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5. Jahrgang.

Zz 2538

Sozialdemokrat

Prašets Ende.

Zentralorgan der Deutschen   sozialdemokratischen Arbeiterpartei

in der tschechoslowakischen Republit.

Freitag, 27. November 1925.

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Nr. 276.

Der neuerliche Massenabbau deutscher Die Bolitit der Ueber­

Staatsangestellter.

Scharfer Brotest unserer parlamentarischen Klubs.

Der Klub der deutschen   sozialdemokratischen Abgeordneten und Senatoren hat sich in feiner ersten Sigung vor allen anderen Angelegenheiten mit der in jüngster Zeit neuerlich vorgenommenen Massenentlassung deutscher   Angestellter, insbesondere der Eisenbahner und Postbediensteten befaßt. Er spricht seine tiefste Empörung über diese unerhörte und die schlimmsten Befürchtungen übertreffende Maßnahme aus, die überdies allen gegebenen Versprechungen, sowie sogar gegen den Geist und Wortlaut des ohne­hin jeder Gerechtigkeit hohnsprechenden Abbau gefeßes widerspricht. Der Klub betrachtet diese Maßnahme e als ein einen Gewaltakt der Regierung gegen die deutschen   Arbeiter und Angestellten. Schon anläßlich der Budgetberatung wurde durch die Sprecher unserer parlamentarischen Vertretung, feſtgeſtellt, bab die in Muslicht genommene fachliche Beurteilung nur beim Ab­bau tschechischer Angestellter und beo bachtet wird, während gegenüber den deutschen  Bediensteten, namentlich seitens der Eisenbahn- und Postverwaltung, dagegen mit brutalen na tionaliſtiſchen Gewaltmethoden borgangen wird. Das Ausmaß von 10 Prozent wird bei den tschechischen Angestellten und Arbeitern nicht im entferntesten erreicht, bei den deut­shen jedoch bei weitem überschritten. Dazu kommen die Maßnahmen der jüngsten Zeit, die sich offensichtlich als ein Vernichtungsfeldzug gegen die nadte Existenz der deutschen   Arbeiter und Angestellten darstellt. Der 3wed der Abbauaktion geht offenlundig aus dem von der nationalsozialistischen Partei er­laffenen und von den Ministern Benes, Franke und Stribrny gezeichneten Wahlaufruf hervor: die systematische Verdrängung der deutschen   Arbeiter, Angestell­ten und Beamten, und die Tschechisierung deutschen   Gebietes. Die Brutalität dieses Vorgehens wird noch dadurch verschärft, daß die abgebauten Angestellten und Arbeiter um die Vorteile der längst versprochenen Regulierung der Bezüge und Ruhegenüsse betrogen werden.

Die deutschen   sozialdemokratischen Abgeordneten und Senatoren werden alle Mittel in Anwendung bringen, um den Kampf gegen dieses unerhörte Unrecht vor der gesamten Deffentlichkeit zu führen und sie wissen sich in diesem Bestreben eins mit der Haffenbewußten deutschen   Arbeiterschaft, der infolge diefer Maßregelung vera schärfte Arbeitslosigkeit droht und die den Kampf der Staatsangestellten und Arbeiter als ihren Kampf führen wird.

Bergeblicher Ansturm.

raschungen.  

Rom, im November 1925.

Im Ausland muß man den Eindruck haben, als litte das politische Leben Italiens   an epilep tischen Anfällen. Von Zeit zu Zeit kommt eine Periode der Spannung, die sich dann in Zappein und reaktionären Krämpfen entladet. Jede Periode der Spannung wird eingeleitet durch ein Abflauen dessen, was man als Enthusiasmus der Massen bezeichnet. Als im Dezember vorigen Jahres die Enthüllungen über die Vorgeschichte des Prozesses Matteotti den Antifascismus der Bevölkerung hervortreten ließ, sezzie gleich das Gerede von großen politischen Ereignissen ein und dann kam der Anfall: die Rede Mus­solinis vom 3. Jänner, mit der Verkün digung, daß in 48 Stunden die ganze politische Situation des Landes geklärt und umgestaltet sein werde. Und es erfolgte nichts anderes, als eine systematische Abwürgung der Oppositions presse. Der 3. Jänner avan cierte so zum historischen Tage", denn seitdem wurden etwa die Hälfte aller erscheinenden Num­mern der antifascistischen Blätter beschlagnahmi. Diesmal nun, im Herbst, wo das Greifbare kom men sollte, hatten wir auch eine Periode abflau­enden Enthusiasmuts. Die Jahrtage des Mar­sches auf   Rom" haben eine große Teilnahms­losigkeit des Publikums bewiesen; bei allen faſci­stischen Umzügen fehlte völlig jede Beifalls­bezeugung der Menge. Es mußte also wieder etwas Historisches" beigestellt werden. Nachdem cine Verschwörung in Terni   mißglückt war, weil außer der fascistischen Presse niemand von ihr wußte, ein Attentat auf Farinacci   ebenso erfolg­Ivs

