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4. Jahrgang.
Sozialdemokrat
Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.
Freitag, 14. November 1924.
„ Die Lehre von Dftrau“. Boller Sieg der österreichischen Eisenbahner.
Die Kommunisten können sich über den
"
Seipel sucht den Sieg zu verkleinern. erst Dienstag.
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Wahl der Regierung
Die Eisenbahner find mit dem Erreichten bur chauszufrieden und es wurde auch um Mitternacht überall der Verkehr im vollen Umfange aufgenommen.
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Erihein mit Ausnahme Des Montag täglich früb. Nr. 267.
Seipels Trumpf.
Der Stveit auf den österreichischen Bundesbahnen ist beigelegt worden. Die organisierte Arbeiterschaft hat wieder einen großen Erfolg errungen und hat dem Finanzkapital und feinen Sendlingen, die Desterreich regieren, gezeigt, daß sie noch Mittel in der Hand hat, um zu verhindern, daß sich Seipels Elendssanierung zur Vernichtung der arbeitenden Massen des Volkes auswächst. Um ganze sechs Milliarden ( das sind drei Millionen tschechische Kronen) hatte es sich bei den ersten Forderungen der freigetverkschaftlichen Eisenbahnerorganisation gehandelt.
Ausfall der Gemeindewahl in Ostrau nicht faffen. Aus ihrer Presse tönt noch immer rasendes Freudengeheul. Das Reichenberger Bolschewifenblatt midmet dem Jubel über die Verluste, Wien , 13. November.( Eigenbericht.) Die den aktiven Eisenbahnern zugestand, zugestehen die wir bei dieser Wahl erlitten haben, schon neue Regierung wurde auch heute nicht gebildet. müffen. den britten Artikel, deren legter eine Betrach- Im Hauptausschuß teilte nämlich Dr. Seipel tung übee die„ Lehre von Ostrau" sein soll, aber mit, daß er heute nicht in der Lage sei, die neue nach bekanntem Wuster in seiner Gänze eine Kabinettslifte mitzuteilen, da noch gewisse Vor ordinäre und unflätige Schimpferei auf die So- aussetzungen gefaßt werden müßten, die die Ger gialdemokratie ist. Wir sind danach wieder ein- währ dafür bieten sollen, daß das Sanierungsmal tot, toter, om totesten und dem Boliche- programm durchgeführt wird. Er habe infolge deffen die Landeshauptlente telegraphisch nach Wien , 13. November .( B.) Heute früh mitenblatt bleibt nichts anderes übrig, als demien eingeladen. Mit Rücksicht darauf wurde widelte sich der Personenverkehr bereits regel An diesen sechs Milliarden, fo glaubten Herr toten Löwen den Eſelsfußtritt zu Seipel Unterläufel, war die Totſagekunſt ausschließlich Privileg der Sigung des Nationalrats, in der die Wahl der züge dürfte in ein bis zwei Tagen wieder normai bürgerlichen Parteien, jest haben sie von ihnen, Regierung hätte vorgenommen werden sollen, bis funktionieren. wie so viele andere liebliche Methoden, die Dienstag vertagt. ostaujünger übernommen. Bei der Die wahren Gründe, warum Seipel Ausübung dieses traurigen Geschäftes mußten heute die Regierungsbildung hinausgeschoben hat, Die Wienreise Beness verschoben. sie allerdings schon wiederholt bekennen:„ Wir liegen darin, daß die Regierung gehofft hat, von Wien , 13. November .