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7. Jahrgang.
Sozialdemokrat
Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.
Schattendorf und seine Folgen.
Schreckliches hat sich gestern in Wien ereignet. Der von grenzenlosem Arbeiterhaß erfüllten österreichischen Bourgeoisie, die seit Jahren darauf lauert, der so zialistischen Arbeiterschaft das Mordnetz des Fascismus über den Stopf zu werfen, ist es gelungen, die Wiener Arbeiter zu einer Verzweiflungstat zu treiben. In dem Prozeß gegen die Schattendorfer hakenkreuzlerischen Ar beitermörder haben die Geschworenen ein fre i- sprechendes Verdikt gefällt. Ein Arbeiter Schutzbündler und ein sechsjähri ges Arbeiterkind wurden in Schatten dorf bekanntlich ohne jeden zwingenden Grund, lediglich aus bis zur Bestialität gesteigertem Parteifanatismus von Mitgliedern der Frontfämpfervereinigung, der fascistischen Leibgarde der christlichsozial- großdeutsch- jüdischen Bourgeoisie, heimtückisch, meuchlerisch aus dem Sinterhalt erschossen, aber das am Donnerstag vom Wiener Geschworenengericht gefällte Urteil hat die Tat der Mörder für straflos erklärt. An dem Zustandekommen dieses Urteils, das einer Aufmunterung für die front fämpferischen Banditen zu neuen Mordtaten gleichkommt, haben nicht nur die Geschworenen mitgewirkt, es ist gleichermaßen ein Produkt der schändlich parteiischen Prozeßführung durch die schurkischen Richter und der monatelangen, systematischen Hezze durch die christlichsoziale, großdeutsche und judenliberale Presse. Dieses nichts anderes
Urteil, das jagt als: sozialde
mokratische Arbeiter sind vogelfrei und haben feinen Anspruch darauf, an ihnen verübte Mordtaten durch das Gericht gejühnt zu jehen, dieses Urteil, das nicht das erste seiner Art ist, hat die lange zurüdgedrängten Wogen des Zornes und der Erbitterung über diese Justiz aus den Dämmen treten lassen und Wien war gestern der Schauplatz von Ereignissen, wie sie sich seit vielen Jahrzehnten nicht ereignet haben: Barrikaden wurden gebaut. Zeitungsgebäude gestürmt und angezündet, der Justizpalast in Brand gesteckt und in den Stras ßen entwickelte sich zwischen Truppen der Wehrmacht, der Polizei und Arbeitern ein stundenlanges, regelrechtes Feuergefecht. Die Zahl der Toten und Verwundeten ist im Augenblice, da diese Zeilen geschrieben werden,
der
Samstag, 16. Juli 1927.
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Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh
Nr. 165.
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Spontane Demonstrationen
Furchtbare Folgen des Schandurteils im Schattendorfer Brozek. Arbeiterschaft.- Starm Sturm auf die Universität, den den Justizpalast und das Parlament. Blutige Kämpfe mit der Polizei .
Wien, 15. Juli, 6 Uhr abends.( Eigenbericht.) Die Nachricht von dem Freispruch der Schattendorfer Mörder hat die Arbeiterschaft Wiens in ungeheure Erregung verseßt. Die Arbeiter der Nachtbetriebe veranstalteten Demonstrationen und schickten noch in der Nacht und im Morgengrauen Deputationen zum Parteivorstand. In der Frühe stellten die Arbeiter in den großen Betrieben die Arbeit ein und marschierten in die Stadt. Es war ein elementarer Ausbruch des Volkszornes.
Die Polizei schritt entgegen ihrer sonstigen Gepflogenheit gegen die Demonstranten mit äußerster Schärfe ein. Sie ritt einige Kavallericattaden mit gezüdtem Säbel auf die vor dem Justizpalast angesammelte Menge und gab zahlreiche Revolverschüsse ab. Attacke und Schüsse haben die Massen so erregt, daß sie wiederholt versuchten, das Justiz gebäude zu stürmen. Anfangs bombardierten sie das Gebäude mit Steinen, dann drang die Masse durch die zerschlagenen Türen und Fenster in das Gebäude ein und seßte das Justizgebäude in Brand. Der Versuch der Ordner, die Feuerwehr zur Löschung des Brandes heranzuziehen, ist mißlungen. Bürgermeister Seiß selbst versuchte, auf den Leitern cines Feuerlöschwegens jihend, die Menge zu bewegen, den Löschwagen durchzulassen. Der Bürgermeister, zunächst mit Jubel begrüßt, wurde von der Menge bald auf das heftigste attadiert. Es ist ihm jedoch nichts geschehen.
