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6. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.

Donnerstag, 26. August 1926.

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Nr. 199.

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Der Raub des Soldaten- Die Beratungen des anglo- russischen Komitees them better than the heiningen puede

wahlrechtes.

Mit der Wahlordnungsnovelle vom Jahre

in Berlin  .

Stimmen, wenn die Soldaten wählen dürfen, und diejem partei­politischen Vorteil opfert es gerne bes denkenlos die Allgemeinheit des Wahlrechtes und den Grundsatz der staatsbürgerlichen

1925 wurde der Grundsatz der Verhältnis- Ein englischer Gewerkschaltsletretär über den Streit, über die Beziehungen Gleichheit. Aber darüber hinaus will der Ent­

mäßigkeit des Wahlrechtes in der Tschecho­flowakei verletzt. Die Regierungsvorlage über das Wahlrecht der Angehörigen der Wehrmacht und der Gendarmerie, welche während der Sommerferien dem Abgeordnetenhause zuge­gangen ist, tastet einen weiteren Grundjazz des Wahlrechtes an: seine Allgemeinheit. In fünf furzen Paragraphen spricht der Entwurf mit dürren Worten aus, daß aktiv dienende Sol­daten und Gendarmen nicht in die Wählerlisten eingetragen werden. Die Folge davon ist, daß sie weder das aktive noch das passive Wahlrecht besigen, in öffentliche Vertretungskörper weder wählen noch gewählt werden können. Aber die Vorlage geht noch weiter: wer zur Waffen­übung einrückt oder im Mobilisierungsfalle ein­berufen wird, bleibt wohl in den Wählerlisten verzeichnet, er behält auch das passive Wahl­recht; aber wählen, das aktive Wahlrecht aus­üben, darf er nicht. Mit einem Federstrich wird Zehntausenden das höchste Staatsbürger­recht genommen, wird die Gleichberechtigung aller Staatsbürger ausgelöscht.

zu den leftländischen Gewerkschaften und zu den Russen. Berlin  , 25. August.( Eigenbericht.) Das anglo- russische Romitee ist schon seit drei Tagen zu Beratungen in Berlin   versammelt, sie heute noch nicht beendigt waren. Daraus ist zu entnehmen, daß die Verhandlungen nicht so glatt von statten gegangen find, und daß sich eine Einigung nicht so ohne weiteres wird erzielen lassen.

Inzwischen hat ein Mitglied des hier anwesenden Generalrats der eng­lischen Gewerkschaften einem Vertreter des Vorwärts" eine Darstellung des großen Kampfes in England gegeben:

Es handelt sich dabei," führte er aus, darum, daß ein wesentlicher Teil der eng­lischen Arbeiterschaft in der Abwehr gegen eine Verlängerung der Arbeitszeit um eine Stunde täglich und eine Herabsehung der Löhne fämpfe. Die Regie­rung ist fest entschlossen, von ihrer Seite aus nichts zu tun, um den Kon­flikt zu einem guten Ende zu führen. Inzwischen wird aber Polizei zum Schuße der Arbeitswilligen aufgeboten. Wenn die englischen Bergerbeiter in diesem Kampfe unterlägen, so wäre das nicht nur ein schwerer Schlag für sie selbst, sondern auch für die Arbeiter der übrigen Länder, denn die Verlängerung der Arbeitszeit im englischen Berg­bau würde sofort dazu benüßt werden, um die Ratifizierung des Washingtoner Abkommens in den Ländern, in denen sie bisher noch nicht erfolgt ist, zu hintertreiben. Gefeßlich soll die Arbeitszeit in den Bergwerken zwar acht Stunden betragen, praktisch bedeutet das aber eine Arbeitszeit von mindestens achteinhalb Stunden. Jeßt liegen die Dinge so, daß die Unternehmer überall die siebeneinhalbstündige Arbeitszeit anbieten und die Vorkriegs­löhne, Der Streit der Bergarbeiter ist also nicht ohne Wirkung geblie ben. Selbstverständlich arbeiten die Unternehmer noch immer darauf hin, daß der Streit zu­sammenbreche, damit sie den Arbeitern schlechtere Arbeitsbedingungen diftieren fönnten. Daher richten die englischen Bergarbeiter den dringenden Appell an die Arbeiter der anderen Länder, fie in ihrem schweren Rampfe zu unterstüßen. In der nächsten Zeit werden eng­lische Gewerkschaftsvertreter des Festland bereisen, wie sie das bereits in Amerika   tun, um an die Unterstützung der Arbeiter anderer Länder zu appellieren. Die englische Arbeiterschaft ist davon überzeugt, daß dieser Appell nicht vergeblich sein wird. Zu den' Verhandlungen mit den Russen erklärt der Vertreter der eng­lischen Gewerkschaften, es sei teine Rede davon, daß die englischen Gemert­schaften in einen Gegensah zu den festländischen geraten könnten. Sie hoffen immer noch, daß auch die Russen zu einem Zusammensch lub mit den andern Ländern fommen mögen.