ven all mye merlichen Seugelspu

-Capello aufgewartet, das den Vorzug einer besseren Aufmachung hatte. Dank diesem Atten­tat stehen wir nunmehr in der Periode des Zap­peins und Stoßens der Reaktion. Es macht sich wie ein regelrechter epileptischer Anfall.

Während des Wahlkampfes zeigte sich eine einzigartige Erscheinung. Zuerst waren es zwei, drei der Kandidaten, die auf den Listen der Partei Prašeks standen, die erklärten, von der Kan­didatur zurückzutreten, in den nächsten Tagen wurden es immer mehr und binnen kurzem erreichte ihre Zahl ein halbes Hundert. War ein Wunder geschehen? Hatten sich die Leute erst in dem Augenblid besonnen, daß sie Brašets Politik nicht folgen fönnen, da sie auf der Kandidatenliste standen? Bei keiner zweiten Partei ergab sich ähnliches. Ausgerechnet nur die Listen der von Prašek begründeten konfer vativen Agrarpartei zeigten diese Schwind­juchtserscheinungen. Die Blätter von Prašeks Widerpart, Švehlas, veröffentlichten täglich die von Prašek abgefallenen Kandidaten und er­zählten, der Massenabfall sei die Folge heftiger Gewissensbedenken, die bei den Kandidaten Brašet ausgebrochen seien. Spät, aber nicht zu fpät, hätten sie sich eines besseren besonnen und Prašek die Gefolgschaft gekündigt. Man hätte Herrn Švehla und die von ihm auch in der Politik des Staates befolgten Methoden nicht fennen müssen, um die naiven Märchenerzäh­lungen der Švehlapresse glauben zu können. Das Wunder der unter den Kandidaten der tonservativen Agrarpartei ausgebrochenen Massenepidemie erklärt sich anders: cs ist schwerer, einer Partei die Wähler abzutreiben, also wurden die Kandidaten ab­getrieben, und mit diesem man weiß schon mit welchen Mitteln erzeugten- Massen­abfall wurde dann für die alleinfeligmachende Agrarpartei des Herrn Švehla Rellame ge­macht. An Geld fehlt es nicht, um solche Kunststücke fertig zu bringen und auch bei der Wahl der Mittel zur Einschüchterung der San- Alle Wintelzüge der Oppofition gegen den Locarnopatt erfo'glos. didaten, um ihren Verzicht zu erpressen, wird niemand dem Herrn Švehla Strupel zutrauen. Berlin  , 26. November.( Eigenbericht.) Die deute eine Verfassungsänderung, für die eine Obstrul Zweidrittelmehrheit des Reichstages erforderlich Er versteht es, das Wahlglück und die Demo- deutschnational- völkisch- kommunistische Ein Attentat, bei dem nichts ge­fratie zu korrigieren, wie neben manchem an- tion versucht durch allerhand Winkel sei. Ein Gutachten des Reichsjustizministeriums züge den Vertrag von Locarno   noch im letzten hat aber auch diese Hoffnung der Opposition zu schehen ist, bei dem der einzige Beweis in derem auch die Wahlreform zeigte, die er noch moment zu Fall zu bringen. Die Opposition im nichte gemacht. Schließlich wollten sie die Ver- einem verpackten Gewehr und in einem knapp vor Seſſionsschluß im Parlament durch- Reichstag   wollte heute die Abstimmung über den kündigung des Locarnogejeßes um zwei Monate gemieteten Hotelzimmer besteht, ist in brachte und deren schwindelhaften Bestimmun. Balt von Locarno   von der über den Eintritt hinausschieben, wozu nach der Verfaffung ein von einem novmalen Lande nicht zu großzer Berwert­gen er es ſchließlich auch verdankt, wenn ihm Deutschlands   in den Völkerbund trennen, ob einem Drittel der Reichstagsmitglieder einge barkeit geeignet. Anders in Italien  , wo die Po­jetzt die Aussicht blüht, die von den Wählern gleich die Vereinbarungen von Locarno   abhängig brachter Antrag genügt. Aber auch dieser Plan lizei den Mann, der das Gewehr gekauft und das abgelehnte allnationale Koalition dennoch wie- find von dem Eintritt in den Völkerbund. Dann mußte fehlschlagen, da das Gefeß durch einfache Hotelzimmer gemietet hat, schon seit langem kennt der aufzurichten. Prašek