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5 Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowatischen Republit.

Abrüstung tut not!

Zur französischen und polnischen Staatsfrise.

Samstag, 28. November 1925.

Außenpolitische Debatte

im Ständigen Ausschulfe der Nationalversammlung.

Prag , 27. November. Es gehörte zu den Spezialitäten des aufgelösten Parlaments, außenpolitische Fragen auf Ne­bengeleise zu schieben und sie immer nur dann zu behandeln, wenn es der Koalition pakte. Diese Art parlamentarischer Verhandlung, die im verstorbenen Parlament von unsern Genossen wieder holt auf das schärffte gegeißelt worden war, wurde vom Ständigen Ausschuß getreulich übernom men und wird auch, wie die Pessimisten glauben, im fünftigen Parlament zu Hause sein. Bevor Dr. Beneš nach Locarno ging, wurde er durch einen Antrag unseres Abgeordnetenklubs aufge­fordert, dem Hauſe Aufklärung über die außenpolitische Lage zu geben. Dr. Beneš ging dem aus dem Wege und erst nach seiner Rüdlehr aus Locarno , also nach vollzogenen Tatsachen, erstattete er der parlamentarischen Aushilfskörperschaft, dem Ständigen Ausschuß, Bericht. Natürliche par­lamentarische Gepflogenheit hätte es erforderlich gemacht das die Debatte sofort abgeführt werde. ,, Selbstverständlich" geschah dies nicht, sondern nur deshalb, um in der Koalition während des Wahlkampfes feinen Mißton aufkommen zu lassen, wurde die Debatte verschoben. Die nächste Sigung des Ständigen Ausschusses aber konnte die Debatte wiederum nicht abführen, weil die Koalition einfach zu Hause blieb und so die Aussprache über tierte. Heute erſt, bolle bier Wochen später, bebas mexpofee fabo­außenpolitische De­batte, die mit der zur Kenntnisnahme der Mini stererklärung mit den Stimmen der Koalitions­n gegen die Stimmen der gesamten Opposition endete. parteien

Von oppositioneller Seite benügte vor allem Genosse Dr. Czech die Gelegenheit,

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Gegenfaß zwischen den schönen Worten des Herrn Dr. Benes vom Locarno - Geist und den häßlichen der Koalition im Zeichen des Verſailler- Geistes aufzuzeigen, Angesichts der neuerlichen tschechoslowakischen brutalen Gewaltmaßnahmen, die sich vor allem gegen das deutsche arbei tende Volf richten, konnte dies unserem Redner gar nicht schwer fallen.

Diefen Gegensaß zeigten auch die weiteren deutschen Rebner Dr. Spiegel unb Dr. Spina auf, der betonte, daß es auch der aller geschichtesten Außenpropaganda schwer fallen dürfte, das Ergebnis der Wahlen zu kontrahieren. Han delt der Außenminister tonsequent diese Konse quenz würde legten Endes zum wahren Patriotis mus führen dann muß er derselbe begei sterte Propagator von Locarno auch in der Innenpolitit seines Staates fein", so schloß Spina.