Inzwischen hatte die Polizei angekündigt, daß sie mit Waffengewalt ein schreiten werde. Daraufhin hat der Parteivorstand verfügt, daß der Schutzbund zurüdzuziehen sei. Es fam zu heftigen Schießereien in ten Straßen Wiens, insbesondere vor dem Justizpalast. Die Rahl der Toten ist noch nicht abzusehen, sie ist aber sehr groß. Die Zahl der Verivundeten beträgt viele Hunderte. Die Kämpfe sind zur Stunde noch immer nicht beendet, in den Straßen Wiens wird noch immer geschossen. Die Redaltionen der ,, e ich spost" und der Wiener Neuesten Nachrichten" wurden gestürmt und zerstört.
Der sozialdemokratische Parteivorstand trat zusammen und beschloß, an die Regierung die Aufforderung zu richten, sofort zurückzutreten.
Generalstreif.
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20 Zote, 200 Berwundete. wird noch gelämpft.
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In den Abendstunden
Das„ Pravo Lidu" erfährt um sieben Uhr abends aus Wien, daß der Generalstreik verkündet wurde und neben den Eisenbahnern und Straßenbahnern nun auch die Post- und Telegraphenangestellten in den Streif getreten find. Von den Zeitungen erscheint nur die Arbeiter Zeitung." Dic Druckerei der Reichspost" ist von der Menge vollständig demoliert worden. Der Parteivorstand und die Gewerkschaftskommission tagen in Permanenz. Eine Delegation des Parteivorstandes hat sich zu Scipel begeben, um seine Demission zu fordern.
Anderen Nachrichten zufolge sind die Kämpfe in den Abendstunden noch im Gange, die Führung sollen fommunistische Agitatoren an sich gerissen haben. Uebereinstimmend besagen die letzten Meldungen, daß die Zahl der Toten 20, die ungefähre Zahl der Verwundeten 200 beträgt. 20032000
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In feinem Lande Europas ist seit Jahren die Spannung zwischen den feindlichen lassenlagern so groß wie in Oesterreich. Dadurch, daß das österreichische Proletariat sich die Einheit der Partei bewahrt hat, hat es Machtpositionen behaupten können, die in allen anderen Ländern der Arbeiterklasse verloren gingen. Desterreich ist das einzige Land, das neben Belgien und den nordischen Staaten eine Sozialdemokratie besitzt, die ihre Macht gegenüber der Vorkriegszeit geheuer gesteigert hat, weil sie einig geblieben ist. Aber dieses Oesterreich ist eine demokratische In sel im Ozean der fascistischen Reaktion. An seiner Südgrenze steht Italien unter der blutigen Tyrannei des Fascismus, im Osten grenzt dic Republik an Serbien und an Horthy- Ungarn, im Norden und Nordwesten an die Tschechoslowakei und an das Deutsche Reich, zwei Staaten, in de nendie Bourgeoisie mit brutaler Macht, wenn auch noch in demokratischen Formen, über die beiterklasse herrscht. Deshalb findet es das öster reichische Bürgertum unerträglich, daß Wien rot, das Desterreich zur Hälfte sozialdemokratisch ist. In
Italien herrscht man mit Rizinus, Revolver und Verbannung, in Ungarn hängt man die Roten, bei den anderen Nachbarn hat man Prügel patent, Schuhwehr, Reichswehr und Bürokraten zur bedingungslosen Verfügung. So hat sich in der österreichi schen Bourgeoisie ein unbändiger Haß gegen die Arbeiter angesammelt und in den Arbeitern, die sehr wohl wissen, was ihnen im Falle einer fascistischen Reaktion droht, wuchs die Erbitterung gegen die bürgerliche Politik. die auf Umvegen zum Fascismus gelangen will. Deshalb ist die Spannung zwischen links rechts so ungeheuer groß, deshalb droht aus je. der Reiberei ein blutiges Gemetel zu werden. Die österreichische Bourgeoisie ließ die Hafenfreuzlerbanditen auf die Arbeiter los. Aber der republikanische Schußbund hinderte sie, das Beispiel der italienischen und deutschen