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6. Jahrgang.
Sozialdemokrat
Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.
Das warnende Beispiel.
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Schwere Straßentämpfe in Warschau . Streitbeschluß der Sozialdemokraten. - Die Regierung will nicht weichen.
Große Truppenverschiebungen.
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Tschechisch Teichen, 14. Mai. ( Č. P. B.) In Warschau dauern heute schwere Kämpfe an. Es foll 200 Tote und 1000 Verwundete geben. Der Belvedereplaß war bis Freitag mittag noch in Regierungshänden. Die schweren Kämpfe finden in der Nähe des Belvederepalais und in der Vorstadt Ochota statt.
In den Kämpfen zwischen den regierungstreuen Truppen und den Pilsudstiabteilungen ist nach einem offiziellen polizeilichen Kommuniquce die Zahl der Toten mit 21 und jene der Berwundeten mit 200 festgestellt worden. In den Straßen Warschaus sind Barrikaden aufgerichtet.
Die sozialdemokratische Partei hat heute in Warschau einen allgemeinen Streif proflamiert. Die Züge verkehren jetzt nur bis zum linken Ufer der Weichsel und treffen nicht auf den Bahnhöfen ein. Gestern abend fanden vor den Redaktionsgebäuden der nationaldemo tratischen Gazeta Warszawska" und„ Warszawianka" Demonstrationen statt. Die beiden Blätter find den ganzen Tag nicht erschienen."
Danzig , 14. Mai. ( Wolff.) Nach hier vorliegenden Meldungen von der Grenze, beherrscht in Warschau Pilsudski die Lage. Finanzminister 3dziechowski, der sich nach Posen be geben habe, führt die Geschäfte des Kabinettes und hat an die Kriegsbehörden einen Erlaß gerichtet, in dem er ihnen vollständig freie Hand in der Bekämpfung der Aufstandsbewegung Pilsudstis bei Außerachtlassung der verfassungsmäßigen Gefeße überläßt. Die Lage um Warschau jei ungeklärt. Bei Lublin entwickelt General Rommer eine Gegenaktion, die zu zahlreichen Zusammenstößen geführt hat.
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Nr. 114.
chau ausgeholt. Für Freitag war der Vormarsch der regierungstreuen Truppen von Kratau, Lemberg und Posen fonzentrisch gegen Warschau angefeßt. Wie weit er im Laufe des Tages durchgeführt werden konnte, ist noch unbekannt, da alle Telephonlinien außerhalb Warschaus zum Teil nicht funktionieren, zum Teil in den Händen der Rechten sind. Ob die Eisenbahner den angekündigten Streit in vollem Umfange durchführen, ist nicht zu erfahren.
Der rechtsstehende Kommandant von Krakau , Kulin sti, hat, da ein Teil der Krakauer Gars nison unzweideutig für Pilsudski ist, Verstärkungen herangezogen. So ist die Teschener Garnison in ovller Kriegsausrüstung nach Requirierung fämtlicher öffentlicher Gelder unter Becidioung auf die Regierung nach Krafan beordert worden.
Die Arbeiterschaft veranstaltet vielfach Demonstrationen für Pilsudski , so u. a. am Donnerstag in Bicliß. Die Sozialisten versuchen einen Kurierdienst einzurichten.