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Die französische Demokratie ist von einer fajtveren Krise erschüttert, die ihre Ursache in der schwierigen Lage der französischen Wirt. schaft und der Staatsfinanzen hat. Diese finanzielle Not ist nicht etwa, wie die realtionären Streise Frankreichs behaupten, eine Folge der Tätigkeit der Regierungen des Links­fartells, sondern eine Folge der Zerstörung der französischen Wirtschaft im Kriege und der ge­wissenlosen und leichtsinnigen Finanzpolitik des ehemaligen Bloc national. Der Finanzminister Io B, Mitglied einer der reaktionären Nadj friegsregierungen, hatte den Satz geprägt, mit dem die französische Deffentlichkeit über die traurige Lage der Staatsfinanzen hinwegge­täuscht wurde: Le boche payera!"( Der Deutsche wird zahlen.) Nun, da Deutschlands Zahlungen durch den Dawesplan begrenzt sind, erfennt ganz Frankreich , daß es sich nicht auf Deutschlands Zahlungen, sondern auf die eigene finanzielle Straft verlassen und die zerrütteten Staatsfinanzen in Ordnung bringen muß. Die Staatsschuld ist inzwischen jo angewachsen, daß yon den 34 Milliarden Francs betragenden Einnahmen 22 Milliarden zur Dedung der Staatsschuld verwendet werden müssen; weitere zehn Milliarden Francs macht der Heeresetat aus, jo daß für alle wirtschaftlichen, sozialen und fulturellen Aufgaben im Buy Frant reich einfach feint Poum iftammt noch, daß die zeldzuge in Maroffound Shrien große Anforderungen an die Staatstaffe ftellen und das ganze Budget für das heurige Jahr über den Haufen werfen. Die Situation er­fordert rasches Handeln. Im Dezember werden mehr als zweieinhalb Milliarden schwebender Schulden fällig und man weiß heute noch nicht, wie man diese Zahlungen leisten soll, trotzdem die Bank von Frankreich den Notenumlauf vor furzem um eineinhalb Milliarden erhöht hat. Die bürgerlichen Parteien innerhalb des Links fartelle und die sozialistische Partei können fich über die Art der Lösung des Finanz­problems nicht einigen. Nachdem Caillaur Bersuch, durch eine große innere Anleihe die schwebende Schuld in eine fundierte zu ver wandeln, mißlungen ist, brachte doch diese Ausschuß, Genoffe Dr. Czech, führte u. a. aus: Anleihe statt der erwarteten 40 bis 50 Millior- Die Machtung des Parlaments. den nur sechs Milliarden unterbreitete ber Das Vorgehen der Regierung beim Ab­ehemalige Ministerpräsident Painleve der schluß der Vereinbarungen von Locarno for Stammer einen Plant auf einen zwanzigprozen þert zur schärften ritit heraus. Meder tigen Zuschlag zu allen Steuern, während der sur seinerzeitigen Ueberreichung des tschechoslowa Kern des sozialistischen Finanzplanes die lischen sogenannten Schicdsanbotes an die reichss apitalabgabe ist. Ferner erklärte die deutsche Regierung, noch zum Eintritt der tsche fozialistische Fraktion, unter teinen Umständen chischen Delegation in die Vertragsverhandlun eine Vermehrung des Banknotenumlaufes au gen, noch auch zum Abschluß des Uebereintom dulden, weil dies eine Entwertung des Geldes mens in Locarno wurde das Einvernehmen mit und damit des Lohneinkommens der französi ben verfassungsmäßigen Faktoren und besonders mit der Nationalversammlung gepflogen und schen Arbeiterklasse nach sich ziehen würde. fchon gar nicht die Entscheidung der zuständigen Einige, Tage vor dem Rücktritt des amei parlamentarischen Instanzen herbeigeführt. Man an denen die abtretende Regime so überreich ge­ten Ministeriums Painleve ist es auch zum hat es nicht einmal der Mühe wert erachtet, in wesen ist, und die es vor der ganzen Welt für Rücktritt der Regierung in Polen gekommen, einem der vorgeschilderten Vertragsstadien an immerwährende Zeiten als voltsfeindlich di sich in einer ähnlichen Lage befand. Seit die zuständigen politischen Instanzen Bericht zu stigmatisiert. anfangs 1924 war die polnische Währung durch Einführung des 3loiy stabilisiert. Aber die

Sonst drängte sich vor allem die Frage der Anerkennung Sowjetrußlands de jure in den Vordergrund. Dr. Smeral warf Beneš vor, diese Frage immer wieder zu verschieben. Der tschechisch- sozialdemokratische Redner Dr. Sou tub erklärte, daß seine Partei auf dem Stand­punkt der vollen Anerkennung Ruhlands ir ank die Lösung diefer selbstverständlichen Frage beschleunigt werden müsse. Gegen bie Anerkennung sprach unter Anwendung der Kramar'fchen Argumentation nur der Nationaldemokrat Dr. Safn und in etwas gemäßigterer Form sein Par­teikollege aus dem Senat Dr. Brabec.

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Der Nationalsozialist lavicet und auch Brabec hielten es für notwendig, die Unter­brückungspragis der staatlichen Behörden zu vertet digen. Der Nationaldemokrat versticg sich sogar so weit, die Ausmerzung der Bestimmungen über den Schuß der Minderheiten aus dem Völler­bundpakt zu verlangen!

Zum Schluß gab es eine der gewohnten Reden des Außenministers. Dr. Benes antwortete auf einige in der Debatte vorgebrachten Einwände mit vielen schönen Worten, wobei er unter anderem erklärte, daß er viel lieber das Genfer Protokoll angenommen hätte, als den Vertrag von Locarno ...

Versailles oder Locarno ?

