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6. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen   sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.

Potemkinsche Dörfer.

Als Katharina II  . Rußland bereiste, ließ ihr Günſtling und Staatsminister Potemkin gemalte Theaterdekorationen aufstellen, die ihr

Mittwoch, 10. November 1926.

Mandatsraub an der Aventino  - Opposition.

Der neueste Gewaltstreich der Mussolini  - Kreaturen.

Rom  , 9. November.  ( Stefani.) Die Kammer einen Geseßentwurf zum Schuße des Staates vor aus der Entfernung blühende Dörfer vor- trat heute zu einer außerordentlichen Tagung zu und ersuchte, hierüber die Debatte sofort zu fäuschten. Potemkin ist seit über hundert Jah- sammen. Der Sigungssaal war von fascistischen eröffnen. ren tot, aber sein System der Täuschung hat Abgeordneten in schwarzen Hemden dicht gefüllt. Die Kammer nahm den Gefeßentwurf zum ihn in Rußland   bis zum heutigen Tage über- Anwesend waren auch die liberalen Abgeordneten Schuße des Staates in namentlicher Abstimmung dauert und der Bolschewismus hat es sogar und die Anhänger Giolittis. Als Mussolinė den mit 341 gegen 12 Stimmen an. Im Texte des zur höchsten technischen Vollkommenheit aus Saal betrat, wurde er mit frenetischem Beifall Entwurfes wurde der Artikel ausgeschieden, dem gebaut, indem er zur Pflicht gemacht hat:" Je- und einige Minuten andauernden Ovationen zufolge Bürger oder Ausländer, die sich auf aus­begrüßt. der sein eigener Potemkin!" Alljährlich las­ländischem Gebiete Verbrechen zu schulden kommen Kammerpräsident Casertano gibt be- lassen; auf die sich diese Vorlage bezieht, nach ien sich die Moskauer Gewaltigen den Stultus tannt, daß vom Augeordneten Turatti und diesem Gesetze bestraft und im Königreiche Ita­des Systems Potemfin ein schönes Stück Geld Genossen ein Dringlichkeitsantrag eingebracht lien abgeurteilt werden sollen. fosten, indem sie naive Leute Rußland befah- wurde, der besagt, daß die Mandate der Die Kammer nahm sodann den Antrag ren lassen, ihnen allerlei Potemkinsche Dörfer Abgeordneten der sogenannten Turattis an, der die Abgeordneten der Aventino­zeigen, worauf sie dann heimgekehrt beredt von Aventino   Opposition für ungültig Opposition und die Kommunisten ihres Mandates den Herrlichkeiten erzählen, deren die Arbei- erklärt werden. Justizminister Rocco legte sodann verlustig erklärt.

ter unter dem boljchewistischen Regime genie­Ren. Selbstverständlich fonnte auch der neunte Jahrestag der Errichtung der Sowjetrepublik nicht ohne Potemfiniaden vorübergehen. den Jubelartifeln, welche die kommunistische Bresse aus diesem Anlasse brachte, wurden die Arbeiter der westeuropäischen Länder

In

Frankreich   verlangt Genugtuung

wegen der Fascistenangriffe aui französische   Konsulate.

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Nr. 262.

Quai d'Orsay fonstatierten der französische  Außenminister und der italienische   Botschafter mit Befriedigung, daß die Beilegung der Zwischen­fälle in   Tripolis, Benghazi   und Ventimiglia   im Geiste freundschaftlichen Vertrauens erfolgt. Was die Angelegenheit Garibaldis   betrifft, machte Minister Briand Baron Avezzano dringend auf die Gefahr aufmerksam, welche durch die auf solche Weise gefährdeten Polizeioperationen ent­stehen fönnten. Der französische   Außenminister sprach schließlich die Erwartung aus, daß in Zu funft, die italienische öffentliche Meinung Frank­ reich   gegenüber ungerechtfertigte Kundgebungen vermeide, deren Wirkung für die chrliche Zusam menarbeit zwischen den beiden Regierungen nicht günstig sein kann.

Keine passive Resistenz in Desterreich.

Zugeständnisse der Regierung.  

