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6. Oftober 1926.

Volkswirtschaft.

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Der Stand der tschechoslowakischen Volkswirtschaft.

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bekannte Wirtschaftspolitiker Dr. Karl Uhlig bis zum August festzuhalten. Das Ergebnis die­Jm Prager Tagblatt" unternimmt der wicklung der Wirtschaftskonjunktur des Landes ( Karlsbad  ) den interessanten Versuch, durch ein ses Produktionsbarometers" ist folgendes: paar charakteristische Produktionsziffern die Ent­

Verbrauch in Prozenten des Durchschnitts der betreffenden Zeiträume 1921 bis 1925.)

Entlassung überzähliger Soldaten am 1. April Ichen und Frauen selbst mit Gewalt in ihre Woh­1927. Das Ministerium für nationale Verteidigung nung gebracht und dort an Männer verkuppelt. hat angeordnet, daß die Entlassung überzähliger Einige Mädchen aus besten Familien suchten ihre Soldaten mit 1. April 1927 gemäß den Bestimmun- Wohnung auf, um dort Liebesorgien zu gen nach§ 4 der Reg Verordnung vom 29. August feiern. An manchen Tagen tamen in ihrer Woh­1924 in nachstehender Weise zu erfolgen hat: 1. In nung bis zu 12 Mädchen und Frauen mit Män­erster Linie werden jene entlassen, deren Ansuchen nern zusammen, die große Beträge zahlten, um gewisse Erleichterungen bei der Erfüllung der Die untreue Gattin erschossen. In der Ort­Dienstpflicht durch das Los abschlägig beschieden schaft Kuchel( Südwestslowakei) hat der Seger wurde; 2. jene, deren Gesuche beim Militärlandes- Josef Engelmann seine Frau Elisabeth, die er tommando als bevücksichtigungswürdig zurückbehal- verdächtigte, daß sie nach 25jähriger Ehe mit ten wurden; 3. alle übrigen, die neuerliche Ent- einem jungen Burschen namens Bartoš ein hebungsgesuche eingebracht haben, und zwar nach Liebesverhältnis unterhielt, nach einem der Wichtigkeit der vorgebrachten Gründe. Die an Wortwechsel erschossen. Engelmann erklärte, seine das Militärlandeskommando gerichteten, die ge- Frau habe ihm, als er sie zur Verantwortung 1925, 1. Bierteljahr. nauen   Personal- und Militärdaten enthaltenben zog, mit den Worten: ,, Gehweg, du Hund!" Gesuche sind bis 15. d. bei der politischen Bezirks- empfangen, so daß er außer sich geriet und durch berwaltung jener Gemeinde einzubringen, in wel- das Hoffenster in die Küche feuerte, wo die Frau cher der Gesuchsteller vor Antritt der Militärdienst stand, die auf der Stelle starb. pflicht gewohnt hat. Die Bitten können auch mind­lich oder schriftlich bei dem zuständigen Militärför per borgebracht werden.

Ein 13jähriger Eisenbahn- Attentäter. Am letten Sonntag vormittag wurden auf den Schie­nen der Eisenbahnstrecke in der Nähe der Ort­schaft Alter Külz in der Rheinproving drei schwere Steine gefunden. Als Täter wurde ein 13jähriger Junge ermittelt, der so­fort gestand, die Steine in der Absicht auf die Schienen gelegt zu haben, eine Zugsentglei­fung herbeizuführen.

Entsprungene Schwerverbrecher. Am Sonntag abends während des Gebetläutens sind drei Schwer­berbrecher aus der Strafanstalt Garsten vom zweiten Stockwerk herab entsprungen, indem sie sich nach Durchsägen eines Gitterstabes des Zellen­fensters an einem aus Leintüchern hergestellten Seit herabließen. Einer von den dreien sprang nach An­ruf durch den Bosten sofort in den Ennsfluß. Der Bosten schoß ihm nach und dürfte ihn getroffen haben, da der Flüchtling um Hilfe zu schreien be­gann und in den Wellen verschwand. E. ist jeden falls ertrunken. Die beiden anderen flüchteten über Buchholz   in der Richtung gegen Steyr. Sie konnten trop sofortiger Verfolgung nicht mehr eingeholt

werden.

