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gegnung:

Sonntag, 31. Jnli 1927.

Sacco und Banzetti.

Von Professor Dr. M. Liepmann.

Darauf erhalten wir die Kleinlaute Ent- sam Freitag auch in Reichenberg statt. Die ferenz zu keinem Ergebnis gelangte, son- veranstaltetes Seimatfest statt, wo Abgeordneter Kommunisten batten versucht, mit kleinen Spindern die Entscheidung den einzelnen Bezirken Mayer vor 3000 Zuhörern seine Politit be 4: Wir glauben, die verschiedenen Reden bubentriks die Besucher fernzuhalten, indem sie überlassen werden mußte. gründete und unter großem Beifall die schärfsten und Erklärungen Otto Bauers in den legten in der Umgebung des Schützenhauses Leute auf- Am Sonntag fand in Luditz ein von den Anklagen gegen den bedingungslosen Aktivismus Tagen so ausführlich wiedergegeben zu baben, stellten, die den aus den Betrieben kommenden landwirtschaftlichen Organisationen des Bezirkes i des Bundes der Landwirte erhob. daß jedem unvoreingenommenen Arbeiter der Arbeitern und Arbeiterinnen einredeten, die Ver­Umfang des Verrates, den die Wiener sozial- sammlung sei verschoben und finde erst Montag demokratischen Führer verübt haben, vollkommen statt. Trogdem fonnte Genosse Jaksch vor 250 flar sein muß. Zuhörern über die Wiener Ereignisse berichten. Wir glauben nicht nur, sondern können fat Besonderen Widerball fand die schonungslose Ab­tisch nachweisen, daß der Vorwärts" aus den rechnung mit der Haltung der fommunistischen Reden Otto Bauers mit bewußt fälsche Presse. Auch in Mähren und Schlesien wurde rischer Absicht nur einige Sätze und Bruch unter der Arbeiterschaft erfolgreiche Aufklärungs­stüde herausgelaust bat, aus denen er einen Verarbeit über die Wiener Vorgänge geleistet. Mitt­rat konstruieren zu können glaubte. Zum Bei woch fand im Troppauer Dreibahnenjaal eine spiel: Von der Rede Bauers im Favoritner Ar gemeinsame Wienkundgebung der deutschen und beiterheim brachte er acht 3eilen, und zwar schechischen Sozialdemokraten statt, die zu den von einem verstümmelten telephonischen Auszug. imposantesten Versammlungen gehörte, die diese Aus der großen, drei bis vier Seiten füllenden Stad in den letzten Jahren gesehen hat. Das Auflagerede Bauers im Nationalrai veröffent Referat erstattete Genosse Dr. Öswald Richter­lichte er sechzehn Zeilen. Es war jene Wien . In Jägerndorf referierte in einer Stelle, wo Bauer dem Seipel entgegendonnerte, massenhaft besuchten Arbeiterversammlung am daß die Sozialdemokraten und nicht die Regie- Dienstag Genosse Dr. Felix Kanit aus Wien rung den Bürgerkrieg verhinderten. Was für den über die blutigen Julitage. Ueberall wurden Re­ Vorwärts" nur ein Beweis war, daß die So folutionen angenommen, worin der österreichischen zialdemokraten den Bürgerkrieg verhinderten, um Arbeiterschaft die Sympathien ausgedrückt werden den bürgerlichen Staat zu retten. So erfahren und das Treiben ihrer Gegner schärfstens verur­die kommunistischen Arbeiter die reine Wahrheit teilt wird. über den Umfang des Verrates", den die sozial­demokratischen Führer vereitelt haben...

