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7. Jahrgang.

S

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.

Sonntag, 18. September 1927.

Eine Boltsabſtimmung. So sieht der tschechische Militarismus aus!

Die Gesamtheit des judetendeutschen Volkes hatte, seit sie diesem Staate angehört, noch nie Gelegenheit, durch ein Votum auf breitester Grundlage auszusprechen, unter welchen Ver­hältnissen sie ihre politischen und kulturellen Rechte im Staate gewährleistet sieht. Die Ver­fassung der Republik   ist ohne die Deuts chen beschlossen worden. Man hat uns nicht gefragt, ob wir diesem oder einem anderen Staate angehören wollen, man hat uns das Recht verweigert, uns in diesem Staate nadj unjeren Bedürfnissen einzurichten. Das Recht der freien Selbstbestimmung seines Schicksals wurde dem judetendeutschen Volke durch die Friedensverträge verweigert. So fam es nie zu einer demokratischen Entscheidung über unsere Staatszugehörigkeit, nur die Forderun­gen der führenden politischen Parteien konnten als Meinungsäußerung des Volkes gedeutet werden. Aber auch diese Forderungen liefen im

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Was Reservisten erzählen: Wer fußmarod ist, wird eingesperrt. Der Arzt kommt durch drei Sage nicht zur Bisite. Unerhörte Brutalitäten eines Feldwebels.- Beschimpfungen durch einen chauvinistischen Offizier. Ein Soldat wegen einer Lappalie mit der Reitpeitsche

geschlagen!

Ein Genosse schickt uns über seine Erlebnisse und Eindrücke bei der Waffenübung folgenden Bericht, für dessen Wahrheit er mit seinem Worte einsteht. Würden alle reden die Anklagen gegen den tschechoslowakischen Militarismus wären erdrüdend. Es ge­genügt aber wohl nach dem Vielen, das wir sonst schon über dieses Rapite! berichteten, das folgende, um neue Empörung gegen ein unerhörtes System wachzurufen, das die Sün den des altösterreichischen Militarismus fast in den Schatten stellt, und den antimilitari­stischen Kampf zu steigern, der sich gegen die tschechische wie gegen die deutsche   Bourgeoisie zu richten, de deren politische Parteien als Knechte Švehlas, Kramařs und Udržals mitverantwortlich sind für diesen Militarismus, den sie mit einem riesigen Budget und einem beispiellosen Rüstungsfonds großziehen.

Borgeschmad der Dinge, die da kommen sollten.

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Nr. 219.

glänzende Organisation kennen lernen, denn nun war es für uns noch nicht möglich, es waren fchon andere vorgemerkt. Also erst die Mann­schaft durch zu lange Märsche hinmachen und dann warten lassen! Dasselbe am übernächsten Tage: wiederum Pause, weil der Schießplatz nicht frei war. Da alle nur erdenkliche Arbeit schon verrichtet war und ein freier Tag im Militär­leben ja nicht existieren darf, wurde zu allem Möglichen gegriffen, um nur Arbeit zu schaffen.

So mußte einem Meierhofpächter Feldarbeit geleistet werden,

es wurden Leute zum Schein auf Beobachtung geschickt usw. usw.

Endlich kam der letzte Tag des Scharfschie­zens, der 27. August. Unsere Batterie schoß ziem lich gut und es sprach sich sogar der Brigadier sehr lobend darüber aus.( Warum ich dies er­wähne, werden wir noch sehen.) Dann ging es am selben Tage noch etwa 15 kilometer weiter, am nächstfolgenden Tage, den 28. Auguſt( Sonn­tag) sirfa 20 Stilometer. Dann sollten die eigent lichen Manöver beginnen. Am 29. August wurde um 4 Uhr früh aufgebrochen und nun ging es los. Gegen 10 Uhr vormittag ging die Schießze= rei los und währte ungefähr bis gegen Mittag. Seit drei Tagen war der Arzt nicht mehr zur Marodenvisit gekommen,

