8. N«iS 192«. Seite B. Xie Frau hat zu schweigen! Da in Hol» rand mir dem Wahlrecht auch die Wahlpflicht verbunden ist, finden jetzt immer noch Bestra- hingen hauptsächlich von. Frauen wegen VcMumnis der Itiininabgäoe- bei den letzten Juniwahlen zur Zweiten Kammer statt. Ein be- zeichnender Vorfall ereignete sich<un 18. De» -ember vor dem Avttsgericht in Hilversum . Hiebe» Frauen auS Kortcnhoef waren wegen Verletzung.ihrer Stimulpflicht angeklagt. Sie ve- riefen sich sämtlich darauf, daß sic religiöse Gewissensbedenken gehabt hätten, weil m der Bibel geschrieben stehe, die Frau habe zu schweigen und zu gehorchen. Ter Amtsrichter mochte den bibelfesten Damen klar, das; diese Bc- stimmiwg für die moderne Gesellschaft leine Gel­rung habe. Unter Zubilligung mildernder Um» stände wurden die sieben Frauen zu je SO Cent Geldstrafe oder eine» Tag Haft verurteilt. Die Frauen erklärten einstimmig, daß sie aus den gleichen religiösen Gründen auch nicht die Geld» strafe bezahlen, sonderit den Tag absitzen wollten. Ed» sozialdemokratischer Bürgermeister in Saloniki . Die erste Wahlerbcsragung seit dem Regierungsantritt des Generals PangaloS in Griechenland war die Bürgermeisterwahl in Sa­ loniki . Dabei erhielt der sozialdemokra­tische Kandidat PatrikioS 8222 Stimmen und ist damit zum Bürgermeister ge­wählt. Er hell doppelt so viel Stimmen als bei den jüngsten Gemeindewahlen erhalten, die für ungültig erklärt worden wareit, da man ihn der Umtriebe mit den Kommunisten beschuldigte. Der Regierungskandidat erhielt 4918 Stimmen und ein werterer Kandidat 907 Stimmen. 48.000 Wähler haben sich der Abstimmung ent­halten, was die Regierung zu dem Entschluß ge­bracht haben soll, die Wahlpflicht einzusuhren. Der französisch« Hornist, der am 11. No­vember 1918Feuer einstelle»" blieS , ist zum Offizier der Ehrenlegion er­nannt worden. Was wäre ihm geschehen, wen» er e- im August 1914 geblasen hätte, fragt der Daily.Herold"... Der moderne Ton Jose und die aotsätzige Carmen. Di«Prawda" meldet folgenden tragischen Vorfall, der sich vor kurzem in Rußland abgespielt hat. In der 2 e p r a- K o l o n i e.Krivvje Rutschji" war ein kubanischer Arzt namens Don Jos« Rapillado tätig. Er verliebte sich in die Kranken­schwester Prokowjewa, die selbst aussätzig war, und erstach sie in einem Anfall wilder Eifersucht. Mit dem Messer, mit dem er die Geliebte gelötet hatte, brachte er sich dann selbst eine Wunde bei und in­fizierte sich so gleichfalls mit Lepra . Ter kubanische .tünsul in Deutschland erfuhr van dem fürchterlichen Drama und ersuchte die Sowsetregierung, den Arzt in sein« Heimat zu befördern. Die Uebersührung war aber sehr schwer, da dar Kranke dauernd Tob- tuchtianfölle hatte. Im letzten Augenblick haben dann die.Hamburger Behörden, die Einreise des Aussätzigen nicht gestattet. Haifisch oder Seeschlanae? Fischer, die an der Küste des nördlichen Britisch-Kolumbien ihr« Tätig­ keit auLübten , berichteten in den letzten Monaten, daß sie in der Umgegend der Königin Eharkotte-Jn» sein ein« ungeheure Seeschlange beobachtet hätte». Die neuesten Untersuchungen haben>mn, wie auS Winnipeeg berichtet wird, ergeben, daß es sich dabei um ungeheuer große Haifische handelt, die bis zu 30 Fuß lang sind; man hat setzt eines dieser Unge­heuer erlegt und erklärt damit die in letzter Zeit immer wieder aufgetauchten Meldungen von dem Vorhandensein derLeeschlangen". Mit hinreichender Sicherheit nicht nachweis­bar". DaL Würzburger Bolktbllttt meldet: In dem uMerfräukischen