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6. Jahrgang.
Sozialdemokrat
Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.
Dienstag, 26. Oftober 1926.
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Mr. 251.
Bon D. Dalin.
Der Kampf zwischen dem Stalinschen Parteivorstand und der Opposition hat seinen borläufigen Abschluß in einem Waffenstillstand gefunden. Die Einzelheiten dieses Paktes fehlen noch, für einige Zeit tritt aber jebenfalls ein„ friedlicher Zustand" ein.
Die Attacke der Opposition hat also diesmal mit Mißerfolg geendet. Worin liegen die Ursachen dieser Niederlage?
Gegen die Macht Moskauer Diftatoren ist fein Krant gewachsen. Der ehemalige Diktator Sino wjew muß den bitteren Weg, den er andere so oft gehen ließ, nun selbst bis ans Ende wandern. Kein Besserungsgelöbnis, kein Geständnis, weder Reue noch Buße frommen da, wo eine mit päpstlicher Unduldsamkeit auftretende Gewalt den großen Kehraus anordnet. Sinowiew, Troyli und Ramenew hatten sich auf eine gemeinsame Basis für die Opposition geeinigt. Was sie getrennt nicht leisten konnten, hofften sie vereint zu erreichen. Sie gingen in die Betriebe und beschworen die Diskussionen herauf, die mit Hinauswürfen, Auspfeifen und Niederstimmen endeten. Wir haben den Kreuzzug und seinen Verlauf beschrie ben. Nun glaubten die Fraktionsbildner ihr Heil in der bedingungslosen Unterwer fung zu finden. Sie schworen Besserung und frochen zu Kreuze. Die Machthaber hatten aber ihre Widersacher jeßt erst recht sicher in der Hand und taten mit ihnen das, was Sino wjew und Troßfi ihrerseits mit Rykow und Stalin wohl auch getan hätten, wenn die Dinge umgekehrt lägen. Die Herrlichkeit Sinowjews hat ein Ende gefunden. Damit muß er nicht für immer verschwinden. Es ist möglich, daß der als Verräter Abgesetzt nach einem Jahr als Diktator und Richter über die Sünden anderer wiederkehrt. Er wird aber nur wiederkehren, wenn er sich tatsächlich wandelt, denn die Epoche des Sinowjewotischen Kurses ist nach alldem, was in Rußland vorgefallen ist, endgültig vorüber. *
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Wien, 22. Oktober.
Der Herr Prälat und päpstliche Protono farius Professor der Moraltheologie Dr. Ignaz Seipel ist nicht ehrgeizig. Neidlos überläßt er anderen die Ehre der Stanzierschaft, wenn er nur die Zügel des Staates fest in Händen behalten tann um feinem Ziel, der Wiederaufrichtung der alten Ordnung, oder wie er es genannt hat, der Wegräumung des revolutionären Schuttes", mit Kraft dienen zu können. Er weiß, daß er dies sem Ziel anonym am besten dienen kann, denn die Soutane ist bei uns, auch bei den Anhängern der Christlichsozialen, nicht beliebt. Deshalb liebt er es, andere Politiker seiner Partei, die weniger prononziert sind, am liebsten willenlose Sereatu ren an die Spitze des Staates zu stellen. Aber noch lieber sind ihm ganz unpolitische Ministerial beamie, die parieren müssen und dem Sturs rüdwärts auch gern parieren, und dann singt er das hohe Lied von der Trefflichkeit der Fachmännerregierung, die das Staatsintereſſe über das Par
Es hat sich im Laufe der letzten Monate ein großer Generalstab der Opposition gebilbet, der drei Viertel aller weltbekannten fommunistischen Führer und eine bedeutende Führerreserve in seinen Reihen zählt: Sinomjew, Krogti, Karl Radek , Lenins Witwe Krupitaja, Finanzkommissar Sokolnikom, Ramenew, Preobrashenjti, Smilga, Schljaphikoff und die weniger bekannten Soff, Sorin usw. Wer sich heute stattgefundenen Plenarsizung des Zentral- USSR. in der Komintern vertritt, sowie Moslau, 24. Oktober .