Samstag, 16. Juli 1927.

zu erscheinen.

Devisenturse.

Seite 5.

Bis gegen drei Uhr. Wo das Waffer schnell Und danach:

Am Sonnabend waren in Glashütte über

fern..

treten.

In einem Gasthof steht ein Klavier auf den Tasten. Große zahnige Scheiben des Orchestri. ons schneiden zwischen die Saiten.

Tragisches Ende eines Schulausfluges. Bet aber wohl heute schon gesagt werden, daß die Im Uebrigen mögen die Kommunisten getrost einen Schulausflug, den ländliche Schulen aus Kommunisten noch ein Weilchen werden warten weiter schimpfen. Der 31. Juli als Wahltag ist wieder ablief. Küplow und Boelzlow in Pommern nach Stolberg müssen, um den Gehilfenausschuß der Bauarbei- nicht bloß Bahltag, sondern auch Zähltag. Nach unternommen hatten, ertranken beim Freibaden öft- ter in Reichenberg zu erobern. lich des Familienbades die dreizehnjährige Schülerin dent 31 Juli wird erst darüber geurteilt werden Den Wahlvorgang hat nach Statut und Ge können, in welchem Lager die Wahrheit der Bau­Meta Flemming und die 10jährige Gertraud Neu- setz der Gehilfenausschuß zu bestimmen. Dies ist arbeiter des Reichenberger Handelskammerbe. 5000 Mann der technischen Nothilfe mit Ber bouer aus Rüßlow. Der Lehrer Heuer sprang den auch im vorliegenden Fall geschehen. Die Mel irfes steht. Nach dem Wahltag wird aber auch gungsarbeiten beschäftigt. Ein starkes Polizei. die forgte Absperrung. Fon­gerissen wurdet, sofort nach. Es gelang ihm, stei tet und diese hat gegen den beschlossenen Wahl welche Art die Kommunisten ihre Unterschriften gegend pumpten das Wasser aus den Häusern. andere, gleichfalls in der Gefahr des Ertrinkens vorgang feine Einwendung erhoben. Ueber Ber- für die Kandidatenliste aufbrachten, vielleicht auch und noch gegen 22 Uhr brachten die Lastautos schwebende Kinder zu retten. fügung der politischen Bezirksverwaltung in Rei- etwas Seguelle Berirrung infolge Wohnungsnot. Vor chenberg vom 7. Juni 1927, Zahl 43.521 wurde as über andere ihrer Versuche, groß und start des Konsumvereins Vorwärts Hunderte von Hel bem Schöffengericht to stock unter den beiden die Vornahme der fälligen Gehilfenwahlen ange­bent tech fent it to to t Schöffen befand sich eine Frau- hatte sich der 64 ordnet. Diese wurden dann in den Zeitungen bezirkes haben am 31. Juit l. J. zivifaen pofi. ein viertel Meter hoch mit Schlamm bedeckt. Die Bauarbeiter des Reichenberger Kammer- Die Straßen und Erdgeschoßwohnungen sind Sahre alte Friedrich M a low und feine 45 Jahre ausgeschrieben. Es gab also gar keine Geheim tiver und fonfequenter Intereffervertretung und alte Stieftochter wegen unerlaubten Vertehnistuerei, wie im Vorwärts" geschrieben wurde, kommunistischer Phrafendrescherei zu entschei- und Seitenwände oft