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6. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.

Der Maultorb für den Minister.

Es wäre dem deutschen Volke in diesem Staate sicher nicht sehr geholfen, wenn die Minister im Parlament und in den Ausschüs­jen deutsch reden dürften. Der Kampf gegen die Sprachenverordnung hat vernünftigen Sinn nur dann, wenn er sich zunächst gegen die Un­ferdrückung der deutschen Sprache im deutschen Sprachgebiet richtet, wenn er es unternimmt, den deutschen Arbeitern und Angestellten, den Gewerbetreibenden und Beamten das Rechi auf ihre Sprache zu erkämpfen, das heißt also dem deutschen Volfe schlechthin die Möglichkeit zu geben, mit Gerichten und Behörden deutsch

Sonntag, 7. November 1926.

Dienstag Friedensschluß in England?

London , 6. November. Wie schnell man das Ende des Streites im Bergbau herbeiführen will, geht daraus hervor, daß d'e Verhandlungen zwischen der Regierung, den Bergwerksbesitzern und den Vertretern des Vollzugsausschusses der Bergarbeiter selbst über das Weekend hinaus fortgesetzt werden sollen. Heute fand zunächst eine Kabinettssigung statt; dann empfingen die Regierungsvertreter die Gruben befizer und nachher fand eine Zusammenkunft Baldwins mit den Bergarbeitervertretern statt.

Vorstandsmitglieder der Bergarbeitergewerkschaft erklärten, daß die noch strittigen Punkte bloß technischer Natur jeien und daß mit dem Abschluß des Friedens im Bergbau und der Ratifikation durch die Delegiertenkonferenz bereits Dienstag gerechnet werden könne. Die Grubenbefizer verharren noch immer auf ihrer Weigerung, ein gesamtstaatliches Ueberein­kommen zu unterschreiben.

zu verkehren. Es heißt das Pferd beim Billigung des Zerrors durch den Urbahns, Scholem und Schwan aus Schwanze aufzäumen, wenn man zunächst nur großen Fascistenrat. zwei Deutschen , nämlich den Ministern

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Nr. 260.

Kartoffeln.

Furchtbar wütet im Lande die Wirtschafts frise. Jm Bergbau und in der Metallindustrie, in der Glas- und Textilindustrie werden Woche und Woche Arbeiter entlassen, Tausende von Menschen arbeiten verkürzt und verdienen mur einen Teil des auch bei voller Beschäftigung elenden Lohnes. Während so das Ginkommen der Arbeiterklasse gegen das Vorjahr beträchtlich ver­mindert ist, steigen auf der anderen Seite die Preise der notwendigsten Lebensmittel. Alle Ge­treidearten haben Refordpreise erzielt, der Korn­preis ist geradezu märchenhaft. Was aber diese Entwicklung für große Massen der Bevölkerung zu einem von der bürgerlichen Oeffentlichkeit nicht geahnten Trauerspiel macht, ist die gegen frühere Jahre ganz ungewohnte, ungewöhnliche Verteuerung der Kartoffeln.

Wir haben insbesondere in den deutschen Ge­bieten des Staates ganze Gegenden, wo die Kar­toffel geradezu als die Nationalspeise der Bevöl­ferung betrachtet werden kann. Ein alter deutsch­böhmischer Gebirgsspruch lautet:

Kartoffeln in der Früh,

Des Mittags in der Brüh',

Des Abends mitsamt dent Seleid, Kartoffeln in alle Ewigkeit.