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Der Kapitalismus bedeutet Krieg.

Und nun zum Erposee des Außenministers! Wir halten jeden Versuch, im Rahmen der kapi talistischen Wirtschaftsordnung einen ewigen Frieden zu schaffen, für hoffnungslos. Erst die Beseitigung der kapitalistischen Wirtschaftsord­nung und ihr Ersag durch ein auf fozal. Brinzi­pien aufgebautes Gesellschaftssystem kann die Ver ständigung der Völker über ein friedliches Zusam menleben, über eine gedeihliche Zusammenarbe bringen, fann der Welt den langersehnten Frie­den geben. Aus diesen Envägungen heraus fön­nen wir den Vereinbarungen von Locarno . auch wenn sie der vielen Unzulänglichkeiten ent­fleidet werden könnten nicht anders als step­tisch gegenüberstehen. Sie sind von fapitalistisch imperialistischen Staaten geschlossen und konnten Daher begreiflicherweise nur eine.fapita listische Friedenslösung bringen. Un­fere pessimistische Einschätzung dieser Abmachin gen ist daher nur zu begründet. Unser Pessimis­mus gegenüber Locarno stützt sich jedoch nicht bloß auf die eben geltend gemachten Bedenken, sondern insbesondere auch auf die Erfahrungen, die die Welt bisher mit allen kapitalistischen Staats- und Friedens- und Freundschafts- und Defensivverträgen, mit allen Schuß- und Truß­bündnissen gemacht hat. Sie waren immer in den Händen der kapitalistischen Machthaber nichts anderes als ein Fezen Papier , das man einfach wegwarf, wenn es die kapitalistischen Interessen der Gewalthaber erforderten. Daran würde der Bestand des Völkerbundes, der ja hent: noch immer ein Machtinstrument der imperialistischen Siegerstaaten ist. taum etwas ändern. Wir haben

aim Corfutonflitt gesehen, wie sich Jtalien über den Völkerbund kaltblütig hinwegsetzte und eines Tages die Schiffstanonen sprechen ließ. Nur wenn es der Arbeiterschaft gelingt, mit den tapitalistischen Mächten aufzuräumen tind auch den Völkerbund mit ihrem Geiste zu durchdringen, aus ihm einen wahren Bund der Bölfer statt eines Bundes fapita­listischer Machthaber zu machen, nur dann Yönnten Völkerrechtsverträge den Wert wah rer realer Friedenssicherungen erlangen.

Auch dem Genfer Protokoll gegenüber, das eine weit umfassendere Friedenslösung darstellt, bessere Friedenssicherungen bietet, haben wir den gleichen Standpunkt eingenommen, Troßdem haben wir uns für das Genfer Protokoll mit aller Wärmte eingesetzt, denn es bedeutet auch wenn es der Welt den langerſehnten ewigen Frieden gleichfalls nicht zu bringen, auch wenn

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Der Sprecher unserer Delegation im ständigen erstatten, es vielmehr ganz unfaßbarerweise vores triegerische Konflikte nicht für immer zu ban­gezogen, die Berichterstattung in den Minister- nen vermag, gegenüber dem heutigen gang rat, die Koalitions- Desitta und den Bollzugsaus- unerträglichen Zustande einen ungeheuren fort schuß der tschechisch- nationalsozialistischen Partei schritt. zu verlegen, obwohl zur selben Stunde. das Par­lament versammelt var und eine Verhandlung des Gegenstandes im Plenum und im außenpoli tichen Ausschuß möglich gewesen wäre. Man zeige uns noch ein zweites Pavlament, das Derartiges thig hinnehmen würde. Gegen dieses der De motratie geradezu hohnsprechende Vorgehen muß mit aller Entschiedenheit Protest eingelegt werden. Es bildet ein würdiges

Schlußglied in der Kette von Verfaſſungs­widrigkeiten,

Diesen Fortschritt mit allen Mitteln zu för­dern, auch im Rahmen diefer Geſellſchaftsord­mung alle Friedensmöglichkeiten zu benüßen und zu unterstüßen, jeden Steim einer Friedenshoff­nung zu pflegen, halten wir für eine der wichtig sten Aufgaben der sozialistischen Parteien. Und daraus ergibt sich unser Standpunkt zu Locarno von selbst.