weggerissen sind, fault eine In den Eisenbahnwagen, deren Rädergestell zwischen Verschwägerten zu verant- sondern der Vorgang spielte sich vor aller Def den. Die Wahl wird für denkende Bauar. Tüte Erdbeeren, ein Vierpfundbrot, Schoten, Ba. morten. Aus dem Verkehr, der drei Jahre lang ge- fentlichkeit ab und auch die Kommunisten haben beiter nicht schwer sein. Sie wählen die nanen. Eine Kinderklapper hängt im Gepädnet. bauert hatte, ist ein Kind entsprossen. Die Frau des davon rechtzeitig Kenntnis erhalten. Vierzehn Angeklagten, die 1925 verstarb, hatte die Stieftochter Tage hatten sie Zeit, sofern durch die Art der siste 1 der vereinigten Bauarbeiterorgani. Dort ein Schirm. Da liegt ein Stück Butter zer­ale uneheliches Kind in die Ehe mitgebracht. Sie ist Ausschreibung, den beschlossenen Wahlvorgang Witwe mit zwei ehelichen und zwei unehelichen Kin- oder durch die Bestimmung der Wahlorte Recht bern. Die Anzeige gegen den Stiefvater ist von ihr und Gesetz verletzt wurde, dagegen Einspruch zu ausgegangen, indem sie sich um Schuß an die Poli- erheben. Wenn die Kommunisten aus Zeitmangel zei gewandt hatte. Die Mutter war noch nicht be- oder Unfähigkeit sich die Kenntnis der gesetzli­erdigt, als der Stiefvater, wie die Witangeklagte be- chen Bestimmungen nicht anzueignen vermögen kundete, ihr bereits nachstellte und sie aus der Woh- oder aus lauter Revolluzzerei die Frist verschla nung zu werfen drohte, wenn sie ihm nicht zu Wil- fen, können doch dafür nicht die Reformisten ver­len sei. Tatsächlich hatte er sie auch aus der Woh- antwortlich gemacht werden. Durch die fortge. nung gewiesen. Bei den Kindern habe sie jedoch fetzte Schimpferei wird die Tatsache nicht aus der wegen Raummangels feine Unterkunft finden können Welt geschafft, daß der Wahlbevollmächtigte der und so lehrte sie wieder zu dem Stiefvater zurüd Kommunisten, der Sekretär Turek, die Ein­und gab schließlich seinem Drängen nach. Ich hatte spruchsfrist verschlafen hat oder sich bei irgend ja," jo erklärte fic, eine Wohnung und wußte einem Oberbonzen erst Rat einholen mußte, wie nicht, wo ich hinsollte". Troydem mißhandelte sie der die Sache anzupacken sei und dann zu spät fam. Stiefvater mit Stockschlägen und bezichtigte sie sogar des Verkehres mit ihrem Schwiegersohn und ihrem eigenen, erst 15jährigen Knaben. Aus Entrüstung darüber wandte sie sich an die Polizei. Das Gericht hielt den beiden Angeklagten ihrer Gesezesun­fenntnis zugute und erkannte an Stelle einer Ge­fängnisstrafe von zwei Wochen auf je 50 Mark Geldstrafe. Der Staatsanwalt hatte gegen den Angeklagten zwei Monate, gegen die Angeklagte einen Monat Gefängnis beantragt. Die Verhandlungen hatten unter Ausschluß der Deffentlichkeit stattge­