der KPD ausgeschlossen. Berlin , 6. November.( Eigenbericht.) Das deutschen Bürgerparteien das Recht erkämpfen Rom, 6. November .( Stefani.) Der Große große Reinemachen in der kommunistischen Partei oder erschleichen will, sich ihrer Sprache zu be- fascistische Rat ist gestern abends unter dem Vor- nimmt jeßt seinen Anfang. Die Zentrale der K. dienen und erst in zweiter Linie an die immer- fizze Mussolinis zufammengetreten. Der P. D. hat die drei Reichstagsabgeordneten Ur­hin mehr als drei Millionen zählende Masse der Große Rat befaßte sich mit den an einigen Orbahns, Scholem und Schwan aus der Par­übrigen Volksgenossen denkt. Wenn man dem ten verübten Vergeltungsaften und billigte, tei ausgeschlossen, weil sie sich weigerten, ihre deutschen Volke kein anderes Opfer auferlegte obgleich er nicht verheimlichen kann, daß diese das früheren Erklärungen über die russische Frage als den Zwang des Tschechisch- Sprechens für die Ergebnis eines nicht verhaltbaren Zornes und zu widerrufen. Weitere vier Abgeordnete sollen die folgen, so daß die zweite kommunistische Fraktion deutschen Minister der Republik , es wäre wahr- Schmerzensausbruches(!) waren, dennoch lich auszuhalten und wir könnten unter Ver- bom Generalsekretär zu ihrer Unterdrückung ge- im Reichstag bald mehr als ein Dußend Mitglie­zicht auf jede Prestigefrage gern ir die Ein- troffenen Maßnahmen. Der Große Rat konsta- der umfassen wird. tierte, daß gegen eenige Koniulate auswärtiger führung ständiger Sprachkurse für Miniſteran- Mächte unfreundliche Demonstratio Auflösung des dänischen Goltething. wärter einwilligen. Den deutschen Bür- nen stattgefunden haben, und sprach darüber gerparteien aber kommt es nur auf die fein tiefstes Bedauern aus. Der Große Rai nahm Kopenhagen , 6. November. Bei der heute im Brestigefrage an. Ihnen ist es herzlich die vom Ministerrate getroffenen Maßnahmen zur Follething erfolgten zweiten Lesung der Regie­gleichgültig, wie der deutsche Eisenbahner bei Kenntnis, durch welche die Errichtung einer po- rungsvorschläge betreffs Maßnahmen zur Wilde­achtstündiger Arbeitszeit und zwei- oder drei litischen Polizei vorgesehen wird, welche rung der wirtschaftlichen Strife wurde ein Teil der stündiger Fahrt zum Arbeitsplatz noch perfekt die noch verbliebenen Infektionsherde( Paragraphen abgelehnt. Staatsminister Stan tichechisch lernen soll, wie der deutsche Arbeiter vertilgen und in Zukunft das Leben Mussolinis, ning erklärte darauf, daß die Regierung die Ver­in den berüchtigten„, weniger als zwanzigpro- mit dem der Bestand und die Größe des Vaterlan- antwortung für die Weiterführung der Vorlage des unzertrennlich verbunden ist, schüßen wird. nicht übernehmen könne. Er beabsichtige daher, zentigen" Gebieten mit den Sprachenverord- Der Große Rat wird in Jänner 1927 wieder die Auflösung des Folkething und die Ausschrei­nungen auskommt, wie sich der Mann aus dem zusammentreten, um die Richtlinien für den Ein bung von Neuwahlen vorzuschlagen. Die Erklä- ter als in den früheren Jahren, wenn auch be Bolte der hundert Schikanen erwehren soll, mit tritt in die Partei im fünftigen Jahre aufzurung veranlaßte die Zuhörer zu Beifallskundgetont werden muß, daß wir genug Startoffeln für denen ihn das Sprachengesetz bedroht. Den stellen. Zöllnern und Kongruisten tam es auf das Pre­stige an. Sie wollten nach dreiwöchiger Re­

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bungen.

Heuer aber können die Bewohner auch die Startoffeln nicht ,, in alle Ewigkeit" essen, denn sie sind einfach unerschwinglich geworden. Vor dem Kriege hat ein Silogramm Kartoffeln etwa sechs bis acht Heller gekostet, heute kann man für dasselbe Nahrungsmittel bis zu 1 K 50 h bezah len. Während das Einkommen der Bevölkerung dent Kriege-pei den Kurzarbeitern ist das höchstens vier bis fünfmal so hoch ist als vor Verhältnis natürlich noch ungünstiger Kartoffeln zwanzigmal so teuer wie vor Verhältnis natürlich noch ungünstiger- sind die Startoffeln zwanzigmal jo teuer wie vor mehr ein Nahrungsmittel von den ärmeren dem Kriege. Es gilt geradezu das Gefeß, daß je Volkskiaffen gegessen wird, desto teuerer iſt.

Gewiß ist die Kartoffelernte bei uns schlech­

die Bevölkerung hätten, wenn es für die Kapita listen nicht lohnender wäre, daraus Spiritus zu eese brennen. Aber die Hauptschuld in der Kartoffel­