( Taß.) In der nicht die Linie der kommunistischen Partei von In der kommunistischen Welt einen Namen und tomitees und der Zentralfontrollfommission der Anbetracht der Beschlüsse der deutschen , englischen, eine Autorität erworben hat, d. h., fast die ge- tommunistischen Partei von USSR. wurde eine französischen, amerikanischen und anderen Setjamie Führerschaft mit Ausnahme fast Entschließung angenommen, worin den Mitglie- tionen, die erklärten, daß Sinow jew infolge seiner teiinteresse stellt. Nur wenn seine politischen Unnur von Bucharin und Stalin befand sich dern des Zentralkomitees Trogli, Sino- führenden fraktionellen Tätigkeit in der Komin- terläufel, die seine Befehle ausgeführt haben, mit Schiffbruch gein den Reihen der Opposition. wjow Kamen e tv, Pjatakow, Jewdokimow, tern das Vertrauen der kommunistischen Parteien ihrer Politik seiner Politik Nun hat die Opposition die Probe auf Sokolnikow, Smilga und dem Kandidaten des eingebüßt habe. Das Plenum beschloß, Troßri litten haben, oder wenn seine Fachmänner am es ist meist sein Stirchen das Erempel gemacht. Sie besuchte die Mit- Zentralfomitees Frau Nikolajewa ein Verweis der Pflichten als Mitglied des Politbureaus und Ende ihres Lateins gliederversammlungen, die sogenannten Bar- erteilt wird, der ihnen die Unzulässigkeit der. Ber- Kamene wo der Pflichten eines Kandidaten des latein angelangt find. dann tritt der Ignaz Seipel jeder Zoll ein Loyola- auf den Blan, ieizellen und entfesselte eine Diskussion, die legung der Parteidisziplin vorhält. Das Plenum Politbureaus in Anbetracht ihrer führenden fraknach allen Regeln der kommunistischen Bolemit erachtet die weitere Tätigkeit Sino wjews tionellen Tätigkeit nach der Juliplenarsession zu um den Staat zu retten. in der Komintern für unmöglich, da er entheben. vor sich ging. Jeder Teil erklärte den anderen als Verräter, als Menschewisten, als kleinbürgerlich- verseuchten Politiker und als Helfershelfer der Konterrevolution. Am Schluß der Parteibersammlungen wurden Resolutionen für und gegen die Opposition eingebracht. Und dann stellte sich heraus, daß die Opposition
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Wilhelm provoziert!
Einladungen zu einer, Soljagd" nach Rominten.
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Seit dem Umstur; hatte Seipel , der Ber trauensmann Karl Habsburgs, den dieser noch in seine letzte Regierung aufgenommen hatte, die Führung der christlichsozialen Partei, seit dein Wahlsieg der Chriftlichsozialen om 17. Sktober 1920 die Führung des Staates. Wenn er nach jenen Wahlen die Leitung der Regierung dent Tiroler Universitätsprofessor Dr. Michael Mayr überlassen mußte, so hatte er doch in dem Vize tangler und Unterrichtsminister Dr, Breiffy und in dem monarchistischen Heeresminister Dr. Glanz seine Kreaturen untergebracht. Als aber Mayr, der schon durch sein Auftreten beim Osterputsch Karl Habsburgs das Mißfallen des
geben war( Glanz war schon nach dem Kariputsch aus Solidarität mit dem Habsburger ausgeschie den), das Kommando führte. Aber Schober berfeindete sich mit den Großdeutschen, und, da die Berlin
, 25. Oftober. Der Montag sein, aber bezeichnend sei, bemerkt das Blatt, daß nicht einmal 1 v. H. der Mitgliedschaft für morgen" will von zuverlässiger Seite erfah- wieder eine Sofgesellschaft" in Erscheisich gewinnen fonnte! In Moskau haben ins ren haben, daß etwa 50 Personen von Wilhelm nung trete. gejami 0,9 v. 5. Kommunisten für die Oppo- II. eine Einladung zur Hoffagd nach Rofition gestimmt; in Petersburg war das Ergebnis noch kläglicher dort hat die Oppo- minten erhalten haben u. zw., eine Einladung Berlin , 25. Oktober. Der Amtliche Preußifition nur 0.3 v. 5. aller Stimmen gesam- im Namen ,, Sr. Majestät des Kaisers". fche Pressedienst stellt fest, daß dem ehemaligen monarchistischen Flügels der Partei erregt hatte, Aehnliche Meldungen famen auch aus Das Schloß Rominten ist nach dem eben erst ab- Kaiser in Rominten lediglich das Jagdhaus mit schließlich den Intrigen seiner Partei weicheu den Provinzorganisationen. geschlossenen Vergleich zwischen Preußen und den Gärten, jedoch kein For it verblieben ist. Das mußte, wurde der Wiener