Orr Zeil wurde vor Monaten von einer wunderbare» Heilung berichtet. Dat bischöflich« Ordinär Würzburg hat jetzt nach Prü-, fung bei vorliegenden Menmaleriakt und Würdi­gung der eingeholten uredizinischen und theologischen Gutachten entschieden, daß in dem angeführten Fall eine wunderbare, auf Anrufung der Dominikanerin Kolumba Schonath bewirkte Heilung mst hi«. reichender Ticherheit nicht Nachweis-' bar ist". Eine Kommission zur Bestimmung der Trunken­heit. Die Britische Medizinische Gesellschaft hat«ine Kommission von achtzehn hervorragenden Gelehrten eingesetzt, die durch eingehende Prüfungen nnter- suchen sollen, bei welchem Grad des Alkoholgcnusseü Trunkenhell sestgestcllt werden kann. Da ja in Großbritannien Betrunkene bestraft werden, und nach einem neuen Gesetz Kraftwagenfahrern der Erlaubnisschein entzogen wird, wenn sie betrunken sind, ist diese Feststellirng von Wichtigkeit. Bisher aber gehen die Kennzeichen, nach denen Polizeiärzte und Gerichtsbeamte Trunkenheit feststellen, sehr weit auseinander, und man will mm eine eintvandfreie Methode auaarbeiten, durch die sofort erkannt wer­den kann, ob jemand wirklich betrunken ist. Wetterbericht vom 7. Jänner. Mittwoch waren die leichten Schauer auf die nordwestlichen Telle Böhutens beschränkt, in welrl)en sie aus den Bergen mittlerer und größerer Höhe in Schneesorm siel. Lerchov und DonnerSberg melden eine Zunahme der Schneehiche um 8 Zentimeter, die Osislotvakei stärkere Piedevschlöge, Ungvar 5 Ztm. In Mähren hat sich relativ kühles und nebliges Wetter erhallen, hier blieb die Teniperarur stellenweise den ganzen Tag unter dem Gefrierpunkt. DoimerStag trat im Westen eine leichte Erwärmung ein; früh halte Eger 3, Prag 1, Brünn und Preßburg minus 2 Grod E. Wahrscheinliches Wetter von Frei- tag: Wechselnd, später vom Westen her neuerliche Verschlechterung, Wind ans westlicher Richtung. Dergeschädigte" Räuberhauptling. Anfang Oktober deS vergangenen JahreS stand vor dem Gericht in Triest ein gewisser Giovanni K o l l a r i ch, der monatelang ein Schrecken von T r i e st, P o l a und G ö r z war. Kollarich hatte ein« Bande von Räubern unter dem Titel der Rotte der schwarzen Fahn e" unter seinem Kommando vereinigt, und in der RamenSliste sei­ner sechzehnMitarbeiter" rrissl man auch deutsch klingende Romen. Die letzte Unrat der Bande war ein lieber fall aus die Familie der Hebamme Da Monte, deren Tollster eine gutge­hende Trafik führte. Diesmal mißlang aber der versuchte Handstreich m>d die Bande wurde sesrge- nommen. Bei der Gerichtsverhandlung kam«S zu einem erregten Auftritt zwischen Kollarich und de» Presieberichterstottern. Diese gelangten nämlich in den Besitz eines auS deur Gefängnis herauLgeschmug- gclten Briefes deS Räuberhauptmannes an einen seiner Freunde, tnorin-kollarich seinem Komplizen Instruktionen gab, wo er Dynamit beheben könne, um damit einen Teil des Gefängnisses in die Lust zu sprengen; die hiebei entstehende Panik würde Kollarich dann zur Flucht benützen. Kolla- rich machte nun den Jourrmlisien in voller Ge­richtssitzung den Dorwurf, daß sie diesen Pri­vat b r i e s unbefugter Weife geöffnet und veröf­fentlicht hauen, wodurch ihn« ein bedeutender Scha- den erwachsen sei was das Auditorium unter Gelächter gern zuaab. Er werde deshalb von den Journalisten, sobald er seine Freiherr wieder erlangt habe, Schadenersatz fordern. Borläufig dürfte Kollarich allerdings kaum in der Lage sein, diesen Anspruch persönlich zu vertraten, da er samr seinen Komplizen, zu