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6. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowatischen Republit.

Samstag, 17. April 1926.

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Nr. 91.

Kommunistische Parolen. Genoffen und Genofsinnen, Arbeiter und Arbeiterinnen! Boltsbildung und Land­

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Ein kommunistischer Redakteur hat es nicht leicht. Fürwahr, es möcht kein Hund länger so leben." Er muß täglich für Emotion seiner Leser sorgen, und da doch nicht täglich ein Ereignis geschieht, das Gift und Galle der fommunistischen Anhängerschar zu erregen im­stande ist, so muß der Redakteur, dem die Sorge für die Fortentwicklung der kommuni­ stischen   Seele anvertraut ist, nach allen Kräften nachhelfen: mit überlebensgroßen Lettern, mit viel und fetter Druckerschwärze je mehr, desto besser und mit Kampfparolen, die er nur so aus dem Aermel schütteln können muß, wenn er vor den gestrengen Moskauer   Meistern seine Verwendbarkeit erweisen will. Wenn schon der Bolschewismus dem Arbeiter nicht täglich sein Huhn im Zopfe geben kann, so fredenzi er ihm doch wenigstens täglich seine Sensation. So lange die Weltrevolution noch nicht von Moskau   abgesagt war, ging das leicht. Da war es feine Kunst, die kommunistischen   Nachläufer in Aufregung zu erhalten. Welche freudige Er­wartungen erweckte allein schon die beharrlich genährte Vorstellung von dem Pavadies, welches auf Erden anheben werde, wenn erst einmal Bourgeois und Sozialpatrioten an die Wand gestellt" sein würden. Heute, wo so ein Redakteur, ganz wie ein sozialdemokratischer Lakai der Kapitalisten, darauf angewiesen ist, den avmseligen Knochen der Tagesforderungen der Arbeiterschaft" zu benagen, ist das Geschäft, jeden Tag die im Interesse des Bolschewismus nötige Portion Aufregung zu erzeugen, viel jchwerer geworden. Für Aufputschung aber muß gesorgt werden, nicht etwa, um die Ar­beiterschaft zu einer Tat zu haranguieren Gott bewahre, denn die wilden Revolutionäre haben gelernt, mit Taten ebenso sparsam zu sein, wie freigebig mit starken Worten- sondern um den Unterschied zu markieren, der zwischen den schlappen Sozialdemokraten und den forschen kommunistischen   Weltumstürzlern besteht. Da kommunistische Verheißungen und Erfüllungen im Verhältnis zueinander stehen, wie etwa das adriatische Meer zu einem nassen Spudfled, muß die kommunistische Presse dieses Mißverhältnis ihren Lesern durch Getöse ver­gessen machen. Auch hat sie durch ihre tägliche Janitscharenmusik zu beweisen, daß die Welt erst dann vollkommen sein wird, wenn die Diftatur der Sinowjews, Losowskys, Kame­news, Kuns und Kohns über die Menschheit errichtet sein wird.

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Wieder rufen wir euch auf, zu rüsten zu würdiger Feier des crestn Mai, des großen Festa tages aller Arbeitenden.

Aber wir rufen euch nicht nur zur Feier des Tages der Arbeit, zu gewaltiger Kundgebung für die Ideale des Sozialismus, denen dieser Tag geweiht ist wir rufen euch

zu erniem politischem Sample!

Der erste Mai war Erweder riesiger Arbeitermassen, er war Kampftag und Festtag zu­gleich all die Jahrzehnte, seit das zum Klassen bewußtsein erwachte Proletariat seinen selbstbe­stimmten Festtag feierte. Er ist heuer mehr denn je

ein Kamp tag aller sozialistischen   Arbeiter.