und seine engeren versuchten sie durch Mißtrauensanträge Abstimmung als dringlich erklärt und und schüßt, und von ihm genau unterrichtet ist Freunde brachten sicher im Wahlkampf große gegen das Rumpffabinett den Reichskanzler und dann vom Reichspräsidenten sofort verkündet über jede Bewegung, jede Absicht des als Atten­täter" zu verwvertenden Mannes. In der Ge­materielle Opfer, aber was immer sie aufge- den Außenminister an der Unterzeichnung in werden kann. In der heutigen Abstimmung anläßlich der schichte wird das Attentat vom 4. November zu hindern; doch hat das Kabinett seinen wendet haben mögen, es können doch nur Bettel Rüdtritt bereits angekündigt, so daß es gar nicht zweiten Lesung wurde denn auch die Locarnovor- wenn für so winzige Dinge Play in der Ge­summen sein gegen die Mittel, welche Švehlas mehr gestürzt werden kann. Weiters hatte die Op- lage mit 271 Stimmen gegen 159 angenommen. schichte ist als Attentat Quaglia ver­Partei aus verschiedenen Quellen aufzubringen position behauptet, der Vertrag von Locarno   be-| Die Schlußabstimmung findet morgen statt. zeichnet werden. Das hat uns das Ministerium imftande ist und so mußte, wie vorauszusehen des Innern selbst verraten, indem es dieses war, das unter ungleichen Vorausseßungen be ehrenwerte Individuum, das von ihm als Lock­gonnene Rennen mit einer Niederlage Prašeks fartell für ihn feine Empfehlung. Mit seinem brüchiger aus dem politischen Leben. Er wird piyel angestellt worden war, in Freiheit ge­tonservativen Programm konnte Prašek nicht darin nicht fehlen und niemand wird seinen seyt hat. Und das, nachdem des langen und brei­Herr Prašek hat nun aus der Niederlage viel aufsteden, denn an Konservatismus" Abgang beklagen. Herr Švehla, der stärkere und ten über die Tätigkeit dieses Journalisten die Konsequenzen gezogen und ist von der Fühist auch bei Švehla und seiner Partei kein einflußreichere Konkurrent, hat ihn zur Strecke Quaglia berichtet worden war, wie er alles ge­tung feiner Partei zurückgetreten. Er habe, fo Mangel. Prašek wollte den politischen Sturs gebracht. Sein Scheiden hinterläßt schon des tant, um Baniboni die Tat zu erleichtern, wie er verbergen, furz, wie er das ſchreibt er in der von ihm veröffentlichten Grim Staate nach Rechts" dirigiert sehen, als halb keine Lücke, weil es sowohl nach der Seite weite flärung, fich davon überzeugen müssen. daß ab es überhaupt noch mehr nach Rechts gehen der persönlichen wie der moralischen Qualitäten bichtigste Element in der Vorbereitung der Tat nicht die großen Ideen, sondern die Macht tönnte! Prašek sah ein gewisses Fortschreiten der Prašeks noch genug gibt. Er und die- Es ist der Presse verboten, irgend des Kapitals und der Brutalität gestegt haben". der Reaktion in anderen Ländern und er hoffte, jenigen, die ihn gehaßt und bekämpft haben, etwas anderes als die offiziellen Nachrichten Von den großen Ideen" sollte Prašef nicht auch er könne nun mit der Reaktion fein sind einander durchaus würdig. Die große über den Anschlag zu bringen, aber das einfache sprechen. Das Bedürfnis nach diesen großen politisches Geschäft machen. Seine Forderung, Idee" Prašeks war, die Politik als Sprung- Nachdenken genügt, um deutlich die Grundlinien Ideen machte sich bei ihm erst geltend, als die ce müsse das Zusammengehen mit den sozia- brett zur Erlangung persönlicher Macht auszu- der Situation zu enthüllen. Das Regime awischen Prašek und Svehla längst währende listischen Parteien in der Regierung aufhören, nüßen. Es gibt viele Seinesgleichen. Als brauchte einen Vorwand zu schär herfönliche Rivalität in offene Feindschaft auß war auch kein besonderer Schlager, denn die Prašek in die Politit eintrat, war er arm, wie ferer Reaktion und dazu ist ein Attentat gebrochen