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7. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen   sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowatischen Republit.

Kapitalistische Justiz.

Donnerstag. 11. August 1927.

Die lezte Nacht..

Maschinengewehre in Bereitschaft.

Boston, 10. August. Oberrichter Sanderson hörte Mittag die Einwände der Vertei­tiger Saccos und Vanzettis an, die gegen die Entscheidung, wonach ein Rechtsirrtum nicht vor­liege, Einspruch erhoben.

Sacco ist offenbar entschlossen, seinen bereits zwei Wochen währenden Hungerstreif bis zu letzt fortzusehen. Er hat auch heute abermals das Frühstück zurückgewiesen, ebenso wie Vanzetti. Die genaue Zeit der Hinrichtung ist noch nicht bestimmt.

Sacco ist apathisch, Vanzetti unruhig. Sacco hat sich geweigert, die ihm von seinem Ver­teidiger im Gefängnis vorgelegte Habeas- Corp us- Petition zu unterzeichnen. Er erklärte seinem Advokaten: Ich habe mich durch sieben Jahre genug gequält. Jetzt habe ich dessen bereits genug!"

Der Advokat Vanzettis erklärte, dieser habe seine Befriedigung darüber geäußert, daß ihm ein neues Gesuch um Aufschub der Strafe vorgelegt wurde. Er habe das betreffende Ansuchen sofort unterzeichnet.

Boston, 10. August.( Reuter.) Vor dem Gefängnis, in welchem sich Sacco und Vant= zetti befinden, wurde eine Batterie Maschinengewehre aufgestellt. Auch wurden an geeigne ten Stellen starke Reflektoren und starke Abteilungen bewaffneter Polizei postiert. Das Betre ten des Gefängnisses ist allen Personen verbot en, die keine besondere behördliche Bewilligung besitzen.

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Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich( rüb

Nr. 187.

führerin, ein hübsches Schulmädchen(?) mit cinem Bubilopf. Die Demonstranten haben auf ihren Marsch durch die Straßen vielfach Geschäfte demoliert und Fensterscheiben zertrümmert. Bor der Berliner   amerikanischen Botschaft. Berlin  

, 10. August. Vor der Berliner  amerikanischen Botschaft sammelten sich im Laufe des gestrigen Tages Demonstranten an, um gegen die bevorstehende Hinrichtung von Sacco und Vanzetti zu protestieren. Ein Schußpolizeiauf­gebot zerstreute jedoch sofort die Ansammlung. In den ersten Nachmittagsstunden wurde ein Demon strationszug ausgelöst. Zwei Demonstranten wurden verhaftet. Die Kommunisten veranstal= teten zwei Rundgebungen. Die Demonstranten brachten Hochrufe auf Sacco und Vanzetti aus und zogen durch die Königsstraße. Ein Ueberfall­Tommando drängte sie schließlich ab, worauf der Zug aufgelöst wurde. Einige Verhaftungen wur­den vorgenommen.

Neue Anschläge.