Wien, 9. November  .( Eigenbericht.) Die passive Resistenz der Technischen Union wurde heute wieder abgesagt, nachdem die Regierung eine Reihe von Zugeständnissen gemacht hatte. Allerdings erflärten die Vertreter der Technischen Union, daß die Zugeständnisse noch durchaus nicht genügend seien und daß sie die Forde­

Paris, 9. November. Ministerpräsident| italienischen Behörden, und zur Verhinderung rung nach einer Erhöhung der Nebengebühren, die Schilderung des sowjetrussischen Eldorados Briand   hatte gestern abends eine Unterre- von in Ausschreitungen ausartenden Kundgebun- die Regierung nicht bewilligen wollte, beim näch­wieder einmal eingeladen, sich der kommunisti- dung mit dem italienischen   Botschafter Baron   gen extremer Elemente. ften günstigen Zeitpunkt, zu erfämpfen fichen Außerdem soll Mussolini   die Absicht haben, werden, wenn nötig auch in der Weihnachtszeit. ichen Bartei anzuschließen, die allein imstande Avezzano  , welche etwa eine halbe Stunde währte und Blättermeldungen zufolge vor allem an die italienische   Presse ein Zirkular zu richten, jei, fie jolchen Glückszuständen zuzuführen, den Zwischenfall in Ventimiglia   betraf. Für die in welchem an sie der Appell gerichtet wird, über Die Vertrauensmännerversammlung stimmte wie ihrer das russische   Proletariat teilhaftig Rwischenfälle in Tripolis   hat Frankreich bereits Frankreich   in zurüdhaltendem Zone zu schreiben, zu, daß mit Rücksicht auf das teilweise Entgegen­ist. Die Garde gefälliger Eunuchen; zu der Genugtuung erhalten. Den Zwischenfall Dem„ Petit Journal" zufolge werde es später kommen der Regierung die passive Resistenz abge­die Moskauer   Diktatoren ihre Anhänger in in Ventimiglia   erachtet Frankreich   auch zum Austausche halbamtlicher Noten über sagt, werde. Sie erklärte sich aber durch die er­den westeuropäischen Ländern gemacht haben, für sehr ernst und fordert eine spezielle Ent- den Fall des italienischen   Polizeibeamten Lapolla reichten Zugeständnisse durchaus nicht befriedigt, sondern stellte ausdrücklich fest, daß der gegen­muß natürlich glauben, was ihnen auch jetzt schädigung. wärtige Zustand fein Friedensschluß, sondern nur Dem„ Petit Parisien zufolge hat wieder an Poiemtinichen Schilderungen über Paris  , 9. November. Erst heute abends ein Waffenstillstand ist. Im Hauptmünz­die russischen Zustände vorerzählt wurde, aber die italienische   Regieruna an das Ministerium glauben die Erzähler, daß es außerhalb der des Aeußeren eine Note gesandt, in welcher es wurde ein amtliches Kommuniquee über die amit foſtete es die Vertreter der Organisation in Rajernhefgeifte gedrillten Bekenner der bol- die verschiedenen Maßnahmen bekanntgibt, welche gestrige. Unterredung zwischen Briand   und dem Mühe, die Arbeiter vom sofortigen Streikbeginn cheristischen Heilslehre heute noch einen Men- Mussolini zur Bestrafung jener Personen ver- italienischen Botschafter Avezzano   veröffentlicht, fügt hat, welche die französischen   Konsulate an- in dem es heißt: den gibt, der sich durch die kommunistischen   gegriffen haben, ja sogar zur Bestrafung einiger Während der gestrigen Unterredung cm Botemfiniaden täuschen ließe? Zived der Stifübungen ist. den sozialde mofratischen Arbeitern wieder einmal zu be- das„ bißchen Wahlrecht" besitzen. Der jelige| fapitalistischen Konzessionen? Wurden nicht weisen, daß fie von ihren Führern einen fal- Potemfin fönnte sich, wenn er es nicht schon Sinewjew und Troßky, als die letzten Mohi­schen Weg geführt werden, da diese sich wei- wäre. begraben lassen. Er war ein armieliger kaner der Weltrevolution und als Gegner der gern, die bolichistischen Methoden als die Stümper gegen seine bolichewistischen Epigo- Fortsetzung des fapitalistischen Nep- Kuries eben erst abgesägt? alleinjeliomechenden nohzuahmen. Diese nach nen.

abzuhalten...