denn der Vormarsch der Reaktion droht Errungenschaften, die dauernd zu sein schienen, die in einem demokratischen Staate zu den Selbstverständlichkeiten des täglichen Lebens gehören, zu vernichten. Vereins, Versammlungs- und Preßfreiheit gibt es nicht mehr, das Wahlrecht, die letzte der demokratischen Errungenschaften, die der Vorsturm der Reaktion noch nicht niederzurennen vermochte, soll, wenn es nach den Wünschen tschechischer Chauvinisten geht, gründlich verschlechtert werden. Der Militarismus begehrt nicht nur neue Geldopfer, er greist auch verlangend nach jüngster Jugend, die er zu militärischer Vorbereitung zwingen will. Arbeiterfeindliche Steuerpläne, an denen die Regierung festhält, w u ch e- rische Zollpläne, an deren Durchsetzung tschechische und   deutsche Agrarier gemeinsam arbeiten, drohen in einer Zeit wach sender Arbeitslosigkeit, dauernder Kurzarbeit, das Leben der Arbeiter so zu verteuern, daß es zu einer dauernden Hölle der Not werden muß. Der Achtstundentag ist den Kapitalistentlassen dieses Staates ein Dorn im Auge und immer wieder werden Versuche nach Abschaffung dieser Errungenschaft unternommen. Und über diese ver­derblichen Pläne weit hinaus greifen die Absich ten jener tschechischen Chauvinisten, die von fasci­stischen Gelüsten erfüllt sind. Das Chaos, in das der Nationalismus dieses Landes geführt hat, dient als Vorwand, um nach anderen als demokratischen Methoden zu rufen.

Arbeiter, Arbeiterinnen, wenn es eine Klasse gibt, die befähigt und berufen ist, den Kampf gegen die reaktionären Pläne zu führen, so ist es die Arbeiterklasse. Ihr Lebensinter­esse gebietet ihr, sich der Reaktion entgegenzuwerfen. Berliert sie ihre spärlichen politischen Rechte, dann verliert sie auch die Möglichkeit, gegen ihre wirtschaftliche Versklavung zu kämpfen.

Darum, Genossen und Genojjinnen, rufen wir euch auf, den ersten Mai zu einem wirk­famen Kampftage zu gestalten, rufen wir euch auf, am ersten Mai aufzumarschieren zu macht­vollen Kundgebungen

gegen die politische und wirtschaftliche Realtion! gegen den Militarismus!

für die politischen Rechte der Arbeiter!

für die nationale Verständigung!

Gerade im Lande der nationalen Entrechtung und des wüstesten nationalen Kampfes ist es notwendig, daß wir uns unserer Mission, für die nationale Verständigung zu arbeiten, be= wußt bleiben. Und gerade der internationale Charakter der Maifeier ist es, der und an diese Aufgabe mahnt. Die Fortdauer der nationalen Kämpfe, das Wachsen des politischen Chaos insolge der Ungelöstheit der nationalen Fragen begünstigt die Reaktion, gibt ihr vielfältige Möglichkeit zu immer wieder sich erneuernden, immer lühneren Vorstößen. Wir bekämpfen die Reaktion auch durch unseren Kampf um den nationalen Frieden!

Für diesen Kampf, zur Kundgebung euer es unerschütterlichen Kampfwillens, zur Bekun­dung der Kampfentschlossenheit der ganzen deutschen Arbeiterklasse dieses Staates wider alle reaktionären Pläne, wider die drohende Verelendung der arbeitenden Massen, und zum Kampfe für die politische Freiheit rufen wir euch auf!

Der erste Mai 1926 muß beweisen, daß die alte sprichwörtliche Begeisterung, die alte Treue zum Sozialismus, der alte Kampfgeist ungebrochen im Proletariat fortleben!

Der Parteivorstand der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowalischen Republit.

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wirtschaft.

Wir bringen hiemit einen Abschnitt aus dem socben erschienenen Werk Otto Bauers Sozialdemokratische Agrar­politik"( Verlag der   Wiener Volksbuch­handlung, Preis geheftet 5 S). Die Schrift, die der Erläuterung des Agrarprogrammes der österreichischen Bruderpartei dient, ist ein wahres Lehrbuch sozialdemo fratischer

Agrarpolitik und bringt auch für unsere Verhältnisse eine Fülle des Wertvollen.

Wit

Der moderne Kapitalismus hat nicht nur in der Industrie das Handwerk durch die Fabrik, die Handarbeit durch die Maschinenarbeit ber drängt, die Arbeitsverfahren umgewälzt. der Entwicklung des modernen Kapitalismus haben sich auch die Landwirtschaftswis­senschaften und die Landwirtschafts­technik gewaltig entwidelt. Sie haben den Landwirt gelehrt, durch zweckmäßige Auswahl des Saatgutes, durch rationelle Bodenbearbei tung, Düngung und Fruchtfolge, durch plan­mäßige Züchtung der Vichrassen, durch zweck­mäßige Fütterung des Vichs, zweckmäßige Stall­einrichtungen, planmäßige Bekämpfung der Tier­seuchen, durch Verwendung besserer Geräte und arbeitsparender Maschinen die Erträge der Ar­beit in der Landwirtschaft bedeutend zu erhöhen.

