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7. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowatischen Republit.

Politik in der Mannschaftsstube."

66

Die schönen Zeiten des militärischen Ka­davergehorsams sind auf dem besten Wege, wie­derzukehren. Und seine Wegbereiter sind die deutschen Regierungsparteien, die soeben im verfassungsrechtlichen Ausschusse des Abgeord­netenhauses für die Gntziehung des Wahlrechtes der Soldaten, Offiziere und Gendarmen ge­stimmt haben. Was nicht einmal die tschechische Regierungskoalition zuwege brachte, gelingt jetzt den tschechischen Besißilassen mit Hilfe der Deutschbürgerlichen: allen militärischen Per­jonen das Stigma der politischen Rechtlosigkeit aufzudrücken und den tschechoslowakischen Mili­tarismus seines ursprünglich immerhin demo­fratischen Charakters zu entfleiden. Wir sind Gegner des Militarismus in jeder Gestalt und fordern den Aufbau der Wehrmacht auf dem

Milizſyſtem, so heißt es noch immer im Pro­gramm der deutschen Christlichso­ialen, das in fast allen seinen Teilen einen Gradmesser für die Verrätereien diejer Partei ist, die sie seit ihrer Abschwenfung ins Regie ringslager nicht nur am Volfe, sondern auch an ihren eigenen Grundsätzen begeht. Partei­programme sind dazu da, um nicht gehalten zu werden, nach dieser Marime haben auch die deutschen Landbündler die Forde rung nach Einführung des Milizsystems und die sofortige Herabminderung der drückenden Militärläſten in ihrem Programmn ſtehen. Seit her haben sie dem Militärbudget, und dem

Sonntag, 13. März 1927.

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-O

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Nr. 61.

Eintägiger Generalstreit der Bergarbeiter. Kleritale Kulissenarbeit

Donnerstag, den 24. März.- Am gleichen Tage Massenkundgebungen. Ein Aufruf aller Bergarbeiterorganisationen.

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Freitag haben in Prag Beratungen und für den Sonntag die Unterstützung nur bei aller Bergarbeiterorganisationen stattgefun- länger als 14 Tage währender Krankheit ausbe­den. Die Beschlüsse werden in dem folgen- zahlt wird. den an alle Vergarbeiter und Mitglieder der Diese wichtigsten Verschlechterungen, die mit Zentralbruderlade gerichteten Aufruf der der vorbereiteten Aufhebung der selbständigen Bergarbeiterorganisationen bekanntgegeben: Bergarbeiterversicherung zusammenhängen, zeigen Angriff vor, durch welchen die Bergarbeiter- Pro- Sanierung dieser Versicherung- obwohl es sich Die gegenwärtige Regierung bereitet einen llar, daß die Regierungskreise beabsichtigen, die visionisten, Witwen und Waisen, sowie auch die bei derselben offensichtlich um die Sanierung der aktiven Bergarbeiter und Mitglieder der Zentral- Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse handelt vor bruderlade schwer geschädigt werden sollen. allem auf Rechnung der Provisionisten, Witwen und Waisen und auf Rechmung der Ansprüche und Rechte der aktiven Mitglieder durchzuführen. Es handelt sich daher um eine große Schädigung und Verkürzung für unabsehbare Zeit.

Nach den bisher getroffenen Vorbereitungen der Regierungsorgane soll die Sanierung der Bentralbruderlade, die allerdings in der türzesten Beit erfolgen muß, so zur Durchführung gelangen, daß die seit jeher bestehende selbständige Bergarbeiterversicherung

aufgehoben

und die Mitglieder der Zentralbruderlade der

Die Regierung, welche die Staatsfinanzen faniert und die Unternehmer, deren Reingewinne aus der Bergbauindustrie sanierte und bis heute auch in der Zeit der Absatzkrise ständig steigen, haben die feste Absicht, durch diese vorbereitete

Verschlechterung sich der ihnen obliegenden Pflicht

zu entziehen.

mit der Durchführung dieser geplanten Maß­Sozialversicherung eingegliedert werden sollen. nahme wird das bisherige Recht und der Einfluß den entschiedensten Protest zu erheben und gleich Es ist darum notwendig, gegen diese Absicht der Bergarbeiter auf die Verwaltung der Verzeitig mit allem Nachdruck auszusprechen, daß die sicherung faft aufgehoben, besonders wird aber Bergarbeiter und Mitglieder der Zentralbruder damit eine ganz bedeutende Herabjeßung der bis- lade entschlossen sind, sich mit allen Mitteln gegen herigen, durch das Bruderladengesch ohnedies be- diesen unerhörten Angriff auf ihre Existenz auf scheiden bemessenen Rechte und Ansprüche ver- zulehnen. bunden.

