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5. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republik.

Freitag, 18. Dezember 1925.

Keine große Koalition" Stürmische Parlamentseröffnung.

im Reich.

In den letzten Wochen hat in den euro­ päischen   Hauptstädten eine Regierungsbildung die andere gejagt. Paris   begrüßt jede Woche einen neuen Finanzminister, und mit jedem Wechsel fällt der Franc ein Stückchen weiter. Prag   hat das grandiose Ringen um die Porte­feuilles gesehen, in dem die Parteien um die Futterkrippe jo erbittert rangen, als ob es tat­sächlich um die Interessen der Wähler ginge. In Berlin   hat die Locarnofrise bis heute fein Ende gefunden. Die Deutschnatio nalen hatten einmal den Umfall schlecht arran­giert. Sie fielen erst zu zeitig und dann wieder zu spät. Es war wie bei einer Orchesterprobe, oder mehr noch wie im Zirkus, wenn der Clown stolpert. Das tostete sie die Teilnahme an der Macht im Reiche; Stresemann   war nicht ver legen. Er hätte die Brüder Krautjunker, mit denen er so famos ein Jahr lang regiert hat, ja gern wieder an die Krippe gebracht, aber gings nicht so, dann konnte mans ja auch anders versuchen. Die große Koali tion", die vor den Maiwahlen des Jahres 1924 bestanden hatte, sollte erneut werden. Man lädt die Sozialdemokraten wieder ein und die Regierung wird gemacht.

So ähnlich und so einfach stellte sich Gustav Stresemann   die Geschichte wohl vor. Er hatte ganz vergessen, daß in dem Jahre der Regie­

Lärmender Empfang Soehlas.- Hodža im Mittelpunkt der Angriffe der Slowaten. Tumultuöjer Brotelt der deutschen   Sozialdemokraten gegen den Abban- Frante. Deutich nationale Heldental".

präsident: Ma'ypetr.

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Hauss

Prag  , 17. Dezember. Die ganze heutige Sigung des Abgeordnetenhauses war ein einziger Tumult. In der Zeit, da es kein Parlament gab, hat sich soviel neuerliches Unrecht an den Angehörigen der Minor täisvölker gehäuft, daß es jur Explosion kommen mußte. Während aber die Deutschnationalen der Sache durch lächerliche Kinkerlißchen nur schaden, waren es unsere Genossen, die in würdiger, aber ernster Form in leidenschaftlichen Protesttundgebungen gegen das Gewal system der Koalition protestierten. Dieses System wird immer unmöglicher, was die Bergänge im anderen Hause zeigten, die wir an anderer Stelle besprechen.

Das Interesse des Hauses konzentrierte sich vornehmlich auf die Wahl des Prä­fidiums. Die Koalition war selbst in dieser Frage bis zum lekten Momente nicht einig, insbesondere wukte man nicht, wem die Vizepräsidentenstelle der Opposition zufallen werde. Als weitaus stärkste deutsche Partei, die die Sozialdemokraten troß des Wahlergebnisses blei- ben, hat diese Partei ihren Anspruch auf diese Stelle geltend gemacht. Sie hat diesen ihren Standpunkt sowohl dem Hauspräsidium, als auch den parlamentarischen Klubs, und hier auch fenen Klubs der drei Parteien, die mit Hilfe der Ungarn   die stärkste der deutschen" Par­teien bilden, nämlich den Klubs des Bundes der Landwirte, der deutschen   Gewerbepartei und der ungarischen Nationalpartei mitgeteilt. Die Koalition hat in den leßten Tagen durch den Mund des Ministerpräsidenten Svehla versprochen, jie werde von den alten Methoden der Be­handlung der Opposition ablassen und neue Methoden zur Geltung bringen. Dieses Ver­sprechen wurde aber schon das erste Mal, da es geübt werden sollte, gebrochen. Autokratisch hat die Koalition das Mandat dem deutsch  - magharisch agrarisch gewerbe- parteilichen Mischmasch zuerkannt.