einigen Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. tzochwasier aus der Themse . Oxford teilweise unter Wasser, Loudon, 6. Jänner. (AR.) Wie sich erwar­ten ließ, ist die Themse gestern weiter gestiegen und hat weiter« Gebiete überschwemmt. Die Flußläuf« haben sich in einer Reihe von Seen verloren, der Wasterstand ist aber nicht so hoch und zwei bis drei regenlose Tag« wurden ge­nügen, den größten Teil des überschwemmten Bodens trocken zu legen. Aber die Wetter- prognvsen kündigen für die nächsten Tage noch weitere Regenfälle an. Unter diesen Uinständen weckt die Lage gewiß Besorgnisse über das Schickes einiger Gebiete im Dhemsetale. In der Stadt Oxford liegen bereits einige Straßen unter Dosier. Am Unterlaufe des Fluffes ist die Lage so ernst, daß die Uferbewohner ihre Billen verkästen. Ei« Dorf durch einen Erdrutsch dedrovt. Bern , 6. Jänner. (Helv.) Infolge der an­haltenden Regen fülle in den letz'en Togen ist ober­halb deS Dorfes Jttenta! im Kanton Aargau ein größerer Landkomplex ins Rtttschen geraten und bedroht langsam das Dorf Jttcntali Die Ab­wehrmaßnahmen waren bisher erfolglos und Sachverständige glauben, daß die Rutschung nicht aufgehalten werden kann. Die Bewohner de« Dorfes treffen bereit« Maßn.chmen, den bedrohten Dorsteil zu verkästen. Der in Rutschung befind­liche Boden beträgt rund«ine Million Tonnen. DieKatichaken" und der Traun» des Metropoliten - Gin Beispiel auS Serbien : Ein« Datscha- ken" genannte Räubergruppe überfiel an der alba- inschen Grenze dat AmtSauw des Präfekten Bla- zieS, nahm den Präfekten selbst, seinen Fahrgast, den Crzpriester Milosevics und den Chauffeur gefangen und entführte diese dann über die ser­bische Grenze hinweg noch Albanien , um für ihre Befreiung ein Lösegeld zu erpressen. Polizei­hund« wurden sogleich nach Bollbringung der Tat an Orr und Stelle entboten, und diese konnten auch die Dpurvr der Räuber biü in die albanischen Berge verfolgten, hier verloren sie aber an einer Stelle die Spur und seither sind die Verschwundenen nicht auszusinden gewesen. Eine interessante Ein­zelheit wird noch zu diesem Räuberstücklein gemel­det, um eS noch phantastischer zu gestalte». An der verhängnitvollen Autofahrt hätte auch der Metro­polit von Ochrida, Bischof Dr. Nikolai Belimi- rovic» teilnehmen sollen. In der Nacht vor der beabsichtigten Tour hatte aber der Bischof einen Traum: et erschien ihm ein Heiliger, der ihm eingehendst zuredete, an der Auwfahrt nicht teilzu- nehmen. Prüfet Blazica lachte den Bischof, als dinier ihm Mitteilung von seinem Traum machte, gründlich auS; trotzdem ließ sich der Metropolit keinesfalls zum Antritt der Reife bewegen, wobei schließlich doch er recht behielt. ES wäre dies so recht ei» Fall für die moderneWissenschaft", wobei aber di« Erklärung deS Vorgefühls in dem Grenzgebiet zwischen Jugoslawien und Albanien eigentlich ganz naheliegend fein dürfte. Gin feiner Gefänanisdirektor. Wem noch daS Unwesen de- rumänischen Räu- berhauptmannL Terrenta in Erinnerung ist, der s wird sich über die folgende Geschichte au« Rumä­ nien nicht wundern: DaS Bukarester Justizmint- sterium ernannt« vor einigen Monaten zwil D i r e l int der Ragyßebcncr Strafanstalt einen gewisten Peter Gheorghiu, vormals staatlichen Res> nungssührer. Bald kam man aber einigen kleinr- ren Malverjatioiicn des Herrn Direktors aus hie Spur. Er wiirde auf Antrag der Staatsanwalt­schaft festgenommen, wobei es'sich dann herauS» stelltc, das; Gheorghiu ein mehrmals vorbe­straft c L Individuum