Die Besitzer der landwirtschaftlichen Groß­betriebe stellen Güterbeamte, die an deit Hochschulen ausgebildet worden sind, in ihren Dienst. Wissenschaftlich geschulte Wirtschaftslei­ter verwerten die Errungenschaften moderner Wissenschaft und Technik in der Landwirtschaft. Ungleich schwerer finden die Lehren der mo dernen Landwirtschaftswissenschaften und die Hilfsmittel moderner Technik in den bäuer­lichen Betrieb Eingang. Gewöhnt, weiter zuwirtschaften, wie ihre Väter und Großväter ge­wirtschaftet haben, lernen es die Bauern nur all­mählich, bei der Auswahl von Saatgut und Zuchtvich, bei der Düngung und Fütterung, bei der Bodenbearbeitung und der Wahl der Frucht folge, bei der Einrichtung der Wirtschaftsgebäude und bei der Auswahl der Maschinen und Geräte die Erfahrungen und Forschungsergebnisse der Wissenschaft zu verwerten. Die Armut der Bauern und die Kleinheit ihrer Betriebe, aber auch die Unwissenheit vieler Bauern und ihr Hangen an alten Ueberlieferungen und Vorurtei len erschweren den Uebergang zu produktiven Wirtschaftsmethoden.

Das ganze Volt aber hat das stärkste Inter­esse daran, den Fortschritt der bäuerlichen Wirt­schaft zu ergiebigeren Wirtschaftsmethoden zu fördern.

Je größere Ernteerträge der Bauer seinem Boden abzuringen und je höherwertiges Vich er