Die Mängel des Locarnovertrages.. Vergleicht man den Inhalt des Locarno­übereinkommens mit jenen des Genfer Protokolls, so ergibt sich sofort, wie wenig die in Locarno gefundene Friedenslösung zu befriedigen vermag. Alle weittragenden und grundlegenden Gesichts­punkte fehlen beim Uebereinkommen von Locarno ,

Freude darüber sollte nur von furzer Dauertreibt der Militarismus Frank- tarife, durch die Steuer auf einen so wichtigen einnimmt, die sie vor dem Kriege beanspruchen sein, der Zloth brödelt abermals an allen reich und Polen an den Rand des industriellen Bedarfsgegenstand wie die Kohle fonnte. 1913 betrug der Anteil Europas an der ausländischen Börsen ab, dem Bande droht Abgrundes. Diese Besteuerung treibt auch bei uns die Pro- Gesamtausfuhr der Welt 61 Prozent, also fast eine neute Entwertung des Geldes. Der Devisen- Wir in der Tschechoslowakei sollten duktionskosten in die Höhe und erschwert den zwei Drittel, 1924 jedoch nur 50 Prozent, also borrat der polnischen Nationalbant wird immer an den Erscheinungen dieser mit uns politisch) Export der Industrieartikel. Das hat zur Folge, die Hälfte, während in der gleichen Zeit geringer, die Handelsbilanz weist allmonatlich befreundeten Staaten nicht gleichgültig vorüber- daß auch die Tschechoslowakei noch nicht jene Amerikas Anteil von 23 auf 30 Prozent, der ein affivum von 60 bis 90 Millionen Bloth gehen. Wohl hat der Staatsvoranschlag für das Intensität des Wirtschaftslebens wieder erreicht Aftens von elf auf 15 Prozent gestiegen ist. auf ein wochenlanger Handelstrieg mit Deutsch nächste Jahr mit einem Ueberschuß abgeschlossen, hat wie vor dem Kriege, daß wir uns trop Der Militarismus verhindert Europas wirt land hat das Wirtschaftsleben des Landes schmer aber wir haben schon bei der Vorlage des Bud- einer sogenannten guten Konjunktur in Wahr schaftliche Gesundung und treibt die europäischen geschädigt, eine Reihe großer Banten ist zu gets dargelegt, daß dieser Ueberschuß nur ein heit seit dem Ende des Krieges in einer be- Staaten dem Abgrund zu. Soll Europa wieder ammengebrochen. Auch hier ist die Ursache fünstlich errechneter ist. Von zehn Milliarden ständigen schleichen den Wirtschafts - die alte stolze Höhe der Wirtschaft und soultur der Finanznot und damit der Strije des Staates Ginnahmen verwendet man auch bei uns nicht trife befinden, welche die Lebenshaltung in der Welt erreichen, dann brauchen wir ein in, ben ungeheueren M il itärausgaben weniger als apei Milliarden für den Militaris. unserer Arbeiter ſentt. weites Locarna, welches vor allem ben gu fudjen, die jede Stabilisierung der Währung, mus, zwei Milliarden für die Binfenzahlung So sehen wir einen Zeil der europäischen unsinnigen militärischen Rüstungen ein Ende jebe Erholung des Wirtschaftslebens unmöglich der Staatsschuld, was zusammen vierzig Pro Staaten unter furchtbaren Militärlasten jeufgen, feßt, und welches durch die Niederreißung der machen. Um die stosten für den Militarismus zent der Gesamteinnahmen ausmacht. Auch bei während ein anderer Teil Deutschland Zopfschranken Europas Wirtschaftskörper neues hereinzubringen, hat bie abgetretene Regierung uns fönnen gleichwie in Polen die Kosten für große Zahlungen an das Ausland zu leisten Blut zuführt. Weitere Ristungen und Grabli eine rüdichtslose Steuerpolitit durch den Militarismus nur aufgebracht werden durch hat. Alle europäischen Staaten damit wirtschaftlicher Niedery geführt, die die gesamte Produktion schwer be eine bz üdende Besteuerung insбe find mit unproduktiven Ausgaben gang oder Abrüstung und damit Laftet und bie polnische Industrie auf dem fendere der Waffen der arbeiten berlaftet und so tommt es, daß die euro- kultureller Aufstieg, das sind die zwei Weltmarkt tonfurrenzunfähig macht. Sp benBevölkerung, durch hohe Eisenbahn- päische Wirtschaft nicht jenen Hang in der Welt| Wege, die Europa offen ſtehen.