drei Abgeordneten auf acht Sigun­gen und als sie auch darauf nicht reagierten, auf zwanzig Sihungen ausgeschlof­sen. Nunmehr erklärte der Präsident, daß er das ihm zustehende Hausrecht gegen die wider spenstigen Abgeordneten anwenden würde, und machte sie auf die Folgen aufmerksam, wenn sie sich den Erekutivpersonen widezjeßten. Sie würden sich des Widerstandes gegen die Staats­gewalt fchuldig machen und ihre Immunität verlieren. Das farien auf die Kommuni ften Eindruck zu machen, denn als der Präsident jekt die Tribünen räumen ließ und den Abge­ordneten empfahl, gleichfalls den Sanl zu verlassen, verließen die drei Ausgeschlossenen, beglei tet von den inzwischen erschienenen Kriminalbeamten, das Haus,

Nach dieser Episode konnte die Abstimmung über die Gutachtengesetze in alveiler Lesung vorgenommen werden. Für die Sozialdemokratie geb Genofje Dittmann die Erklärung ab, daß seine Partei weiter dafür wirken werde, daß die Räumungsfristen möglichst ver fürzt werden. Die Sozialdemokratie habe auch früher schon erklärt, daß sie die Allein­schuld Deutschlands am Weltkrieg nicht anerkenne. Sie würden sich gegen alle Anträge stellen, mit denen bewirkt werden solle, deutschnationale Mitalieder des Hauses unter Ver­sprechungen von Regierungsposten und wirtschaftlichen Vorteilen filr das Gutachten günstig zu stimmen. Auch die Bölkischen erflärten, daß fie gegen die Anträge seien, weil diese mit helfen sollen, den Deutschnationalen Brücken zur Abänderung ihrer bisherigen Saltung zu bauen. Die Abstimmung über die einzelnen Gefeße ergaben ihre Annahme mit rund 250 gegen 170 Stimmen. Bei einigen Gesehen wurde von den Kommunisten namentliche Abstimmung beantragt und dabei ereignete es sich, daß für diese Anträge auch die Völkischen unter Führung Ludendorffs stimmten.

Als vor der Abstimmung zum Eisenbahngefehe der Kommunist Steder eine Erklärung abgeben wollte, die auf die Prügelfzenen aurdgriff, wurde ihm, nachdem er zweimal zur Sache gerufen war, das Wort entzogen. Für das Eisenbahngefeß stimmten 249, dagegen 171 Abgeordnete: vei enthielten fich der Abstimmung. Damit ist die 3weidrittelmehr­heit nicht erreicht. Diese Ablehnung des Eisenbahngefches nach der zweiten Lesung läkt allerdines vorläufe eine volitive Schluffolaerung für den Ausgana der dritten Abstimmung nicht zn. Gegen neun Uhr abends erfolgte die Bertagung der Sigung.

Das Auflösungsdefret vorbereitet!

Bezugs Bebingungen: Bel Zustellung ins Haus oder

bel Bezug durch die Post:

monatlich.... 16­olerteljährlich

halbjährig

ganzjährig

"

48.­

98.­

192.­

Rüdftellung von Manu­triplen erfolgt nur bei Ein­sendung der Retourmarten.

Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früb,

Nr. 203.

zialdemokratie zu unterminieren und zu ent­larven", ist gescheitert. Also schreitet man zur " Säuberung der taktischen Waffe" und zur " Bolschewisierung" der kommunistischen Var teien. Diese Bolschewisierung", die man jeßt für notwendig erachtet, während man zugibt, sich seinerzeit, als man an die sofortige Welt­revolution dachte, geirrt zu haben. dieje Bol­schewisierung, mit der Sinowjew gleichzeitig nach Muster des sowjetrussischen Rückzug­planes" auch im internationalen Umfang eine Rückzugslinie für die Industrieländer und für die Agrar- und halbagrarischen Länder" empfiehlt, dieje Bolschewisierung" soll be ftehen in dem Umbau jeder Fabrit zu einer bolschewistischen Zelle. Laut dem fommunisti schen Bericht, der uns über Sinowiews Rede am 9. Juli 1924 vorliegt, wußte diejer über das Wesen der Bolschewisierung" nicht ein Wort mehr zu sagen.