funden.

Aufklärung eines Verbrechens nach 2/2 Jahren. Der Berliner Kriminalpolizei gelang im Laufe des Dienstags die Aufklärung eines schieren Ver­brechens, das bereits 2/2 Jahre zurückliegt. Damals wurde in der Nacht zum 25. Januar 1925 die 18. jährige Hansangestellte Elisabeth Stangierski auf dem Arnswalder Play ermordet aufgefunden, Das Mädchen hatte am Abend mit Freunden ein Nino besucht und sich um halb zwei Uhr nachts von ihnen verabschieden. Von dem Täter, der das Mädchen in einem Gebüsch vergewaltigt und erdrosselt hatte, fehlte zunächst jede Spur. Jezt hat die Polizei als Täter den 28 Jahre alten Former Alfred Oppen fowiti ermittelt und festgenommen. Oppenkowski hatte sich einen Monat nach dem Mord an einem 7jährigen Mädchen im Rausch ein Sittlichkeitsdelikt zuschulden kommen lassen. Er wurde zu 7 Monaten Gefängnis verurteilt, erhielt aber Bewährungsfrist, weil er unbescholten und als vorzüglicher Arbeiter befannt war. Seitdem wurde er jedoch ständig beo­

bachtet, zumal sich herausstellt, daß er sich von Zeit zu Zeit betrinkt und dann zu seynellen Ausschreitun gen neigt. Die Nachforschungen ergaben, daß er auch in jener Mordnacht nicht zu Hause war. Im Polizeipräsidium leugnete er zunächst die Tat. Bei einer Haussuchung in seiner Wohnung fanden jedoch die Beamten im Klosettkasten den Schlüssel­hund, den die Ermordete von der Wohnung ihrer Dicnftitelle bei sich hatte. Angesichts dieses Beweis stückes brach der Berhaftete zusammen und legte ein Beständnis ab. Niemand, auch seine Frau nicht, hatte eine Ahnung von der schweren Bluitat, zu der sich der Mann unter dem Einfluß des Alkohols hatte hinreißen lassen.

Boliswirtschaft.

Gehilfenwahlen der Bauarbeiter in Reichenberg.

Prager Kurse am 15. Juli.

100 holländische Gulden 100 Welgas.

100 Reichsmar!.

100 Schweiger Frants Pfund Sterling. Dollar:

100 Vire ...

1

100 französische Frants. 100 Dinar

100 Bengös.

100 polnische Sloth 100 Schilling

13 Minuten vor 3tvölf.

Geld

. 1851.25 798.75

Mare 1857.25 802.75

468.50

471.50

648.50

651.50

163.35

164.55

188.55

184.95

83.60

131.52

59.21:

587.87%

376.37%

473.62%

Der Augenzeuge berichtet über die Hochwasser- Katastrophe. Von J. H. Rösler.

Glashütte , eine fleine Stadt unweit|

Dresdens , gelegen an der Bahnstrecke Heidenau Geifing. Bekannt durch seine weltbekannte Uh­Arbeitslosigkeit. Nur die Holzfabrik Seelhammer renindustrie. Seit Jahren verarmt. Größte beschäftigt 60 Arbeiter. An Werktagen Haustore belagert mit jungen Männern, die gezwungen un tätig den Abend erwarten. Dreimalige Zug­ankunft wird Ereignis. Im Sommer treibt man Kühe durch die beiden Straßen zur Weide, aus denen Glashütte besteht, Hühner gackern vor dem Rathaus. Zahllose Restaurants fümmern. Und um dieses fleine Städichen des östlichen Erzge­birges, gelagert in einem engen Talkessel am Rande der Müglitz, weite Wälder und steinige Felder.

So begann es:

Lauenstein Hochwasser. Wasserhose Freitag, 20.30 Uhr meldet der Nachbarort Wolfenbruch bei Strayhammer.

Gefahrenmarke A.

und

Die Mügliz schwillt allmählich an. Die Einwohner stehen sorglos in den Gassen. Besondere Gefahr scheint nicht zu erwarten.

Am Bahnhof wartet man auf die Ankunft des letzten Dresdner Zuges, der mit Verspätung unter Regen kurz vor 23 Uhr eintrifft.

Die Müglitz rauscht stärker als gewöhnlich, aber noch bleibt der Gebirgsbach in seinem Bett. 21 Uhr: Das cleftrische Licht ver. jagt.

Glashütte liegt im Dunkeln. 23.10 Uhr: Erneuter Alarm aus Lauen­ stein .

Die Bahnverwaltung läßt eine Motordrai fine abfahren. Zur Erkundung der Strecke, ob Gefahr für Weiterfahrt besteht."

23.23 Uhr: Weiterfahrt unmöglich. ,, Alles aussteigen!"

Langsam leeren sich die Wagen. Einige Rei. sende bleiben arglos sitzen. Schlafen weiter. Vo­gelwiesenmüde.

23.30 Uhr: Die Müglik bricht aus ihrem Ufer.

Ueberschwemmt den abschüssigen weiten Bahnhofsplay.

Menschen rennen auf den erhöhten Fuß­steig. Auf Haustreppen. Plöglich schwimmen Hölzer im Wasser.