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Dieser Vorgang hat in unseren Streifen scharfen Widerspruch ausgelöst, der noch ge­steigert wurde durch die merkwürdigen Vorgänge bei der Wahl Spinas.

rung Luther manches geschehen war, das die den ich durt Ceht er vor den Sißen. Die Landbündler blieben

nun,

Bei der Abstimmung über die Wahl des Hauspräsidenten stimmten nämlich als ein­zige deutsche Partei die Landbündier für Herrn Malypetr, der der Henter der Opposition werden soll. Die gemeinsame Wohl der Vzepräsidenten, die der Wahl des Präsi­Deutschen und der übrigen Opposition sißen, stimmten also sticht für Spina. Windirsch, der sich offenbar die Anwartschaft auf den Ministerposten zu ver­dienen sucht, unternahm den Versuch, das Wahlglid zu forrigieren und die nachträgliche Genehmigung der Landbündler zu Spina- Wahl einzuholen! Da die Opposition diefen, offenbar der Koalition abgeguckten Trick durchschaute; wurde das nachträg­liche Votum der Landbündler nicht anerkannt und so ist Spina ohne deutsche Stimmen der deutsche Vizepräsident des Hauses geworden....

Zur Eröffnungssigung des Abgeordneten­hauses hatten sich die

Sikordnung des Hauses

hat sich beträchtlich verschoben.

In der ersten Bankreihe links sizzen die Sommunisten( in der ersten Bank zwischen So- Smeral und reibich der Bolschewifator Neurath, in der zweiten Bankreihe 3 apo­ocky ganz rückwärts Muna; der Plaz Taussits ist mit einem Zettel: Besetzt, hier gehört Taussit her!" geschmückt). Hinter ihnen, in der­selben Bankreihe, die Deutschnationalen und dre deutschen   Nationalsozialisten.

In der zweiten Bantreihe sitzen vorne die deutschen   Sozialdemokraten( in der ersten Bant die Genossen Dr. Czech, Taub, Schäfer und Pohl, in der zweiten Bankreihe Hillebrand und rückwärts der neugewählte de Witte).

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Erscheint mit Ausnahme. des Montag täglich früh

Nr. 294.

Hinter ihnen sitzen die Christlichsozialen und der gemeinsame Klub derer von Spina bis Szen­tivany.

In der dritten Bankreihe sind die tsche­chischen Sozialdemokraten plaziert. mit dem weißen Kopf Tomašeks an der Spitze, hinter ihnen die tschechischen Gewerbe­parteiler.

In der vierten Bankreihe finden sich die tschechischen Nationalsozialisten, hinter ihnen die Nationaldemokraten und ganz am Schluß die magyarischen Christlich   sozialen.

Die fünfte Bankreihe ist zur Gänze von den tschechischen Aorariern eingenom­

ntent.

Die sechste Bankreihe, die äußerste Rechte, wird von den tschechischen Volkspartei lern und ihren slovakischen Brüdern" offupiert.

Die Anordnung der Sitzplätze ist von der Koalition wohl bedacht worden. Man hat nämlich die Opposition auf zwei Sektoren zu sammengedrängt, indem man die beiden linken Banfreihen hageldicht befekte. So sitzen in der ersten Bankreihe links 58 Abgeordnete, während in der zweiten Bankreihe von der rechten Seite des Hauses aus gerechnet, nur 44 Abgeordnete fißen. Auf diese Art wurde die Opposition ,, majjiert".

Lärmender Protest unserer Genossen beim Eintritt Svehlas.

Als um 12 Uhr mittaas Ministerprä­fident Švehla das Haus betrat, erhob sich ein ungeheurer Lärm bei der gesamten Opposition. Die Slowaken

trommedie Pulang mit den Fäu­

ften auf

und begrüßten auch

in stürmischer Weise den Minister Hod­žas mit ironischen Eljen rufen, wo­bei sie Flugblätter in der Hand schwent­ten, die e ungarische Trikolore trugen und zur Wahl Hodžas in ungari­scher Sprache aufforderten. Offenbar handelt es sich hier um Wahlflugblätter der tschechischen Aqrarier, die diese in der Slowakei   verbreiteten.

Genosse Hillebrand fann seine Erregung beim Eintritt Švehlas eben­falls nicht meistern und verlangt in stür­mischen fen die Demission der Un­rechtsregierung. Er ruft wiederholt: ,, Pfui, Švehla!"

"

Schuster: Schande den Gc= walttätern."