Ein Manifest der Regierung. Warschau , 14. Mai. Die Regierung hat heute einen Aufruf an die Nation erlajjen, in welchem die Bevölkerung aufgefordert wird, mit der legalen Regierung an der Unterdrüdung des Aufstandes zusammenzuarbeiten. Die Gerüchte von einer Flucht der Regierung mittels Flugzeuges nach Posen werden dementiert. Dic Regierung mit dem Präsidenten der Republik befindet sich weiter im Belvederepalais; nur der Handelsminister ist mittels Flugzeug nach Posen abgereift. Polen
ist von den Erschütterungen und Schrecken des Bürgerkrieges heimgesucht und niemand vermag noch abzumessen, welche Folgen und Schäden für das Land, das der Schauplaẞ dieser Ereignisse ist, sich ergeben werden. Der normale Gang der Entwicklung, soweit allerdings von einem solchen in Polen gesprochen werden konnte, ist durch die Militärrevolution unterbrochen, woraus unabsehbare Gefahren zu entstehen drohen. Es ist sicher wahr, daß die polnische Krise, die in dem Aufstand nun mit eruptiver Gewalt losgebrochen ist, nicht eine zufällige Erscheinung, sondern eine Teilerscheinung der gesamteuropäischen Krise ist, die seit dem Kriege auf allen Ländern des alten Erdteils lastet. Die Zerrüttung des polnischen Staates ist eine neue Bestätigung der Tatsache, daß das Kriegsende Europas Völkern nicht den wirklichen Frieden gebracht hat, daß das Friedensdiktat in den Boden Europas eine ungeheuere Fülle von Unruhe und Unsicherheit verpflanzte, und statt eines friedlichen Staatenbundes den Kampf Aller gegen Alle schuf. Mißtrauen, Haß, gesteigerte Rüstungspolitik, nationale Unterdrückung der Minderheiten, wirtschaftliche und finanzielle Zerrüttung als Folge der Politik der gegeneinander rivalisierenden Staaten, innere Schwierigkeiten ohne Ende, das sind die Früchte der von den Siegern Europa aufgezwungenen Verträge, als deren Furcht vor einem russischen Einmarich. neuestes Opfer sich Polen in die furchtbaren Mähr.- Ostrau, 14. Mai. Aus den Meldun-| schienen nach Warschau aufgerissen und die Lemberg , 14. Mai. Extraausgaben melden, Wirren eines Bürgerkrieges hineingestoßen gen, welche gestern in der Nacht an der polnisch Telephon- und Telegraphenleitungsdrähte zer- daß der Kommandant der Division Podwoloczyska sieht. chechischen Grenze im Teschner Gebiete aufgefa riffen. Auf der Strede stehen Truppen Pilsudffts an das Korpskommando in Lemberg eine MitDoch es sind diese allgemeinen Ursachen, en werden konnten, lann geſchloſſen werden, daß mit Maschinengewehren und laſſen niemanden teilung gerichtet habe, daß an der sowjetruſſiſchen die das europäische Festland in einen schweben- ich die Stellung des Marschalls Pilsudski be nach Warschau . Die nach Warschau kommenden Grenze eine ruffische Abteilung erschienen sei. feftigt. Truppen werden durch Militärabteilungen Pil- Das Divisionskommando habe die Regierung um den Feuerherd verwandelt haben, nicht allein, Gestern hielten die Eisenbahnangestellten in substis jur Rückkehr genötigt. Dies geschah auch Verstärkungen ersucht. Die Lemberger Blätter die Polens traurigen Zustand verschuldet haben, Dziedziß Beratungen ab, und beschlossen, eine bei den aus Posen von der polnischen Regierung melden, daß unter der Grenzbevölkerung in unmittelbar schuld ist die Unfähigkeit der Herr Transporte von Regierungstrup zur Hilfe herbeigerufenen Truppen; aber auch Galizien die Befürchtung eines Einmarsches in schenden und schuld sind die Methoden, welche pen zuzulassen. Bei den Beratungen wurde auch jene Militärabteilungen, welche eintrafen, um fidalizien die Befürchtung eines Einmarsches in Ostgalizien herrsche. die Bourgeoisie dem Lande aufzuzwingen suchte, die Anschauung ausnesprochen, daß die Eisenhause an die Seite Pilsudstis zu stellen, müssen in ihre um in ihrem Sinne und zu ihrem alleinigen den Eisenbahnbetrieb einstellen sollten. Gleich Garnisonen zurüdtehren Es acfd; ch dies auf Vorteile die politischen, wirtschaftlichen und zeitig mit dieser Einstellung sollte auch der Post, ausdrücklichen Wunsch Pilsudsstis, welcher erklärt finanziellen Fragen zu lösen. Wem drängt sich der Telegraphen- und der Telephondienst, welcher haben soll, daß die Truppen, über welche er bisher dabei nicht der Vergleich mit den Bestrebungen übrigens eigentlich heute schon nicht mehr funktio- verfügt, genügen, um sich Warschaus zu bemäch niert, eingestellt werden. Die politischen Ereignisse tigen." der Besißklassen in anderen Ländern auf, zu haben auch einen großen Einfluß auf die wirt denen auch die Tschechoslowakei und diese schaftliche Lage. Die Preise für Nahrungsmittel Gegenaktionen der Rechten. hinzuzurechnen ist! Wirtschaftlich und andere Gegenstände des täglichen Bedarfes ,, Der Staat hat zwei rein staatliche Funktio wurde in Polen eine die natürlichen Lebens- steigen seit den ersten Stunden der am Mittwoch Tschechisch- Teschen, 14. Mai.( Eigen- nen: die Außenpolitik und das veer. Diese Funkbedingungen des Landes leugnende Groß- erfolgten Ereignisse rapid. bericht.) Die Rechtsradikalen, die unter der Parote tionen dürfen nicht dem Parteispiel ausgesetzt wer mannssucht getrieben, die notwendigerweise Hinter der Station Stierniewice, 60 Für die Regierung und die Verfassung" auf den, denn ein solches System bringt das Verzum Zusammenbruch führen mußte. Mit staat- Kilometer vor Warschau , sind die Eisenbahn- treten, haben zum Borstoß gegen Warderben. lichen Mitteln wurde auf dem Gebiete der In
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In Galizien macht sich unter den Arbeitern eine Bewegung für Pilsudski bemerkbar, die darin besteht, daß die Eisenbahner Truppentransporte verhindern. In Lodz ruhen die Fabriksbetriebe gänzlich. Die Transportarbeiter lenken ihr Hauptaugenmerk darauf, Warschau mit Le bensmitteln zu versorgen. Die Lage drängt zur Entscheidung.