Polizeipräsident Schober an die Spiße einer Beamtenregierung geHätte die Opposition am Schlusse dieses Hohenzollern dem ehemaligen Kaiser wieder zu- Jagdhaus sei inmitten des Staatsforstes gele- stellt, in der Seipel wieder durch seinen Breisty, Feldzuges ein Biertel oder ein Drittel aller gefallen. Eingeladen sind Diplomaten, hohe Mi- gen, in dem der ehemalige Kaiser keinerlei dem noch der neue Heeresminister Baugoiu beigeStimmen auf sich vereinigt, so würde man ja- litärs und auch der Prinzgemahl der Niederlande. Jagdrecht besitzt. gen: die Opposition ist bestegt worden. Hätte Der Gastgeber werde zwar nicht selbst anwesen sie nur 10 b. S. der Stimmen, so könnte man sagen: fie hat Schiffbruch erlitten. Aber 0.3 b. S. und 0.9 b. 5.? Das schien wahrhaftig weiter zu sprechen. Soweit es sich um regie- fühlt den ungeheueren Drud der Diftatur. Serone immer tiefer stürzie, trat am 31. Mai 1922 ein Rätsel zu sein. Die meisten Führer be rungstreue Schreihälse handelt, hütete man sich. Man hält ihr die Treue, weil sie Träger der Seipel an die Spitze der Regierung. Er, der den fanden sich in der Opposition und bon ben ihnen einen Ordnungsruf zu erteilen. Es Gewalt ist. Und wenn es der Opposition jest Staat vor dem Zusammenbruch retten sollte, Barteimitgliedern haben nur fünf vom Tau- wurde also auf Geheiß der Zentrale eine irgendwie gelingen sollte, die Macht an sich zu Aber die Krone stürzte immer tiefer und so sah fend für fie gestimmt. Dieses Wunder hat man Stimmung geschaffen, die eine Diskussion voll- reißen, so hätte sie sicher unter den Parteimit sich Seipel zunächst veranlaßt, seinen Finanzminibisher noch in keinem Lande und bei feiner fommen ausschließt und die Abstimmung von gliedern zunächst die gleichen Gefühle der ster Segur, eine feiner Streaturen, als SündenBartei erlebt. Ein Wunder unter den vielen vornherein zu einer Farce macht. Treue ausgelöst, die heute der Stalinschen bod zu opfern, und am 17. April 1923 wurde das zweite Rabinett Seipel mit dem Finanzminister Wundern in diesem wunderreichen Lande! In feinem Lande und in keiner Bartei Richtung zuteil werden. Dr. Kienböd gewählt. Nach den Wahlen vom 21. Es unterliegt dabei keinem Zweifel, daß der Welt ist ein derartiger Druck auf die eige- Stalins Sieg ist auch dadurch erleichtert Oftober 1923, die aufgezeigt hatten, daß die Sodie Nachrichten in diesem Fall den Tatsachen nen Parteigänger möglich. Dieser Saschim". worden, daß das Programm der Opposition zialdemokraten zwei Fünftel der Wähler hinter entsprechen und daß die Stimmenzahlen im unter dem selbst Sinowjew jämmerlich stöhnt, zum Teil sehr verschwommen und zum Teil sich haben, wurde die Regierung Seipel in der großen und ganzen nicht erlogen sind. Was ist der beste Beweis dafür, wie weit es die all- utopisch ist. Die von Lenin bereits ausge- alten Zusammensetzung wieder gewählt. Das aber die Sowjetpresse und der amtliche Nach- umfassende Diktatur in Rußland gebracht hat. probte und von ihm nachher verworfene Po- war die dritte Regienung Seipel. richtendienst verschweigen, sind die Umstände, Eine freie Meinungsäußerung ftit der Verschärfung der antikapitalistischen Diese neue Regierung Seipel nicht herbei und die Aber die Rettung des Staates führte auch neue Regierung Seipel nicht herbei und die unter denen der Kampf vor sich ging und die i st vollkommen ausgeschlossen Tendenzen und der Verstärkung der kommuGenfer Sanierung. Die Seipel II. begonnen hatte eigenartige Geistesverfassung der russischen und die Bedeutung der„ Abstimmungen ist stischen Internationale, des Druds auf Sie und für die er sich als Retter Desterreichs feiern Kommunisten nach neun Jahren ihrer Herr- gleich Null. Bauernschaft, der Einschränkung des Räte- ließ, zeigte der Bevölkerung immer deutlicher sein schaft. Dazu kommt noch, daß die Durchschnitts- wahlrechts usw. kann wohl kaum noch viele Fiasto. Und