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6. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.

00

Futterkrippenpolitit.

Freitag, 26. November 1926.

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Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich( rüh

Nr. 276.

zur Versammlung zu sprechen. Ueber diese Zu­mutung und über die brutale Unterbrechung des Vortrages sowie über die ganze Art des Auftretens des Regierungskommissärs geriet die Versammlung der neben vielen anderen Abgeordneten und Sena­toren anwesend war, versuchte sich ins Mittel zu legen und dem Herrn Polizeikommissär das Un­gesegliche seines Verhaltens flar zu machen.

Seit fünf Wochen steht die Neuwahl des Samstag beraten die toalierten Bergarbeiterverbände über die zu treffenden in begreifliche Aufregung. Genosse Dr. Czech, Präsidiums auf der Tagesordnung des Se= nats. Die neue Regierungsmehrheit hat näm­lich die in der Parlamentsgeschichte einzig. da- Prag, 25. November. Heute wurde den koa-| Durchschnittsverdienst eines Ostrauer Häuers stehende Entdeckung gemacht, daß auch die Ver- lierten Bergarbeiterverbänden die Antwort des argumentiert, der täglich 59.90, bei der ge­tretungen in den parlamentarischen Präsidial- Verbandes der Grubenbesizer auf die Forderung jamten Belegschaft 47.75 ausmache. Auf Grund dieser falschen Argumente erklärt förperschaften& oalitionsfunktionen nach einer 20prozentigen Teuerungszulage über­mittelt. Die Antwort der Unternehmer ist nicht der Grubenbesißerverband am Schlusse seiner sind, die bei jedem Mehrheitswechsel neu auf nur völlig ablehnend, sondern auch provo- Antwort, daß es den Unternehmern unmög­geteilt werden müssen. Darum war einer der kativ. Es wird darin behauptet, daß die Lebens- lich sei, den Bergarbeitern irgendwelche Zulagen ersten Anträge der deutsch - tschechischen Majo- haltung der Bergarbeiter sich gegenüber dem ersten zu gewähren.

rität nach der jüngsten Regierungsbildung der Halbjahr 1923 sich nicht nur nicht verschlechtert, Ueber das weitere Vorgehen der Bergarbei­auf Erweiterung und Neuwahl des Senats- sondern sogar verbessert(!) habe; angeb- ter wird in einer Sigung der koalierten Bergarbei­präsidiums. lich sei sie für Ostrau troß des 13prozentigen Die ganze Aktion läuft auf eine weitere Lohnabbaues im Oktober 1923 um 3.5 Prozent terverbände verhandelt werden, die Samstag, den Schwächung des sozialistischen höher. Weiters wird in der Antwort mit dem 27. ds. in Prag stattfindet. Einflusses in der Legislative hinaus und dient obendrein dem edlen Zwecke, die stärk­

Derabertratborden Rednertisch und schrie in den Saal, daß er von der Polizeidirektion den Auf­trag habe, tein politisches Wort über Italien in der Versamm­Iung sprechen zu laffen, und löste persönlich die Versammlung auf.

Zugleich hatte sich der andere der beiden Re­gierungsvertreter aus dem Saale entfernt, zu welchem Zweck, war nicht schwer zu erraten. Das unerhörte Vorgehen des Kommissärs

ſte deutsche Partei dieſes Staates Die Lichechoslowakei als Verbündete des italienischen Fascismus: fte in der Berſammlung

-

Die Balabanoff darf in Prag nicht sprechen.

Der Regierungsvertreter löst die Versamm'ung nach den ersten Säßen der Referentin unter ungeheuerer Erregung der Zuhörer auf. Bolizei dringt in den Saal ein und räumt ihn.-§ 2- Versammlung im ,, Lidový Dum".

Auskunft geben.