Ueber die Verhandlungen könne erst geredet werden, wenn die Teilnehmer an der Kon­ferenz ihren Auftraggebern Bericht erstatten werden.

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wurf den letzten Rest des demokratischen Charakters der Armee zerstören. Die tschecho­jlowakische Armee war auch bisher feineswegs ein demokratisches Gebilde, nicht die Verför­perung des wehrhaften Volfes, sondern sie war auch bisher schon ein Werkzeug der staatlichen Vollzugsgewalt. Aber der Soldat war bisher doch wenigstens insofern ein freier Bürger, als er das höchste politische Recht, das Wahlrecht besaß. Auch das soll nun aufhören, der Soldat soll nicht mehr. Bürger, Mitbürger sein, er soll dem Volke und seinem öffentlichen Leben fremd gegenüberstehen, ein willenlojes Werf­zeug, das sich um so leichter auch gegen den inneren Feind", das heißt gegen das eigene Volf gebrauchen läßt. Und das gleiche gilf von der Gendarmerie, die damit vollends aus eincin Organ der öffentlichen Sicherheit zu einem Organ der politischen Gewalt wird.

Es fann niemanden überraschen, daß die Beamtenregierung für eine solche Auffassung der Demokratie kein Verständnis hat. Aber wenigstens soviel Beachtung ihrer formal- demo­kratischen Verpflichtungen hätte man erwartet, daß sie einen Gesetzentwurf, dessen große Trag­weite ihr doch bewußt geworden sein muß, wenigstens eingehend zu begründen sucht. Aber der Motivenbericht beschränkt sich auf penige Zeilen:

Gestützt auf die Erfahrungen des Julandes und der ausländischen Gesetzgebungen( welcher?) erlangte die Regierung die Ueberzeugung, daß das Staatsinteresse dringend erfordert, daß die politi­schen Kämpfe nicht in die Armee und in die Gen­darmerie hineingetragen werden, wodurch ins­besondere die Disziplin in diesen Körperschaften ernstlich bedroht werden könnte."

