Du, wer immer du seist!
Ofter- Beilage 1926 ☑
Du Sohn oder Tochter Englands!
Welt- Ostergruß.
Du aus den mächtigen Slawenstämmen und-reichen! Du Russe in Rußland !
Du dämmerentstammter schwarzer, göttlich beseelter Afrikaner, groß, schmalschädlich, raffig gebaut, zu Stolz geboren, du gleich und gleich mit mir! Du Norweger , Schwvede, Däne, Jsländer, Preuße! Du Spanier oder Portugiese!
Du Mann oder Weib aus Frankreich !
Du Belgier! Du Freiheitsfreund in ben. Niederlanden du Stamm, aus dem ich selber erwachsen)! Du standhafter Desterreicher, Lombarde, Ungar und Böhme! Bauer in Steiermark !
Du Werkmann von Rhein , Elbe und Weser ! Du Werk frau auch!
Sardinier! Bayer! Schwabe Sachse! Wallache! Bulgar! Du Römer! Grieche und Neapolitaner! Du geschmeidiger Matador in Sevillaz Arena! Du rechtlos lebender Bergräuber
Rautajus
in Taurus und
Du kroatischer Pferdehirt, deine Stuten bewadjend und Hengste fütternd!
Du schöngewachsener Berser, aus dem Sattel im vollen Galopp Pfeile schießend ins Ziel!
Du Chinese in China ! Tatar in der Tatarei! Ihr Weiber der Erde, unter eure Arbeit gebeugt! Du Jude, pilgernd im hohen Alter durch alle Gefahr, um einmal auf syrischem Boden zu stehn! Ihr andern Juden, wartend in allen Ländern auf euren Messias !
Du gedankenvoller Armenier, sinnend an einem der Euphratflüsse! Auftauchend zwischen den Trümmern Ninives ! Steigend empor zum Berge Ararat ! Du wundfüßiger Pilger, grüßend das ferne Blinken der Minarette von Metta !
Ihr Scheils und Herrscher eurer Sippe und Stämme entlang der Enge von Suez bis Bab- el- Mandeb! Ihr Olivenbauer, die ihr eure Früchte zicht auf den Feldern von Nazareth , Damaskus und See Tiberias!
Du Händler aus Tibet im weiten Hochland oder Schachernd in den Ländern von Lhasa !
Japaner , Mann und Weib! Bewohner von Mada gaskar Ceylon , Sumatra , Borneo !
Alle vom Festland ihr in Europa , Asien , Afrika , Australien , gleichviel wo!
Alle ihr von den zahllosen Inseln der Archipel der Seek Und ihr, Jahrhunderte später Geborene, wenn ihr mir lauscht!
Und du, ein jeder und überall, den ich nicht nenne, doch mit umschließe,
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Seil euch allen und guten Mut. Jedes von uns unerläßlich, Jedes von uns unbegrenzt- jedes von uns mit seinem und ihrem Recht auf die Erde,
Jedes von uns beteiligt am ewigen Sinn der Erde, Jedes von uns so göttlich hier wie irgendeins. Walt Whitman .
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Ofterlegende.
Bon Alfons Pezold.
lauf, der ein zierliches Engelstöpfchen darstellte, I zu erreichen, als ihn eine zangenscharfe Hand zurüdriß. Er rutschte aus, knickte in den Knien wie- usammen und fah dann über sich das eifrig entrüstete Geficht eines Polizisten, der ihn scharf anschrie: Was machen Sie da oben auf dem Brunnen? Wissen Sie nicht, daß das verboten ist?"
Der leidvolle Leib des Gekreuzigten lag ber einmal in den Kirchen zur österlichen Schau. Es war am letzten Tage der stillen Karwoche. Bor den Gittern der heiligen Gräber schob sich die ehrfurchtsvolle Schaulust der Menschen in bunter Dichtheit. Nur wenige beteten voll Inbrunst und Inieten auf den Fließen in Demut und Trauer.
Dann ließ er feine mißtrauischen Blide über den Miffetäter rieseln. Wer sind Sie denn eigentlich, was machen Sie da?"
Ich bin ein zugewanderter Tischlergeselle und wollte nur meinen Durst löschen."