Troßdem zwang der einer der beiden Regie­rungsvertreter die Balabanoff, als sie den Saal betrat, ihm nochmals Rede zu stehen, und verbot ihr, über die italienische Politik zu sprechen.

in der ein

Entrüstungsstürme

aus. Der Vorsitzende, Genosse Dr. Czech und die anderen Parlamentarier, darunter auch nebst den anderen chechischen Genoffen, die im Saale anwesend waren, Senator Genosse Soukup,

verlangten hom Regierungsfommiffär energisch cine Erflärang, auf Grund welches Varaora­bhen er sich erlaubte, persönlich zu der Ver­sammlung zu sprechen, und wie er überhaupt fein unqualifizierbares Vorgehen begründe. Derbe Wahrheiten prasselten von allen Seiten anf den Kommiär ein.

hatte, die Versammlung unter Mitten in den stürmischen Auseinanderset­allen Umständen zu verhindern. zungen wurde von den Leitern der Versammlung Nachdem der Vorsißende Genosse Dr. die Mitteilung gemacht, daß sofort im großen Strauß die Rednerin begrüßt hatte die Saal des Lidovy Dum Nennung ihres Namens allein föst schon stür­mischen Beifall aus und ihr das Wort erteilte, begann sie unter der gespanntesten Auf- stattfinden werde. Diese Mitteilung wurde von merksamkeit der Zuhörer zu sprechen. den Versammelten mit tosendem Beifall aufge=

Worüber soll ich denn sprechen?

Diese flare, mutige rhetorische Fragestellung löste to senden, minuten langen Bei fall aus. Als Genossin Balabanofi aber dann fortseßen wollte und von der Friedhofs ruhe sprach, die über Italien lagere, ereignete sich etwas ungewöhnliches:

nommen.

eine§ 2- Verfammlung

die Polizei, etwa vierzig Mann hoch, pendredbewaffnet in den Saal eindrang und ihn räumte.

bis

Dabei drohte sie vielfach mit Verhaftungen; einer von ihnen wollte sogar den Abgeordneten Genoffen Heeger arretieren, der sich einige Bemerkungen über diese Art der Demokratie er­laubt hatte.