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Pilsubsti über Witos.
Kurz vor Beginn des Kampfes hat Bilsudsti, wie die„ Lodzer Volkszeitung" vont 12. d. M. berichtet, zu Journalisten über Witos und sein forruptes System folgende bemerkenswerten Aeußerungen gemacht:
Herr Witos ist in der Geschichte Bolens damit
bekannt, daß er ohne jede Zeremonie über alle Funktionen des staatlichen Lebens hinweggeht. ein gegenwärtiges Kabinett erinnert an das, welches mit soviel Tam- Tam und Geschrei gebildet wurde. Mit einem solchen Kabinett fann mein Name nicht verbunden werden.
Ich sagte schon, daß der Ausrichtung dieser Regierung innere Korruption, ebergriffe und private Bereicherung folgen.
dustrie und des Bankwesens ein Gründertum in Polen den Kampf gegen den Bolschewismus| fall fascistischer Banden auf das Besitztum gezüchtet, das dem Staat schweres Geld fostete, mit en Mitteln der Gewalt erfolgreich führen Pilsudstis tam für Witos verfrüht, für die aber ſtait wirtschaftlicher Gesundung zu bringen, zu fönnen, statt dessen trieb man immer neue, Gegenfräfte der reaktionären Regierung aber das fressende Geschwür der Korruption ein- der Verbitterung und Verzweiflung anheimge- gerade recht, denn er bewirkte, daß sich das nistete. Die falschen und unzulänglichen Ver- fallene Menschen in sein Lager. Wilitär auf Seite Piljudskis stellte, der nun, suche, die Währung zu stabilisieren, erschlugen Zahllos waren die am Volke verübten rasch handelnd, gegen Warschau vorrückte und die Wirtschaft vollends. Polen durfte den trau- Sünden schon, ehe noch Witos, der Führer die Stadt bejeẞte. rigen Ruhm in Anspruch nehmen, das Land der Großbauern, nach dem Sturze der Regie- Man mag das, was geschehen ist, gurheißen mit der verhältnismäßig größten Zahl der Ar- rung Strzynskis ans Ruder gelangte. Das von oder nicht, es ist jedenfalls ein Akt der Notwehr Zu Kriegsministern werden Generale mit beitslosen und der höchsten Zeuerung zu sein. Witos zusammengestellte Ministerium, be- der an ihrem Leben bedrohten Demokratie. Die Lange Zeit unter Inflation leidend, wurde eine stehend durchwegs aus Fahnenträgern der Re- Reaktion hat so lange mit dem Feuer gezündelt, biegsamen Gewissen gewählt, die fähig sind, einen Sanierung der Währung vorbereitet, die mit altion, sollte der Demokratie die Entscheidungs- bis die Flamme des Bürgerkriegs lodernd Handel mit Stellungen und Rangerhöhungen zu voller Wucht die werktätigen Massen und schlacht liefern. Ueber das augenblickliche Pro- emporschlug. Der Schritt Pilsudstis wird das führen, wie dies irgendeine Partei, irgendein Abgeordneter oder Kaufmann will. nur diese allein treffen sollte. Das Budget gramm hinaus, das sich kurz in die Worte zu- Land in neue Wirren stürzen, aber die HauptIch erinnere mich, daß, als ich mich diesem Bolens wies Jahr für Jahr ein ungeheueres fammenfassen läßt: Beseitigung der sozialen schuld für das Unheil, das daraus erwächst, System entgegengestellt habe, man gegen mich Defizit auf, dem die Regierungen, nicht zuleßt Errungenschaften und verschärfte soziale und tragen doch jene Rechtskreise, denen, wie das feine wißigen, sondern beleidigende Weittel an wegen der Streitigkeiten, die das Parlament nationale Unterdrückung, ging diese Regierung in allen Ländern der Fall ist, das demokratische wendete. Das System der Demoralisierung durchwühlten, ratlos und machtlos gegenüber- offenfundig darauf aus. durch eine fascistische Regierungssystem ein