So, so", feigte der Polizist, das kennen wir, haben Sie feinen Wohn- oder Arbeitsplat?"
Nein, Herr Polizist, ich bin erst zu Mittag in die Stadt gekommen und hab mir gleich Arbeit gesucht, bin aber überall abgewiesen worden."
Zur Mittagszeit stieg ein Wandersmann die Bergstraße in die Stadt hinab. An seinen hängenden Schritten schleppte er viele Stunden beschwerlicher Wanderschaft nach sich. Staub von vielen Straßen des Landes lag auf seiner arm feligen Bekleidung, und die Eisendornzweige feines Stodes drüdte sich bei jedem Aufstoß im Der Stadtfoldat glühte vor Amtseifer und mer tiefer in den auftauenden Baden, beschwert dem Willen der Gesezerfüllung durch seine wichvon der Last seines müden Körpers. Aus dem tige Person. Und er padte den armen Burschen grauen Leinenfad, den der Mann auf den Schul- roh am Arm und zerrte ihn über das Pflaster tern tug, ragte das Ende eines langen Hobels vieler Gassen, durch die Spottluft und schmutzige und das eines Winkeleisens hervor. So mußte Schadenfreude unzähliger Leute, zu dem Polizeider Wanderer wohl ein reisender Tischlergeselle gebäude, das alt und modrig wie eine versteiober Zimmermann fein. An einer Straßenfreunerte Riesentröte in einem abgelegenen Stadtteil zung fragte er eine des Weges kommende Frau war. Da die Amtsräume wegen der nahen Aufschüchtern nach der großen Möbelfabrik. Und erstehungsfeierlichkeiten schon geschlossen waren, als ihm die Frau bereitvilligst und mit einem Mitleid in Blid und Stimme Auskunft erteilte, fagte er ganz leife: Danke, liebe Frau!" Da mußte diese in einem schreckhaft und doch sonder bar freudigen Staunen dem Weitergehenden nach fchauen, war es ihr doch gewesen, als hätten über ihr vier silberne Mädchenstimmen im reinen Gefang wiederholt:„ Dante, liebe Frau!"
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wurde der Häftling feinem verhörenden Beamten vorgeführt, sondern sofort in Arrest gesteckt. Stunum und teilnahmslos rückten die Insassen zusammen und gaben dem Neuangekommenen eine schmale Fläche der nadten, schmußigen Diele zum Sinlegen frei. Nach einer Weile rasselte es vor der Blechtüre und herein trat ein GefängnisMs der arbeitsuchende Tischlergeselle an das wärter, dessen Gesicht im fahlen Licht des GanTor der Möbelfabrik kam und arger Unruhe ges wie das einer wütenden Eule hing. Er zählte brummig die Insassen des Loches und boll, wie ein Bettler anklopfte, machte ein be- wollte wieder gehen, als vor ihm der neue Häftleibter, blaubeschürzter Hauswart die Pforte nur ling aus der Dämmerung tauchte und mit inzu einem schmalen Spalt auf, musterte den ständigster Bitte sagte:„ Guter Herr, ich tät recht Draußenstehenden mit einem fahlen, teilnahmslosen Blick und grunzte im Ton schläfrigen Wiß schön bitten um ein Stüderl Brot. Ich hab' seit Miß- wei Tagen nichts gegessen und mich hungert sehr."
bergnügens: Was wollen Sie denn?"
Demütig verlor es sich in den Lippen des Gesellen in das widerwillige Ohr des Diden: Lieber Herr! Ich möchte anfragen, ob hier nicht ein guter fleißiger Arbeiter angenommen wird?" Schaun S, daß weiterlommen, Land Schaun S, daß S' weiterkommen, Landstreicher!" Und den knappen Spalt in der Tür fraß das Schnappen des Riegels im Schloß.