Immer mehr.

einander. Gegen die Dämme. Gegen Felsen. Große Baumstämme folgen, donnern gegen Stauen sich vor Brüden.

23.33 Uhr:

Der Kampf hat begonnen. Der Sekretär Turek der Sektion der Bau­arbeiter im J. A. V. versucht durch fortlaufende Berichte im Reichenberger Vorwärts" an die Massen" bei den bevorstehenden Gehilfenwah­len heranzukommen. Nach dem ersten Bendret. artikel ist ein zweiter erschienen, der von wahl. geometrischen Stunststücken der Reformisten er­Die Schreckensstunde. zählt. Die Wahllokale sollen so vorgesehen sein, daß Hunderte von Bauarbeitern ihr Wahlrecht heran. Eine meterhohe Wassermauer, steil, brüllt Durch das enge Tal. Fegt schreiende fache für diese Maßnahmen sei in der Angst Meter lange Baumstämme zerreißen im Vor­mit Sindernissen ausüben können. Die Ur- Menschen, Tiere vor sich her. Holt sie ein. Zwölf um die Macht des Gehilfenausschusses gelegen. wätsstürmen Häuser und Gärten. Fegen den Zug In dieser Angst seien den Herren im Gehilfen von den Schienen. Werfen die Waggons um. ausschuß alle geographischen Kenntnisse verloren Tragen sie mit. Telephonmasten zerbrechen wie gegangen. Aber trotz aller betrügerischen Schie: Glas. bereien werden nun erst recht die Bauarbeiter 23.36 hr: Das Wasser ist in drei Minuten in allen Orten dafür sorgen, daß am 31. Sali zwei Meter gestiegen. Drei Waggons des Zu die Liste des Internationalen Allgewerkschaftlichen ges sind die Böschung hinabgeworfen und liegen Verbandes mit der Nr. 2 gewählt wird. räderoben unter Wasser. Auf die Dächer der übri Daß die Lifte Nr. 2 am 31. Juli gewählt gen Wagen haben sich Menschen geflüchtet und werden wird, steht wohl außer allem Zweifel. fchreien verzweifelt um Hilfe. In die schwarze Denn wenn die Kommunisten nicht einmal die Nacht, die Sekunden von Bligen taghell erleuch Wahlzahl erreichten, würde diese Tatsache ja tet wird. allzustark im Widerspruch mit der schon so oft wiederholten Behauptung, die Maffen der Bau­arbeiter im Reichenberger Handelskammerbezirk

23.47 Uhr: Das Wasser ist insge. samt vier Meter gestiegen.

feien im J. A. V., stehen. Nicht darauf kommt Das ganze Tal dröhnt kilometerweit. es bekanntlich an, ob eine Lifte gewählt wird, Vor die Postbrücke hat sich eine meterdicke fondern wieviel Stimmen auf dieselbe ver. Mauer Rundholz, Baumstämme, Bretter, Ni­einigt werden. Und dies muß nun erst einmal sten, Eisenteile angeraumt. Unter lautem Don. abgewartet werden. Ohne zu prophezeien, kann ner bricht die Brücke zusammen.

33.90

132.72 590.87

59 71%

In Gäselich, fast zehn Kilometer von Glas hütte entfernt, findet man die Leiche der neun­zehnjährigen Haustochter Eibisch von hier.

Teppiche, Plüschgarnituren, Zimmerlinden, Rüchengeräte stehen schlammbedeckt.

Ein dreistöckiges Haus, dessen Vorderfront von der Erde bis zum Dach aufgerissen ist, wirkt wie eine dreigeteilte Bühne. Der Fußboden des zweiten Stodes schwebt nach unten. Auf seiner 879.37/ schiefen Ebene rutscht ein neuer Reisekoffer. Noch 476.62% hängen in freier Luft lange Gardinen. Eine Tür des Wäscheschrankes hat sich geöffnet und sorg­samt gebündelte Stöße weißer Wäsche starren uns feltsamt entgegen.