Und zum letzten unserer Vorwürfe: 5. Der Vorwärts" hat sich mit feinem Worte dagegen verwahrt, daß der hakenkreuz lerische Tag" ſeine Lügenmeldungen über die Wiener Sozialdemokraten einschließlich der Titel wortwörtlich übernommen und weiter verbreitet hat. Er findet es also in Ordnung, in einer Front mit Bundesgenossen der österreichischen Fascisten gegen die österreichischen Arbeiter zu kämpfen bemerkt der Hafenfreuzlerkumpan wisig: 3. Der Sozialdemokrat" hat neuerlich aus gerechnet, daß die kommunistische Presse achtzig Meter Berleumdungsmaterial" gegen die So zialdemokratie veröffentlicht hat. Wenn der Duper Tag" von dieſen achtzig Metern zehn Zentimeter verwertet hat, so sind wir dafür nicht verantwortlich.

Die Spaltung im Bunde der Landwirte. Erfolge des Abgeordneten Mayer in West­böhmen.

In Amerika sind zwei Menschen, Sacco und Vanzetti in die Zelle für Todeskandida ten eingeliefert worden und sollen am 10. August hingerichtet werden. Fast die ganze Welt ist überzeugt davon, daß die zum Tod Verurteilten unschuldig sind. Prof. Liep mann- Hamburg, einer unsrer besten dent schen Strafrechtsgelehrten, hat in einer auf sehenerregenden Abhandlung, die wir mit unwesentlichen Kürzungen wiedergeben, den Justizmord der amerikanischen Richter flar gelegt. Weil die zwei Verurteilten Soziali sten, also Feinde der Gesellschaft" sind, des­halb sollen sie dem elektrischen Stuhl ver­fallen.

Die Tat wurde am hellen Tage begangen, durchaus in der Aufmachung spezifisch amerikani­scher Raubüberfälle. Sacco und Vanzetti waren bisher unbestraft und keinerlei Zusammenhang mit Banditen zu verdächtigen. Man hat auch nicht das geraubte Geld bei ihnen finden noch fest stellen können, daß in ihrer Lebensführung nach der Tat irgendeine Veränderung eingetreten sei, die auf nicht nachweisbare neue Einnahmequel len zurückzuführen wäre. Sie sind ihrer gewöhn lichen Beschäftigung, der eine als Angestellte: einer Schuhfabrik, der andere als Fischhändler, nachgegangen sie haben sich nach der Tat we der verborgen gehalten, noch Namen und Woh­nung gewechselt. Aber sie haben, als sie verhaftet Sie haben gelenguet, Waffen bei sich zu führen, wurden, der Polizei gegenüber gelogen!