Diese direkte Schädigung soll vor allem darin bestehen, daß; die

be Proviſioniſten, Witwen und Waisen

bereits angefallenen Renten der

um ein Drittel herabgesetzt und

Dreimilliarden- Rüstungsfonds zugestimmt, der auf elf Jahre hinaus allen kommenden Regie- die Anwartschaften der Mitglieder der Zentral­rungen neben den laufenden Militärausgaben bruderlade nur in der niedrigsten Klasse der So­die Ermächtigung erteilt, über dreihundert Mil- zialversicherung anerkannt und dadurch um mehr lionen jährlich für außerordentliche Rüstungs- als 50 Prozent entwertet werden sollen. awecke auf die Schultern der Steuerzahler auf- Die weitere Verschlechterung des bisherigen zuladen. Auch das Programm der deutschen Standes beruht: Gewerbeparteiler hat heute nur mehr Museumswert, denn natürlich war auch diese Partei bis zum Augenblicke, da ihr Programm wurde, sich mit Kohleneinfuhrscheinen kaufen zu lassen, Gegnerin des Militarismus und An­hängerin des Milizsystems.

in der Erhöhung der Grenze für den Anfall der Altersrente auf 65 Jahre,

Witwenrente,

in

gegen die Volksschule.

Eine notwendige Ergänzung.

Alls im Vorjahre der Unterricht um halb 9 Uhr und nicht um 8 Uhr beginnen sollte, da hörte man oft: Schon wieder eine Neuerung, feine Ruthe bekommt die Schule, nichts als Experimente. So viele Lehrer. Eltern wieder dachten ganz an ( besonders den Kleinen) mehr Ruhe gönnte und ders; fie freuten sich, daß man ihren Kindern fie länger im Bette ließ. Besonders im Winter tat das qut. Ich selbst dachte: Immerhin eine Leistung, einmal aus den tiefgefahrenen Wegen altehrwürdiger Schulgewohnheit herauszugehen.

Nun soll diese begrüßenswerte Neuerung auch in den Sommermonaten bestehen bleiben. Dazu nimmt Gen. D. L. im Voltsboten", Nr. 59, in recht ausführlicher und eigener Weise Stellung. eindringlich das Motto Bildung macht frei"; oder Ueber dem ganzen Artikel steht ungeschrieben, doch 21 Tage weniger Lesen, Schreiben und Rechnen sind ein unersetzbarer Verlust, ein Raub am Sti

turqut des Proletariats. Gen. D. 2. fordert die

Beibehaltung der bestehenden Unterrichtszeit, ist fürzung des Religionsunterrichtes) und sicht in gegen jede Verkürzung( somit auch gegen die Ver dem Erlasse des Unterrichts Ministers einen fleri falen Vorstoß. Was recht start zu bezweifeln ist. Gher dürfte der Herr Hodža, oder ein Nahe­stehender, eigene Kinder, die gerne schlafen, in die Schule schicken. Uebrigens halte ich die Steri­Zu diesem Zwede haben die unterfertigten falen für weit großzügiger, tiefgreifender und Gewerkschaftsorganisationen der Bergarbeiter, die gründlicher, als daß sie sich von einer halben sich verpflichteten, bei dieser Aktion solidarisch vor- Stunde weniger Rechnen soviel Erfolg versprechen zugehen, den Beschluß gefaßt:

für Donnerstag, den 24. März 1927 einen eintägigen Generalstreik der Bergarbeiter zu proklamieren und an diesem Tage Massenprotestkundgebun gen der Bergarbeiter in allen Revieren

der Republik zu veranstalten. Bergarbeiter und Mitglieder der

Zentra bruderlade!

Dieses erste Warnungssignal der Vergarbeiter an die verantwortlichen Organe, wie: Regierung, Parlament und Unternehmer, muß würdig und machtvoll ausfallen. Seid bereit zur Abwehr der vorbereiteten Verschlechterungen eurer Eristenz, zur Sicherung eurer Ansprüche und Rechte, seid vor allem bereit zur Unterſtüßung weiterer Aftio­nen der Gewerkschaftsorganisationen der Berg

in der Aufhebung des Anspruches auf die Invalidenrente bei Berufsunfähigkeit, in der Aufhebung der unbedingten der Verschlechterung der Krantenversicherung dadurch, daß die Anzahl der Lohntlassen vermin­dert wird, daß der Anspruch auf Strantenunter­stüßung erst mit dem 4. Krankheitstage beginnt arbeiter! Prag , am 11. März 1927.