Nun schleppte sich der stadtfremde Arbeitslofe durch die halbe Stadt von Fabrit zu Fabrik, don Meister zu Meister, um überall mehr oder weniger barsch abgewiesen zu werden. In einer geringen Wertstätte, wo er in der Vorstube des längeren auf den Bescheid des Meisters warten mußte, gab ihm der anwesende Lehrjunge im Gefühl des Mitleids für das arme, bittende Menschlein ein Stück Brot und wußte dann nicht, welch Wunder ihm auf einmal geschah, als der frembe Gefelle es mit einem leisen Dank entgegennahm. Dem Knaben war es da, als stünde eine längst verstorbene Mutter leibhaftig an feiner Seite und bedankte sich bei ihrem Sohne für das Stückchen Brot. Auf dem Marktplatz plätscherte aus einem marmornen Brunnen eifrig ein tilares Wasser. Zu ihm schlich sich der arme, hungrige, todmüde Mann. An dem klingenden Strahl wollte er sich über die verdorrte Bunge und die schmerzerzeugende Leere des Magens auf eine turze Frist himvegtäuschen. Eben beugte er fich über das prunksteinerne Beden, um den Aus
Du arbeitsscheuer Lump, du! Was willst du, Brot willst? Nit einmal an die heiligen Tage gibt einem das Gesindel eine Rub. Da beiz nein, wenn du einen Hunger hast"; er hielt ihm die geballte Faust mit dem umkrallten Schlüsselbund vor das hilflose Gesicht.
Als er den Raum, vor Empörung fauchend, verlassen und die Tür hinter sich zugeworfen hatte, wachten die Gefährten des Tischlergesellen aus ängstlichem Verkrochensein und Teilnahms. losigkeit auf. Sie scharten sich um ihn und schentten ihm ihre laute Empörung über den rohen Gefangenvärter als gutgemeinten Trost.
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Die Gebrochenen und Geringsten der Menschheit starrten den Sprecher an und wußten das sonderbare Erlebnis nicht zu deuten. Sie vergaßen auf einmal alle Schimpfnamen, den ganzen Groll ihres zertretenen Lebens und wußten nicht, worüber sie fluchen oder Klagen sollten. Eine famtene Stille hüllte sie warm ein, in die unerwartet feierliches Glockengeläute brauste und manchmal Töne eines Auferstehungsliedes hereinzitterten, das eine ferne Menschenmenge sang:
Christ ist erstanden, aus Todeshanden Halleluja, halleluja!
ein fleines budliges Männlein los. Von lantiDa löfte sich von der Landstreichergruppe ger Stirn flossen ihm lange Haare ins Gesicht und die andern nannten ihn den verrückten Pro
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3. G. Machar:
fessor. Jetzt warf er die Hände in die Boye une stammelte: Die Wundmale, die Wundmale!" Dann trat er auf den Tischler zu und bat inbrünstig: Segne mich Herr und die Brüder." Verklärten auf die Stirn. Zugleich öffnete eine Und der Gefelle stand auf und füßte den strahlende Hand die versper.te Tür, schob sie wie ein Wölkchen zur Seite. Draußen bannte fein düsterer Korridor die Blicke, eine Frühlingslandschaft schenkte sich den Augen der Gefangenen. Und durch diese sahen sie den Bruder Tischler wandern. Sie nieten nieder und falteten die und die Glocken tönten jede Sorge und Dual von Hände. Sie hörten noch inumer Glockengeläute ihren Herzen weg.
Die Paffion.
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( Zusammengestellt aus drei Jahrgängen der Katholischen Blätter", beztv. der„ Obnova", Blas" und" Čech".)
Erschienen zu Jerusalem während der Regierung des Kaiser Tibenius.
J. S. Machars Passion" stellt einen der stärksten satirischen Angriffe auf das Scheinchristentum der angeblich christlichen Stirchen dar, die je geschrieben wurden. Wie immer man weltanschaulich zum Christentum in seiner roinen Form stehen mag und wie man es historisch werten mag, sicher ist das Eine, daß die Kirchen, die vorgeben, Bertreter des Christentums zu sein, mit den Lehren des Nazareners so gut wie nichts mehr zu tun haben und daß es ein schamloser Mißbrauch des Namens Christi ist, wenn die schärfsten Vertreter der Besipinteressen und der Reaktion sich christlich nennen.
geblich ist es ein Zimmermann aus Nazareth . Er tritt angeblich auch sehr selbstbewußt auf. Wir bedauern, daß wir keine näheren Nachrichten über dieses neue Licht besitzen, wir würden sie gerne veröffentlichen zur Ünterhaltung unserer Leser.