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Es handelt sich um einen Raubmord, der im April 1920 in South Braintree( Mass.) an Par­Wie unangenehm den Kommunisten die menter und Berardelli, zwei Angestellten einer fie haben bestritten, bestimmte Landsleute von Kennzeichnung zeigte eine in der Vorwoche stattgefundene Wien Schuhfabrik, begangen wurde. Die Opfer sind sich zu kennen, obwohl man nachträglich das Ge­Versammlung in& o motau. Die aus der gan- schossen worden, als sie 15.776,51 Dollar Löh­durch zwei mit Pistolen bewaffnete Männer er genteil beweisen konnte. Das ist nun freilich eine primitive Psycholo zen Umgebung herbeigeholten Störenfriede boten nungsgeld für die Fabrik in zwei Kisten dorthin gie. Denn wir sollten heute aus manchem nach­ihre ganze Lungenkraft auf, um zu verhindern, daß bringen wollten. Die Mörder haben das Geld in gewiesenen Juſtizirrtum gelernt haben, daß die Genoffe Jatich das Schlußwort erhielt, um mit ein Auto gebracht und sind in Wegleitung mehre- Lüge eines Beschuldigten kein Beweis für ſeine dem Herrn Grünwald von der Internatio- rer anderer Personen davongefahren. Zwei Tage Schuld ist. Auch zweifellos zu Unrecht verdäch nale", der als Gegenreferent die schäbigsten An- später fand man dieses Auto leer im Walde und tigte Angeklagte greifen aus Angst, ihre Lage zu griffe gegen die Wiener Sozialdemokraten erhoben puren eines fleinen Autos führten von hier verschlechtern, aus Gedankenlosigkeit und Erre­hatte, gründlich abrechnen zu können. Tatsächlich aus weiter. Vermutlich sind mit ihm die Täter in gung oder weil sie andere, mit der Tat zu tat ihnen der Regierungsvertreter den Gefallen, Sicherheit gebracht worden. Augenzeugen des fammenhängende Umstände verbergen wollen, zu die Versammlung vorher aufzulösen. In Stomo- Ueberfalles behaupteten, die Mörder wären nach diesem Verteidigungsmittel. Und alle diese Mo­tau wie in Teplitz hatten sich die Kommunisten ihrem Ausschen Italiener gewesen. Ein paar mente waren bei Sacco und Vanzetti in geradezu Schüßenhilfe aus dem benachbarten Wochen später wollen vier Italiener ein in einer klassischer Weise gegeben. Sie waren sozialiſtiſche Sachsen , Jugendliche und rote Frontkämpfer", Reparaturgarage untergebrachtes Auto abholen: Radikale und agitierten in Versammlungen und geholt, die aber ebenfalls die moralische Hinrich zwei davon. Sacco und Vanzetti, werden dabei durch Verbreitung von Flugschriften für kommu tung ihrer Partei vor der deutschböhmischen Ar- verhaftet. Nach einer Hauptverhandlung von niſtiſche Ziele. Sacco und Vanzetti wußten, daß beiterschaft nicht aufhalten konnten. fast sieben Wochen werden sie am 14. Juli 1921, die Polizei über ihre Agitation unterrichtet war also vor sechs Jahren, wegen Mordes zum Tode und daß sie bereits auf der Liste der verdächtigen Personen standen. Einer ihrer Gesinnungsgenos Bisher meinten wir, daß für jede Verleum verurteilt. dung ihr Urheber verantwortlich sei, jetzt ver­Der Beweis ihrer Schuld wurde zunächst ge- sen, Salsedo, war nach einer polizeilichen Vor­fündet es die fommunistische Weisheit anders. stüßt auf Zeugen, die ihre Identität mit den führung in New York den nächsten Tag tot auf Auf alle Fälle wissen wir nun, warum der Vor­Mördern befunden sollten. Steiner von ihnen hatte der Straße aufgefunden, andere waren furz vor wärts" die Diskussion fortseßen will. Er ist Die Ausschließung der Abgeordneten Mayer die Angeklagten vorher gesehen. Aufgeregt, infolge der Verhaftung der Angeklagten deportiert wor offenbar den Hafenkreuzlern ge- und Hanreich findet nun ihr Nachspiel in den der Schüsse, die sie hörten, hatten sie in fürzester den. Sie lebten also in der Furcht vor polizeilichen genüber vertraglich verpfichtet, verpfichtet, landbündlerischen Organisationen. Troß der Ver- 3eit und aus erheblicher Entfernung das Auto Verfolgungen und hatten das Auto holen wollen, noch weitere 80 Meter Verleum- sicherungen der agrarischen Parteiführung und mit den Mördern davonfahren gesehen. Das bie- um die in ihrem Besitz befindliche radikale Litera dungen zu liefern, damit