Bei dem Eisenbahnunglüd im Riden- Tunnel haben, wie festgestellt wurde, neun Personen den Vergiftungstod erlitten. Der Loko­Ein zweiter Frühschnellzug von Prag   nach motivführer, vier Mann des Zugspersonals und zwei Mitglieder der Rettungsgesellschaft wurden Oftrau. In der letzten Sitzung der Direktion des Eisenbahnvates in Olmüz wurde die Forderung auf tot geborgen. Der Heizer und ein Bahntwächter Einführung eines zweiten Frühschnellzuges von sind nach ihrer Bergung in Wattwill gestorben. Brag nach Ostran und zurück ausgesprochen. Der Hekatomben Tote durch die Autoraserei. Bug würde so von Offrau abgehen, daß er um Nach einer Blättermeldung teilt die amerika  - etwa 4 Uhr in Brag eintrifft. Der Gegenzug wäre atische Straßenbauvereinigung über die Unfall- noch vor Mitternacht in Ostrau  . Die Direktion er ziffern für 1926 mit, daß im Laufe des Jahres klärte, daß die Einführung eines zweiten Schnell­bisher 13.250 Personen durch Automobilunfälle zugspaares möglich wäre, sobald das zweite Geleise getötet und 50.000 verletzt worden sind. zivischen Hohenstadt und Hochstein fertiggestellt ist, an welchem zur Zeit gearbeitet wird.

Die Analphabeten in der tschechoslowakischen Armee. Da eine große Anzahl der zur aktiven Dienstleistung Eingerückten, hauptsächlich die aus Karpathorußland und der Slowakei   stammenden, weder lesen noch schreiben können, werden alljähr­lich Sturse abgehalten. Im vorigen Jahre betrug die Gesamtzahl der Analphabeten in der Armee 2709. Von diesen haben 1715, also 63 Prozent, völlig das Lesen und Schreiben erlernt. Der Nationalität nach waren von den Analphabeten 118 Tschechen, 1319 Slowaken, 1024 Ruthenen und 53 Deutsche  .

Carabi

Ein Zwischenfall in Brigen. Wie die Tri­buna" aus Brixen   berichtet, ereignete sich dort ein 3usammenstoß zwischen nieri und zwei österreichischen Land­toirten, Eduard Singer und Eduard Kofler aus Innsbruck  , als diese abends das Gasthaus, ohne Dokumente vorweisen zu fönnen, betreten wollten. Als sie von den Carabinieri verhaftet werden sollten, zog Singer einen Revolver und berwundete durch einen Schuß einen der Carabi­nieri, worauf beide entflohen. Bei der Verfolgung wurde Kofler am Bein getroffen und ins Kran fenhaus gebracht wo er bald darauf star b. Auch dir verwundete Carabinieri blieb in Kranten hausbehandlung. Singer konnte noch nicht ermit­

telt werden.

De Kupplerin von Kaschau  . Die Stafchauer Polizei hat einen großen Standal aufgededt, fie berhaftete die Supplerin Balzar, die nach Aus­jagen von Zengen mehr als 100 Mädchen verkuppelt hat. Der beschlagnahmte Brief­wech'el ist äußerst bloßstellend, nicht nur für die Kupplerin, sondern auch für zahlreiche Mädchen aus guten Häusern". Sie hat verschiedene Mäd­

Kleid und Kultur.

Neuer Juweleneinbruch in Berlin  . Am Sonn­tag nachmittags haben Einbrecher einem Juwelier­geschäft in Berlin- Friedenau   einen Besuch abgestat­tet. Sie waren in den Keller des Hauses ein­gedrungen, durchbohrten von unten den Boden des Geschäftes und brachen ein Stück heraus, so daß sie in den Boden gelangen fonnten. Aus dem Schau­fenster plünderten sie für 25.000 Mark Ringe, Uhren und Silbersachen.