Im größten Lärm sikt Švehla lächelnd auf der Präsidentenestrade und pußt jeine Ausenaläfer. Auch einige andere Minister lachen.

Hlebrand wendet sich zur Re­gierungsbank mit dem Zuruf: Ge­walttäter, Posträuber!

de Witte: Was ist's mit den Staatsangestellten?

Sillebrand: Verantworten Sic die Bernichtung tausender von Eri­ſtenzen!

große Stoalition nicht mehr so harmlos machte. Bei allen Kämpfen vor dem Jahre 1924, vor dem Abschluß des Dawesplans war es um Verfassungs- und außenpolitische dragen gegangen. Es galt, die Republik  gegen die monarchistischen und fascistischen Um­sturagelüfte zu sichern und das fatastrophale Abenteuer eines Revanchekriegs zu vermeiden. Die Parteien der Weimarer   Soalition leisteten zunächst allein die schwere Arbeit. Der Kampf um die Erfüllungspolitik, der seinen Abgeordneten in voller Zah! Höhepunkt unter dem zweiten Kabinett Wirth eingefunden. Die deutschen   und tschechischen erreichte, wurde von den Sozialdemokraten, zialdemokraten waren mit voten Welten geschmidt von den Demokraten und dem Zentrum aus- und auch die Abgeordneten der anderen Parteien gefochten. Die drei Parteien der Weimarer trugen ihre Parteiabzeichen. Die Publikums, die Koalition haben ihre Politik, die einzige Journalisten-, die Diplomaten- und Senatoren­Politik, die Deutschland   vor der Katastrophe loge waren voll besetzt und so wies schon der bewahren fonnte, mit dem Blute ihrer besten äußere Rahmen der Sitzung auf einen großen" Männer bezahlt. Die Schwächung der Sozial- Tag. Schon lange vor Sizungsbeginn, der sich um eine Stunde verzögerte, ertönten von den demokratie durch die Parteispaltung und die Bänken der deutschen   Abgeordneten, der slowat Stärkung der Reaktion, machte die Erweite­schen Volkspartei und der Kommunisten verschic­rung der Koalition nach rechts möglich. Die bene zurufe. Die Deutsche   Volkspartei Stinnes  ' und Strese­manns mußte herangezogen werden, um die monarchistischen Bestrebungen und die Be- partei, die jetzt ihre kapitalistische Mission Bürgerlichen an die republikanische Staats­wegung gegen die Reichseinheit niederzuhalten. zu erfüllen hatte, gab es aber feine Ge- form, die sie nicht gehindert hat, ihre kapitali­Die Sozialdemokratie konnte die große Koali- meinschaft. Die Rechtstoalition, mit Ein- stischen Interessen durchzujeßen, haben einen Eidesleistung im allgemeinen Chaos tion damals mitmachen, weil alle wirtschaft schluß des Zentrums, wurde. notwendig. Sie vorläufigen Schlußpunft unter die Von den Bänken der slowakischen Volkspartei lichen Fragen in den Hintergrund traten, weil facht den Kampf um die Zölle mit rücksichts- Aera der Verfassungskämpfe ge- ertönen langgezogene holho" rufe. es immer nur darum ging, ob die Monarchic loser Energie gegen die Arbeiterklasse aus. Sie feßt. Die Sozialdemokratie hätte die Koalition Der Sekretär des Abgeordnetenhauses, Dr. oder die Republik  , die Erfüllungspolitik oder erledigte die Auswertung im Sinne des Groß nur wagen können, wenn sie durch fie soziale Riha, verlieft im Chaos die Verifikations­die Katastrophenpolitik der Völfischen den Plas capitals. Bei der Präsidentenwahl trat plößlich Gunungenschaften erhalten oder erwerben konnte. urhinde des Wahlgerichtes und man schreitet zur behaupten würden. Das Fernbleiben der So die alte Gruppierung der Parteien ins grelle Das lehnte Stresemann ab. So fiel der Ge- Ablegung des Abgeordneteneides. Die Eides­Ich verspreche, daß ich der tschechoslowakischen bürgerlichen Mittelparteien zerrieben worden, Schärfe zeigte sich, daß die Weimarer Koalition Mitte oder eine