frise, vor der wir jetzt knapp vor Anbruch des gierungstätigkeit einen ersten Erfolg ftivisten zusammen. Sie sind be din den wahren Sinn der Realpolitif begriffen, bei Winters uns befinden, trägt die geradezu un­heimbringen oder doch etwas, das einem Erfolg gungslos in die Regierung eingetreten und der es zuerst darauf ankommt, sich nach dem fittliche Politik, die die Ministerien für gleichsah, solange man nicht weiter darüber gerade Mayr- Harting berjocht die Auffassung, Händlergrundsatz Hie Geld, hie Ware", zu Ernährung und Landwirschaft in dieser Frage nachdachte. daß man keinerlei Forderungen stellen dürfe, benehmen. Aber die Deutsch bürgerli- getrieben haben. Schon im August haben genos­Es war also durchaus eine Prestigefrage sondern warten müsse, bis man in der Regie- chen sind weniger hineingefallen als über- senschaftliche Organisationen die Regierung dar­des deutschen Bürgertums und feine nationale rung jei. Dann werde sich alles ven selbst erwiesen, weniger betrogen als ertappt. Es auf aufmerksam gemacht, daß es im heurigen Angelegenheit, ob der Herr Justizminister geben. Dem ist auch so; nur ergibt es sich ganz fam ihnen bei der Realpolitik gar nicht auf die Jahr notwendig sein werde, Kartoffeln aus dem Mayr- Harting sein Erpose in deutscher Sprache anders, als die Attivisten es sich vorgestellt ha- nationalen Errungenschaften an. Sie sind nicht Auslande zu beziehen. Damals waren die Kartof­halten würde. Auch bei Enrichtung des Zolles wäre der Preis Vollends gleichgültig fann es ben. Sie dachten sich den Anteil an der Macht in die Regierung gegangen, um via facti die feln im Auslande bedeutend billiger als bei uns. der Deffentlichkeit sein, ob der Herr Mi sehr einfach. Wenn man einmal auf der Mini- nationalen Belange durchzusetzen, sondern aus der eingeführten Kartoffeln um 20 bis 30 Stro nister aus der Not eine Tugend und aus sterbank vor den vollen Schüsseln sizen würde, tapitalistischer Profitgier. Die nen pro Meterzentner billiger gewesen. Aber die der Unkenntnis der Staatssprache die hero- dann könnte niemand einen hindern, so wie die nationalen Errungenschaften sollten vorge Einfuhr von Kartoffeln war an eine Regierungs­ische Geste mutigen Bekennertums machen anderen fräftig zuzufangen. Aber es gibt auch täuscht werden, um die Wähler irrezuführen. bewilligung geknüpft und diese wurde einfach wollte. Aber die Prestigefrage war auch eine auf der Ministerbank Size zweiten Ranges und Es ist sehr erfreulich, daß diese Irreführung nicht erteilt. Mochten die Kartoffeln nech so sehr Kraftprobe. Für die deutschen Renie- die großen Brüder wochen eifrig darüber, daß nicht gelingt. Der nationale Kampf der Zöll- im Preise steigen, das ließ sowohl die Beamten­rungsparteien fam es auf den ersten Erfolg nicht die fleinen fed in die Schüsseln greifen. ner jollte darin bestehen, einige Nichtigkeiten, regierung wie die deutsch - tschechische Versöh an. Es war ein Handstreich, dem vielleicht Geschieht es doch, so droht Papa Švehla nur mit die feinem Hund eines Deutschen einen Kno- nungsregierung" falt. Mögen die Leute betteln Zum Hohn hat nun die Regierung jetzt die tein weiterer Sieg gefolgt wäre, der aber den dem Finger Schön warten, bis ihr bekommt! chen bringen, zu großen Erfolgen aufzubau- gehen, wenn sie hungrig sind. Einfuhrbewilligung für Kartoffeln freigegeben. Attivisten auf lange hinaus den Mut und das Und erst fragen!" Darum kommt der Nie- schen. Dadurch, daß ihnen auch das Nichts, um Jut Wicklichkeit aber sabotiert das Landwirtschafts­icheinbore Recht gegeben hätte, auf weitere Erderlage Mayr- Hartings so große politische das sie fämpfen, verwehrt wird, fommen sie um folge zu hoffen. Was einmal gelungen ist, und grundsägliche Bedeutung. zu. das Prestige". Man fann den Wählern viel- ministerium die Einfuhr von Kartoffeln und in fann wieder gelingen, wäre die Trost Parole Er wollte das System erproben, wollte bewei leicht vormachen, daß Dreck Gold sei; aber die den Grenzstationen wird durch peinliche Unter­der Zöllner geworden. Der klägliche Abzug fen, daß es via facti" ganz einfach ginge, und Voraussetzung ist, daß man wenigstens den suchung