Jeder Vertretung in den Parla­mentspräsidien u berauben. Gleich nach den Novemberwahlen verstanden es die deutschen Agrarier, gestützt auf den Schwin­del ihrer zu reinen Wahlzwecken aufgestellten deutsch - ungarischen Mischmaschliste die seit­dem als stärkste Partei" figuriert, obwohl sie aus drei völlig autonomen Parteien besteht und geſtüßt auf die Sympathien der tschechischen Zollkumpanei die Vizepräsidentenstelle im Ab­geordnetenhause ant sich zu reißen. Die einfache Gestern hat sich in Prag ein unerhörtes Tatsache, daß der eigentliche Klub der. land­bündlerischen Abgeordneten nur aus 16 Mitür 8 Uhr abends war in den Heinejaal in den Ereignis unter empörenden Umständen abgespielt. gliedern besteht, zu denen dann als lose An Weinbergen von den deutschen Sozialdemokraten hängiel die die drei drei Gewerbeparteiler und eine öffentliche Versammlung einberufen worden, fünf Ungarn kommen, beweist sonnenklar, daß in der die bekannte Vorfämpferin der internatio­dieses eine Mandat bereits auf Stoften des nalen Revolution und mutige Bekämpferin des Rechtsanspruches der deutschen sozialdemokra- Fascismus, Angelika Balabanoff, über tischen Arbeiterpartei ergattert worden ist. Italien , den Fascismus und Musso= lini referieren sollte. Der Gegenstand des Vor­Aber sie kam über ein paar ein­Mit dem Essen wächst bekanntlich der trages und die Person der Rednerin hatte viele Der Herr Regierungsvertreter. der erst sehr leitende Säße nicht hinaus. ivät und nachdem er von einigen Bersammlungs­Appetit. Wenn schon die aktivistischen Man- Hunderte Personen herbeigerufen, die den Saal Kaum hatte sie in ihren einleitenden Worten den teilnehmern Namensnennung verlangt hate. fich nen für die deutsche Bevölkerung keine natio überfüllten. Vom ersten Augenblick an erschien Fascismus als einen der stärksten und furchtbar herbeiließ, seinen Namen zu nennen Bri= nalen Zugeständnisse herausschlagen können, so es schon verwunderlich, daß die Regierung gleich sten Beweise des politischen Ausflusses der tapi- it ek oder so ähnlich heißt der würdine Berräfen­wollen sie sich offenbar durch fieine persönliche zwei Kommissäre zu dieser Veranstaltung talistischen Gesellschaftsordnung bezeichnet und das tant unserer Polizei forderte unenansicht die blutige Bild zitiert, das sich schon bei der Versammelten auf, den Saal zu verlassen, Trinkgelder für die unschäßbaren Dienste schad- entfendet hatte. Ueberdies hatte man schon tagsüber einen Nennung Italiens vor unseren Augen entrollt, endlich die von ihm erwartete Unterstübung fam los halten, die sie der Kramař- Republik durch Em­ihre bedingungslose Liebedienerei leisten. Das Vorgeschmack von dem Interesse erhalten, als der Regierungsvertreter die Rednerin durch und unter stürmischen Brotestrufen und das die tschechoslowakische Regierung und die der Vorsißenden unterbrechen und aufmerk- vörungsausbrüchen der Versammlung ist die einzige Erklärung für die nackte Hab- Polizei dieser Versammlung entgegenbrachten. sam machen ließ, daß sie über Politik nicht sprechen gier der Regierungsdeutschen, die nun bei der Genossin Balabanoff wurde auf die Polizei- dürfe. bevorstehenden Neuwahl des Senatspräsidiums direktion zitiert und mußte dort über ihre Person Die Balbaneff antwortete: eine Vizepräsidentenstelle auf Kosten der einzi- und über den Gegenstand ihres Vortrages genaue gen parlamentarisch- präsidiellen Vertretung der deutschen Arbeiterschaft fordern. Die ein sige Vizepräsidentenstelle, die uns nach den legten Wahlen das wahrlich nicht start entwickelte Rechtsempfinden der allnatio­nalen Koalition zubilligte, so Il Ganz abgesehen davon, daß der Regierungsver­der Regierungsvertreter for= uns nun mit Hilfe und zur Stil treter nur mit dem Vorsitzenden zu verhandeln derte vom Vorsitzenden, daß die­lung des Machthungers der deuthat, ist es natürlich lächerlich und empö­rend zugleich, der Rednerin, deren Vortrags­ichen Bürgerparteien entrissen thema doch bekannt war, zu verbieten, über Poli­ser ihn den Herrn Kommissär zur Versammlung sprechen lasse. tif zu sprechen, Es geht in diesem Falle nicht um den Aber es zeigte sich, daß man es von Dieses Anfinnen wurde von dem Vorsitzenden persönlichen Rang eines unserer Parteigenos- vornherein darauf angelegt jedoch abgelehnt. Dieser bestand aber darauf, jen, sondern um den klaren Rechtsan= e und unterwarf die Einberufer der§ 2- Versamm­ipruch von mehr als viermalhun­derttausend deutschen Arbeiter dern eine Belohnung für