Fascisten nachzuahmen. So schos fen sie aus Mordlust und Rachsucht ab und zie der Bourgeoisie in den letzten Jahren an Ar-| Mörder sprachen, breit und laut belachte. Icichts einen Arbeiter nieder, die Morde blieben beitern verübt wurden, spricht eine deutliche und ist von der lignerischen Behauptungen übrig unge fünt, immer lauter erhob sich in den furchtbare Sprache. Und sie alle, denen unsere geblieben, daß die Schutzbündler, die nach Reihen der Arbeiter der Ruf nach einer exempla noch nicht abzuschäßen. Genossen Birnecker, Sill und Kovarik, zum waren ,,, terroristisch" Schattendorf gekommen waren, terroristisch" rischen Bestrafung der Mordbuben, nach Her. stellung eines erträglichen Verhältnisses Die Wiener Arbeiter, von der Sozialde- Opfer fielen, find ohne Sühne geblieben. aufgetreten sind. Erwiesen wurde, daß die An- Staate. Im Frühjahr haben die fascistischen mokratie geschult und erzogen, haben immer muß nicht in der Masse das Gefühl entstehen, geklagten ohne jeden ernsten Anlaß losknallien Wordbuben in Schattendorf einen Invali. bewunderungswürdige Selbstbeherrschung und daß sie recht- und schutzlos ist, daß die hafen und zwei Menschen töteten Aber die von den den und ein Kind ermordet. Im April hat die Disziplin bewiesen. Sie haben den Gedanken freuzlerischen und frontkämpferischen Word Richtern beeinflußten Geschworenen vernein österreichische Arbeiterschaft Seipel geschlagen und der individuellen Vergeltung stets von sich ge- banden von der Justiz des Klassenstaates ge- ten nicht bloß die Frage auf Mord, sie beant in einem herrlichen Wahlfieg ihre Wacht erprobt. wiesen. Als der österreichische Staiserstaat zu schützt werden, und daß es für die Arbeiter worteten auch nicht einmal die Eventalfrage Die Arbeiterklasse erwartete mit Recht, daß die jammenbrach und in den Jahren nachher, da feine andere Siffe gibt als die Seibstwehr! auf Vergehen gegen die förperliche Sicherheit Bourgeoisie die Konsequenzen aus ihrer Niederdie Arbeitermassen bittersten Hunger und Jeden dieser feigen Morde hat die bürgerliche bejahend. Die drei Frontkämpfer schossen lage ziehen, daß sie den geänderten Machtverhält diec furchtbarste Not litten, haben sie keinem der Presse verteidigt, beschönigt und gerechtfertigt, blindwütend auf die angesammelte Menschen nissen Rechnung tragen, zu Kompromiffen bereit Mitschuldigen an ihrem Elend ein Haar ge- die Opfer und die Pariet, der sie angehörten, menge, aber die Geschworenen verneinten jo bürgerlichen Parteien die frümmt, obwohl sie die physische Macht besaßen verspottet und beschimpft. Und stets spielte gar die Frage, ob durch diese Schüsse eine Gefchaft, versuchen schärfer gegen sie vorzugehen als und der Gedanke an Rache und Vergeltung diese Bourgeoisie mit der Idee des Fascismus, fahr für die körperliche Sicherheit dicer Wien- vor den Wahlen. Dieses Vorgehen hat die Klassengegensätze weiter verschärft. nahe lag. der ihre Sehnsucht, die blutige Niederwerfung schen herbeigeführ: werden konnie' Wenn die Regierenden die died, tsordnung In die erhiste Aimosphäre schlug Die Arbeiterschaft hat keinem der schuldi- der Arbeiterbewegung, erfüllen sollte. unteraraben, so untergraben sie den Staat nun die Nachricht von dem Freispruch der gen Staatsmänner, Politiker und Generäle Der Freispruch der Schattendorfer Gewalt angetan, die Umwälzung des feudal beitermörder hat das volle Maß der Verbit- ſelbſt, denn nichts vermaa die Dienschen se Schattendorfer Mörder wie ein zünleicht zur Verzweiflung zu treiben, als wenn dender Funke ein. Ungerufen erschienen Taumonarchistischen Staates in einen Staat der terung zum Ueberlaufen gebracht. Die Schufte die Juſtiz zur ſeilen Dirne der