( N.) Da die Wahl haben einen Scheintoten begraben" und" Die den Eisenbahnern durchzusehen, daß fie bis zum der Regierung erst in der nächsten Woche stattfinSozialdemokratie hat sich als widerstandsfähiger April leine neuen Forderungen stellen werden. det, wurde der für den 17. und 18. November anerwiesen, als wir gehofft haben". Wenn die Diese Bedingung wurde von den Eisenbahnern ab gejagte Besuch des Ministers Dr. Beneš nach Kreaturen Sinowjews sich jetzt freuen, das gelehnt. Die Regierung versuchte noch, dies in der mit Prag gepflogenem Einvernehmen um eine amtlichen Verlaufbarung über die Beendigung des Woche verschoben. Minister Dr. Bened trifft dem Wahlergebnis von Mähr.- Ostrau jei ein be- Eisenbahnerstreits zu verschleiern, indem sie nach Montag, den 24. November, in Wien ein. sonders frasser Ausdruck für den allgemei- barin erzählte, daß durch die Vereinbarung die nen und unaushaltsamen Niedergang der fo- Entlohnung der Eisenbahner den weiteren zialdemokratischen Partei in der Tschechoslowa- Schwankungen der Preise entzogen werde. In fei", jo merden sie auch jetzt wieder bald bittere Wirklichkeit hat aber die Regierung diese Be Wehrmutstropfen in ihren Freudenbecher fallen bingung nicht durchgefeßt, sondern hat ohne diese sehen. Tot jagen ist immerhin ein leichteres Bedingung den Eisenbahnern nahezu alles, Geschäft als Totschlagen, besonders aber als was fie forderten, augestehen und sich über- geteilt: bies verpflichten müssen, in die neue Dienstprag Infolge Einstellung des Streils auf zu Sinales , in dem faſt die Hälfte der Bevölkerung die Kunst, das eigene Leben 31 berlängern metit, bie erst geschaffen werden foll, bie beffetens Bfterreid fchen Bundesbahnen ist der regelmäßige Eben um dieses eigene Leben seiner Partei ben Grundfäße des Dienstrechts, namentlich die Bahnvertehr mit Desterreich wieder aufgenom- sozialdemokratisch wählt, seine Demission ein geht es dem Bolichewifenblatte. Es spricht von Aufrechterhaltung der Untündbarkeit, aufzunehmen. Unsere Züge fahren wieder nach Desterreich bringt, um zu demonstrieren, daß ihm der„ Geiſt" ciner Lehre von Ostrau "; ouch wir men. Auch den Pensionisten hat fie alles, was sie und zurüd. der Arbeiterbewegung nicht genehm sei, ist ebenso halten dafür, daß aus der Ostrauer Gemeindeneat wie frivol. wahl eine Lehre zu ziehen ist und wir wollen sie ziehen. Wir haben diese Lehre nicht zu scheuen. Untersuchen wir zuerst, ob den Scommunisten ein Recht zukommt, sich über unsere Ostrauer Niederlage zu freuen. Es wurden
Talen.
der Bundesbahnen Günther erzählen zu können, hing das Budget, an ihnen hing die ganze glor reiche Sanierung Desterreichs. Die Streiftage haben durch den Ausfall an Einnahmen der Be desbahnen weit mehr gekostet als diese sechs Mil liarden, die Seipel und Günther nicht mehr leisten konnten. Die Herren von der Regierung wußten sehr gut im voraus, daß der Streit mehr kosten würde als er einbringen könnte. Sie wußten wahrscheinlich sogar, daß sie ihn verlieren würden. Sie riskierten ihn doch, weil sie zeigen wollten, daß sie den Geist des Streiks" verdammen. Herr Seipel geniert sich gar nicht, zu gestehen, daß die Kampfmethoden des Proletariats ihm nicht passen. Es ist natürlich sein gutes Recht als Privatperson, den Streik zu verdammen. Es ist auch sehr verständlich, daß der Auftraggeber Aus dem Eisenbahnministerium wird mit des Großfapitals Streits nicht gern sieht. Daß aber der Führer einer Partei, die doch auch Ar
Wiederaufnahme des Eisenbahnverkehrs mit Defterreich.