Die Erwerbslosenfrage.

se Die Reichsregierung beharrt auf ihrem Stand­punkt.

am

den Reichsarbeits­

Berlin, 9. November.( Eigenbericht.) Bei Beginn der heutigen Sitzung des Reichstages gab der Arbeitsminister Bva uns die Erklärung ab, daß die Regierung in der Erwerbslosenfrage sich foanmunistischem Jargon berufsmäßige Ver- In Rußland   herrschen die Arbeiter! Als lind erst die Löhne und die Freiheit der nicht an die gestern vom Reichstag gefaßten Be­schlüsse halten könne, weil sie lediglich durch taf räter zu nennenden Menschen wollen noch im ob nicht jedes Kind wüßte, daß dort besten russischen Arbeiter! Die Löhne werden„ von tische Manöver zustandegekommen seien. Die, Re­mer nicht einsehen, daß das, was für Rußland   falls nur die kommunistische Partei regiert! Jahr zu Jahr" höher. Wie elend müssen sie gierung habe jetzt ihre Verordnung heraus­galt, auch für die anderen" nder gel muß Doch auch das gilt nur bedingt, denn den Ver- gewesen sein, da sie heute noch weit niedriger gebracht, wonach die Unterstützungen nur um und sie sind des Glaubens, daß der Versuch, waltungsapparat hält die kommunistische Bü- sind, als beispielsweise in Deutschland  . Der zehn bis fünfzehn Prozent erhöht werden sollen, 5. 2ayfe der Geschichte vorauseifen zu wol- rokratie in Händen, die der Kontrolle der durchschnittliche Arbeitslohn der In- nicht aber nach dem gestern angenommenen len, für die Arbeiterklasse verhäng isvoll Massen nicht einmal in jenem Maße unter- dustriearbeiter in der Sowjetunion   wurde von sozialdemokratischen Antrag um zwanzig oder " Trud" dreißig Prozent. Mit dem Erlaß der Verordnung enden müßte. Lauter menschewistische, klein- steht, wie in den kapitalistischen   Staaten und dem russischen Regierungsblatt bürgerliche Ausreden natürlich, wohingegen die wirkliche, die alleinige und unumschränkte 21. Auguſt 1926 mit 89 Prozent jener der hätte die Regierung nicht warien können, wenn bie Sorten itets mutig vormstürmen Macht übt die an der Spize des Staatswe- Metallarbeiter mit 75 Prozent und jener der sie nicht die Erwerbslosen hätte schädigen wollen. Für die Sozialdemokraten erklärte darauf und drauf und dran sind, die Welt umzukrem- sens stehende Slique von Diktatoren aus, ge- Bergarbeiter nur mit 65 Prozent des Vor Genoffe Hermann Müller, daß der Reichstag  peln, vorläufig allerdings nur mit dem gen die sich die russische Arbeiterschaft nicht kriegslohnes angegeben. Dieselbe„ Trud" hat sich zu der Regierungsverordnung noch nicht zur festgestellt, daß der Achtstundentag in Rußland   äußern fönne, weil sie noch nicht eingelangt sei. Maule. Aber zum Glück sind die kommunisti- einmal mit einem„ bißchen Wahlrecht" ichen Führer unverbittliche Richter und der Wehre jezen kann. In Rußland   herrschen die systematisch durchbrochen wird, ebenso wie die Er könne aber jetzt schon mitteilen, daß die So Jahrestag der russischen Revolution war für Arbeiter! Diejenigen, die sich emfallen ließen. Sonntags- und Feiertagsruhe. Kein Leid, zialdemokratie einen neuen Antrag einbringen He die Gelegenheit, swischen den Erfolgen in das zu glauben und danach zu handeln, wür von dem die Arbeiter in den kapitalistischen   werde, der die Forderung nach Erhöhung der Rußland   und jenen in den anderen Ländern den sehr bold mit der Einrichtung der admini- Staaten heimgesucht werden, ist der russischen Unterstübung wiederholt. Die Deckung der Kosten eine Bilanz" zu ziehen. Wäre diese Bilanz" strativen Verschickung Bekanntschaft machen Arbeiterschaft erspart. Ausbeutung der Ju- soll durch eine Erhöhung der Börsenumsatzsteuer nicht nach der Art gerisjener Kridaiare ge- und die im Jahre 1925 in Rußland vollzo- gendlichen, furchtbares Wohnungselend, man- erfolgen. Den von den Kommunisten eingebrachten Mißtrauensantrag gegen fälscht, man könnte sie erschütternd und für die genen 1200 Todesurteile sprechen eine eingelhafte soziale Fürsorge, Arbeitslosigkeit, minister lehnte die sozialdemokratische Fraktion Sozialdemokratie