Dies ist aber natürlid) nicht alles, was Sinowjew und die Mehrheit des Kongresses gegen die rechten Abweichungen", aljo bei­spielsweise gegen die tschechoslowakischen Kom­munisten, vorzubringen hatte. Man vermißte auch jonst ihre Aktivität, Majjenaktionen, und tabelte ihre schwankende Haltung in der deut­schen Frage. Der schlaue Sinowjew hütete sich zu sagen: ihr müßt die Arbeiter sofort zum Kampf führen, dem Militär, der Polizei und der Bourgeoisie Schlacht auf Schlacht liefern, sondern er predigte nur gegen die Auffassung der Einheitsfronttaftif als einer wirklichen Koalition mit den Sozialdemokraten und ganz allgemein gegen Menschewismus, Pazifis mus, gegen die demokratische Träumerei, gegen die Arbeiterregierung Macdonaldschen Schlages".

Der Opportunismus der K. V. Č., die Zeit ihres Bestandes keinen Funken vor Schlagbereitschaft gezeigt hat, die sich ängst­lich davor hütete, putschistische Manöver bor zunehmen und es so vermied, ihre Ohnmacht. die deren zweifellos katastrophaler Ausgang gezeigt hätte, bloßzustellen, die ganz un kom­munistische Haltung der Se. P. C. stand in Moskau vor dem Tribunal. Das Urteil lautete fast einstimmig: die K. P. C. muß ihre Hal­tung und Taktik ändern, muß zu einer revo­lutionären Partei werden, die die eigene Bol­schewisierung" sofort in Angriff zu neh men hat.

Die Führer der Partei, vor allem Smeral und Streibich, frochen in Moskau nicht zu Serenze, sie fügten sich nicht dem Diktat der Internationale. Daheim aber entfesselte das Moskauer Urteil einen Sturm in der. P. Č. Die größere Hälfte der Vertrauensmänner der Partei billigte, soweit sie bisher hörbar zu Worte tamen, die vernichtende Kritik über die als Smeralismus zu bezeichnende kommuni­stische" Richtung, es gab ein paar Kampfab­stimmungen in Sißungen, deren kleine Mehr heit gegen Smeral und Kreibich votierten und gleichzeitig brach eine Diskussion aus, die nun schon seit Wochen in der kommunistischen Presse geführt wird und Klarheit über die Wege bringen soll, die die K. P. C. von nun au einzuschlagen hat. Selarheit über alle in Mos­fau berührten und behandelten Probleme: Arbeiter und Bauernregierung, Einheitsfront­taftit, nationale Frage. Was die Diskussion,