Dreihundertfünfundsechzigmal im Jahre, in Schaltjahren dreihundertsechsundsechzigmal, wird also der kommunistische Leser von seiner freites   China!", in dem die Arbeiter der und Bauernregierung in der Volkes!" Am 10. April läuteten die kom­Presse zu irgendetwas aufgerufen", was die   Tschechoslowakei in schrillen Tönen aufgefordert   Tschechoslowakei!" Herr Cerny brauchte munistischen Glocken:" Das Gebot der Päpste oder auch nur irgendein kommunistisches wurden, überall Versammlungen und   Stund- aber vor den Kommunisten, die ihn abzusetzen Stunde: Einheitsfront von un­Schmöcklein, das beauftragt ist, zu den Nach- gebungen für   China, gegen die im drohten, nicht lange zu zittern, denn schon zweiten!" Es gab aber noch eine andere Gloce, richten" die Titelüberschriften zu schreiben, je- perialistischen Räuber" durchzufüh- Tage darauf schrien die fetten Lettern:" ür die rief: Bereinigt Euch zum Kampf weils für die dringendste Aufgabe halten. Das ren. Nieder mit der englischen die Einheitsfront der Industrie- gegen den Völkerbund!" Auch der 11., geschieht in so dringlicher Form und mit so Blockade! Verhindert kriegerische und Landarbeiter mit den Kleinber 13., 14., 15. und 16. brachten pünktlich fetten Lettern, daß der kommunistische Bei- Maßnahmen gegen Kanton!" Gben bauern!" Am 30. dürfte wohl diese Ein- die Parole des Tages, alle von einer Wucht tungslejer glauben muß, er verwirke sein bol waren die Reichenberger Kommunisten damit heitsfront noch nicht ganz fertig gewesen sein, daß jede einzelne geeignet war, der kapitalisti­schemistisches Seelenheil, wenn er nicht under beschäftigt, Kanonen auf dem Jaberlicher Berg dennoch wurde eine neue Parole ausgegeben: schen Gesellschaftsordnung unheilbare Wunden züglich alles stehen und liegen läßt und für die aufzufahren, um England auf die Knie zu Für die einheitliche Durchfüh- zu schlagen. angegebene Sache sein Letztes in die Schanze zwingen, als ihnen am 20. März schon ein rung des Steuerkampfes!" und bei Leider haben sich die Arbeiter, auch die schlägt. Aber ehe er noch dazu kommt, fällt ihm neuer Auftrag erteilt wurde: Auf zum dieser Gelegenheit erfuhr man, daß auch schon kommunistischen, abgewöhnt, das Zeug zu lesen wie ein Ziegelstein eine neue Parole auf den Sampf gegen die neue Beamten eine wirkliche Versammlung abgehalten worden und das tägliche Aufruf- Geschrei ernst zu neh­Kopf. Jetzt wird es das richtige sein, denkt regierung!" Um nicht über Mangel an war, nämlich in   Georgswalde. Am 1. April men. In dem krankhaften Bestreben, es der sich der aus den   kommunistischen Posaunen Beschäftigung zu klagen, erscholl am selben Tag hieß es:" Gerüchte über Neuwahlen". Sozialdemokratie an Radikalismus zuvorzu­Aufgerufene, aber schon am nächsten Tage hört noch ein anderer Kampfruf:" Gegen den und den Kommunisten wurde aufgetragen, tun, müssen die Kommunisten immerzu schreien er die Drommeten schallen, die ihm etwas noch weißen Terror!" Der nächste Tag, es unermüdlich zu rüsten". Am 2. April und schreien. Wer aber ständig schreit, dem hört Dringlicheres auftragen. Den ganzen Spektakel war ein Sonntag, brachte über einem mächtigen hieß es im Befehlstone:" Weg mit dem bald auch das geduldigste Ohr nicht zu. Be­nennen die Kommunisten: den revolutionären Aufruf der Kommun. Korresp. den flammen- Genter System!", wobei die Drohung sonders, wenn der Reklamelärm in so argem Kampf für die Arbeiterschaft führen. Außer den Titel: Keine Oppositions- verkündet wurde: Keine Ruhe, solange Widerspruch zu dem Erreichten steht, wie bei Vergeudung von viel Druckerschwärze kommt spielerei sondern wirklicher dieses System in Geltung ist!" Der den Kommunisten. Es ist Radikalismus der bei dieser überwältigenden Strategie nichts her- Sampf gegen die Reaktion!" Am 4. April brachte einen Mammut- Aufruf: An billigsten Sorte, den die kommunistische Partei aus. Man kann sich eine Stunde ungetrübter Dienstag darauf hieß es: An die Ar- das werktätige Volk der Tschecho.in den Spalten ihrer Presse täglich zur Schau Heiterkeit verschaffen, wenn man die kommunt- beit, Bertrauensmänner!" Nämlich lowakei!" Am 7. April war die Parole stellt. Der Unernst ihrer Parolen, stischen Zeitungen eines Monates durchblättert; an die Arbeit zum Kampfe gegen des Tages:" Weg mit der Grenz- die nicht als 3 wed den Kampf für es staunt der Laie und wundert sich der Fach- die neue Steuerreform". Zur Absperre!" Am 9. gab es einen Aufruf der die Interessen der Arbeiterschaft mann, was den   kommunistischen Arbeitern da wechslung wurden am 24. die Arbeiter auf- Roten Frontkämpfer Deutsch- haben, sondern die Sucht, die So= alles an Aufträgen zuteil wiro. Am 17. März gefordert, troß der Lakaien der Reaktion lands an die aktiven() revolutio- zialdemokratie zu überliziteren, hieß es: Schafft Rote Hilfe!" Aber das sind wir! die Einheitsfront nären - die Einheitsfront nären Kämpfer der Tschechoslo- macht die Leser dieser Parolen das war offenbar nicht genug Beschäftigung für hoch leben zu lassen. Am 25. März be- wake i", der mit dem schönen   Gruß Rot stumpf und schädigt die ernſten die   kommunistischen Stämpfer, und so gab es schloß man, sich nicht mehr mit Kleinigkeiten Front!" abschloß. Dann noch einen Aufruf: Sämpfe des sozialistischen Pro noch einen andern Aufruf zu lesen: Gegen abzugeben und aufs Ganze loszugehen. Die In den Kampf für die Mindest- letariats. die englische Blockade, für ein be- Parole lautete:" Für die Arbeiterforderungen des werktätigen