braveslso könnte man es in jedem deutschböhmischen lung, die er so unterbrach, einem hochnotpeinli­wählern. Ein elender Rechtsraub bleibt es und folgjames Verhalten gegen- Bezirksanzeiger lesen, daß ihre einzige Trieb- chen Verhör; er zog erst ab, als man ihm die Einladungen gezeigt hatte. auf jeden Fall, ob nun die Landbündler auf über der zufälligen Regierungs- feder der Hunger nach den Ministergehältern, Das beispiellose Vorgehen der Polizei hat das Mandat Anspruch erheben, die aus eigener mehrheit ist. Freilich steht das in frassem und die Freude an den Ministerautos war. Die Empörung gegen den Fascismus nur noch Kraft die Stimmenzahl unserer Partei nir- Widerspruch mit den demokratischen Gepflogen- Gegen die marxistische Futterkrippenpolitik" gesteigert, der sich bei dieser Gelegenheit in seiner gends überflügelt haben, oder die deutschen heiten in der ganzen Welt. Selbst im österrei- würde zwischen Asch und Troppau der Bolts- tschechoslowakischen Gestalt präsentierte. Christlichsozialen, die mit ihren 314.000 Stim- chischen Reichsrat wurde dem Sozialdemokra- sturm" mobilisiert werden. Das aber ist na- vollkommen klar, daß die Polizeidirektion wahr. men gegen unsere Etärfe um ein volles Vierten Pernersdorfer ein Plaz am Präsi- türlich keine Futterkrippenpolitif, wenn sich scheinlich auf einen Wint der herrschenden Rechts­tel zurückbleiben. Der deutschbürgerliche An- dententische eingeräumt. Im deutschen Reichs- zum Gaudium der tschechischen Parteien der regierung ihrem Vertreter den Auftrag erteilt wärter, der in dem Rennen um die Vizepräsi- tag ist mit einem furzen Intermezzo Paul Christlichsoziale Silgenreiner und der hatte, die Versammlung unter allen Umständen nicht über Italien sprechen; man darf es dentenstelle im Senat Sieger bleibt, wird für 2öbe all die Jahre hindurch der Repräsen- Landbündler Lutsch um die Vizepräsidenten zu verhindern. Man darf in der Tschechoslowakei alle Zeiten, mit dem traurigen Ruhm bekränzt tant des in seiner Mehrheit bürgerlichen Haustelle der deutschen Sozialdemokraten raufen, allem in Praza nicht, das wieder einmal den, bleiben, jeinen persönlichen Ehrgeiz durch einen ses geblieben, weil sein Rang in der Spigen das ist edelster Idealismus im Dienste des Bogel abgeschossen hat. Die Balabanoff hat in den letzten Wo­offenen Rechtsdiebstahl an 411.000 Arbeiter- zahl der sozialdemokratischen Fraktion begrün- deutschen Voltes... Wir wissen noch nicht, det ist. Nur in der Tschechoslowakei wurde aus welcher von beiden dem Herbergsvater Svehla chen in einer Reihe von Versammlungen in wählern befriedigt zu haben. In ihrer blinden Machtgier denken die festbegründeter parlamentarischer Gepflogen- als der verläßlichere Diener erscheinen wird. Deutschböhmen meist vollkommen ungestört ge= Herrn Attivisten gar nicht daran, daß sie durch heit eine Mehrheitsgnade gemacht und Die rechtlich denkende Oeffentlichkeit wird die fprochen. Der Polizei der Reichshauptstadt blieb ihre tätige Mitwirkung an diesem Mandats dieser Uebung schließen sich nun die Regie- jen Beweis deutschbürgerlicher Mandatsstreberi es vorbehalten, diesen Standal heraufzubeichwö raub für alle Zukunft ein gefährliches rungsdeutschen freudig an, ohne zu bedenken, dem Schuldkonto des Aftivismus anreihen ren, für dessen Bekanntmachung im ganzen Aus­land wir Sorge tragen werden, damit dieses Präjudiz schaffen. Ihr Vorgehen ist die daß sie damit den Mehrheitsabsolutismus der und die deutsche Arbeiterschaft einen Begriff bekomme, wie es um die Tichecho­formelle Anerkennung des Grundsaßes, daß allnationalen Koalitionen in Vergangenheit wird um eine gebührende Bean- flowalei bestellt ist, die sich gestern abends als wortung dieserfrechen Verlegung offene Verbündete Italiens und die Teilnahme an der Verhandlungsführung und Zukunft janktionieren. Hätten die deutschen Sozialdemokraten ihrer politischen Rechte nicht ver- Mussolinis und des blutbefleckten Fascis­des Parlamentes nicht ein aus der Stärke der W. J. mus erwiesen hat. betreffenden Partei erfließendes Anrecht, son- mit der Regierungspolitik den Anfang gemacht, legen sein.

werden!

-

Die§ 2- Versammlung begann dann eine halbe Stunde später im Lidovy Dum. dessen großen Saal die tschechischen Genossen bereitwil­lig zur Verfügung gestellt hatten.

Eine halbe Stunde später drang in den brechend vollen Saal auch hier wieder einer der beiden Regierungsvertreter ein

Es ist

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