auch für ihrer willfährigen Prosse, daß der Ausschluß nur tet ohnehin denkbar größte Unsicherheit für eine tur vor der Polizei in Sicherheit zu bringen und den Tag" noch einige Broden ab- zwei Generäle ohne Soldaten betroffen habe, zuverlässige Beobachtung. Auch hatte die Polizei außerdem ihre politischen Freunde vor der ihnen zeigte sich nun, daß die beiden Abgeordneten in den immer noch vorkommenden Fehler begangen drohenden Gefahr zu warnen. Bei ihrer Verhaf einzelnen Gobie en starten Anhang haben. und den Zengen Sacco und Vanzetti einzeln vor- tung wurde ihnen nicht gesagt, daß man sie des Am erbittertsten ist der Kampf in 2e st- acführt, anstatt ihnen aufzugeben, fie aus einer Mordes an Parmenter und Berardelli für ver­böhmen, dem Wahlkreis des Abgeordneten Reihe von Personen herauszusuchen. Und schließ dächtig hielt, sondern sie wurden gefragt, ob sic Mayer. Mittwoch fand in Karlsbad eine lich ließ sich nachweisen, daß einzelne dieser Zeu- Radifale, Sozialisten, Anarchisten seien. So muß Lebhaftes Interesse der Arbeiterschaft. Konferenz der Bezirksvertrauensmänner des gen unmittelbar nach der Tat nichts gesehen ten sie, gerade wenn sie an dem Mord unschuldig Welch tiefe Wirkung die Wiener Ereignisse Bundes der Landwirte des Wahlkreises statt, hatten und erst nach Monaten plötzlich ganz ge- waren, annehmen, daß sie wegen ihres Radikalis­auf unsere Arbeiterschaft ausgeübt haben, zeigt sich wo zu dem Ausschluß Mayers Stellung genaue Erinnerungen" bekamen. Welches Unheil mus verhaftet werden sollten, und so verstand es in den großen Versammlungen, die von der Var- nommen werden solle." Die Reichsparteileitung diefer fehlerhaft geführte Identifilationsbeweis in sich auch von selbst, daß sie ihre politischen tei in den letzten Tagen in zahlreichen Städten hatte ihre ganzen Kanonen aufgeboten und wollte dem Bewußtsein der Geschworenen angerichtet Freunde nicht mit ins Verderben reißen und sich veranstaltet wurden. Trotz des ungünstigen Ver- verhindern, daß Mayer überhaupt zugelaffen bat, läßt sich nachträglich natürlich nicht feststellen. nicht durch den Besitz von Waffen verdächtig jammlungswetters im Hochkommer war der Be- werde. Mayer protestierte dagegen mit der. Be- Jedenfalls ruht nach Ansicht des Richters der machen wollten! such überall sehr gut, teilweise über alles Evwar- gründung, daß sein Ausschluß satzungswidrig er Sauptverhandlung, Webster Thayer, der Schuld- Alles dies liegt, sollte man annehmen, flar ten groß. So gestaltete sich die am Donnerstag in folgt sei und die Mehrheit der Wer- spruch nicht auf dieser Grundlage, sondern auf gutage, aber es gibt keinen diabolischeren Feind Teplitz stattgefundene Wienversammlung, wo trauensmänner schloß sich diesem Stand dem, was die amerikanische Rechtsprache Bewußt der Wahrheitserforschung als gerade politischen Genosse Luitpold Stern sprach, zu einer gepunkte an. In der folgenden Auseinandersetzung sein der Schuld"( consciousness of guilt) nennt, und Rassenhaß. Man hätte aus der politischen waltigen Massenfundgebung, was vertrat Landesausschußbeisitzer Kaiser den das heißt es handelt sich um einen Indizien Saltung der Angeklagten den Beweis herleiten um so bemerkenswerter ist, als erst einige Tage Standpunkt der Parteileitung, Abgeordneter beweis, der die Angeklagten deshalb für die Mör- können, daß solche idealistische Fanatiker nicht vorher vor einer von nahezu 500 Vertrauensmän eller den des landbündlerischen Abgeord der hält, weil sie sich nach der Tat und bei ihrer typische Raubmorde zu begehen pflegen. Statt des­nern besuchte Plenarversammlung in Weißkirchlitz netenklubs, während Mayor seine und Hanreichs Verhaftung so benommen hätten, wie sich nur fen waren offenbar Staatsanwalt und Richter Genosse Jakich zum gleichen Thema referiert Haltung rechtfertigte. Ein Beweis für die Schuldige benehmen. Wie steht es mit diesem der Meinung, daß schlechten Menschen alles zuzu­hatte. Eine gut besuchte Wienversammlung fand! Schwäche der Parteileitung ist, daß die Kon- 1, Beweis"? trauen sei und kein Zweifel darüber bestehen