Die braune Flut wälzt sich weiter. Erdgeschoffe in Sekunden. Zerdrückt Türen und Reißt halbe Häufer weg. Füllt Seller und weg. Zerschneidet Kandelaber. Spült die Fenster. Fegt Zäune, Lauben, Bretterwände Schlaf Ueberraschten mit sich.

Pferde, aus Ställen gerissen, zerschellen an den Wänden.

Vor der Fabrit Seelhammer lagern Waggon Rundholz.

Weg!

Auf einem Platz 2000 Zentner Roble. Weg!

zwei

Unterhalb Glashütte saust ein Auto vier Personen der Stadt entgegen. Plöblich in voller Fahrt bevor stoppen möglich Weg!

-

mit

von blühenden Stauden, Sträuchern, Rosen, Dohlien, Nellen. mit zehn Meter langen wächshäusern, Frühbeeten voll Blumenkohl, Sa lat, Kohl, Möhren, Tomaten- Weg!

Die Gärtnerei 2eubert mit Hunderten

13 Minuten vor Zwölf. Auf dem Bahnhof reißt sich ein Waggon los. Wird 20 Meter fortgeriffen. Berbricht an einer

Bausede.

Schon spült das Wasser an den heißen Reffeln der Fabriken. Schon zerrt es an betonierten Maschinen. Schon rüttelt es an den Grund­mauern der Häuser. Verschlingt granitene Stra ßen. Donnernd zerbricht die schwere sechs Me­ter breite Eisenbrücke bei Dittersdorf. Der volle graue Behälter der Gasanstalt ist eingerammt und sackt zusammen.

13 Minuten vor Zwölf.

Auf der Straße nach Gut Gleisberg. in den letzten Häusern der Stadt, geht der Kutscher Müller von einem Kinobesuch nach Hause.

Plößlich die Flut um ihn. Daheim wartet die Frau. 13 Minuten vor 3wölf. Im Grünwarengeschäft Eibisch schläft ter, Mutter und die neunzehnjährige Tochter

Va­

Durch das Hinterfenster der Wohnung, der Müglitz zugefehrt, bricht die Flut. Schreiend fämpfen fie sich nach der Straße durch das Ge­schäft. Sinter ihnen das Wasser. Erreichen die Tür. Wollen hinaus. Aber die Flut der Straße drückt dagegen. Sie können die Tür nicht nach das Wasser. Immer mehr durch das Hinter außen brüden. Und immer höher steigt un sie um fenster

-

-

13 Minuten vor 3wölf.

Jm Brüdenrestaurant sipen drei Männer beim Stat.

Zwei Spieler sehen plötzlich die meterhohe Treppe hinauf, Wassermauer vor dem Fenster. Flüchten. Die

Der Dritte, der einarmige Mechaniker Mende, will schnell noch das gewonnene Geld ( es sollen nicht mehr als siebzig Pfennig gewe­

sen sein) einstreichen.

Aber schon ist die Flut über ihm. 13 Minuten vor Zwölf. Zwei wunderbare Rettungen: Eine Witfrau, sechzigjährig, vom Wasser. überrascht. Klettert auf die Komode. Die Flut im Wasser steigt. Möbel beginnen umzufallen, zu schwimmen. Sie rettet sich auf das schwim mende Sofa. Das an die Dede gedrückt wird. Und so verbringt sie vier Stunden zwischen Sit und Lehne geklemmt.

Herr Branddirektor Vogel kann sich aus der Gaststube des Kaiserhofes nicht retten. Steigt auf eine Nähmaschine. Das Waffer wächst bis an feinen Sale. So steht er drei Stunden,

Von 13 Minuten vor 3wölf.

Der Fleischmüller von Dippoldiswalde ladet auf seine Wagen aufgedunsene Kühe, ein er. soffenes Kalb, tote Schweine, dort bringen fie ihm auch einen großen braunen Schäferhund. Cr hat noch die Stahlkette am Hals.

Und das alles war das Werk einer kurzen

Stunde.

Deren schlimmste Zeit 13 Minuten vor Zwölf war.