Das Soldatenwahlrecht war eine der großen politischen Errungenschaf fen der Revolution. Es bildete auch eines der Prunkstücke, das die Lobredner der tschechoslowakischen Demokratie gerne zur Schau trugen, um die unüberbietbare Fort­schrittlichkeit ihrer Verfassung zu preisen. Und nun soll diese demokratische Errungenschaft be­seitigt werden, nicht durch eine Verfassungs­änderung, nicht einmal durch eine Wahlreform, sondern durch ein einfaches Gesetz, das sich da­mit jogleich als Gelegenheitsgesetz übelster Sorte präsentiert. Ist das überhaupt ver­Die Disziplin könnte bedroht werden fassungsrechtlich zulässig? Leider muß diese Kampf gegen die Streitbrecher. des meistens mit Stöden bewaffneten Böbels Frage bejaht werden. Die Einschränkung des aber die Soldaten haben zum Parlament hätten viele Bergarbeiter in Nottingham   und in die Gemeindevertretungen schon viermal London  , 25. August. Bei einem ernsten 3- shire und Derbyshire   verhindert, gestern zur gewählt und der Disziplin ist nichts passiert. Wahlrechtes ist in der Tschechoslowakei   durch ein einfaches Gesetz durchführbar, und es zeigt iam menstoße zwischen Polizei und strei- Arbeit zurückzukehren. Die Regierung hütet sich denn auch ängstlich, fich an diesem Beispiel, daß die angeblich fenden Bergarbeitern in der Nähe von mustergültige Verfassung in Wirklichkeit nur Mansfield im Kohlenbezirke in Nottingham  , Der politische Berichterstatter der Daily irgendwie konkret zu sagen, worin benn ihre scheinbar demokratisch ist, eine Demokratie erhielten verschiedene Bergarbei- News" schreibt, Cooks wiederholte Bezugnahme Erfahrungen, konkret und deutlich gesprochen, ter Verlegungen durch Knüppel auf neue Schritte" zur Herbeiführung eines eigentlich bestehen. mit Hintertüren, die den direkten Wegschläge. Bei einem anderen Zwischenfalle wur- Friedens in der Kohlenindustrie hätten in zahl­Aber wozu braucht das Parlament bieje den zwei Polizeibeamte durch Stockschläge reichen politischen und wirtschaftlichen Kreisen den verlegt. Eindruck hervorgerufen, daß die Bergarbeiter- Erfahrungen fennen zu lernen und zu studie­,, Daily Mail" berichtet, daß die Einschü ch| führer ein direktes Eingreifen der Re- ren? Die Regierung hat die Ueberzeugung ges terungsmaßnahmen der Streitposten und gierung herbeizuführen beabsichtigen. wonnen und das muß in der demokratijchen Tschechoslowakei zur Begründung eben aus­reichen.

in die Reaktion eröffnen.

Vergleichen wir die einschlägigen Bestim­mungen anderer Verfassungsgesetze, die in der­selben geschichtlichen Periode, aus analogen politischen Verhältnissen heraus, entstanden find. Die den ich Reichsverfassung sagt in ihrem Artikel 22 mit voller Bestimmtheit:

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Das neue griechische Regime.

Die Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl von den über zwanzig Jahre alten Männern und Ein Koalitionskabinett. Frauen nach den Grundsäßen der Verhältniswahl gewählt."

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Kondylis selbst den Vorsitz der Koalitionsregierung übernehmen werde.

Uebrigens beweist neben dem Motiven­bericht auch die schleuderhafte Fassung des Ent­wurfes selbst die geringe Achtung, welche die

