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6. Jahrgang.

Mode 112

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.

Donnerstag, 28. Jänner 1926.

Der Schritt Frankreichs   Ungarn   erfüllt die franzöſiſche   Forderung.

in Ungarn  .

In der Sache der Francfälschungsaffäre hat die französische   Regierung einen offiziellen Schritt unternommen, der die Angelegenheit weit über die Grenzen, die ihr bisher gezogen waren, hinaushebt. Ueber Auftrag des franzö fischen Ministerpräsidenten Briand   hat der Ge­jandte Frankreichs   in Budapest  , Clinchant, der ungarischen Regierung gestern eine in ent­schiedenen Tone gehaltene Note überreicht, in ter das Verlangen gestellt wird, die politischen Hintergründe der Fälschung aufzudecken. Die Forderung der französischen   Regierung geht dahin, daß die Vertreter der französischen  Bolizeibehörden und ein Vertreter der Banf von Frankreich   bei dem Verhör der Angeklagten zugezogen werden sollen. Diese Forderung, die jdon am Dienstag in ihren Umrissen bekannt wurde, hat in der ungarischen Deffentlichkeit Aufsehen und Erregung hervorgerufen. In ihrem Inhalte ist sie, wenn an ihre Ablehnung nicht dieselben Drohungen angefüat find, nicht u ähnlich dem seinerzeitigen Ultimatum an Serbien  , in dem die Forderung erhoben wor­den war, daß bei der Ermittlung der Mit­schuldigen der Sarajewoer Attentate öster­reichische Polizeibeamten die Mitwirkung ge­stattet werde. Wenn auch nicht zu befürchten steht, daß sich diesmal aus der französischen  Rote eine Katastrophe entwickeln werbe, wie es der Weltkrieg war. so kann doch der aufsehen­erregende Schritt Frankreichs   zu schweren Kom­plikationen führen.

Frankreichs   Attion dennoch ein Schlag ins Wasser?

Budapest  , 27. Jänner.  ( Eigenbericht.) Die Regierung hat den Forderungen Briands, wie anzunehmen war, zugestimmt. Praktisch ist es ja tein großer Unter schied, ob, um die juristische Form zu wahren, die Untersuchung an die Polizei zurüd geleitet wird, wo die Vertreter der fremden Staaten mitwirken fönnen, oder ob sie von der Staatsanwaltschaft als behördliche Zengen zu den Verhören zugezogen werden. Beth len konnte sich der französischen   Auffassung um so leichter fügen, als er ganz gut weiß, daß die beiden Hauptangeklagten, Windischgräß und Nadossy, den Franzosen ebensowenig Auf­flärung geben werden wie den ungarischen Behörden, die übrigens nicht sehr neugierig sind. Anders ist es mit dem einzigen nicht zuverlässigen Angeklagten Raba, dem Sekretär Windisch gräß. Raba wurde gestern wieder einem Verhör unterzogen, worüber ein ungarisches Blati in der Form berichtet, daß man ihn hinter vielen Türen und diden Mauern verhört habe damit seine allzulauten Aussagen nicht zu unbefugten Ohren dringen. Die Vorstellun= gen der Franzosen bezweden vor allem das Verhör Rabas. Der fran zöſiſche Polizeikommiffär hat dies bereits viermal verlangt, ohne es aber erreichen zu können. Jetzt wird es sich aber nicht mehr vermeiden lassen. Aber in Regierungskreisen hofft man, daß Raba schon so tüchtig bearbeitet sei, daß er nichts von Belang aussagen werde. Allerdings wird auch behauptet, daß die erschöpfende Darstellung dieser Angelegenheit durch Raba sich be seinem Freunde besinde und daß sie den Franzosen bereits bekannt sein soll.

Windischgräß soll vor den Franzosen die Aussagen verweigern.

