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6. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republit.

Deutsche   in der Regierung

Das Ereignis hat sich vollzogen: Deut­ sche   sind in die Regierung der Tschechosl. Re­ publik   eingetreten. In der morgigen Parla­mentssigung, in der sich die neugebildete Re­gierung- es wird eine halbparlamentarische sein - vorstellen wird, werden das erstemal seit Be­stand der Tschechoslowakischen Republik auf der Ministerbank auch Angehörige deutscher   Par­teien Plaz nehmen. Wessen Blick an der Oberfläche haftet und wer die Dinge nur op­tisch betrachtet, ohne in ihren Kern einzudrin­gen, der mag darin ein großes Ereignis er­blicken und wird vielleicht zu der Meinung ge­langen, nun sei der historische Augenblick ge­kommen, der den Wendepunkt in der gesam­ten Innenpolitik des Staates bedeutet. Deut­ sche   Landbündler und Christlichsoziale, die endlich als Genugtuung ihres Aftivismus" erleben dürfen, daß ihr Spina beziehungsweise Mayr- Harting zum Range von Ministern aufrücken, reißen gewaltig den Mund auf und preisen den Tag der Ministerwerdung ihrer zwei Parteiangehörigen als den Zeitpunkt, da nun langsam aber sicher alles, alles anders und besser werden würde. Sie suchen den Eindruc zu erweden, als hätten sie für das deutsche  Volk einen großen Sieg erfochten, als hätten sie tausend Gewalten zum Troß den Abgesand­ten des deutschen   Volkes den Zugang zu den

Mittwoch, 13. Ottober 1926.

Die Regierung der Bourgeoisie.

Zwei deutschbürgerliche Minister.

Prag  , 12. Oftober. Heute fand unter Vorsiz Dr. Cernys der letzte Ministerrat der Be­amtenregierung statt, in der die Demission der Regierung beschlossen wurde. Gleichzeitig hat Abg. Švehla dem Präsidenten der Republik die Liste der neuen Regierung vorgelegt. Nachmit­tags hat der Präsident den Rücktritt der Regierung genehmigt und das neue Ministerium er­nannt. Dasselbe setzt sich folgendermaßen zusammen:

Ministerpräsident: Abg. Anton Švehla( tsch. Agr.)

Minister für Unterricht und Voltsaufklärung und Leiter des Ministeriums für Vereinheit­lichung der Gesetzgebung: Abg. Dr. Milan Hodža  ( tsch. Agr.),

Justizminister: Abg. Prof. Dr. Robert Mayr- Harting  ( D. Chr.- Soz.), Eisenbahnminister: Abg. Josef V. Najman( Gew.-P.),

Minister für öffentliche Arbeiten: Abg. Prof. Dr. Franz Spina  ( D. Agr.), Minister für Landwirtschaft: Abg. Prof. Dr. Ottokar Srdinko( Tsch. Agr.), Minister für Nationalverteidigung: Abg. Franz udržal( tsch. Agr.),

Minister für soziale Fürsorge und Leiter des Ministeriums für Gesundheitswesen: Abg. P. Johann Sramek( tsch. Kl.),

Minister für Post- und Telegraphen: Abg. Dr. Franz Nosek( tich. kl.), Minister für Auswärtige Angelegenheiten: Dr. Eduard Beneš,

Minister des Junern und Leiter des Ministeriums für Volksversorgung: Dr. Johann Č er it h,

Finanzminister: Prof. Dr. Karl Engliš,

Minister für Industrie, Handel und Gewerbe: Dr. Franz Peroutka, Minister für die Slowakei  : Dr. Josef Kállay.

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Nr. 240.

Die österreichische Sozial demokratie 1926.

Von unserem Wiener   Mitarbeiter.

Der Parteivorstand der österreichischen So­zialdemokratie veröffentlicht soeben ihren Bericht an den Parteitag, der am 30. Oktober in Linz  zusammentritt. Und wer diesen ausführlichen Bericht durchstudiert und sich dabei vor Augen hält, wie in diesem lebensunfähigen Oesterreich eine fapitalistische Gründung nach der anderen zusammenbricht und wie in dieser Fäulnis die bürgerlichen Parteien moralis, verkommen, ihre wirtschaftlichen Organisationen mit Gestank zu­sammenstürzen und ihre Führer sich vor dem politischen Zusammenbruch nur noch zu retten vermögen, indem sie die durch ihre Korruption an den Rand des Abgrunds gebrachten Unter­nehmungen aus öffentlichen Mitteln fanieren: der wird daraus allein schon erkennen, daß die Zukunft der Sozialdemokratie ge hört, die allein in dieser wirtschaftlichen Krise aufrecht steht, die allein von der moralischen Fäulnis verschont geblieben ist.