und es Švehla gelungen war, seinen tschechischen Agrarfapitalisten wissen, daß sie eine Stirchenmaus, er ist gleich vielen anderen immer das Zweckmäßigste. Ob man nun wirklich Nebenbuhler aus der tschechischen Agrarpartei sich auf ihren Švehla verlassen können. Dieses während seiner politischen Laufbahn ein reicher den früheren einheitssozialistischen Abgeordneten Hinauszudrängen. Solange er in der Partei Busammengehen mit den tschechischen Sozia- Mann geworden, der sich Aemter, Würden und Saniboni suggestioniert hat, einen Anschlag zu machen, oder ob man ohne sein Wiffen den An­Švehlas stand und von ihr hohe Funktionen listen hat den agrarischen Stapitalisten zwar fründen zu sichern verstand. Die Vertretung schlag plausibel gemacht hat, ist für die moralische empfing, ließ er nichts von seinen späteren nicht alle Hoffnungen erfüllen laffen, aber es der kapitalistischen   Interessen ist ein einträge und politische Bewertung der Sache gleichgültig. fonservativen" Anschauungen merken. Erst machte ihnen das Sißen an der staatlichen liches Gewerbe, das besonders in diesem Staate Die etelhafte Farce wird tragisch, sobald wirklich als er sich vor die Türe gestellt sah und durch Futtergrippe möglich, und das macht schon in Schwung gekommen ist. Prašek ist bei seinen ein Mann sich durch einen irregeleiteten Idea­eine neue agrarische Partei Švehla aus dem etwas aus. Mit dem Konservatismus konnte Bemühungen, emporzukommen, mit anderen, lismus bis zum Hinopfern des eigenen Ichs hat Sattel werfen wollte, entdeckte er zugleich mit Brašek den Svehla nicht aus dem Felbe schla- die noch stärkere Ellenbogen besitzen als er, in treiben lassen, während ihm ein Bump zur Seite der Notwendigkeit, der neuen Partei ein Pro- gen. Švehla, der den Parlamentarismus in Sconflitt geraten und ist dabei unterlegen. Seine stand, der aus feinem heroischen Wahn Geld für gramm zu geben, auch das Bedürfnis nach einer der dentbar schwersten Weise schädigte, die Vergangenheit ist mit der noch immer in fich und Unheil für andere destillierte. Aber der anders gearteten politischen Ginstellung. Dieses Demokratie erschlug und der Reaktion in der Duntel gehüllten Spiritusaffäre belastet, aber Stern bleibt der gleiche: es handelt sich um Zusammenfallen seiner gegen Svehla gerichteten Republik freies Feld schuf, braucht einen Son- diejenigen, die ihn hinausgedrängt haben, und bestellte Arbeit, von der das Ministerium Rachegelüfte mit seinem plößlich erwachten turrenten auf dem Gebiete des Konservatismus ihn der Korruption antlagten, haben noch nicht des Innern vom ersten Tage an wußte, ja, deren fonservativen" Betätigungsdrang war nicht nicht zu fürchten. Prašets große Ideen" haben den Beweis. ihrer besseren moralischen Quali erster Tag im Ministerium des Innern anfing. Ueber den 3 weck und Nußen   de geeignet, ihm im politischen Leben Sympathien also nicht die entsprechenden Abnehmer ge- täten erbracht. Prašeks Bedeutung war nicht Arbeit kann man keinen Augenblick im Zwei­zuzuwenden. Wenn auch das Gefühl für fitt- funden, aber er hat natürlich Recht, wenn er groß, doch der Fall Brašek iſt ſymptomatisch fel fein: das Attentat sollte die Po­fiche Reinheit in der herrschenden Sumpfluft fagt, die Macht des Kapitals und der Bru- und charakteristisch für die politischen Verhält- pularität Mussolinis heben und den fein sehr überwältigendes ist, so war doch auch talität habe gestegt. nisse und darum ist wohl dieser Nekrolog nicht Vorwand für einen neuen Vorstoß der Reaktion ohne Notwendigkeit geschrieben worden. bieten. Von einem Zusammenhang zwischen

enden. London  

feine forruptionistische Tätigkeit im Spiritus- So scheibet denn Braset als ein Schiff

war.

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