Im allgemeinen glaubt man, daß die französische   Regierung bald bemerken werde, day fie mit ihrer Forderung der Zulassung der französischen   Beamten zur Untersuchung einen Schlag ins Wasser getan habe, und wenn fie feinen weiteren Schritt unternehmen werde, fic zwar der ungarischen Regierung eine Demütigung zugefügt, aber der Erfor ichung der Wahrheit um feinen Schritt näher gekommen ist. Denn die Führung der untersuchung ist in den Händen der Kreaturen des Na­dossy. Es ist bezeichnend, daß eine große Anzahl hoher Polizeibeamten bem Landespolizeichef Nadoish ins Gefängnis eine Zuschrift gefandt haben, worin sie ihm ihrer. unverbrüchlichen Treue und Anhänglichkeit versichern und ihm sagen, daß die Polizei auch heute in seinem Geiste und Sinne weiterarbeite und mit Ungeduld den Tag erwarte, da der nationale Märtyrer, der auf Befehl von Fremden ins Unglüd gestürzt wurde, in ihre Reihen zurückkehren würde. Diese Eingabe ist der Regierung feit Lagen bélant, benjo Die Namen per unterzeichneten; jie hat aber ni tsetse fit bielen gegen unternommen. Bezeichnend für die herrschende Auffassung ist auch die Tatsache, daß der Vertreter des Windischgräß, der den Rat in franzöſi­ schen   Beamten jede Aussage zu verweigern.

sit

habe seinem Klientener utain, in einer Zeitung mitteilte, er

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Der berüchtigte Richter Leiter der Hauptverhandlung.

Zum Leiter der Hauptverhandlung gegen die Francfälscher ist der Richter Töreth vorgeschlagen worden, der erste Mann des Blutbundes des Doppelkreuzes. Er ist der berüchtigteste Richter des weifen Megimes, der alle Mörder freigesprochen hat. Gegen diesen ganzen Staatsapparat, der von Waffenschühlern beherrscht ist, wird natürlich auch die Anwesen­heit der französischen   Beamten bei der neuerlichen Einvernahme der Beschuldigten nichts aus­

zurichten vermögen.

Bethlen hatte Kenntnis von den fallchen Franc- Roton.

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Wenn der ungarische Staat und sein Bolf durch das Vorgehen Frankreichs  , das zweifellos einen Eingriff in die staatlichen Rechte Un­ garns   bedeutet, in die denkbar mißlichste Lage gekommen ist, so kann sich dafür das ungarische Bolf bei den Säuvtlingen der Konterrevolution bedanken. Es gibt kein Wort der Verdammung, das hart genug wäre, um die Verwerflichkeit des ungarischen Fälschungsfalles zu kennzeich­nen, obwohl die Francfälschungsaffäre in der Reihe der begangenen Verbrechen der ungari­Bethlen habe hierauf dem Untersuchungsausschuß cine Abschrift des Briefes überreicht. Der Brief schen Machthaber keineswegs die ärgste Tat darstellt. Was sie von den anderen unterscheidet, Wien  , 27. Jänner. Ueber die gestrige its stimmte wortwörtlich mit dem vom Abend" feiner das ist die Tatsache, daß eine Schichte der zung des parlamentarischen Untersu- zeit gemachten Angaben überein. Bethlen schreibt Edelſten und Besten des Landes, hohe Würden chungsausschusses in der Franc- Fälschungs- darin, daß er auch davon Kenntnis hatte, daß träger, die Fälschungen sozusagen im Namen affäre veröffentlicht der Abend" ein Telegramm falsche Frane- Noten im Gebäude des Ungari­des Staates verübten. Die letzten Jahre un- ans Budapest  , wornach Graf Bethlen zuerst geschen Nationalverbandes aufgehoben wurden. garischer Geschichte sind eine Kette von Stämpfen Das Blatt behauptet ferner in dem Telegramm, der Herrenklasse des Landes, eine sich endlos fragt wurde, was er zu dem von ihm geschriebenen fortziehende Reihe von Blut- und Gewalttaten. Brief an Baron Perenyi zu sagen habe. daß das Bekenntnis Bethlen keineswegs freiwillig er. All dies hat aber das Ansehen der ungarischen 00000000200000000000000600200004 Machthaber in den Augen der bürgerlichen Welt

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Nr. 24.

folgte, sondern er erst darüber Auskunft erteilte, alu ihm von den Mitgliedern des Untersuchungsausschus­jes die Nummer des Abend" vom 21. ds. vorgelegt

worden war.

Bethlen wurde weiter gefragt, von wem er die vertrauliche Nachricht über die Franc- Altien erhalten habe. Er erwiderte: Von Nicolaus Kozma, dem Leiter des Ungarischen   Telegraphen- Korrespondenz Bureaus." Bethlen fügte hinzu, daß er sofort, als er von der Sache Kenntnis erhalten habe, sie zu ver hindern getrachtet hätte.