Diejenigen, welche vom Segen und der Notwendigkeit der kapitalistischen   Ordnung überzeugt sind oder deren freiwillige und un freiwillige Aufgabe es ist, die kapitalistische Gesellschaft und ihr Ausbeutungssystem zu verteidigen, können uns nicht genug davon er­zählen, wie wunderbar es den Menschen in einem Lande geht, wo sich der Kapitalismus jeit   einem Jahrhundert am freiesten entfalten fonnte. Sie weisen auf den märchenhaften Reichtum hin, der sich insbesondere nach dem Kriege über das Land ergoß und mit beson­derer Befriedigung wird gezeigt, daß auch die Arbeiter an diesem Reichtum Anteil haben. Sehet hin," so rufen sie, nach diesem glückli­chen Lande, wo der Arbeiter in einem Häus­chen mitten im Freien wohnt, im eigenen Garten seinen Kohl pflanzt und wo er mit sei­ner Familie am Wochenende im Auto an das Meer oder ins Gebirge fährt. Diese Arbei terschaft braucht keinen Sozialismus, die kapi­talistische Gesellschaft selbst hat ihr das Para­dies auf Erden geschaffen." Die Lobredner Amerikas   übersehen dabei, daß es nur eine schmale Schicht qualifizierter Arbeiter ist, die dieses Wohllebens teilhaftig wird. Sie über­sehen, daß in den Slums, den Massenquartie­ten amerikanischer Großstädte ein Elend schub für Sacco und Vanzetti wurde heute abends herrscht, welches dem Elend der europäischen in Aussicht gestellt, als der Gouverneur erklärte, Arbeiter nicht nachsteht, sie schweigen davon, New York, 9. August. Die New Yorker Paris  , 10. Auguft. Nach einer Meldung des daß der Arbeiter, wenn er 40 Jahre alt wird daß er den Antrag der Verteidiger auf Straf- Sacco- Vanzetti- Demonstrationen erreichten ihren und seine Sträfte dank seiner Nerven und Mus- auffschub in Erwägung ziehe. Gleichzeitig wurde Höhepunkt mit einer um 16 Uhr beginnenden New York Herald  " aus New York   wurden nach feln, übermäßig anspannenden 25jährigen Ar- mitgeteilt, daß die Sigung des Exekutivrates etwa 100.000 Personen beteiligten. Die Polizei teten Bersammlung in der Untergrundbahn neuer­Bersammlung auf dem Unionplay, an der sich Schluß einer für Sacco und Banzetti veranstal­beit nachlassen, aufs Pflaster fliegt, daß sich statt am Donnerstag bereits morgen abgehalten war auf den benachbarten Häuserdächern statio= Arbeiter mit Arsenifpräparaten noch eine Zeit- werden wird, da der Rat sich in der Frage eines niert. Es wurden Flugblätter verteilt, in denen lich zwei Bomben aufgefunden, die zu einer Zeit, lang aufrecht erhalten, damit sie dann umso Strafaufschubes zu äußern hat, falls Gouverneur Coolidge   und Fuller aufgefordert werden, die wo auf der Untergrundbahn der stärkste Verkehr schneller zusammenbrechen, und daß selbst, wenn Fuller damit einverstanden ist. Hinrichtung zu verhüten. Zwischenfälle haben stattfindet, zur Explosion gebracht werden sollten. sich nicht ereignet. es dem Arbeiter Amerikas   besser geht als sei­Joplin( Missouri  ), 10. Auguft. Durch eine nem europäischen   Stlassengenossen, der Anteil Eine Kronzeugin für die Unschuld der ftarke Dynamiterplosion wurden hier sechs Per­der amerikanischen Arbeiter an dem von ihnen Chicago  , 10. August  .( CPB.) Ein Demon- jonen verlegt. Die Explosion zerstörte zwei Häuser geschaffenen märchenhaften Reichtum nur ein strationszug von 4000 Personen versuchte heute und verursachte auch sonst großen Schaden. bescheidener ist, daß es nur Brocken sind, die in aller Frühe nach dem Geschäftsviertel zu mar- Buenos Aires  , 10. August. Heute früh auch für die amerikanischen   Arbeiter vom reich­schieren. Die Teilnehmer sangen die Inter  - explodierten hier zwei Bomben, die eine bei dem beladenen Tisch der kapitalistischen   Gesellschaft nationale und riefen in den Pausen: Erschlagt Juſt gebäude, die andere am Bahnhof von Velez­die Polizei!" Die Demonstranten wurden jedoch Sarsfield bei Buenos Aires  . nach einem Zusammenstoß mit den Polizeireserven zerstreut, wobei Tränengasbomben und Revolver in Tätigkeit traten. 76 Männer und vier Frauen wurden verhaftet; darunter befindet sich die An­

abfallen.

Doch ein Aufschub?

Boston, 9. August. Ein neuer Strafauf­

*

Verurteilten. New York  

, 10. August.( Eigenbericht.) Die Witive des einen der beiden Männer, die bei dem fälschlich Sacco und Vanzetti zugeschriebenen Raubüberfall ermordet wurden, hat an den Gou­berneur Fuller ein Schreiben gerichtet, in dem sie den Gouverneur bittet, die beiden Männer freizu lassen, da sie selbst nie an ihre Schuld geglaubt habe.

Massendemonstrationen.

Protest der Hunderttausende in New York  .

In Chicago. Chicago  

, 9. August. Eine Dynamitbombe mit elektrischem Zeitzünder, der auf 23 Uhr ein­gestellt war, wurde heute nachmittags in einem berfallenen Gebäude neben einem Postamt in der Madisonstraße von einem Landstreicher entdeckt, welcher das Uhrtiden hörte.