Davon gibt der Bericht der Parteivertretung herrliche Beweise, die geeignet sind, in dieser traurigen Zeit das Herz mit Hoffnung zu erfül

Schon was der Bericht über die anderen Zweige der Arbeiterbewegung, die mit der sozial­demokratischen Partei durch echt proletarische So wonnen, während die Kommunisten dort kein ein- lidarität verbunden sind, berichten kann, ist wahr

Ministersisen erzwungen. Die Deutschen   has Die Gemeindewahlen in Belgien   siges Mandat erhielten. Im großen Industriege

Die Arbeiterpartei behauptet ihre

Stellung.

biet von La Louviere   haben die Sozialisten in hun dert Gemeinden die Mehrheit erhalten. Ebenso ver­zeichnen sie einen großen Erfolg in Verviers   und eroberten in Malmedy   die Mehrheit.

haft herzerhebend. Da erfahren wir, daß in der wirtschaftlichen Strife, trotz der erschreckend hohen Zahl von Arbeitslosent und Kurzarbeitern die Gewerkschaften start und mächtig gewor den sind wenn auch ihre Mitgliederzahl um etwas über zwei Prozent abgenommen hat, daß sie am Ende des vorigen Jahres nicht weni­ger als 807.515 Mitglieder hatten, so daß also beinahe jede siebente Person( Säuglinge und Greise, Kapitalisten und Großagrarier mitgerech net) freigewerkschaftlich organisiert ist oder wein man nur die erwachsenen Personen, deren Zahl die Statistik mit 4,037.012 angibt, rechnet, jeder fünfte. Nicht minder erfreulich ist der Be­richt über den zweiten Zweig der Arbeiterbewe­gung, über die Genossenschaften. In den Kon­xxxxxx funt vereinen fomunt der Jahreskonsum dem Durchschnittskonsum im Jahre 1913 bereits

ben, so erklärte vor einigen Tagen beispiels­weise der Abgeordnete Windirsch, bisher das Stimmvieh gemacht und andere regieren laj jen, nun müsse dies anders werden, denn Brüssel  , 12. Oktober. In ganz Belgien   fanden gleiche Leistungen erfordern gleiche Rechte. Die Beanspruchung der Rechte die ihm gebühren, Sonntag die Gemeindewahlen in vollständiger Die Liberalen, die im Jahre 1921 eine große fönne nur geschehen durch die Anteilnahme an Ruhe statt. Die Arbeiterpartei fämpfte in Niederlage erlitten hatten, haben jetzt eine fleine der Regierung, durch die Ausübung seiner rund zweitausend Gemeinden, die Kommunisten Erholung zu verzeichnen. Der Ausfall der Ge­Macht. Und andere Redner hört man ver- hatten nur in etwa sechzig Gemeinden Kandidaten meinderatswahlen bringt nach den bisherigen Er­sichern, die Aschenbrödelrolle des Sudeten  - aufgestellt. In einigen Gemeinden von Groß gebnissen keine wesentliche Kräfteverschiebung und deutschtums sei nun zu Ende. Ist dies wirk- Brüssel  , Antwerpen   und Gent   haben die Sozialisten dürfte keine starke Rüdwirkung auf die politische lich so? Werden, weil zwei Deutsche   als Mini- einige Mandate verloren, dafür aber im großen Gesamtlage haben. Die Sozialisten haben ihre Stel­ster figurieren dürfen, die Deutschen   nun mit stohlengebiet Borinage fünfzig neue Mandate ge- lung jedenfalls vollkommen behauptet. regieren, gleiche Rechte genießen und Anteil an der Macht haben?