Auf die Frage, was er zur Verhinderung der Franc- Fälschung vorgelehrt habe, erwiderte er, daß er vor der Abreise nach   Genf gestanden sei und des­halb die Angelegenheit nicht persönlich führen lonnte. Er habe seinen Staatssekretär Pronah aufgefor dert, im Innenministerium nachzufragen. Pronah aber sei mit der Sache zum Landespolizeiches Na­dosiy gegangen, weil Nadossy die zuständige Stelle dafür wäre. Weder er, noch Pronah hätten eine Ahnung davon gehabt, daß Nadossy selbst in die An­gelegenheit verwidelt sei.

Auf die Fragen einiger Mitglieder des Unter­suchungsausschuffes, warum er in einer fo wich­tigen Angelegenheit nur den Landespolizei­chef unterrichtete, ohne den Minister des Innern selbst mit der Untersuchung zu betrauen, habe er zu­geben müssen, daß er auch den Innenminister Ma­lovszky von der Sache unterrichtet habe, doch habe Rafovszky nichts unternommen.

Auf die Frage, was er nach seiner Rüdfchr aus  Genf vorgesehen habe, gab Bethlen die Antwort, daß; er tm Drange der Geschäfte die Angele

genheit wieder vergessen habe. Gerade, als er sich wieder mit der Sache beschäftigen wollte, sei bas Haager Telegramm von der Verhaftung Jan Tovie eingetroffen.

Weiter meldet der Abend" aus Budapest  , daß Graf Andrassy   in einem Kreise von Politikern erflärte, daß er noch einige Tage warten wolle, bis Bethlen vollkommen ins Klare lomme, da er fich unmittelbar in einer Sadgaffe befinde. Graf An braffy gebenkt Bethlen seine Hilfe und die Hilfe der Legitimisten in der Erwartung anzubieten, daß Bethlen dafür die Regierung den 2egiti­misten ausliefern werde. In diesem Falle glaubt Andraffy, daß Horthy   durch den Grafen Apponyi als Reichsverweser abgelöst werden müßte, während er selbst, Andrassy, Ministerpräsident werden sollte. In seine Regierung dürfte auch Beth­

len aufgenommen werden. Freilich würden die und die Kleine Entente   gegen eine legitimis ftisch gefärbte Regierung Einspruch erheben. Graf Andrassy   und die Legitimisten seien bereit weitge hende Bürgschaften zu leisten, daß die Königsfrage

in Ungarn   feinesfalls frühzeitig und ohne vorherige Einwilligung der Mächte gelöst werden würde. in feli werden ne Die Zusicherung Bethlens an den franzöfi'chen Gesandten.