Greuel ist, das sie, je bei Herrn ftanden. Es gelang zwar schließlich, das Defizit Diktatur die Reaktion dauernd in den Sattel eher je lieber, zu beseitigen suchen. Demokratie des Heeres feierte Triumphe bon 700 Millionen auf 300 Millionen her zu setzen. Ihre erste Tat wäre gewesen, das lassen sie gelten, solange die im Genusse der Wincenty Witos . Man umgab mich mit bezahlten Spionen, unterzudrücken, aber das Loch im Staatssädel Barlament beiseite zu schieben, dann wäre, kulturellen Güter stehende Oberschicht uneingebestand weiter, und um es zu stopfen, sollte zu„ wenn nicht mit Parlament, so ohne Parla- schränkt ihre Herrschaft ausüben kann. Die Er- der mich, den früheren Obersten Heerführer, verEr- man bestach durch Geld und Ernennungen jeden, dem auch in der Tschechoslowakei angewendeten ment", eine Wahlreform gekommen, die ent- eignisse in Polen mögen für das Bürgertum raten wollte. Man suchte was zu behaupten ich Mittel eines Abbaues der Beamten und einer weder das Verhältniswahlrecht oder das gleiche in anderen Ländern eine Warnung sein. Auch den Wut habe meinen Tod. Stürzung ihrer ohnehin schlechten Gehalte ge- Wahlrecht abgeschafft hätte, um den reaktionä- in der Tschechoslowakei fofettiert ein Teil der Dies währte während der ganzen Zeit der griffen werden. Auch die Nenten der Kriegs- ren Parteien eine verläßliche Mehrheit im Par- Bourgeoisie des herrschenden Staatsvolkes mit Regierung Witos und seiner ehrbaven Stollegen invaliden und kleinen Pensionisten sollten be- lament zu sichern. Das alles kommt uns höchst dem Fascismus, auch hier glaubt man, die und des Generals Szeptycki. Auch während der schnitten werden. Die Unzufriedenheit der brei- bekannt vor. Waren und sind nicht noch immer Krise des Staates mit Wahlrechtsraub und ver- Regierung Grabski und Sikorski wurde das Syten Volksmassen, die sich mit der Fortdauer der auch bei uns ähnliche Tendenzen wahrzunch- schärften Gewaltmitteln lösen zu können. Ebenso stem angewendet. Solche Herren, wie Herr Witos, entblößen Wirtschafts- und Finanzkrise steigerte, wurde men? Die Opposition war sich der Gefahren wie in Polen , wenn auch in anderen Formen, durch das reaktionäre Regime nur noch ge- bewußt, welche durch diese Regierung der ag- würde hier ein Versuch, den Fascismus zu ver- die Ehre des Soldaten, haben oft mit schmußigen Händen das Gewissen des Heeres getrübt. Doch fördert. Das in Polen herrschende Bürgertum grefsivsten Rechten der Demokratie drohten, und wirklichen, den Bürgerkrieg bedeuten. Wer sie sollen nicht glauben, daß das, was sie hinsichteiferte Zankow nach und schwang, anstatt das sie beschloß, gegen sie den entſchloſſenſten Kampf Staat und Volk herausführen will aus dem lich der Staatskassen getan haben, indem sie Land von den unerträglichen Lasten des Mili- zu führen, in der Erkenntnis, daß sie die Elend der Verwicklungen, der muß mithelfen, Staatsgelder zu Bestechungen benüßten, niemantarismus zu befreien, die Geißel der rücksichts- Steigerung der Wirrnisse zur Katastrophe zur die Luft von den Explosivgasen zu reinigen, den bekannt ist. losesten wirtschaftlichen und politischen Unter Folge haben müßte. Aber auch die Regierung che noch eine Satastrophe, wie sie sich gegendrückung. Ganz wie bei uns glaubte man auch ristete zum entscheidenden Schlag. Der Ueber- wärtig in Polen vollzieht, hereinbricht.
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Ich werde zum Kampf antreten, ebenso wie vorher."