Konduriotis hat die Präsidentschaft der Republit Regierung ihren konstitutionellen Verpflich tungen entgegenbringt. Wir haben gesehen, daß übernommen.- Bangalos auf Aegina interniert. infolge der Zweideutigkeit der Verfassung zur Athen  , 25. Auguft. Die Verhandlungen, kabinetts. Vormittags empfing Kondylis eine Entziehung des Soldatenwahlrechtes zwar ein Damit ist der Umfang des Wahlrechtes die unter Vorsitz des Admirals Konduriotis Deputation von Geschäftsleuten, Industriellen und einfaches Gesetz genügt, daß dieses Gesetz aber vollkommen eindeutig umschrieben, und wenn General Kondylis mit den Parteiführern führte, Arbeitern, welche dem Wunsche Ausdruck gab, daß immerhin- das jagt Paragraph 9 der Ver­sodann dem Reichswahlgesetz überlassen wird, sind kurz vor Mitternacht abgeschlossen worden. fassungsurkunde sehr deutlich-nur die Wahl­ Das Nähere" zu bestimmen, so ist jeder Es ist die Bildung eines Roalitions­Zweifel ausgeschlossen, daß dieses Nähere tabinetts beschlossen worden. Die Frage der Der ehemalige Diktator Pangalos wurde, ordnung sein kann. Es hätte also die Wahl­feineswegs eine Einschränkung des Wahlrechtes Verteilung der Ministersüße und des Vorsizes in wie bereits gemeldet, auf die Insel Aegina   ordnung geändert werden müssen. Aber dies sein darf. Ganz ähnlich die österreichische Bun- der neuen Regierung soll heute entschieden wer- gebracht, wo er bis zum Beginn des Pro- spricht der Entwurf feineswegs aus, sondern den. Auch die Frage der Befugnis des Präsiden- esses, der gegen ihn eingeleitet werden wird, er begnügt sich mit der Bestimmung, daß alle desverfassung im Artifel 26: Der Nationalrat wird vom Bundesvolk auf ten der Republik   soll bereits grundsäßlich geregelt interniert wird. Dies geschah, um den Kund- widersprechenden Vorschriften außer Straft gebungen der Bevölkerung gegen ihn ein Ende treten. Und der Motivenbericht sagt naiv Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und worden sein. Athen  , 25. August  .( AA.) Admiral Kon zu bereiten. Obwohl der Zeitpunkt seiner Abschaf genug, es seien dieser Vorschriften so viele, persönlichen Wahlrechtes der Männer und Frauen, die vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl duriotis ist gestern abends in Athen   einge- fung geheim gehalten wurde, versammelte sich eine daß ihre vollständige Aufzählung zu ausführ­das zwanzigste Lebensjahr überschritten hatten, troffen und hat die Präsidentschaft der erbitterte Menschenmenge vor dem lich wäre! In solcher Form wird bei uns die nach den Grundsäßen der Verhältniswahl ge der Verhältniswahl ge- Republik   wieder übernommen, General Kondylis begann gestern die Be- bracht worden war, und versuchte ihn zu Wahlordnung umgestoßen! Diese, um es ge­Par- lynch die Bildung eines Koalitions- Demonstranten zurückhalten. anschaulich, was Recht und Gesetz bei unserer auch diese Fassung schließt jede Einschrän- prechungen mit den Führern der politischen Par- Iynch en. Die Polizei konnte nur mit Mühe die linde auszudrücken, legiſtiſche Schlamperei zeigt fung mit Hilfe von Durchführungsgesetzen aus. Aber noch lehrreicher ist das Verhalten der Die tschechoslowakische Verfassung hat eine 00000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000 Regierung gelten. andere Methode gewählt. Auch hier heißt es das Wahlrecht für den Senat. Die tschechoslo- Wechsel, welcher da der Reaktion ausgestellt Parteien. Der reaktionäre Gesetzentwurf findet wakische Wahlordnung hat also nicht nur, wie wurde, aber heute, da sich die Verhältnisse ge- alle bürgerlichen Parteien auf seiner Seite, hat zunächst im Paragraph 9 sehr schön: Das Wahlrecht in das Abgeordnetenhaus die deutsche oder österreichische, die Verfassungs  - ändert haben, da insbesondere das deutsche nur die sozialistischen   Parteien gegen sich. Das haben alle Staatsbürger der Tschechoslowakischen bestimmungen über das Wahlrecht näher aus Bürgertum zur positiven Mitarbeit" näm- Bürgertum jede Gelegenheit beweist es aufs ist nicht nur jozial reaktionär, es ist Republif ohne Unterschied des Geschlechtes, die zuführen, sondern sie ist dazu berufen, Belich an der Ausbeutung und Unterdrückung der Neue­bas 21. Lebensjahr überschritten haben,..." dingungen( podminky) für das Wahlrecht Massen bereit ist, fühlt sie sich stark genug, auch politisch durch und durch rückschrittlich ge= worden. Nur die Arbeiterflasjever aufzustellen. Die Verfassung proklamiert ein ihn zu Einlösung zu präsentieren. Es bedarf nur weniger Worte, um den ficht heute den gesellschaftlichen Prinzip, aber in einem Nebensate gibt sie es preis, enthält sie geradezu die Anweisung an reaktionären Gehalt des Gesetzentwurfes dar- Fortschritt. Der aber wird, davon mögen ,, und den übrigen Bedingungen der Wahl- das Durchführungsgesetz, auf das Prinzip zu zulegen. Das Bürgertum rechnet mit einer die bürgerlichen Parteien überzeugt sein, auf ordnung für das Abgeordnetenhaus entsprechen." pfeifen. Es war in der politischen Atmosphäre Schädigung der sozialistischen   Parteien, mit die Dauer durch kleinliche Wahlrechtfniffe nicht In gleicher Weise regelt der Paragraph 14 des Jahres 1920 freilich ein recht langfristiger einem Ausfall an sozialistischen   aufgehalten werden.

wählt."

Bis daher ist also alles in Ordnung. Aber nun kommt der Pferdefuß, denn ein Zusak besagt:

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