Namens der Gewerkschaftsorganisationen der Veraarbeiter: f. d. Union der Bergarbeiter: Adolf Pohl , Anton Jarolim. Sdružení čil. horniku: Jos. Fišer, B. Sindler. Deutschsoz. Bergarb.- Verband: Proste, Hausenblas. Svaz trest. soc.: Alois Protop.

Svaz horniků Praha : Brožil Budil. Fachverband ,, Solidarität": Karl Flachs, Josef Bauer. Jednota čl. hornitu a hutnitü: Josef Lane, Frant. Pecha, Vaclav Suchopár. M. V. S.: Vacl, Nojek.

würden. Ihnen geht es um mehr. Und auch uns

follte es um mehr gehen, als um einige Stunden Einmaleins. Mit Zahlen allein fäßt sich in der Frage wohl soviel wie gar nichts beweisen. Wer fann sagen, daß die Unterrichtsstunde mit 45 Wi­miten nicht erfolgreicher sein tann, als die mit 55 Minuten? Für das Kind ist die Unterrichts­

seit eine Frage der Arbeits eit. Auch der Arbeiter, der acht Stunden arbeitet, leistet qualitativ mehr, als wenn er zehn oder zwölf Stunden arbeiten würde. Kann es uns der sozialistischen Bewegung in ihrer Gesamtheit) wirklich nüßen, wenn der kann das der Neaktion schaden? Dem Lesen( der Junge oder das Mädchen etwas fließender lieft? Resetechnik) einen so übertriebenen Stulturwert zu ist es recht bedeutungslos wie man liest; widtig itschreiben, halte ich für bedenklich. Schließlich ist wohl, was man liest. Und was liest man denn fich in zwei Spalten für 25 Minuten Lefen mehr gar so Erhebenbes in der Volksschule, was mant in 14 Tagen einsetzen muß? Ich habe schon ein­mal( in der Folge vom 12. November 1926 ,,, Re­ligion und Schule") den Geist unserer Lehr- und Lefebücher aufgezeigt. Eben jetzt werden Lehrer­Sonderausschüsse gebildet, die sich mit der Wieder­oder Neueinführung von Lehr- und Lesebüchern befassen sollen. Sier wäre ein weires und dank­bares Arbeitsfeld für freiheitliche Lehrer. Vou ihnen wird im besten alle gegen die Verfürzung der Rechen und Religionsstunde protestiert, selbst aber im Schoße der alleinseligmachenden Stirdye geblieben. Dabei bleibt der liebe Gott hoch in Ehren, denn auch Pestalozzi ist jetzt beim lieben DEOCCURUCARO000STER20000020662000