Die Typhusopfer in Hannover  . Die Zahl der in Hannover   on Typhus Verstorbenen hat sich um acht auf 176 gesteigert. 31 Reuertranfte wurden eingeliefert, 35 fonnten als geheilt entlassen werden.

Eine Friedensbrücke in Wien  . Der erste Brüt fenbau in Wien   seit Friedensschluß wurde am Sonn­tag eingeweiht. Die Brücke, die über den Donau  fanal führt, erhielt den Namen Friedensbrücke" In der Festrede hob Bürgermeister Genosse Seit hervor, daß durch diesen Namen das tiefe Friedens bedürfnis des österreichischen Volkes zum Ausdrud gebracht werden soll.

2.

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1926, 1. Vierteljahr 2.

Juli August

Arithmetisch. Mittel

Textil­Rohstoffe

Rohkohle

Rots ( Schlüffel der Eisen- und Stahls produktion)

Stahl Inlands berbrauch

( Produktion

minusGrport)

dieser vier Kolonnen

136 126

94

130

114

119

97

126

121

118

115

124 R

149

136

131

143 R

114

154 R

1379

137 R

132

105

133

146 R

129

96

104

112 T

113

106

86

( 80) T

41( 100) T ( 114)

116

92 T

122

95

99 T 103

35

80

57

60

50

R bedeutet Reford seit Bestehen der Republik  . T bedeutet tieffiter in der heurigen Depressioon bisher erreichter Buntt. Tiefpunkt der Baluta­frise 1922/23 Anmerkung: Die Kohlen- Ziffern für Juli und August und die Textil- Ziffern für August find ist, scheint sich die Kvise insbesondere in der Textil­industrie weiter zu verschärfen.

provisorisch.

Während, wie man sieht, bei Stohle und Eisen im August eine leiche Besserung eingetreten

Angestelltenfragen

Tagung der Vereinigung der Angestelltenorgani­fationen des Deutschen Gewerkschaftsbundes in

Das Drängen bestimmter Kreise der Kauf­mannschaft, unterstützt von einigen Handelskam mern, nach Aufhebung oder Einschränkung ber Sonntagsruhe im Handel gab Gelegenheit, Reichenberg   am 2. Oftober 1926. sich damit wieder zu befassen. Kurz zusammen­der in den letzten Wochen veröffentlichte gefaßt wird der Standpunkt der Vereinigung der Gesebentwurf über die Krankenversicherung der Angestelltenorganisation den zuständigen Mini­Angestellten gab auf der genannten Tagung An- fterien, den politischen Landesverwaltungen und lag. Diese Frage besonders zu behanden. In einer auch den Handelskammern bekanntgegeben werden Entschließung, die zu dieser Sache gefaßt wurde Die Verhandlungen über einige organisato­und die den zuständigen Regierungs- und an- rische Fragen bildeten den Abchluß dieser arbeits­deren Stellen überreicht wird, sprechen sich die reichen Tagung. Angestelltenorganisationen unter anderem eindeu tig gegen die geplante Organisation Die Tschechoslowakei   und das euro­der Angestellten- Krankenversiche. päische Eisenkartell. rung aus, welche die ernsten Bedenken, aber Wie aus Essen gemeldet wird, soll Mitte Of­auch den schärfsten Widerspruch der Angestellten tober eine Besprechung zwischen den Vertretern hervorrufen muß und verlangen die Errichtung der neu gegründeten westeuropäischen Rohstahlge­von Bezirkskrankenversicherungsanstalten, damit meinschaft und den Vertretern der tschechoslowa­diese mit den Versicherten im engsten Einver- tischen Eisenindustrie über den Beitritt der Tsche­nehmen zu arbeiten vermögen. Sie wenden sich choslowakei stattfinden. Es wird angenommen, gegen alle im Entwurf vorgesehenen Verschlech daß dem Beitritt keine besonderen Schwierigkeiten terungen, fordern aber dafür die so notwendigen entgegenstehen. Verbesserungen gegenüber dem derzeitigen Zu­stand. Anschließend daran verwahrt sich die Ver. Der amerikanische   Gewerkschaftsbund einigung der Angestelltenorganisationen auf das für die fünftägige Arbeitswoche. entschiedenste gegen die Verschleppung der Reform der Pensionsversiche­rung, stellt nochmals die Forderungen für die Novellierung dieses Gesetzes auf, auch in Bezug auf die Beibehaltung der jetigen andesstellen.