Beamtenregierung werden als Republik   tren dienen, die Geſetze einhalten und daß die Volkspartei wieder zu den Monarchi zu schwach ist, so lange die Arbeiterklasse in Lückenbüßer einspringen. Die neue Regierung das Mandat nach bestem Wissen und Gewissen ften abgeschwenkt wäre. Anders gestaltete sich zwei Lager geipalten ist, deren rabifaleres der muß aber ein Uebergang bleiben, auf den die Lage nach den großen wirtschaftspolitischen Reaktion Schüßenhilfe leistet. wieder nur ein bürgerliches oder ein prole- Die Eidesformel wird tschechisch, slowakisch, Entscheidungen des Jahres 1924 und nach der Jeßt hat die Entscheidung über Lotarisch- kleinbürgerliches Regime folgen muß. deutsch  , russisch, ruthenisch, magyarisch und polnisch Ueberwindung der Verfassungskrise. Jetzt ging carno außenpolitische Fragen auf die Tages- Es hängt von dem Tempo ab, in dem die verlesen. Die einzelnen Abgeordneten legen in es um die Verteilung der Laſten, um Steuer- ordnung gestellt. Die Deutſchnationalen find Konsolidierung der Arbeiterklasse vor sich gehen die Hände des Miniſterpräsidenten den Eid ab und Wirtschaftsfragen, um rein soziale und mit ihrem Sonderzug entgleist und fanden nicht wird, ob die Bourgeoisie noch einmal die und werden in alphabetischer Reihenfolge zum ökonomische Probleme, die eine ganz neue auf die Bahn zurüd. Die Sozialdemokraten Trümpfe in die Hand bekommt. Denn das ist Präsidium gerufen. Bei der Eidesleistung einiger Gruppierung der Parteien schufen. Die Besi- hatten das Wort. Aber die große Koalition mit vie entscheidende Lehre auch der letzten Sturmszenen. Abgeordneter tommt es zu ungebeuren interessen traten in den Vordergrund. Die Her Partei Stresemanns, durfte nach all dem, Frise im Reich, daß die Bourgeoisie nur des Burian legt den Eid unter dem Beifall der bürgerliche Mehrheit, die längst vor- was im Sommer geschehen ist und nicht so halb Vorsprünge gewinnen kann, daß die Ar- Stoalition ab.( Vavra ruft: Du schwörst Treue handen war, trat jebt erſt ſichtlich in Er- leicht ungeschehen gemacht werden kann, nicht ei terklasse nur deshalb auf. längere Zeit der Republik  ? Abreordnetenhaus, höre, scheinung und in Aktion. ohne feste Bürgschaften gewagt werden. Diese bei wichtigen Entscheidungen aus ge- Burian schwört der Republik  Der Platz der Sozialdemokraten Bürgschaften gab Stresemann nicht. Nach langen ich a Itet werden kann, weil ein Teil des Treue! Play der war jeßt in der Opposition. Sie hätten Verhandlungen der Fraktionen und der Selirb- Proletariats sich durch Abgabe vielleicht die bürgerlichen Mittelparteien mit obmänner kam das Nein der Sozialdemokraten. des kommunistischen   Stimm­auf die Linke ziehen können, wenn die Ar- Die Stunde ist nicht reif. Es geht heute nicht ette ls selbst aus dem aktiven beiterklasse einig wäre. Aber die repu- mehr um Sein oder Nichtsein der Republik  . politischen Leben ausgeschaltet blikanisch- demokratischen Parteien fonnten auf Der Fall Hindenburg, diese tragikomische Wand- und der Reaktion wirtschaften hilft. Die Schlot­die Kommunisten nicht zählen; viel eher fonn- ung des kaiserlichen Generals zum schwarzrot- Barone haben auch im Reich alle Ursache, die ten das die Reaktionäre. Mit der Volts goldenen Republikaner, die Anpassung der Moskowiter in ihre Abendgebete einzuschließen.

formel lautet:

ausüben werde."

Protest gegen Franke.

Als der gewesene Postminister Frante die Tribüne verläßt, ertönen besonders bei un= seren Genossen stürmische Bfufrufe. Hillebrand: Das ist der Mann, der die deutschen   Staatsange= stellten aufs Pflaster schmeißt;