Was als Wendung in der Innenpolitik man fragen, warum denn diese Parteien mit Es ist Spiegelfechterei, wenn die deut- ziemlich nahe, die Großeinkaufsgesellschaft der anzusehen ist, das vollzieht sich nicht erst mit der praktischen Betätigung ihrer Erfenntnisse schen Zollparteien für ihre Ralliierung mit österreichischen Konsumvereine, die das zentrale der Aufnahme zweier deutschbürgerlicher Poli- so lange zugewartet haben, denn um denselben dem tschechischen Bürgertum nationale Wirtschaftsinstitut der Genossenschaften ist und. tifer in die Ministerliste, das ist schon durch Preis, um den sie jetzt in die Regierung hin- Gründe, oder gar die Absicht der Herbeifüh- die genossenschaftlichen Betriebe kontrolliert, hat die Sprengung der allnationalen Koalition einschlüpfen, hätten sie schon längst in das rung des nationalen Friedens vorschüßen. nicht nur die Schwierigkeiten der Inflationszeit und durch die Bildung der tschechisch- deutschen- Regierungsparadies gelangen können. Man Auch wenn man die allnationale Roalition in überwunden, sondern ist heute auch eine der größ­ilowakisch- magharischen Regierungsmehrheit muß fragen, warum sie denn selber noch vor nationaler Beziehung für schädlicher und ge- ten Unternehmungen Desterreichs, auf deren Er­Tatsache geworden. Diese Wendung hat sich verhältnismäßig furzer Zeit dem nie erfüllfährlicher hält, so darf man doch nicht verfen- folge die Arbeiterschaft stolz sein kann und die bollzogen, seitdem Landbündler, Christlichso- baren Idealismus" nachjagten, die Teilnahme nen, daß nicht der Wille, an der Verständi Arbeiter bant, die am wesentlichsten dazu ziale und Gewerbeparteiler mit den tschechisch von Deutschen   an der Regierung von der Wie- gung der Völker und an der Schaffung von beigetragen hat, daß die Unternehmungen der Ar­Wie- gung beiterklasse den Zusammenbruch der Währung bürgerlichen Parteien entschlossen und beden- dergutmachung aller durch die gewaltsame nationalen Rechtsnormen zu arbeiten, die und der Wirtschaft besser übertauert haben als fenlos durch Dick und Dünn gehen, für Zölle, Tschechisierungspolitik der deutschen   Bevölke- neuen Alliierten zusammengeführt hat. Die die kapitalistische Welt, hat in diesen schwierigen Kongrua, Erhöhung der Zucker- und Spiritus- rung zugefügten Schäden und von nationalen Triebfeder bei der Bildung dieser Koalition, Beiten nicht nur eine außerordentliche hohe Liqui­steuer, Erhöhung der Offiziersgehalte und Ab- Sicherungen abhängig zu machen? Eine Re- die nun in der Ueberlassung zweier Minister- dität zu unterhalten vermocht, um gegen jede würgung der Opposition stimmten und bereit gierungspartei um jeden Preis zu werden, fiße ihre Krönung findet, war der kapita- Eventualität gerüstet zu sein, sondern sie ist ge­waren, für das Budget, Verlängerung der mi- dieses Ideal einer realen Politik", hätten die list is che lasieninstinkt der Bour- radezu zum Rückgrat der Wirtschaftsorganisatio­litärischen Dienstzeit und andere sogenannte deutschen   Zollparteien schon vor reichlich geoisie aller Nationen. Wenn sich nen der österreichischen Arbeiterklasse geworden. Staatsnotwendigkeiten zu stimmen. An die fünf Jahren erreichen können und die Bourgeoisie national" verständigt, so Ihr ist es mit zuzuschreiben, daß die öfter­sem Zustand ändert die Ernennung von zwei Regierungsparteien im Sinne von Mameluk   bedeutet dies noch lange nicht die nationale reichische Gemeinwirtschaft, gegen die sich Deutschen   zu Ministern nichts weiter, sie be- ten, die sich der jeweiligen Regierungsmehrheit Verständigung der Völker. Die tschechische die heftigsten Angriffe der Kapitalistenpresse rich­deutet höchstens, daß eine Tatsache nun auch blind unterordnen, werden sie auch in Zukunft Bourgeoisie will, ohne von Sozialisten in der ten und die auch im Ausland schändlich verleum­noch symbolisch ausgedrückt wird. Und worin immer sein können. Wenn sie schon früher Regierung behindert zu werden, ihre Macht det wird, Macht det wird, inmitten einer ringsum versagenden besteht diese Tatsache? Daß sich Tschechisch  - hübsch brav gewesen wären, sich, wie sie es jetzt gebrauchen und ist froh, daß ihr deutschbürger- Privatwirtschaft aufrecht dasteht, so daß sie in und Deutschbürgerliche zur Vertretung ihrer tun, mit der Schleppträgerrolle gegenüber den liche Parteien dabei helfen, die Regierung so- diesem Jahre der internationalen Krise des Ka­Klasseninteressen zusammengefunden haben. tschech. Machthabern begnügt hätten, man hätte zialistenrein zu halten. Dabei hofft auch das pitalismus, der österreichischen Strise im besonde ren, die zu einem Massensterben der Privatindu­Die Berechtigung für das Jubelgeschrei über sie sicher gerne und in Gnaden aufgenommen, deutsche Bürgertum materiell auf seine Rech- strie geführt hat, die gemeinwirtschaftlichen Be­den Anbruch eines besseren und freieren Zeit- sie hätten es höchstwahrscheinlich auch längst nung zu kommen und wie die Zölle beweisen: triebe aufrecht erhalten, ja, wie z. B. die Heil­alters für das deutsche Volk reduziert sich dar- schon zu Ministerportefeuilles gebracht. Das nicht mit Unrecht. Die Arbeiterklasse hat im mittelindustrie, die Holzwerke, die Gesiba( die auf, daß, was die Sozialdemokraten immer System unverändert oder fast unverändert Grunde genommen keinen Anlaß, die Ent- Genossenschaft zur Belieferung der Siedlungs­sagten, seine Bestätigung gefunden: daß die aufrecht zu erhalten, ohne jede Gegenleistung, wicklung der Verhältnisse zu bedauern. Die genossenschaften) zu führenden Musterbetrieben Klassengegensätze sich stärker erwiesen haben, ohne jede Zusicherung solcher fünftiger Gegen- Kämpfe um die Erhaltung ihrer Rechte und ausgestalten konnte.