fallen.

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Unsere Wienversammlungen.

Frau Giselas Che.

Roman von Carl Otto Windecker. Sorge dich nicht mehr um mich. Ich habe dein Vertrauen mißbraucht, um eines neuen Anzuges und eines Abends im Tanzlotal willen. Dafür hatte ich dein Geld genommen und Geld aus der Kasse des Geschäfts. Nun sive ich hier der Glut Afrifas, pußze mein Gewehr, mit dem ich bald auf Menschen schießen werde, wenn mich nicht vorher eine Kugel trifft. Ich habe meine Strafe Mutter aus der Legion sind noch wenige zurückgekehrt...."

in

Nur ungern war Hanns Brunner der Ein­ladung des Geheimrats gefolgt und hatte an dessen Seite in der vornehmen Adlerlimousine Platz ge­nommen. Er wußte, das Gisela wartete- aber er fonnte der Liebenswürdigkeit des neuen Befann­ten nicht widerstehen.

Leise vibrierend summte der Motor, der gut gefederte große Wagen glitt über den Asphalt es war wie ein Fliegen. Fast wohllüstig dehnte sich Hanns Brunner in den weichen Bolster des Sives.

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Klang hatto

gewiß hat mit ihnen Herr Solms | das magere Kartoffelgemüse. Und wieder griff er von meiner fläglichen Lage gesprochen. Erlauben nach dem Weinglas und leerte es. Bald merfte er, Sie mir ein offenes Wort!" wie ihm der ungewohnte Alkohol zu Stopfe stieg.

Das Gesicht des Geheimrats veränderte sich nicht. a. bitte, wenn Sie wollen....!"

Der Kellner stellte zwei große Frühstücks platten auf den Tisch. Der Geheimrat hatte in­zwischen Hanns Brunners Glas vollgeschenkt.

,, Sie laden mich ein, glauben Sie, daß mir das Geld, das Sie für mich ausgeben hier, willkommener wäre?"

" Ich bin von Sinnen, dachte er und fühlte, daß er eines klaren Gedankens kaum noch mächtig

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,, Geben Sie mir Geld, leihen Sie mir es geben Sie mir nur soviel, wie Sie jeden Tag dem Liftboy Ihres Hotels geben..." lallte Hanns Brunner wieder mit schwerer Stimme. Er er­

schrat.

,, Meine Lage ist derart- Herr Geheim- war. rat" er sprach stockend mit gespanntem Blick nach dem Gesicht seines Gegenübers,- ,, daß ich An der Hauptwache stoppte der Wagen furz, heute vor dem nichts stehe, wenn nicht eine plötz fein Claxon heulte durch den Lärm. Hanns Bruns liche und unwahrscheinliche Aenderung in meinem ner sah durch die Scheiben in das Gedränge der Leben eintritt. Ich fann meine Familie nicht Wagen, Passanten, Radfahrer und Drückfarren mehr ernähren... hinaus, die um diese Zeit die engen, nur einseitig ,, Das ist natürlich sehr traurig!" sagte der ,, Geld? Nein, mein Lieber- Ich will befahrenen Straßen um die alte, historischet Geheimrat und nahm noch ein wenig Butter auf Ihre Gesellschaft- es luſtiert mich, Ihren Sauptwache, den Verkehr zu einem schwerlöslichen ein Brötchen. Hanns Brunner hörte das Phrasen- Hunger zu sehen-aber Geld?" Ein gemeines hafte dieser Bemerkung. Grinsen ging über das feiste Gesicht des Geheim­rats, die dicken, ringüberladenen Finger frampften sich zusammen, als griffen sie weld­

Problem machten.

Kommen Sie mit, Doftor!" sagte der Ge­heimrat, wir trinken ein Glas Wein auf gute

Bekanntschaft!"