Das Wesen des großen Konflifts, den Sinowjew , als das regierende Oberhaupt des russischen Bolschewismus, auf dem Moskauer Songreß auszutragen versuchte, liegt in der Tatsache verborgen, daß die von den nicht­russischen Kommunisten bisher angewandten Methoden des Leninismus überall gescheitert find. Sinowiew selber mußte in Moskau zu geben, daß sich die Bolschewisten in der Vor­aussage des Tempos der sozialen Revolution irrten. Und Sieser Irrtum begreift ja alle an­deren Fehler der kommunistischen Taktik ein. Die Sozialdemokraten, die die Entwicklung und ihr Tempo richtig einschäßten, sind durch die kommunistische Rebitalisierung der Massen, denen von Tag zu Tag der Anbruch der Welt­revolution prophezeit wurde, nicht nur nicht hinweggespült worden, sondern die Stärke und Macht der Sozialdemokratie, der die kommu nistische Agitation jahrelang das Vertrauen abzugraben bemüht war, ist wiederum im stän digen Steigen begriffen. Die Stommunisten da­gegen, die durch den Willen, allüberall sofort die Diftatur des Proletariats aufzurichten für die sie die Zeit schon als gekommen er­tlärten im erster Ansturm die Gefühle un­flarer Revolutionäre für sich gewannen, haben durch das Fehlschlagen ihrer Methoden und durch die Enthüllung der Falschheit ihrer Vor­aussichten, das Vertrauen der Arbeiter zum großen Teile wieder verloren. Zwei typische Beispiele hiefür und Beispiele, die für die Moskauer Internationale von entscheidender Bedeutung sind, sind nun Deutschland und die Tschechoslowakei . Typisch, weil in beiden Län­dern klarer als sonstwo der rückläufige Prozeß des Bolschewismus zum Ausdruck kommt, und entscheidend für Moskau , weil die reichsdeut- Blutvergießen nicht mehr aufrufen. Ihnen galt wiki zu spielen", dieser Sinowjew ist schon die im deutschen und tschechischen kommunisti­sche und die tschechoslowakische Sektion der Sinowjews erster und schärfster Tadel und an zur Erfenntnis gekommen, daß der kommuni- schen Lager stattfindet, hierüber zu Tage för­Kommunistischen Internationale zahlenmäßig ihre Stelle tritt eine neue Führergarnitur, stische Stampf gegen die Sozialdemokratie auf dert, wird noch eingehend besprochen werden. und ihrer politischen Stellung nach deren be- die sich bemühen wird, die Putschtaktik fortzu- die Dauer doch nur einen sehr bescheidenen Vorläufig sind diejenigen, die bis jetzt an der deutendste Glieder sind. setzen. Die nächste Zeit wird lehren, wie viele Erfolg verspricht und wie Sinowjem das Spitze der St. P. C. stehen, in dieser Diskussion Die übrigen Sektionen Mostaus find Arbeiter hiefür in Deutschland noch zu ge- in Moskau formulierte das Auferstehen allein geblieben. So wie Smeral unter den durchwegs so klein und schwach, daß sie noch winnen sind. der Menschewiti" nicht verhindern kann und tschechischen, hat Kreibich, unter den deutschen gar nicht genügend. Gelegenheit erhielten, die Und in der Tschechoslowakei ? Hier wan- konnte. Darum sagte er jetzt den Parteien Kommunisten bis nun fast alle Diskussions­zugkräftigen bolschewistischen Parolen irgend- delte die kommunistische Partei, gleich nach den in erster Linie war das wohl an die tschecho- redner gegen sich. wie in Aktionen umzumünzen. Anders in ersten putschistischen Flugversuchen, andere slowakischen Kommunisten gerichtet, daß es, Diese Tatsache allein beweist schon die Deutschland und in der Tschechoslowakei . Das Bahnen. Hier beschränkten sich die Stommunium Stommunist zu sein, wenig ist, wenn man schwere Krise, die die kommunistische Be­deutsche Proletariat hatte hinreichend und ost sten vollkommen auf die zweite bolschewistische gegen die Sozialdemokratie ist," und deswegen, wegung auch und insbesondere in der Tsche­genug Gelegenheit, Proben auf das bolschewi- Art der Propaganda und Aktion", nämlich weil das bolichemistische Programm in dieser choslowakei durchmacht. Die kommunistischen stische Exempel zu machen. Der Erfolg blieb auf die Bekämpfung der Sozialdemokratie. und jeder Hinsicht erfolglos blieb, macht man Arbeiter, denen man das Blaue vom Himmel vollkommen aus, Butsch auf Putsch endete mit Sinowjew , der Führer im strupellosen kommu- ießt in Moskau ein neues Programin, er für den morgigen Tag versprochen hat, zeigen Niederlagen und endlich zur Einsicht gelangte nistischen Stampfe gegen die Sozialdemokratie, forscht schrittweise den Weg, geht lieber lang- begreiflicherweise wenig Lust, jetzt, nach vier Führer wollen die Arbeiterschaft zu neuem er, der jeßt wieder in Moskau den kommuni- famer vorwärts"... Die verlogene Gin Jahren, erst über das Wenn und Aber zu opferreichen und sicher wieder vergeblichem stischen Parteien empfahl, mit den Mensche- heitsfronttaltik, angewendet nur, um die So- diskutieren; von den diskutierenden Ver­

Berlin, 27. August.( Eigenbericht.) Die Kommunisten haben heute angekündigt, daß sie über jeden Paragraphen der Gefeßesvorlagen namentliche Abstimmung beantragen werden. Ein derartiger Vorgang würde dazu führen, daß der Meichstag mindestens drei­Big Stunden allein für die namentliche Abstimmung braucht, ganz abgesehen von der Zeit, die von den einzelnen Rednern in Anspruch genommen wird.

Inzwischen hat der Reichspräsident dem Reichskanzler die Vollmacht zur Auflö­fung des Reichstages für den Fall einer Ablehnung des Eisenbahngefeßes gegeben. Sobald sich die Abstimmung als negativ ergeben hat, wird der Reichskanzler von dieser Voll­macht Gebrauch machen und gleichzeitig mit einem Appell vor das Volk treten.

-