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10. März. Tagesrundschau. Aus dem neuen Nazarener Propheten" hat sich ein ge wöhnlicher Wunderdoftor" entpuppt, wie unser Vaterland Tausende solcher Taschenspieler besitzt. Es berichtet uns unser hochw. Herr aus Kafar naum , daß in der Stadt das Gerücht zirkuliert, daß der Nazarener einen Gichtkranken geheilt hätte. Offenbar hat er ihm einen kalten Umschlag gegeben, meint der hochw. Herr Pfarrer. Der Wunder"-Doktor heißt Josua. Wir geben ihm den Rat, er möge zu seiner Zimmermannsarbeit zurückkehren und das Heilen lassen, wir haben diplomierte Aerzte zum Schweinefüttern Diese Heuchelei will Machar treffen und es geht diesen ohnedies wie den Rastel und er trifft sie tödlich. Nicht eine Ver- bindern. höhnung der Leidensgeschichte Christi ist die Josua, nämlich der Zimmermann aus Nazareth , 18. März. Tagesrundschau. Der Herr Baffion", sondern eine Anlage gegen weiß allem Anschein nach schon selber nicht, was diejenigen, die sich fälschlich er sei. Einmal gibt er sich für einen Propheten" Nachfolger des Getreuzigten aus, ein andermal heilt" er Kranke, aber wir nennen. Machar hat die Redewendun- werden ihm sagen, was des Pudels Kern ist. Dieser Landstreicher begab sich also unlängst bis gen Meritaler Zeitungen, ihre Beweis nach Ranaa in Galiläa, wo gerade die Hochzeit führung gegen alle des Freisinns und der der Tochter des ersten Stadtverordneten mit sozialistischen Gesinnung Verdächtigen über- Herrn Efraim , dem bekannten Baumeister, genommen und zeigt, wie die ferifalen Bei- feiert wurde. Der Herr Josua mischte sich frech tungen schrieben, wenn Chriftus beute unter die Hochzeitsgäste, trant bis sich die Ballent bogen, tanzte und unterhielt sich seiner Herkunft lebte, oder wie die Zeitungen der Vor- und seiner Bildung entsprechend. Als sich der gänger der Christlichsozialen, der flerifalen Hochzeitswein zu Ende neigte, erklärte er, Wein Partei Judäas geschrieben hätten, wenn sie herbeizuschaffen und hole diesen Gaufler! reines Wasser er ließ den Gästen Beitungen gebannt hätten. frebenzen. Es ist selbstverständlich, daß den angeheiterten, betrunkenen und schweißtriefenden Gästen das Wasser wie Nektar schmeckte, der unverschämte Jofua erklärte sodann, daß er das Waffer in Wein verwandelt hätte! Und die Galiläer ließen sich durch so eine Gaubelei an der Nafe herumführen. Wir werden dieses nette Früchtchen in Evidenz behalten und bitten unfere hchw. Herren Pfarrer, uns über alles Bericht au
Der Gefelle hob den Kopf mit dem feinen blonden Krenzbart, schaute sie alle der Reihe nach mit blauen Lichtern an und sprach ein Selt fames: Brüder, er weiß ja nicht, was er tut. Aus ihm sprechen die anderen, und aus diesen wieder andere, die vielleicht schon dieser Erde gestorben sind. Das Schlechte und Böse, Brüder, 5. März. Tagesrundschau. Unser Paist wie feiner Staub, es bringt in alle Seelen, in die heimlichsten Falten unseres Herzens. Laßt lästina ist von einer besonderen Art von Unglüd uns nicht richten, Brüder, denn es könnte fein, beimgehucht. Wie der Herrgott Heuschreden und daß wir zu den anderen gehören, die das Böse schmaroserisches Ungeziefer über Aegypten schickte, weitergeben und vielleicht sind wir inwendig boll fo fenbet fein Born über unser Baterland die Staub? Was wissen wir von unsern guten Wer- Stimme unserer Propheten". Söre also, o fen? Wenig oder gar nichts. Aber mit bösen Welt! Der närrische Prophet" Jochanaan hat einen Kollegen und Konkurrenten erhalten. AnDingen sind wir vollgepadi.“
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