Herrschenden sende auf der Ringstraße, wandten sich gegen die bürgerlichen Rechtsgleichheit wurde ohne Blut- von Richtern hatten es vom ersten Augenblic opfer vollzogen, weil die vom Geiste der So- des Prozesses darauf angelegt. Die Gefchwore- herabſinkt und dem Volke der Boden dez Rech- Universität und Justizpalast, der Großstadt, die immer dabei sind, wenn etzialdemokratie erfüllte Arbeiterschaft nicht in nen zu beeinflussen, sie mit Haß gegen die tes unter den Füßen enzogen wird. Nad al- Symbole der Reaktion. Jene Elemente der Gewalt, sondern in der Demokratie den zu Schutzbündler zu erfüllen und ihnen den Ge- lem, was aus Nachrichten aus Wien zu uns was los ist, wenn es drunter und drüber geht, ihrem Ziele führenden Weg erkennt. Deutlich danken nahezulegen, daß nicht die Mörder, dringt, iſt zu schließen. daß für die Arbeiter mögen fich unter die Arbeiter gemischt haben. Erschaft und ihre Partei schwere Tage geregte Massen handeln nicht überlegt, sondern ingab unsere österreichische Partei diesem Glau fondern die Ermordeten schuldig sind. Wäh kommen sind, denn nur allzuleicht kann diefer stinktiv. Sie schätzen die Folgen und den Sinn ben neuerlich in ihrem Linzer Programm Aus- rend der ganzen Zeit des Prozesses sorgten die in so stürmischen Stunden die Führung ent- ihrer Handlungen nicht ab, sie wollen nicht dendruck, in dem es heißt, daß sie den demo- der Regierung nahestehenden Zeitungen dafür. aleiten und auf Elemente, die im Trüfen, sondern handeln, irgendetwas unternehmen, fratischen Staat als die Entwicklungs die Geschworenen und die Deffentlichkeit für ben zu fischen suchen, übergehen. Doch und sei es auch das Sinnloſeſte. Bewaffnetes linie zum sozialen Staat afzeptiere, die Angeklagten einzunehmen, die nach all das Furchtbare, was bis jetzt schon geschehen Eingreifen der Polizei ist in solchen und daß die Gewalt für sie keine andere Rolle verlogenen Darstellung dieser Bresse, natür ist und was ihm noch folgen fann, es ist die Fällen immer der Anlaß zu Blutvergießen. Ist das Unheil einmal entfesselt, so nimmt es spielen kann als die des letzten Mittels der nur in der Abwehr handelten, obwohl erwie alleinige Schuld der österreichischen Regierung, feinen Lauf. Noch vermögen die Berichte Selbstverteidigung. Wenn die Wiener Arbei- sen ist, daß ſie ſchon Stunden vorher die Wuf ihrer Parteien, ihrer Juſtiz und ihrer Preſſe, nicht zu sagen, welche Ausmaße die Kämpfe in Wafter geſtern diesen Weg verlassen haben, so fällt fen herbeischafften und sie bereithielten, um deren bewußtes Streben darauf ausging, das Wien angenommen haben. Wir hoffen, daß die die alleinige Schuld dafür auf die bürgerlichen ihre maßlose Rachgier zu befriedigen. Syſte Löten sozialistischer Arbeiter zu einem ver- österreichische Arbeiterschaft unter der Führung Parteien und ihre Regierung, die es so weit matisch wurden die Beschworenen präpariert dienstvollen Werf zu machen, um die Atmo- ihrer bewährten Partei die Folgen dieses Schrek. gebracht haben, daß aus dem Grschießen von ihr Verantwortungsgefühl untergraben, so daß sphäre für den Bürgerkrieg vorzubereiten, der fenstages ohne politische Schwächung überwinden Arbeitern ein Jagdvergnügen und ein Sport es so weit fam, daß einer der Geschworenen, ihr die Arbeiterschaft geschlagen und gefesselt und aus der gefährlichen Lage, die allerlei unglückselige Lösungen möglich macht. jenen Ausweg geworden ist, für den es keine Strafe gibt. Die der später zum Obmann gewählt wurde, Zeufindet, der zum Heile der Arbeiterklasse führt.
Reihe der Mordtaten, die von den Schergen genaussagen, wenn sie gegen die angeklagten 84 Füßen legen sollte.
sein wird. Statt dessen provozieren
uns