aller eingeführten Kartoffeln eine Wag­des Justizministers hat diese Hoffnung das Gefühl, nicht tschechisch sprechen zu können. Dreck in der Hand hat. Auch den haben die gonstauung verursacht, die Einfuhrstationen sind für immer zu nich te gemacht. Er hat be- mag ihn noch darin bestärkt haben, daß ihm Deutschbürgerlichen verspielt, da ihre tschechi- verstopft. Augenblicklich traut sich niemand mehr wiesen, das ich Erfolge nicht auf Hintertreppen nichts geschehen könne. Aber er fam gar nicht ichen Brüder das gleiche Spiel aufführen. Sie Kartoffeln einzuführen, weil durch den langsamen erjagen lassen, er hat gezeigt, daß die tschechi- dazu, das Wort zu ergreifen, ehe er's bedachte, müssen ihren Wählern beweisen, daß der natio- Transport der Kartoffeln und durch die Möglich­schen Bürgerparteien sehr wachsam sind und sich hatte er einen Maulforb umhängen und konnte nale Ausgleich gar keiner ist, und darum dürfen feit baldiger Fröste eben niemand das Risiko der nisterium mußte natürlich zeigen, daß es genau nicht überrumpeln lassen. Damit ist nun gar wie ein begoffener Budel von dannen ziehen. sie den Deutschen keine„ Ausschreitungen" er- Ginfuhr auf sich nehmen will. Das Eisenbahnmi­so tonfumentenfeindlich ist wie alle anderen Mi­nicht gesagt, daß es den zwei deutschen Deko- Ein verkehrter Cajar, tam, jah und unterlag lauben. Nun glaube man nicht, daß die Politik isterien und hat die im Vorjahre gewährten toonsfiguren im Kabinett Svehla nicht ge- er. Die vielgerühmte„ Realpolitit" hat der Deutschbürgerlichen gar keine Erfolge auf Frachtermäßigungen für Kartoffeln heuer nicht lingt, von ihren Stoalitionsgenossen die Eriaub­nis, deutsch zu reden, bei einer günstigen Gele- eben ihre Schattenseiten. Die Ueberlegung, die zuweisen hat. Man munkelt in den Couloirs wieder eingeführt. Während man für Rüben­genheit zu erbetteln. Aber die Abfuhr Mayr- Maus müsse erst in die Falle gehen, um den des Parlaments, daß einige Projekte des Boschnißel Frachtermäßigungen gewährt, tut man das er- bei Startoffeln nicht. Das Viehfutter ist der Re­Hartings hat bewiesen, daß 3uge stand- Spec zu holen, ist einwandfrei richtig. Aber den amtes wesentliche Veränderungen nisse der Tschechen eben erbettelt werden die hungernden Mäuler, die draußen auf den fahren sollen. Wenn auch nicht alle Blüten- gierung wichtiger wie die Speise der Menschen. müssen, daß die deutschen Minister nichts aus Sped warten, werden ihn nie bekommen, weil träume reisten, so werden die Aktivisten deshalb Die Menschen mögen hungern, wenn Was die wahnsinnige Teuerung der Kartoffeln eigenem durchsetzen können. Die Teilnahme der man aus einer Falle schwer entkommt. Herr nicht leer ausgehen. Nur werden sie darauf nur das Vieh zu fressen hat! Deutschen an der Regierung bedeutet teine Teil- Mayr- Sarting fönnte sich von seinen Freunden verzichten müssen, ihre wirtschaftlichen nahme an der Macht, soweit andere als rein wirtum linfa einen Serjus aus Realpolitik Erfolge gegen die nationalen abzuwägen. für die Menschen bedeutet, davon scheinen Regie­schaftliche Fragen in Betracht kommen. Wenn geben lassen. Die Ludaci schachern und han- Sie wirtschaften jetzt auf Kosten des deutschen rung und bürgerliche Parteien keine Ahnung zu Staatsamtes verbraucht eine Arbeiterfamilie sie schön bitten, werden fie vielleicht einmal ein deln um jede Forderung mit Svehla wie der Volkes. Die nächsten Wahlen werden dem haben. Nach den Aufstellungen des ſtatiſtiſchen Stück Zuder bekommen, der Versuch, ihn vom Teufel um eine arme Seele. Auch sie werden Volk Gelegenheit geben, seinerseits die Rech- jährlich 450 Silogramm Kartoffeln, ihre Ausga Tisch an holen, wird mit einem energischen nicht annähernd das erhalten, was sie verlan- nung vorzulegen. Es steht sehr darnach aus, ben sind, wenn ein Kilogramm Kartoffeln gegen Suich" abgewehrt. gen, aber so schäbig wie die Deutschbürgerlichen daß der Herr Minister mit dem Maulkorb das Vorjahr nur um fünfzig Heller teuerer ist, bei diesent einzigen Nahrungsmittel um 225 Stro Damit bricht aber das ganze Sy st e m der werden sie nicht abgefertigt werden. Sie haben nicht in der Lage sein wird, sie zu bezahlen!