Auflösung der Radič- Partei? Teilweise Kabinettskrise in Polen . Wahlvorbereitungen der Radi- Warschan, 13. November. Wie die Abend blätter melden, ist die vom Innenminister, bem Belgrad , 13. November. Der radikale Justisminister und dem Arbeitsminister einbei der Wahl 49.127 Stimmen abgeben, davon Hauptausschuß hielt gestern unter Borsi des gereichte Demission vom Minsterpräsidenten erhielten die tschechischen und deutschen Kom- Ministerpräsidenten Pafie cine Sigung ab, in Grabsfi angenommen worden. Die Ernennung munisten zusammen 5683, das sind nur welcher über die Organisierung der Wahlagi- der neuen Minister dürfte im Laufe des morgigen etwas mehr als zehn Prozent der abge- tation beraten wurde. Wie bestimmt verlautet, Tages erfolgen. gebenen Stimmen. Fast genau soviel Stimmen steht die Auflösung der kroatisch- reerhielten die Tschechischklerikalen allein! In dem publikanischen Bauernpartei auf Massenverhaftungen in Spanien . größten Industriebecken der Republik zehnein- Grund des Gesetzes zum Schuße des Staates unMadrid, 13. November. 36 Personen von halb Prozent der Wähler das ist die geBelgrad, 13. November. Die Regierung versch ebenen revolutionäven Banden in der Pro waltige fommunistische Massenpartei! Das ist ordnete die unverzügliche Aufhebung der vinz Navarra wurden verhaftet und dem Kriegsdie Partei, die täglich schreit, als gälte es, die Provinzial- Autonomie der Kroaten gericht übergeben. I'm Zusammenhange damit Mauern von Jericho umzublasen und als stünde und Slowenen an, die von Davidovič auf Ver- wurden weitere Verhaftungen in St. Jean de Luz, das gesamte Proletariat hinter ihr! Mähr. langen der Kroaten wieder hergestellt worden war. San Sebastian und Bilbao vorgenommen. Ostrau , Witkowik, Přivoz, Marienberg u. a., 0000 die das heutige Groß- Ostrau bilden, sie galten
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fabetten. fen hat, fo fil
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mittelbar bevor.
Die Eisenbahner haben erreicht, daß ihnen für die definitive Besoldungsreform vertvolle Zugeständnisse gemacht wurden. Sie werden weit über das Maß deffen hinaus, was man ihnen unsprünglich gewähren wollte, werbesserungen ihrer definitiven Gehälter, rüdwirfend bis 1. Oktober 1924 erhalten. Die Eisenbahner können mit dem Ausgang des Streiks zufrieden sein. Aber auch der Regierung iſt Genugtuung gegeben worden. Die christlichsoziale Partei hat durch ihre Sprecher pathetisch erklären laffen, sie stehe bis auf den letzten Mann hinter Seipel und eine ganz flägliche Rolle spielten wie immer die Großdeutschen. Diese Herren, deren im deutschnationalen Eisenbahnerverband vereinigten Wähler am Streik teilnahmen und vor seinem Ausbruch höhere Forderungen als die freie Gewerkschaft gestellt hatten, leugneten jeden Zusammenhang mit der Streifbewe
doch als Burgen und Domänen der Kommuni- mart und Schweden , neuestens auch Ham- an der Erstarkung der Klassengegner des Pro- vermochten. Die Stipendiaten Mosften, doch nun zehneinhalb Bro- burg und Anhalt nicht genug? In S a mletariats und an der Schwächnung der Arbeiter aus haben sich wie überall, so auch gent! Wenn jemand eine vernichtende Nieder- burg haben die Kommunisten in sechs Mo- bewegung mißt, der weiß, daß sie der Sache hier, als zutreiber für die Feinde Tage" erlitten hat, so sind es die Sinonjem- naten 31.2 Prozent ihrer Stimmen verloren der Klassenbewußten Arbeiterschaft unendlichen des Proletariats, als Schrittund haben gemeinsam mit den Völkischen eine Schaden und nur schaden zugefügt haben. macher der Bourgeoisie bewährt. Aber auch die Wahlen in einer Reihe an- geradezu vernichtende Niederlage erlitten, wäh- Der für uns schlechte Wahlausgang in Sie werfen der Sozialdemokratie vor, sie habe derer Städte beweisen, daß es gerade die kom- rend die Sozialdemokraten tros geringerer Ostrau ist für die Arbeiterschaft wirklich eine Politif des Erreichbaren und munistische Partei ist, die sich in dem allge- Wahlbeteiligung ihre volle Stärke behielten! eine Lehre, doch eine andere, als ihr die nicht eine Politik der ernsten opfermeinen und unaufhaltsamen Niedergang" be- Von Rußland, wo eben Sinowjew - Rame- Kommunisten zu ziehen raten. In Ostrau hat vollen Kämpfe betrieben, weshalb sich findet, den sie uns anzudichten trachtet, um von new ein Buch Troßkys(!) konfiszieren nicht nur die Sozialdemokratie eine Schlappe viele Arbeiter von ihr abgewandt haben. Wir ihrem eigenen Zustand die Aufmerksamkeit ab- ließen und wo die Kommunisten nur noch Dank erlitten, sondern die Arbeiterschaft haben es allerdings den Bolschewiken überlassen, aulenten. In 3n a im brachte sie es bei der der Bajonette der Roten Armee die unzufrie- überhaupt. In Ostrau war es den Kom- eine Politik des U nerreichbaren zu freifürzlich durchgeführten Gemeindewahl auf ganze denen Arbeiter- und Bauernmassen beherrschen, munisten nach der Spaltung am gründlichsten ben und mit dem Leben und der Freiheit der 351 Stimmen, das ist also nicht einmal auf gar nicht zu reden. gelungen, die sozialdemokratische Partei zu zer- Arbeiter freventlich Hasard zu spielen.