Novellierung des Pensionsversicherungsgesetzes 3weds Weiterführung der Aktion für die und der Angestellten Krankenversicherung   wur­den die entsprechenden Beschlüsse gefaßt.

Notlandung von Münchener   Weißwürsten. Der Bayernhof", ein neues bayerisches Bierrestaurant Wirtschaftskrise, der großen Arbeitslosigkeit und Die Tagung befaßte sich weiter mit der in Berlin  , will die Berliner   und die Bayern   in der damit verbundenen Notlage der Angestellten. Berlin   mit der Münchener   Spezialität der Weiß- Im Anschluß an die im September stattgefun­würste auf dem raschesten Weg versorgen. Deshalb dene Vorsprache der Zentralgewerkschaftskom­soll ein Flugzeug, das morgens aus München   ab- miffion und des Odborove Sdruzeni Cestoslo fliegt, jeden Tag gegen Mittag mit einer Sendung beim Handelsminister, Minister für soziale Münchener   Weißwürfte in Berlin   eintreffen. Zur Fürsorge und Minister für öffentliche Arbeiten, Eröffnung war sogar ein besonderes Flugzeug nur bei welcher schon die Novellierung der gesetz mit Weißwürsten für Berlin   beladen worden. Aber lichen Bestimmungen über die Kündigungsfristen Flugzeug, Weißwürfte und die Gäfte in Berlin   verlangt wurde, wurden die Forderungen in Be­waren vom Pech verfolgt. Der Flieger sah sich noch zug auf die Verlängerung der Kündi­auf bayerischem Boden bei Bayreuth   mit seiner gungsfristen und Auszahlung der Ladung zu einer Notlandung gezwungen, Abfertigungen neuerlich aufgestellt.

geltender Kulturformen." Der Ton ist auf zeitweilig| wenden viele Stunden des Tages für die Pflege zu legen, denn die Mode schließt immer den Begriff ihrer äußeren Erscheinung und führen ein Leben der Wechselhaftigkeit in sich.

Jezt ist Empfindung, Natur, alles. An die Stelle der gepuderten Berüde tritt flatternder Locken­schmuck; die Stelle des steifen Brokats und der starren Seiden nehmen leichte, fließende, häufig durchsichtige Stoffe ein; das hochgegürtete Quisen­fleid schmiegt sich der Bewegung der Glieder an. Der Rod ist zuweilen geschlitzt und zeigt das Bein. Napoleon   mit seinem wachen Gefühl für Form läßt von dem Maler David neue Kleider für die Damen seines Hofes entwerfen.