so hielt er immer dringender, AusSaschim des Parteiapparates", so tommunisten von heute, keineswegs die großen Anhänger finden. Und deshalb war der Er- schau, ob sich nicht eine Gelegenheit finde, die nannte Tropki den inneren Parteizustand, den Aufwiegler, die feurigen Kämpfer und die folg der Opposition auch außerhalb ihrer eige- Verantwortung für die Staatsgeschäfte jemandem anderen zu übergeben und sich damit zu begnü Stalin zur Unterdrückung der Opposition ge- Himmelsstürmer von Anno dazumal sind. Sie nen Partei ausgeblieben. schaffen hat. Dieses Wort läßt sich nicht genau sind jetzt zum großen Teil höhere oder minder Der Waffenstillstand, der jetzt abgefchlof- gen, anonymt zu regieren. Die Gelegenheit dazu übersetzen, es bedeutet im allgemeinen einen hohe Beamte, die nach einem besseren Posten sen ist, war unter diesen Umständen das ein- traf sich als im Jahre 1924 die Eisenbahnangestellten mit dem Streik drohten. Schon im Jahre ungeheueren Drud, verbunden mit Drohun- streben. Eine Müdigkeit und Schwäche, eine sig Mönliche für beide Teile. Reiner fühlte 1922 batte Seipel seine große Stunst in der Behungen, Represalien, Ausschlußverfahren, frühzeitige Alterskrankheit hat sich ihrer be- sich stark genug, einen Krieg bis zur Vernich- handlung der Beamten bewiesen. Als damals die Verbannung und Arbeitslosigkeit. Eine Art mächtigt und nichts kann ihnen ungelegener tung" des Gegners zu führen. Aber von einer Beamten angesichts der fortschreitenden Teuerung von Terror innerhalb der Partei, ein System kommen, als eitt neuer Kampf, dessen Ausgang Versöhnung, von einer politischen Annäherung eine Gehaltserhöhung forderten, hatte er das polizeilicher Verfolgungen gegenüber der eige- ungewig ist. Sie wollen ihre Ruhe haben! fann gar keine Rede sein: zu weit sind bereits Jndergesetz geschaffen, durch das bestimmt wurde, nen Minderheit. Die ganze gewaltige Staats- Genug der Kriege und Kämpfe, genug der beide Richtungen auseinander, um die Dif- daß sich die Bezüge der Staatsangetrellten autound Parteimaschine wurde in Bewegung gesetzt Abenteuer und Gefahren, man will von ferenzen in ein paar Tagen aus der Welt zu matisch um den Judex", das ist um die amilich um der Opposition um feden Preis den Gar- der alten Sturm- und Drangperiode nichts schaffen. Im Gegenteil, jede Partei bereitet festgestellte Teuerung erhöhen sollten. Zu diesem aus zu machen. Die Moskauer Zentrale hatte mehr wissen. Ein ruhiger Posten, ein leidli sich im stillen auf neue Kämpfe. Die außerpo- Bugeständnis war Seipel allerdings nicht durch das wiegt so immendlich litische Isolierung Rußlands , die seit Anfang katte anfänglich den Streit der Eisenbahner und Instruktionen ausgesandt, daß das Reden der ches Auskommen, seine Angestelltenfreundlichkeit gekommen. Er Oppositionellen verhindert werden müsse. viel nach den Jahren des Hungers und der des Jahres eingetretene wirtschaftliche Stag- Bostangestellten mit seiner starken Faust niederSollte es ihnen trotzdem gelingen, zu Worte Entbehrungen. Und man bleibt aus diesem nation und die drohende Inflation werden schlagen wollen, und sich geweigert, mit den zu kommen, so war ein Hauflein treuer Sta- Grunde seiner Behörde, d. h. seiner Regierung, nicht zur Versöhnung, sondern zur weiteren Organisationen zu verhandeln. Als aber die Wirlinisten" verpflichtet, den Gegner niederzu der Stalinschen Zentrale, treu. Entfachung der politischen Kämpfe führen, und fungen des Streits immer fühlbarer wurden und ichreien und solange zu heulen und zu schimp- Nicht wegen der Richtlinien seiner Bo- fomit den inneren Frieden in der herrschen- sich zeigte, daß man mit der starken Faust den Anfen, bis es dem Verräter" unmöglich wird, litit bleibt man ihr treu,- nein, denn jeder den Partei unmöglich machen. gestellten nicht beikommen fönne, versuchte er es
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