sei, das wegen Defrauda tionen und Dokumentenfälschungen schon drei Jahre Zuchthaus hinter sich hatte. Er erlangte seine jetzige Stellung im Wege eines regelrechten.Kon­kurses", wobei man in Bukarest einfach vergaß, den Boralten des Zuchthäuslers uachzusehen. Er wandle auch die kurzen Monate seiner Direktor- Herrlichleit gur an: unterschlug bedeutende Sum­men, prellte eine Reche von Sldvokaten, hatte sich viermal falsch verlobt und das Geld seiner Bräute entwendet; ja sogar noch im letzten Moment vor seiner Inhaftierung wollte er vom Direktor-Ober­arzt deS städtischen Krankenhauses eine größere Summe natürlich auf Nimmerwiedersehen borgen". Der Kerker von Nagyßebeu muß wohl toährenv Gheorghius Direktorschaft entschieden ein lustiger Gefängnis gewesen sein! Landstraficnräubcr. In diesen Rohmen paßt auch nachstehender I ilebersoll hinein, der sich im Dezember v. I. in Deutschland ereignete: Auf der Landstraße zwischen Pi e g o w und Pyritz wurde abends gegen 6 Uhr der Viehhänd­ler Ennl Kogge ans Pyritz überfallen, beraubt und durch mehrere Schüsse so schwer verletzt, daß er am nächsten Tage im Krankenhause starb. Kogge fuhr mir dem Fleischermcister Eduard Ebert ans einen: einspännigen Schlitten von Megow nach Py­ritz zu. An einer Wegkreuzmig lauerten drei Männer dem Schlitten auf und gingen vor ihm her. AlL sich der Schlitten nach Ueberwindung einer Höhe in Trab setzen wollte, fielen zwei der Männer dem Pferd in die Zügel. Kogge sprang ab und schlug den Wegelagerern mit der Peitsche ins Gesicht Diese eröffneten ein Feuer aus Schnellade- Pistolen und gaben etwa 15 Schüsse ab. Kogge brach tödlich getroffen zusammen. Das Gespann ging durch. Ebert lief nach Megow zurück und alarmierte die Einwohnerschaft. Die Verfolgung blieb jedoch ohne Ergebnis. Kogge wurde seiner Uhr und Barschaft beraubt. Die Verbrecher ließen auf der eikigell Flucht mehrere Sachen zurück. So gelang cs festzujlellen. daß die Verbrecher drei polnische Schnitter waren namens Albert Spieck, Zicslinski und PoSnaezky. Mit Polizeihunden wurden die beiden Kreis« von Süden her vollständig abgesucht. Ter Erfolg war der, daß au der Südgrenze des Kreises Pyritz drei verdächtige Männer ausgespürl wurden, die eiligst in den Wald hinein verschwan- den. Die Landiägerci durchforschte den Wald und stellte die Berdachtigeu. 9!ach einer kleinen Schießerei, bei der niemand verletzt wurde, er­gaben sich die drei. CS waren die gesuchten Räu­ber, die noch mehr aus dem Kerbholz haben. Spieck und Zicslinski sind Zuchthäusler, die aus der Anstalt in Brandenburg entsprungen waren. Wie bereits sestgestellt wurde, machten sie am 3. No­vember einen Uebersall auf den Oberamtmonu Duglisch im Rufener Walde bei Schönfließ. Sie gaben etwa 2V Schüsse ab. Der Kutscher schlug aus die Pferde ein, bis eiues von einer Kugel getrof­fen zu Bode» stürzte. Der Oberamnnann und der Kutscher zogen dann auch ihre Waffen, die Räuber ließen es aber zu einem zweiten Angriff nicht kom­men. Am 7. November hatten sie cS auf einen Borschnitter G o h l k c in Alt-Deetz abgesehen, der Lohngelder abholre. Gohlke komue jedoch gewarnt werden. Bereits am 17. Oktober hatte die Banvc den Rechnung-sichrer Virchow bei Sallentin m derselben Werse aus der Landstraße erschossen und beraubt, wie sic auch die anderen Hebet- fälle verübt hatte. Rüuverrornanttk. MsrrvaMfen des 9täu&ertmtoe|euö in Europa , In bet letzten Zeit mehren sich wieder einmal in der internationalen Polizeichronik die Be­richte über da- Auftreten von