vernichtend nennen. öringliche Sprache darüber, wer dort in Wirf- alles blüht auch den von der bolschewistischen ab, weil sie selbst den Zeitpunkt bestimmen will, Diktatur Beglückten. Dafür aber müssen sie zu dem sie einen derartigen Antrag für notwen Doch ernsthaft gesprochen: man greift sich lichkeit herrscht. Die Arbeiter lenken und beherrschen das auf alle politischen Rechte, auf alle Meinungsdig hält. Der kommunistische Mißtrauensantrag at den Kopf, wenn man dieje von plumpster Keine wurde denn auch gegen die Stimmen der Antrag­Tendenz erfüllten demagogischen Darstellun- gesamte russische Wirtschaftsleben! Als ob es und Bewegungsfreiheit verzichten. um Preßfreiheit gibt es. feine Versammlungssteller abgelehnt. gen über Rußland   liest, die selbst bei den Al- niemals eine Nep- Politif gegeben hätte, lerdümmsten Bedenken wegen ihrer Verlogen die gerade jetzt ein heftiger und durchaus noch oder Redefreiheit, fein Streifrecht! Wer einen) Ein verurteilter Berleumder. heit erregen müssen. Danach liegt in Rußland   nicht abgeschlossene Streit geführt wird! Eine Uflon"( eine Abweichung) begeht, wird falt­alles, Regierung, Gesekgebung, Verwaltung Wirtschaftspolitik, die die russischen Boliche- gestellt, oder aus der Partei ausgeschlossen, Berlin  , 9. November  .( Eigenbericht.) Der Militär und Gerichtwesen in den Händen de   wiki gezwungen hat, ihre Machtposition immer was den materiellen Ruin jedes von einem fol- frühere völkische Reichstagsabgeordnete Fahren Arbeiter, so arbeitende Volf ist der Gebie mehr in der Bauernschaft zu verankern, aus chen Bannfluch Betroffenen bedeutet. horst wurde heute vom Schöffengericht in   Char Nein, die westeuropäische Arbeiterschaft lottenburg wegen Verleumdung zu 6 Monaten fer im Stacie, von ihm und zu seinem Vor der sich eine steigende Zahl von„ Sulafen" der Freiheit Arrest verurteilt. Er hatte den preußischen Mi teil werde das ganze Wirtschaft Tebereichgewordener Bauern, entwickelt haben. Da hat andere Vorstellungen von herricht, wohingegen die besißenden Klassen durch ist die bolschewistische Diktatur immer und von den Zielen des Sozialismus, um die nisterpräsidenten Braun und den damaligen ein Wunder ist das Geständnis, daß es solche mehr in Widerspruch mit den Interessen nicht sie fämpft, als die Bolschewifi ihr in den Zu- Innenminister Severing in Wählerversamm­in Sowjeteußland gibi! arme Hajcherl: nur der russischen Arbeiterklasse, sondern der, ständen des sowjetrussischen Staates zu zeigen lungen als Verbrecher bezeichnet und die Republik  find, die nicht im geringsten mitzureden hader ganzen Welt, geraten. Ist nicht Rußland vermögen. Alle noch so entstellten und verlo- beschimpft. Seine Aeußerungen wurden mit ben. Die Löhne und Arbeitsbedingungen sind vom Striegskommunismus und Staatsfapita- genen Schilderungen werden daran nichts än Rufen aufgenommen, man möge die Hunde tot­weicht von der sonst in ähnlichen Fällen üblichen glänzend und werden von Jahr zu Jahr bilismus zurück auf dem Wege zum Privatkapi- dern. Die klassenbewußte westeuropäische Arschlagen und hinausschmeißen. Dieses Urteil jer, während anderswo die Löhne ständig fin talismus? Gilt es dort nicht schon viele Leute, beiterschaft hat zum Glück eine solche wirt- milden Beurteilung derartiger Berleumdungen auf wesentlich ab. Es bleibt abzuwarten, ob nicht die fen. In Rußland   gibt es feine vormundung die ihr Geld fruchtbar" angelegt haben, die schaftliche und politische Schulung, daß durch staatliche Bürokratie nur Freiheit und ihr Geld arbeiten laffen", alfo Stapitalisten, ste Potemfinsche Dörfer feinen Eindruck na- nächste Instanz das Urteil zugunsten des verur wieder Freiheit, während die Arbeiter in den die nach den neuen Wahlbestimmungen sogar chen und alle bolschewistischen Lockrufe wir- teilten Berleumders abändert. Gibt es dort feine fungslos bleiben. westeuropäischen Ländern an Rechten höchstens das Wahlrecht besitzen?

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