Maffenversicherungen gegen Unruheschäden in Boston. Boston, 10. August. Während der letzten 24 Stunden sind Versicherungsverträge wegen

Explosion, Streif, Brand und Unruheschäden abgeschlossen worden, die sich ungefähr auf 100 Millionen Dollar belaufen. Die Verträge betref fen eigentlich nur Boston   und seine Vororte.

Attentat auf Kowerda. Warichau, 10. August. Die in Wilna   lebende die Familie Kowerdas erhielt aus Grandenz ganges   auf dem Gefängnishof des Graudenzer Nachricht, daß Sowerda während eines Spazier Gefängnisses für Schwerverbrecher von einem Kommunisten überfallen und mit einem Eisen­stabe schwer verfekt wurde.

Die Folgen der gescheiterten Abrüstungstonferenz.

Daß aber die Vereinigten Staaten   in Wirklichkeit ein Opfer der in parlamentarische Formen gehüllten Diktatur der Bourgeoisie sind, das sehen wir an dem grausamen Spiel, durch welches diese Bourgeoisie die ganze Kul­den beiden Unschuldigen ein Justizmord besteckt, wenig mehr als ein Jahr später freige turwelt in Spannung hält und bestenfalls wenn die Hinrichtung Saccos und Vanzettis gangen wird, wie er feinesgleichen in der Ge- laſſen und kann sich in den Karlsbader Bars in letzter Stunde aufgeschoben wird- noch schichte der Ziviliſten kaum findet. Mit bei Champagner und Charleſton   erholen. Wahr­eine Zeitlang in Spannung erhalten wird. Schmach und Schande wird die Nachwelt das haftig, es ist etwas Herrliches um das Recht in Man hat die Graujamfeit der amerikanischen   Land des Sternenbanners bedecken, und in der der bürgerlichen Gesellschaft, um die Stultur Polizei und Gerichte seit dem furchtbaren Ar- Geschichte der amerikanischen   Bourgeoisie bleibt des Sapitalismus, von der viele fürchten, daß beitermorde in Chicago   1887 oft beobachten hier ein dunkler Fleck, der nicht auszulöschen sie die Arbeiter zerstören fönnten! Die fa­fönnen. Bei jedem Streif, bei jeder Demonstra- sein wird, wenn das Unglaubliche geschehen pitalistische Justiz ist in Wahrheit das Syim­tion anaridhieren die Polizisten der freien wird. Der ganzen Menschheit ist es heute of bol einer Zeit und Menschheit, deren Stultur selbst wenn die Hinrichtung noch sich in unaushaltsamem Niedergange befindet, fenbar, Republik  " und die Pinkertons der Großkapi- fenbar, talisten auf, um die Arbeiter niederzuschießen. aufgeschoben wird daß das amerikanische   daß auf der schiefen Ebene des Kapitalismus Es gibt kein Land, mit Ausnahme von Ita- Bürgertum eine fulturloje, jeder höheren Emp- alles hinuntergeschleudert wird, was die Mensch lien, wo die Abwehrkämpfe der Arbeiterschaft findung bare Geſellſchaftsschichte ist, die nichts heit auf ihre Stulturentwidlung stolz gemacht mit einer solchen Brutalität niedergeschlagen anderes im Auge hat, als mit allen Mitteln hat. Es ist die heiligste Aufgabe eines jeden, mit einer solchen Brutalität niedergeschlagen Geld zu verdienen und die Maffen der Bevöl- der an den Fortschritt der Menschheit glaubt, werden, wie eben in den Vereinigten Staaten  . Das ist in dem großen Industrieland, das ferung zum Ausbeutungs- und Herrschafts- der dafür eintritt, daß die edelsten Güter der 20 Millionen Industriearbeiter zählt, nur objekt, zum Gegenstand der niedersten Triebe Stultur ein Besitz der Allgemeinheit und ein unveränderliches, inneres Besitztum der Gesell­der herrschenden Klassen zu machen. möglich infolge des geringen Klassenbewußtseins der ameri Die Schande der Justiz in allen fapitali- fchaft werden, dieser ganzen kapitalistischen  Tanischen Arbeiter und der Schwäche ſtiſchen