wohlorganlsterten Räuberbanden, di« sich aller moderne« Erruugen- schasten der Technik bedienen und durch Nachahmung der alte« Räuberschulen bei Mittelaltert eine neue Räuberromaotik erstehen laste». DaS soziale Elend verschafft diesen Banden stets neuen Nachwuchs, in Ländern, in denen das Recht von dem bestehenden Regime allzu leicht gebrochen wird, fetzen sich die Räuberbavden ein eigene-Recht... Die Behörden sind vielfach machtlos: oft jedoch trauen sie sich gar nicht, gegen die Räuber und ihre Führer vorzugchen,.. wie einst im Mittelalter. Kleine Chronik. Lee Blinde und der iedtte. Wer kennt nicht die rührende Geschichte vom Blittden und Lahmen, die vor einem Wasser stan­den, das sie durchqueren sollte» und verzweifelt Ware», weil sic hinüber mußte» und sich nicht in daS Master trailten, da der Lahme nicht gehen konnte und der Blinde nichts sah, bis sie endlich den Einfall hatten, daß der Blinde den Lahmen auf die Schultern nahm und nach seiner Angabe die Flut durchschritt! Eine rührende Lesebuch­geschichte, wie ja überhaupt alle Lesebuchgeschiey- ten rührend und furchtbar moralisch zu sein pfle­gen.-Inders sieht natürlich so eilt Lesebuch oes LebenS aus, das jeder lesen kamt, wenn er über die Straße geht. Und er braucht nicht einmal über die Straße zu gehen, ost genügt es, wenn «r bloß auS den: Fenster blickt. Aber diesmal soll die Rede von einem Blinden und Lahmen sein, dessen Geschichte jeder­mann an dar Ecke der Mclantrichgaste und deS LedergäßchenS in Prag lesen kann. Ein Blin­der und ein La hmer in einer Person! So­viel Unglück auf eine- einzigen Menschen Haupt. Ein Stelzbein an Stelle des linken Beines und statt zweier fröhlicher, glücklicher Augen Augen­höhle», die leer sind, aus denen bloß eine Leere, eine entsetzliche, widerliche, ekelhafte, schauerliche Leere entgegenstarrt. Und dieses Häuflein Un­glück,»ein, dieser Berg von Unglück, steht hier, im' größten Regengüsse, mit dem Hute in der Hand und vorüber geht daS Leben, daS zu sehen ihm vielleicht ein guter Gott erspart hat, fette auSgefressene Händler, Offiziere mit glänzende» PortopeeS, Backfisch«, di« jeden Augenblick einen Spiegel aus dem neuen Pompadour-Kästchen herauSziehen, sich in de» Auslage scheiben spiegeln, um ihren Bubikopf zu besehen, Kinder mit strah­lenden Augen und Spielsachen, die ihnen da- Christkind bescherte, glückliche Liebespaar« und auch Mitleidige, die dieses Elend sehen, in die Tasche greisen und wenn sie besonders nobel sind, sine Krone, eine ganze Krone, in den Hut des Krüppel- gleiten lasten.-lber auch mit dieser Krone ist nicht- getan, wie kan>t eine Gesell­schaft ruhig weiter ihren.Geschäften, ihren Ber- gnügen nachgehen, wenn so ein unglücklicher MenschenLmder auf d:r Straße steht? Wie kann sich jemand, der nicht selbst blind ist, zum Mit­tagstisch setzen, ohne daß ihm der Hunger ver­geht? Die gelvöhttliche Beruhigung, die man sich in eincnl solchen Falle selber gibt, lautet:Ach, es hat ja soviel lÄend und nnrn hat soviel Sor­gen, daß man wirllich für solche Sachen keine Zeit hat." Ja, dal ist die Wahrheit: soviel Ent­setzen, soviel Elend, soviel Not, soviu Schande und soviel Schmach für die Gesellschaft steht in den Prager Straßen, daß man stumpf dafür ge­worden ist. Bor einiger Zeit hieß es, der Stadtrat plane die Ausgabe von WohlfahrtSscheiuen, um das Elend und die Bettelei in, den Straßen ciitzn- schränken. Es blieb aber nur beim schönen Vor­satz man hat Wichtigeres zu tun: Die diverfe» Nationalhymnen im Parlament und