Die Kassierung des Wahlrechtes der Mili­tärpersonen bedeutet mehr, als deren Aus­schließung vom wichtigsten politischen Rechte des Staatsbürgers. Es ist ein entscheidender Schritt zum alten Militärsystem zurück, das in den Soldaten nicht vollwertige und gleichbe­rechtigte Menschen jah, nicht Bürger des Staates, deren Einberufung zum Waffendienst sie wohl ihrem Berufe und zivilen Leben ent­zieht, sie aber nicht auch zu Minderwertigen und Rechtlosen stempelt, sondern in ihnen Ma­schinen, denkunfähige, willenlose Wesen erblickte, die ihr Gehirn außer Ge­brauch gesetzt haben, die nicht denken und nur gehorchen, mit mechanischer Präzision alle Be­fehle ihrer Vorgesetzten vollziehen, jei es auch, wie der tolle Wilhelm einst sagte, daß der Be- unter Umständen sein Leben opfern mußte, po-| Uniformstücke von einheitlichem Geist und über- rechtes werde die Politik von den Mannschafts. fehl lautet, auf Vater und Mutter zu schießen. litisch Anteil zu nehmen und an der Gestaltung einstimmendem Willen beseelt sind, um der Ver- stuben fernhalten. Der junge Mensch, der zum Das war die goldene Zeit des Militarismus, feiner Verhältnisse durch Ausübung des Wahl- teidigung des Vaterlandes zu dienen. Hört man Militär einrüdt, hat meist längst politisch Stel in der der Soldat blindgehorchender Sklave rechtes mitzuwirken. Schüchtern geworden an- da nicht einen der alten, totgeglaubten Som- lung genommen, er war oft Witglied einer seiner Vorgesetzten war, dem jede Beschwerde- gesichts der unerhörten Menschenopfer, die ge- misknöpfe deklamieren, die mit Tierbändiger Jugendorganisation, und je ärger der Drill, möglichkeit, die nur auf dem Papier des Dienst- fallen waren, gab der Militarismus ſich nur manieren den ihnen ausgelieferten Soldaten dem er unterworfen wird, je drückender die reglements stand, schlie und der am aller- als eine Vorstufe des Milizsystems aus, das Räjon" und Denkunfähigkeit beizubringen Willkür, die er erleidet, und je mehr er sich als wenigsten berufen war, an dem Staate, dem er nicht blinden Kadavergehorsam, sondern frei ſuchten, und die Stoffernvisiten nach Zeitungen Soldat ausgestoßen fühlt von der Gemeinschaft die Freiheits- und Blutsteuer leisten durfte, po- willig und selbstbewußt ihre Dienstpflicht abhalten ließen, um alle Politik von den seines Zivilstandes, desto weniger wird es ge­litisch Anteil zu nehmen. Nach der Rückkehr der leiſtende Bürger des Gemeinwesens zur Vor- Mannschaftsstuben fernzuhalten". Dieſem fingen, sein Denken zu entgiften". Er wird Soldaten von der Schlachtbank des Krieges aussetzung hat. Nunmehr, unter der tschechisch Zwecke dient auch der beabsichtigte Raub des in den Mannschaftsstuben nicht über Politik wäre es jedem schlecht ergangen, der es gewagt deutschen Bürgerregierung, macht die Entöjter- Soldatenwahlrechtes. Politisierende, ihr staats- reden dürfen wird es besser sein, wenn man hätte, bei der Steuerrichtung der Wehrmacht reicherung auch auf diesem Gebiete jo rajende bürgerliches Recht ausübende Angehörige der ihn und seine Kameraden drängt, ihrem Drange die man nicht einmal als Militarismus gelten Fortschritte, daß alle Unterschiede gegen früher Wehrmacht, das tann der Kapitalismus nicht nach Anteilnahme am politischen Geschehen laffen wollte die Soldaten in das alte Stla- bald restlos verschwunden sein werden. Der brauchen. Wenn die Soldaten bürgerlich wäh- illegale Formen zu geben? Und glaubt man, venjoch zu spannen und sie durch Beraubung Servilismus der Deutſchbürgerlichen hilft dabei len würden Bauer, das wäre noch chivas der Soldat werde bei Wahlkämpfen, die auf anderes! Aber man hat die Wahrnehmung ge- alle Gassen und Plätze ihre Wogen werfen, blind ihrer politischen Rechte zu geringwertigeren in alter Treue für den Militarismus mit. Es ist nun soweit gekommen, daß ein macht, daß die jungen Leute, wie es nur natür- und taub sein und dabei seine eigene Rechtlosig­Staatsbürgern zu machen. Die Wesensform des altöſterreichischen Militarismus schien endgültig schäbiger deutscher" Regierungsschmock schreilich ist, nach ihrer Klaſſenzugehörigkeit wählen teit, sein Ausgestoßensein nicht um so drückender begraben zu sein, und wenn auch der neue ben darf, mit der Entziehung des Soldaten- und meist den sozialistischen Parteien ihre empfinden? tschechische Militarismus viele Uebel seines Erb- wahlrechtes werde ein" Sehltritt" korrigiert, Stimme gaben. Die Soldaten sollen ihr Wahl Die Wegnahme des Soldatenwahlrechtes laffers zeigte, wagte er doch nicht, zwischen der bei der Gründung der Republik unter der recht verlieren, weil sie eben nicht Stimmvich will die Wehrfähigen von der Politik ausschal­benen, die ihm zu dienen gezwungen waren und Hochspannung der Gemüter" gemacht wurde. waren, sondern als politisch bewußte Wesen ten und sie von der Zugehörigkeit zu den sozia­dem öffentlichen Leben den Zusamme Soldat sein, das heiße eben nicht bloß zu Bluse handelten, und weil das Bürgertum hofft, den liſtiſchen Parteien losreißen. Vergebliche Mühe! zerreißen. Der Soldat wurde nicht als un- und Pantalons von gleicher Farbe und Fasson Sozialismus zu benachteiligen. Kindlich ist der Diese reaktionäre Maßnahme wird erst recht würdig erklärt, an dem Staate, für den er tragen, sondern auch, daß alle Träger dieser Glaube, die Entziehung des Soldatenwahl- Sozialisten züchten!

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