Staaten wird das charakteristische Merk- Gesellschaft den Fehdehandschuh hinzuwerfen ihrer politischen Bewegung. Amerifas mal des Rechtssprechens unserer Zeit über- und allen ihren Verteidigern und Beschüßern, Arbeiter bilden keine politische Partei, sie sind haupt. Jahrelang mußten es alle Menschen, ihren Nußnießern unerbittlichen und unver­programmes, welches dem Kongreß vorgelegt die Sintersassen der beiden das Land seit mehr denen richterliche Gerechtigkeit etwas Seiliges föhnlichen Stampf anzusagen. als 100 Jahren regierenden bürgerlichen Par- und eine der ernſtesten Fragen der Völker und Seit dem Auftreten von Karl Marr wij werden soll, sind noch nicht festgesetzt. Es ver­lautet, daß das Marinedepartement den. Bau teien, die nichts anderes sind als das politische Staaten ist, blutenden Herzens mitanschen, sen wir, daß es nur eine Kraft gibt, die die von 12 neuen 10,000 Tonnen Kreuzern mit acht Tonnen- Kreuzern Instrument des amerikanischen   Großkapitales. wie in Deutschland   Mörder freigesprochen ser Welt des Unrechts, der Grausamkeit und zölligen Geschüßen herstellt. Für den Bau der So kann es sich auch die amerikanische   Bour- wurden, nur weil sie ihre Mordlust an Arbei- der Unkultur ein Ende seßen kann: das um vom Kongres bereits genehmigten acht neuen geoisie erlauben, eine Klassenjustiz zu üben, die tern und deren Führern ausließen, daß gemeine seine Befreiung fämpfende Proletariat. Der Streuzer wurde Bolldampf voraus" aubefohlen. alles, was in Europa   in den letzten Jahren an Mordbuben von der bürgerlichen Gesellschaft Stampf gegen die fapitalistische Unkultur und Es wurde beschloffen, daß diese Schiffe innerhalb laffenurteilen vorgekommen ist, noch über- geehrt und gefeiert wurden. Kaum drei Wo- gegen die Klaffenjuftiz, die in allen Ländern von drei Jahren in Dienst gestellt werden sollen. trifft. Zwei Menschen, von deren Unschuld chen sind es her, da waren wir Zeugen deffen, ihr schändliches Werk betreibt, ist ein Kampf die ganze Kulturwelt überzeugt ist, werden sie wie in Oesterreich   Mörder freigesprochen um die Macht. Nur die Eroberung der ben Jahre lang in der fürchterlichen Qual be- wurden, die ohne Grund, rein aus Mordlust politischen Macht durch die Männer und Frauen laffen, jede minute den Tod im elftrischen Arbeiter erschlugen. Während jeder Arbeits- der Arbeit kann die fapitalistische Hölle auf Stuhl erleiden zu können. Und die Gnade, die lose, der aus Verzweiflung etwas stiehlt, mit Erden, in der der arbeitende Mensch, man ihnen vielleicht noch erweisen wird, be- Sicherheit auf eine Verurteilung rechnen kann, Schöpfer aller Kulturwerte, nichts gilt, und wo steht darin, daß sie diese Todesqualen noch die ihn monatelang ins Gefängnis bringt, weder im Kriege noch im Frieden ein Men­weiter erleiden sollen! Das Gewissen Das Gewissen der wird ein Angehöriger der bürgerlichen Klaffen, schenleben heilig ist, beseitigt werden. gonzen   Welt Gäumt sich dagegen auf, daß an der seinen Vater ermordet, ins Irrenhaus ge­

wis­

der

Amerila baut zwölf neue Sireuzer. Rapid City  , 9. August. Coolidge   billigte das vom Marinedepartement aufgestellte Ban programm, das in offiziellen Streifen als gemä­Bigi bezeichnet wird. Die Einzelheiten des Bau­

Nüidgang der Arbeitslosigkeit in  

Deutschland. Berlin  

, 10. August.( Eigenbericht.) In der zweiten Julihälfte ist die Zahl der Hauptunter­ftübungsempfänger von 492.000 auf 453.000 oder um rund 8 Prozent zurückgegangen; die Zahl der Zuschlagsempfänger hat sich von 544.000 auf 503.000 vermindert.