den zehnten Teil der für die tschechischen Die fommunistische Partei, die so ausschlagen, doch was verblieb ihnen Dazu war unser Pflichtgefühl und unser Ver
zu
und deutschen Sozialdemokraten abgegebenen ficht, glaubt ever sein, über den„ Nie selber von den uns damals abtrinnig ge- antwortungsbewußtsein zu groß. Das beginnt
Stimmen. In Pro ẞniß waren es 1095 bergang" anderer sich paroristische Freuden- machten Arbeitern? Im Anfang war Ostrau die Arbeiterschaft überall zu erkennen und wird Wähler, die sich zu den Kommunisten bekann- ausbrüche leisten zu können, obwohl sie über ihre Hochburg, in der jeder Sozialdemokrat uns dafür Dank wissen. Auch in Ostrau , wo ten, während für die tschechischen Sozialdemo; die Wirkung ihrer Spaltungs- und Berseßungs- verfehmt war und in der sie sogar ein eigenes diesmal noch die Zerstörungsarbeit der Komfraten 4353 Wähler stimmten. Und sogar in tätigkeit die tiefste Neue befallen müßte. Vier Tagblatt erscheinen lassen konnten. Bald aber munisten nachzuwirken vermochte. Der FriSeremni( Slowakei ) erhielten die Stommu Jahre kommunistischer Agitation doch woo- ging dieses Blatt ein, die verführten und nüch- volitätjener aber wird sie fluchen, nisten nur fünf Mandate, die tschechischen So- hin ist dabei die Arbeiterbewe- tern gewordenen Arbeiter verliefen sich, wurden die nicht sehen wollen, daß ihre zialdemokraten dagegen sieben. Warum spricht gung gekommen! Wenn man das öde apothisch und heute ist auch die kommu- Winierarbeit sie längst zu Maroder Vorwärts" nicht von As c), der ehemaligen eschimpfe auf die Sozialdemokratie für ein nistische Partei dort nur ein elen- beuren des Klassenkampfes, den Metropole der kommunistischen Bewegung in politisches Ueberzeugungsmittel, wenn man es häuflein. Es ist wahr, daß die Ar- Gelben gleich, gemacht hat und die Westböhmen, wo unser„ Niedergang" so unauf- wüsten Strakehl und die Abfassung von fettge- beiterschaft dieser Stadt noch, nicht zur Sozial- sich besinnungslos freuen, daß sie haltsam war, daß unsere Kandidaten bei den druckten Aufrufen an die Arbeiterschaft, in demokratie zurückgefunden hat, woran vielleicht der Arbeiterschaft zu einer NieGemeindewahlen im Oktober mehr Stimmen denen hochleben auch das mangelnde Selbstvertrauen der tätigen berlage verholfen haben. Die„ Lehre u bie 2 erhielten, als die Kommunisten! Sollen wir gelassen wird, als Etappen der Weltrevolution Genoffen Schuld sein mag, die allzu fatalistisch von Ostrau " wird bald für den leßten Prolenoch Beispiele aus dem Ausland anführen. ansehen will, dann haben die Kommunisten für in den Wahlkampf gingen, aber sie steht auch tarier sein, daß es den Klassenkampf und den wie dort die Entwicklung sich vollzieht? Sagen die Arbeiterschaft Herrliches geleistet. Wer aber nicht bei den Kommunisten, die nur zer- Sozialismus schädigen heißt, den Kommunisten England und Frankreich , Däne- ihre Erfolge an dem Wachstum der Reaktion, stört haben, aber nichts aufzubauen zu folgen!