Gisela las nicht weiter. Um einen Anzug, um einen Abend im Tanzlofal und ein kleines Mädel vielleicht, und Wein wie alltäglich war dies, und der Preis?- Zwei Menschen­leben, die diese Tat des Leichtsinns vernichtete. Unwillkürlich sah sie nach dem Aufgabeort des Briefes, den der Fremdenlegionär mit seiner Verlegen schlug Hauns Brunner ein. Ein schönen Handschrift an den Kopf des Schreibens gesetzt hatte: Sousse , le 2. septembre 1926...! cingentümlicher Gedanke begann sich in ihm einzu­Zwei Monate hatte der Brief gebraucht zwei nisten, ein Gedanke, der absurd war und ihm das lange Monate, von deren jede einzelne Minute Rot der Scham in die Wangen trieb. dem jungen Menschen dort in den Wirren des

Ryffricges den Tod bringen konnte.

Gell, dort er fann nicht totgeschossen werden mein Philipp gell nicht?"

Gisela fämpfte mit den Tränen, aber sie schüttelte lächelnd den Kopf. ,, Dort ist es schön, Mütterchen, dort ist es warm- heiß sogar Ihr Philipp braucht dort nicht frieren....!

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Wie banal das flang. Aber es tröstete die Frau, die sich nun aufrappelte mit ihren alten Gliedern und getröstet zur Türe schlich.

Um einen Anzug und einen Abend im Tanz lotal!" sagte Gisela vor sich hin.

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Vor Thiemens Weinstube in der Kaiser­

straße stoppte der Chauffeur den Wagen ab. Sie verließen das Automobil und traten ein.

,, Es ist sehr nett hier," bemerkte Hanns Brunner unter dem unbewußten Zwang, irgend etwas angenehmes zu sagen. Aber Geheimrat Wolff überhörte ihn. Eifrig suchte er in der Speisekarte.

Verzeihen Sie, Herr Geheimrat, Sie ha ben gewiß einen großen Bekanntenfreis-, wüß ten Sie nicht irgend eine Beschäftigung, ganz gleich, welcher Arb....!"

" Nein!" Es flang nicht schroff, diese Ableh­nung, und doch verletzte sie.

,, Sie dürfen mir nicht böse sein," fügte der

Geheimrat nach einer Weile hinzu. Es iſt Prin­

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zip, nach schlechten Erfahrungen...!" Ja- aber-" Hanns hatte von sich spre­chen wollen. Er brach ab. Der Geheimrat lächelte. Zug hinunter. Der Geheimrat lächelte noch int­Hanns Brunner stürzte das Glas in einem

mer.

Ich habe Sie eingeladen. Beleidigen Sie Als der Kellner den Wein brachte, faßte mich doch nicht, indem Sie meine Einladung Hanns Brunner Mut. Mit einem scheuen Blick ignorieren....!" sagte er wieder liebenswürdig vergewisserte er sich, daß er ohne Zeugen sprach. und schob Hanns Brunner das frisch gefüllte Glas Der Geheimrat mochte ihm angesehen haben, daß hin. er etwas auf dem Herzen trug und sah auf. Ich werde ihn um Geld bitten", dachte die­ Herr Geheimrat," begann Hanns Brunner fer und begann hastig zu essen. Es schmeckte ihm und bemerkte, daß seine Stimme einen fremden nicht. Er dachte an Gisela und an das Kind, und

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Geld

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Wie ein Schlag traf es Hanns Brunner. Oder war er betrunken, täuschte er sich? Ein irr sinniger Haß ergriff ihn...

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,, Sie trinken zu viel, Doktorchen und ver geſſen mich...!" Was war das? Die furzatmige Stimme des dicken Geheimrats hatte wieder den alten behäbigen, gemütlichen Klang. Wohlgenähr und gutmütig glänzte das rosige Gesicht. Hanns Brunner stand auf. ,, Meine meine schon Frau wartet lange. verzeihen Sie ich-!" Er stopfte die Sand in die Manteltasche, um sie dem Ge­heimrat nicht reichen zu müssen, und ging. Eisigfalt schlug ihm die frische, naẞkalte Luft in das erhitzte Gesicht und er taumelte--

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( Fortsetzung folgt.)

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