nicht zu schmälern vermocht, erst als sie ihre fannt wurde, war auf Seite der ungarischen den, liegt die von der französischen   Regierung nicht zu schmälern vermocht, erst als sie ihre Regierung das sichtbare Bestreben vorhanden, übersendete Note im Wortlaute noch nicht vor. Dreistigkeit so weit trieben, durch Banknoten­fälschungen ein anderes Land zu schädigen und au vertuschen, was nur irgend möglich war. Als Die Meldungen gehen dahin, daß Frankreich  mit dem auf diese Weise hergestellten Gelbe ich die ungarische Polizei über Betreiben der im Falle der Ablehnung seines Verlangens die französischen   Polizei- und Bankbehörden doch Abstcht hatte, alles zu tun, damit" Ungarn  ihre monarchistischen Bestrebungen zum Erfolge in Bewegung feßte und einige prominente Ber- moralisch geächtet werde. Diese Aechtung Budapest  , 27. Jänner  .( MTJ.) Offiziell zu führen, haben ſie ſich in dem Neße gefangen, fönlichkeiten hinter Schloß und Niegel seßen fönnte sich nur auf die Träger des heutigen wird mitgeteilt: Der französische   Ge das für sie verhängnisvoll zu werden droht, mußte, erlahmie der aufgezwungene Gifer und Systems beziehen, denn das ungarische Wolf. sandte, Clinchant, hat im Namen feiner Re­das aber auch geeignet ist, das unschuldige un- von einem bestimmten Momente war es klar, dus unter dem Regime Horthys Unendliches gierung von dem Ministerpräsidenten Beilen garische Volf hart zu treffen. daß Bethlen alles aufbot, die sicher vorhandenen erduldet hat, ist unschuldig und ihm kann und darüber Aufklärung verlangt, in welcher Weise die ungarische Regierung die weitere Auf.edung Wenn die heutigen Repräsentanten des Sintermänner der Tat zu schüßen. Der schlaue, darf wegen der Verbrechen einer Schichte von der bisher noch dunklen Einzelheiten der Frank ungarischen Staates ehrlich die Absicht gehabt verschlagene und mit allen Salben geschmierte Ujurpatoren nicht weitere Unbill zugefügt wer- affäre und im Interesse ihrer Aufdeckung die twer­hätten, den Namen Ungarns   rein zu waschen, Herr Bethlen steht wohl nicht direkt im Lager den. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß dunkle Busammenarbeit der französischen  sie hätten selber aus eigenem Pflichtgefühl alles des Horthy, aber ihn zu opfern, schien ihm im Kräfte am Werke sind, welche noch weiter Organe mit den ungarischen Be­un müssen, zu dem sie jetzt von einer außen- gegebenen Augenblick gefährlich, da er nicht gehende Absichten verfolgen. Es heißt, den hörden zu sichern glaubt, mit Rücksicht darauf, stehenden Macht gezwungen werden sollen. Es minder wie der Reichsverweser selbst die Er fommenden Dingen gegenüber auf der Hut daß die ungarische Regierung den Wunsch der war feine Stleinigkeit, daß eine ganze Sorona haltung der Herrschaft der Konterrevolution sein. Wenn der ungarischen Regierung noch ein Organe der Banque de France  , es möge bei dem von hohen und höchsten Beamten, Ministern, wünscht und er befürchten mußte, daß die Funken von Verstand geblieben ist, so wird ſtaatsanwaltlichen Verhöre der Beschuldigten die Arvesenheit ihrer Vertreter und eventuell auch Magnaten und Notabeln ihre Hände in dem Preisgebung Horthys zur Erschütterung des sie nunmehr alles tun, um die Schuldigen zu der nach Budapest   entsandten französischen   be­Millionenverbrechen hatten und daß diese Ge- ganzen Systems führen würde. Die Unter eifassen. Noch ist es vielleicht nicht zu spät. Nur hördlichen Organe gestattet werden, als gegen die sellschaft den Staat zum Werkzeuge ihres ver- juchung der Fälschungsaffäre ist daher gerade dadurch, daß fie, ohne Rücksicht auf Personen ungarischen Gesetze verstoßend befunden hat. br cherischen Treibens gemacht hat.. Dadurch, in dem Augenblicke ins Stocken geraten, da und politische Ambitionen, mit harter Faust Ministerpräsident Graf Bethlen machte unter caß durch das Verbrechen ein anderer Staat deutliche Spuren zu der Person des mit den zupadt und restlos die leßten Verästelungen der Aufrechterhaltung seines auch schon zu wieder geschädigt wurde, ist die Francfälschungsaffäre erwachenden christlichen Mordgesellen eng be- Schandtat aufdeckt, kann sie Land und Volf holten Malen zum Ausdrud gebrachten Stand ficher nicht mehr bloß eine innere Angelegenheit Freundeten Reichsverwesers hinwiesen. aus der mißlichen Lage befreien, in die es durch punties dem französischen   Gesandten Propo ngarns, aber ihre Austragung hätte cine Bethlen hätte durch eine gründliche Aus die Machenschaften einer gewissenlosen Bande fitionen, die seiner Ansicht nach zur Siche wenn die Regierung, wie sie es wiederholt hat, nicht nur sich selbst, sondern auch Ungarn   Interesse des von harten Leiden heimgesuchten züglichen Bestimmungen im ungarischen Geſet jolche innere Angelegenheit bleiben können, fehr, die er wohl versprochen, aber nicht gehalten und nicht zuletzt durch sie selbst geraten ist. Im rung der erbetenen Busammen arbeit geeignet wären, ohne mit den be feierlich versprochen hat, den Inspiratoren und Sympathien in der Welt erworben, er hat sich ungarischen Volfes muß jeder Freund einer ge- im Gegensatz zu stehen. Der französische  Mitschuldigen an der Tat an den Leib gerückt lieber, um die Konterrevolution zu retten, für deihlichen Entwicklung der ungarischen Verhält- Gesandte hat die Antwort des Minister­wäre. Niemand wird die Ueberzeugung haben, die Verschleierung entschieden und hat dadurch nisse die friedliche Lösung des Knotens erhoffen, präsidenten Grafen Bethlen behufs Weiter­daß Herr Bethlen sein Versprechen erfüllt hat. den Zorn der Großmacht Frankreich   erregt der von seinen verbrecherischen Machthabern ge- leitung an seine Regierung zur Renut­Bom ersten Augenblicke, da die Fälschung be- Bur Stunde, da diese Zeilen geschrieben wer schürzt wurde. nis genommen.