als alle, nationalen Ideologien und Legenden, leistungen, ohne Abschluß jedes festen Vertra- ihrer Lebensgrundlage werden wohl eine Ver- Bei der Gelegenheit sei auch noch der Ar­jogar als die Legende vom Nationalstaat, die ges, der die kulturellen und nationalen Rechte schärfung erfahren. Sie muß sich auf die hefbeiterkammern gedacht, die hener neu ge­bis vor kurzem allen tschechischen Parteien als des deutschen   Volksstammes der Willkür der tigsten Angriffe der neuen Koalition, die eine wählt wurden, was den Gegnern Gelegenheit bot, ein noli me tangere galt. eigentlichen Machthaber entrückt und dabei den Koalition der Besitzenden gegen die Besiklojen von Niederlagen der Sozialdemokratie zu faselu,

Die deutschen   Zollparteien, denen durch Vorteil genießen, daß dieses System durch die ist, gefaßt machen, aber die kommenden Dinge weil es da und dort den Christlichsozialen ge­die Ernennung ihre Spina und Mayr- Har- Eristenz deutscher   Minister vor dem In- und ichrecken sie nicht. Der internationale ungen ist, ihr häuflein von Anhängern zu ver ting zu Ministern ihre Staatstreue bestätigt Auslande seine Legalisierung erhält wem 3 usammenschluß der Bourgeoisie mehren und bei schlechter Wahlbeteiligung den Sozialdemokraten ein paar Mandate abzunehmen. wird, wissen jetzt viel davon zu erzählen, daß ist damit mehr gedient, als eben diesem Sy wird sein Gutes darin haben, daß In Wirklichkeit haben diese Wahlen in den Ar­man mit einem nie erfüllbaren Idealismus stem und seinen Trägern, die natürlich auch er die nationalistischen Schleier beiterkammern bewiesen, daß in der Arbeiter- d feinen Hund hinter dem Ofen hervorfoden jetzt jeden Grund haben, mit beiden Händen zerreißt, welche große Teile des gruppe und auch bei den Verkehrsangestellten die könne und, daß im Interesse des deutschen   zuzugreifen, da ihnen die deutschen   Zollpar- Proletariats überlange daran freien Gewerkschaften überall die überwältigende Volfes eine reale Politik" gemacht werden teien ihre treuen Dienste selbstlos und voll hinderten, die Tatsachen zu sehen Mehrheit haben und daß sie in Niederösterreich  wie sie find. und Steiermark   auch bei den Angestellten die müsse. Wenn man diese Phrasen liest, so muß fommen unentgeltlich anbieten!

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