der Pracht, aber auch starren Gebundenheit in kon­Rein äußerlich erklärt sich diese Wechselhaftig- ventionelle Formeln und Fesseln, der besonders die Es wäre interessant, einmal die Geschichte der feit der Mode heute durch ihre Abhängigkeit von der Frau versflavt ist. Die eng geschnürte Schnebben Weltanschauungen in ihren Beziehungen zur Ge Industrie. Die Industrie muß in rascher Folge taille und der ungeheuer weite Reifrod hindern die schichte des Kleides und seiner Entwicklung zu schrei- neue Modelle auf den Markt werfen, um die Kauf- Bewegung, und auch die natürliche Empfindung ben, denn irgendwie erfährt das Denken und Füh lust der Frauen der ganzen Welt immer wieder neu scheint in Fesseln geschlagen. So wirkt auch das len jeder Zeit seinen Niederschlag, seine feinste zu reizen. Sie muß Formen schaffen, die in Paris   tiefe Dekolleté faum als erotisches Reizmittel, son­Kristallisierung, wie in jeder Lebensform, auch in so gut getragen werden können wie in Kapstadt  , in dern eben nur als Dekoration, eine Maske mehr. der Art, wie man sich fleidet. Man könnte vielleicht Berlin   jo gut wie in Buxtehude  . So liefert die Die Befreiung kommt durch die Revolution, durch denken, daß geistig stark bewegte Zeiten gleichgültig Industrie das nivellierende Stonfektionskleid. Dem den Einfluß Rousseau's   und seiner Zeitgenossen. gegen das Kleid seien. Aber gerade im Streite der Geschmack der Trägerin bleibt es überlassen, diesem Meinungen und Parteien gewinnt häufig das Kleid Kleid eine persönliche Note zu geben. Außerdem ist symbolische Bedeutung, wird Ausdrudsmittel für die die Tendenz zum Wechsel auch durch das erotische seelische Einstellung dessen, der es trägt. Aus der Element bedingt, das in jeder Kultur mitschwingt Fülle der Beispiele seien hier nur herausgegriffen Der Werbende, also bei uns meist die Frau, wird die Jakobinermüße der französischen   Revolution, die im Lebensspiel den Partner durch immer andere Werther- Kleidung des Sturm und Drang  ", der überraschende Nuancen zu reizen und anzuloden ver­Zopf der immer hinten hing", Schnürbrust und suchen, die abgebraucht ihre Wirkung verlieren und Perücke als Attribut des Philifters, schließlich, in durch neue Reizmittel ersetzt werden müssen. Die unsern Tagen, das Kleid der Wandervögel, der kurze Mode bannt zeitweilig gültige Schönheitsideale in Rod und der Bubifopf. Das gleiche Kleid nivelliert, eine fefte Formt, die, kaum kristallistert, vom fließen­fchließt zusammen, schafft Korpsgeist, wie die Unifor- den Leben wieder zerbrochen wird. Das Wesen der men oder die ständischen Trachten es taten, aber es Mode besteht darin, daß immer zunächst ein Teil sondert auch wieder eine fleine Gruppe von der der Volksgemeinschaft sie befolgt, die Gesamtheit aber großen Masse ab Der Stamm, das Volk, die Kaste, sich erst auf dem Wege zu ihr befindet. der Stand werden durch eine gleiche Kleidform nach außen abgeschlossen, fest in sich gebunden und gegen fremde Einflüsse geschützt Daber kommt es auch, daß in Beiten, in denen das Nationalgefühl einer Stärkung zu bedürfen scheint sich in unserer trach fenlosen Zeit so häufig das Bestreben zeigt, eine nationale Mode zu schaffen Das hieße, die Mode zur Tracht zu stempeln. Eine Mode kann man eben folvenig machen wie einen Stil. Sie wird aus dem unbewußten Fühlen einer Zeit geboren und ist nach der Definition von Vischer ein Kompleg zeitweilig

Den wechselnden Formwillen zweier Jahr hunderte zu erkennen, gibt die zurzeit in Berlin  veranstaltete Ausstellung ,, Das Frauenkleid in Mode und Malerei" Gelegenheit. Die Kleider der ersten Abteilung von 1750 fann man, ganz streng genom men, vielleicht nicht einmal unter den Begriff der Mode einreihen, tenn die erlesene Kostbarkeit des Stoffes und der Reichtum der Stickereien schließen einen schnellen Wechsel aus. Es ist die Tracht der großen Höfe, die hier gezeigt wird. Die Frauen find den praktischen Aufgaben des Lebens fern, bet­