auf der Straße zu singen. Ein würdiger Kontrast zu dem Heere der Prager Bettler und Krüppeln an allen riraßenecken! I- R Seltsame Steuera. In Preußen Friedrich MchelenS l gab es eine Jungfern st euer. Jedes junge Mädchen, das zwanzig Jahre alt geworden war, mußte einen Tater Steuer jährlich so lange bezahlen, bis es ihr gelun­gen war,.unter die Haube zu kommen. Man wollte dadurch die Zahl der Ehen heben, was in Anbe- rrachi der niedrigen BcvöikerungSzahl Preußens sehr wünschenSweri erschien. In viele» dciuschcn Staaten gab es vor 1800 eine Karossen st euer, indesten nur für die 2 rn- deShauptstadt. ,PLer eine Karosse, einen Zelleschen Wagen oder ein« Chaise gebrauche, wodurch das Pflaster der Residenz verdorben würde", der zahlt« zwölf Groschen bis einen Taler, später drei Taler jährlich. Für die Damen war eine Fontangen- steuer erfunden, welche diejenigen, so einen Kops­schmuck trugen, mit einem Taler jährlich enrrichien mußten. Unter Ludwig XIV. haue nämlich der'Mar­quis de FontangeS die Mode aufgebracht, das Vor­derteil der Perücke sehr hoch zu, trage», weshalb die.se Tracht Devant a la Fonranges gen amu wurde. Eben­so bestand eine Strumpf-, Schuh-, Stiefel- Pantoffel- und Hursteuer, für jede- Paar oder Stück dieser Gegenstände m« einem Groschen jährlich zu entrichten. Bei weitem einträglicher als diese war aber die schon 1698 eingesühric Perük- kensteuer, deren Vorbild man eigentlich in der altrömischen Steuer beim Enrpfang der zur Man- neswürde erhebende» Toga zu suchen har. Sie sollrc aber zugleich ein Schutzzoll für einheimische Fabri­kation sein; denn eine französische Perücke steuerte fünfundzwmrzig Prozent ihres Werte-, eine preu­ßische nur fünf Prozent. 1701«ryielt ein französischer Perückenmspeltor, Die PaguS de Lavoirrdange, diese Steuer in Pacht; er wurde zugleich Karosseninspekror brzügRch der oben erwähnten Dogenfteuer. All« Pe­rücken mußten von nun an gestempelt werden, wat mit Siegellack geschah. Das hatte gleichwohl nicht den erwarrcren Erfolg wegen der vielen llnterschleise und Intrigen, die dabei vorkamen, obschon man aus öffentlicher Straße nach Erlaubnisscheinen fragte und Personen, die diese nicht vorzeigrn konnten, die Perücke vom Kopse riß. s. v. S". In der Reujohrsnachl tobte im englischen Ka­nal ein schwerer Sturm und sämtliche Küstensta- tionen waren in voller Tätigkeit, um auf Hilferufe zu achten. Plötzlich vernahm nian, wie em deut- I scher Dampfer einen Rundrns erließ, derAn alle"| gerichtet war und lautete:Nicht mehr drah-! ton, ein andere« Schiss ruft um Hilfe!", Nämlich: Der deutsche Dampfer Halle den Hilferuf i elneS schwedischen Dampfers ausgesangen, der steuerlos geworden war und init großer Geschwin-! digkcil vom Sturm gegen die felsige Küste getric den Wurde. Der schwedische Dampfer mit Namen Atlantee n" gab fortgesetzt HilferufeS. L. S." und es gelang dem deutsche » Dampfer nicht i nur, die Stellung des Schwede» genau f e st-! z» st e l l e n, sondern auch die RettungS- und'> stenstationen von der Lage des Dampfers zn in­formieren. Das deutsche Schiss organisierte 1 auf drahtlose Weise einen richtigen Hilf-, dienst. Bon England ans wurden Dampfer nasi' der Stelle entsandt, wo der schwedische Dampfer mit dem, Sturm kämpfte. Ebenso schickte man die Rettungsboot« von Nelv-Haven und Eastbourne ob. Genau eine halbe Stunde, nachdem der erste Hilfe-, ruf von dem deutschen Dampfer gchört worden war, j war der Schwede von Rettungsbooten umringt, dr- j tten es gelang, die Mannschaft zu reiten.