Denn alle Uhren, die man in den verwüste. ten Wohnungen fand, die Taschenuhren der To. ten, die Bahnhofsuhr und selbst die Uhr hoch oben am Haufe der alten Uhrenfabrik Lange, de­ren Pendel im Steller schivingt, zeigter heute gleichmäßig:

13 Minuten vor Zwölf.

Kleine Chronit.

Wunderbares Leben in gefällten Fichtenstämmen.

Früher hatte man es beim Fällen von Fichten nur auf das Holz abgesehen, allein die Nachkriegs­jahre verlangten mehr, vor allem zur Gerbstoff­bereitung die Rinde dieser Bäume. Es ist nun sehr interessant, aber wohl nicht ohne weiteres klar, schreibt Wargau im Kosmos, daß die Fichtenrinde nicht zu allen Zeiten gleich gut abgeht." In den Monaten der Saftruhe einerlei, ob Stälte den ganzen Stamm beinhart gefrieren läßt, oder ob herrscht- ist die Rinde der gefällten Stämme fest mit dem letzten Jahresringe verschalt; sie kann nur das ist eine überaus mühsame Arbeit. Ganz anders stückweise mit dem Stoßzeisen abgefragt werden, und verhalten sich indessen die gefällten Stämme in den Frühlingsmonaten. Wenn im März und April Früh lingsluft alle Streatur wieder aus dem Winterschlaf weckt, tommt auch in die gefällten Baumriesen wieder Leben, aber es ist ein trauriges Erwachen. Oder ist es nicht hart, in der Zeit, da in den Wipfeln der Wildtauber gurrt, ohne Wurzeln und Aeste, verstüm­melt und abgetan, am Boden zu liegen? Die Lohe geht", sagt jetzt der Arbeiter zu seinem Nebenmann,

milde Witterung mit herbstlichen Temperaturen

und in der Tat: der gefällte Baum ſaftet plöglich wieder. An sonnigen Hängen zeigt sich's zuerst, und dort beginnt auch die Arbeit. Die breiten Schälmesser werden angesetzt, und in wenigen Minuten glänzt das weiße Holz des Baumes, weil die Rinde in geschlossener Rolle und leicht wie ein Hemd abgeht. Es heißt auch die Zeit zu nügen. Denn schon nach zwei verschwindet und die Rinde sich abermals nur noch sei bis drei Wochen ist zu bemerken, daß die Arbeit immer mühsamer wird, weil die Saftung wieder in splitternden Bruchstücken ablösen läßt, bis bie Schälarbeit ganz eingestellt werden muß.

Dann fommt der Mai. Die stehenden Schwestern der gefällten Fichten seven den Maitrich on, legen einen neuen Holzring um ihren Störper und gehen nach kurzer Ruhepause zum Johannistrieb über. Um

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diese Zeitlingt es nicht wie ein Wunder?- tommt auch in die gefällten Stämme wieder Leben. Ihre Rinde wird abermals weich und geschmeidig und läßt sich, wie im Frühjahr, nun zum zweitev­

mal ohne Anstrengung schälen. Fünf bis acht Tape lang Pann diese Erscheinung beobachtet werden, Sis sich die Lebensgeister in ihr Schicksal fügen, und her gefällte Stamm endgültig stirbt.

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Gilt es hier nicht, Rätsel zu lösen? Stann man zweifeln, daß es sich um Lebensvorgänge handelt oder nicht? Und dies an Stämmen, die von der Wurzel abgetrennt sind! Was Bäume seit Jahrtausenden in jedem Lenz antreibt zu Wachstum, Blühen und Fruchtansas, jener Kraft die wir als Leben be­zeichnen, das klingt auch in den gefällten Stäm­men noch nach. Wie die einzelne Zelle in einem bestimmten Rhythmus arbeitet, so pulsiert das Leben mit Allgewalt selbst noch im entwurzelten Stammt, wenn der Frühling ruft und der Sommer. Wo t hier die Grenze zwischen Leben und Sterben?