Die freiere Kleidformt begleitet die Emanzipation der Frau auf erotischem Gebiete. Es ist die Zeit der Romantil, der Lucinde  ", die Zeit, in der Schleier­ macher   seinen Ratechismus für edle Frauen schrieb und die Brüder Schlegel ihr Recht auf eine Ehe zu dritt proklamierten. Dann folgt, aus dem Gegen­fatz zu diefer Freiheit geboren, bie Enge der Bieder­meierzeit, eine durchaus bürgerliche Mode. Die Fran ist züchtig und gesittet oder versucht wenigstens, es zu scheinen. Das Kleid hat immer noch den tiefen Salsausschnitt, der weite Rock reicht bis auf die Knöchel; das Haar ist spiegelnd glatt gescheitelt. Das Reich dieser Frau ist das Wohnzimmer mit dem Fensterplass und dent zierlichen Mahagonischreibtisch. Auf der Straße verbirgt sie ihren Wuchs unter Radmantel und Schutenhut.

In Detroit   fand soeben eine Konferenz der amerikanischen   Arbeitsföderation statt, welche be­fchloffen hat, als Forderung der gesamten Arbei­terschaft die fünftägige Arbeitswoche aufzustellen. An den fünf Tagen soll zu je acht Stunden ge­zeit 40 Stunden betragen würde. Den Oris  arbeitet iverden, so daß die wöchentliche Arbeits­gruppen wird die 40stündige Arbeitswoche als Grundlage für die Tarifverträge empfohlen.

100 Reichsmart

Devijenturie.

Held κατε 1353.12 1359.12

Prager   Kurse am 5. Oktober. 100 bolländische Gulden 100 belgische Frants 100 Schweizer Frants Pfund Sterling 1 Dollar

100 Lire

100 franzöfifche Franks 100 Dinar..... 100 polnische Bloth

10.000 magharische Kronen

100 Schilling

804- 808.­91.05 652.37

92.45

655.37

163.67%

164.87% 2

127.05 33.70

128.45

34.­

95.17

96.57%

59.58%

60.08% 2

4.69

4.79

372.

378.

476.30 479.30

Mit dem Ende des Biedermeier zerbricht die lette, bis ins fleinste Detail minutiös durchgeführte Formung unseres Lebens. Die sparsame Dürftigkeit mit ihrer strengen, nüchternen Linie wird abgelöst durch ein trostloses Suchen nach Stil, ben kultur­lesen Reichtum der Gründerjahre, unechte, über­ladene Formen auf allen Gebieten des Hausrates und der Bekleidung. Es ist die Zeit der Makart­fträuße und der Buzzenscheiben, der Chignons und falschen Lockenturmfrisuren. Das Gespenst der Tur­nüre taucht auf, enge, zugeknöpfte Taillen, Sommer­Kleider, die man nicht waschen kann, der falsche Rock mit seinen aufgenähten Volants. Erst in der Gegen­wart, in der die Frau berufstätig und gleichgestellte Kameradin des Mannes geworden ist, ist das Kleid furz, bequem, leicht, hemmt keine Bewegung. An­und Ausziehen darf keine überflüssige Zeit in An­spruch nehmen; das Korsett verschwindet; es gibt feine überflüssigen Haken und Knöpfe mehr, und der einfache Hut wird leicht übergestülpt. Freiheit für Das jede Bewegung ist überall die Hauptsache fameradschaftliche Weib braucht nicht mehr den ge­heimen Reiz des Liebesspieles früherer Zeiten; jenes Verhüllen und Versteden hat aufgehört; man ift ehrlicher geworden.

Ein vollständiges Bild der Kleiderkultur der Jahrhunderte könnte man freilich erst durch den Vergleich mit dem Männerkleide gewinnen. Man würde dann sehen, wie das eine Geschlecht sich am Wunschbilde des andern mißt und wandelt, die Vermännlichung der Frau naturgemäß die Verweib­lichung des Mannes bedingt, wobei das Problem offen bleibt, ob die größere Vervollkommnung des Typus Mensch in der Angleichung oder in der aus­gesprochenen Differenzierung der Geschlechter zu suchen ist.

Helene Bulle.