gab er dem Burschen mit dem Knie cinen Stoß in die Hüftgegend

Jahre 1919 vor allem darauf hinaus, dem Wiederholt haben in diesem Blatte Reser- und der auch allerlei sonstigen Unrat mitführt, Volke überhaupt das Recht zu gewähren, über visten erzählt, wie es gegenwärtig im tschechoslo gewaschen werden. Am 20. Auguſt ging es ins feine Staatszugehörigkeit entscheiden zu fön- walischen Heere aussicht. Nun will auch ich einige Manöver. Vorher mußte aber unsere Abteilung nen, waren nur soweit ein erklärtes Bekenntnis Beispiele anführen, die beweisen dürften, daß sich noch zum Scharfschießen in der Umgebung von zu einem beſtimmten Staat, als durch die Ve- Desterreich nichts geändert hat, ja daß es im Ge- fähr 75 Stilometer und wurde auf drei Tage auf da er immer in einem anderen Orte einquartiert an dem ganzen System gegenüber dem alten Sorazdowitz. Der Marsch dorthin betrug unge schlüsse der liquidierenden, parlamentarischen genteil noch schlechter geworden ist. Körperschaften des alten Oesterreich die staat­geteilt, und zwar so, daß am ersten Tage 35 Stilo Wie viele andere, mußte auch ich am 17. meter bis Klattan zurückgelegt wurden, so daß war. So mancher von den Soldaten konnte nicht lichen Hoheitsrechte in den judetendeutschen August zur Ableistung einer dreiwöchigen Waffen( insbesondere infolge des schlechten Schuhwerks) mehr recht fort. Das war auch bei einem aktiv Gebieten zunächst auf die deutschösterreichische übung einrüden, und zwar zur zweiten Batterie schon am ersten Tage sehr viel Fußmarode unter dienenden ungarischen Juden der Republik   übergingen. Wir wurden dem Staate der Gebirgs- Artillerie Abteilung 252 nach Do- den Reservisten waren. Trotzdem wagte sich Fall und da er gerade ein freies Tragtier führte, einverleibt, ohne daß wir um unseren Willen mažlice( Taus) im Böhmerwalde. Schon bei der keiner zur Marodenvisite, da es beim o legte er einen Rucksack auf das Tier. Als der dienst führende Rottmister 3 acha= gefragt wurden, wir wurden einer Verfassung Visite beim Einrüden bekamen wir einen einen Ausmarsch geheißen hatte: riaš dies bemerkte, verpflichtet, die ohne unsere Mitarbeit entstan- Der diensthabende Arzt fragte zwar jeden, ob ihm wer fußmarod wird, wird eingesperrt. den war. Die deutsche   Minderheit im etwas fehle, aber von einigen 80 Reservisten wur- Am zweiten Tage( Sonntag) ging es wiederum schechoslowakischen Staat spielte die Rolle der den nur zwei zur Konstatierung nach Pilfen ge- 25 Kilometer, und zwar, in sengender Sonnen­Bevölkerung einer annektierten schickt. Alle übrigen, die sich als nicht ganz ge- hitze und da zeigte sich, daß eben doch eine Anzahl und sagte noch, als er von ihm aufmerksam ge­Provinz. sund meldeten, wurden mit höhnischen Re- nicht mehr mitkonnte, andere wieder nur mühsam macht wurde, daß er wegen offenen Füßen kaum Die ersten Wahlen in die National- den abgefertigt. Bei der Befehlsausgabe sich fortschleppten, um nicht abzukommen. Das laufen könne, versammlung konnten wohl in ausschließendem, am ersten Tage wurde uns gefagt, daß diese drei Ergebnis der Marodenvisite war, daß doch ein er solle den Mund halten, sonst werde er mit negativem Sinne als Plebiszit gelten: sie be- Wochen ein Erholungsurlaub für uns Teil der Mannschaft mit leichten Schuhen bete: It ihm in den Busch gehen und ihm ,, ein paar wiesen, daß die Deutschen   in der Tschechoslowa- sein werden und daß wir, da unsere Abteilung wurde, andere gefahren werden mußten. Aber herunter hauen". an den Manövern teilnimmt, viele neue Gegenden gleichzeitig fonnte beobachtet werden, daß die aus kei die oftronierte Verfassung als ein Unrecht sehen werden und daß uns daher sozusagen dem Striege bekannten Allheilmittel wie Jod, Diefer Suppat", der sich immer mit seinen 18 und als Quelle steter Stämpfe ansahen. Als etwas zu teil wird, was wir uns in Aspirin und Opium auch ins tschechische Dienstjahren brüstete, war überhaupt em feiner bejahendes Bekenntnis zu einem bestimmten 3ivil nicht leisten können. Beer übernommen wurden und als allein Kerl. Die ordinärsten und gemeinsten Programm waren aber die Wahlen von 1920. Daß sich gegen früher nichts geändert hat, helfende Medizin verabfolgt werden. Der Ausdrücke, die man hier in der Zeitung gar nicht zu werten. Die Forderungen aller Par- bewiesen mir sofort auch die Zustände in der dritte Tag brachte noch etwa 15 Kilometer nicht widergeben kann, standen auf seinem Re­teien aipfelten in dem Verlangen nach natio- Stajerne. Es mußten zum Beispiel die ganz ver- Marsch, die von den meisten so ziemlich ausgehal pertoir und wehe demjenigen, der bei ihm in naler Selbstverwaltung und der Wähler fonnte rosteten Eßschalen nach der Menage in einem ten wurden. Am nächsten Tage sollte das Scharf- Ungnade verfallen war! Auf alle erdent­wohl der eiren oder anderen Partei größeres schmutzigen Bache, der einem Freibade entfließt schießen beginnen. Aber schon mußten wir die liche Art wurde dieses Opfer zur Vertrouen schenken, die Sozialdemokratie für========= ▪▪▪▪▪▪▪ zuverlässiger, die Bürgerlichen nach allen Er­Zum erstenmal wird mit dem Bündel| Zeugnis, das Mayer und Hanreich, das die Autonomie oder Polizeiherr­af­fahrungen der Geschichte für fragwürdige Vor- Kandidatenlisten dem Wähler die Frage vorge- livistischen Minister selbst, das Szent- Ivanyi Autonomie kämpfer der Autonomie halten, rein natio- legt, ob er in diesem Staate als Angehöriger ablegten, daß die Landbündler, Christlichsozia-| chaft, nationale Selbstverwaltung nelpolitisch stand er vorfeiner Ent- einer freien oder einer gefnechteten Nation len und Gewerbeparteiler bedingungs- oder Spinasche Symbioje?! scheidung. Erst in den ersten Jahren par- leben will, ob er fämpfen will um das Recht los in die Regierung eingetreten sind, daß Die Gemeindewahlen werden eine lementarischen Kampfes in der Republik   ent- der nationalen Selbstverwaltung unserer ful- fie nie die Forderung nach der Autonomie er Volks a bit immung sein, die erste Volks stand auch der Streit über die Metho- turellen und sozialen Einrichtungen, oder ob er hoben, daß sie nie versucht haben, ihr Pro- abstimmung der Sudetendeutschen  . Wir haben den, mit denen die Parteien zu dem angeblich sich damit zufrieden gibt, daß die regierenden gramm zur Tat werden zu lassen. In der acht Jahre um die nationale Autonomie ge­gleichen Ziel, der nationalen Selbstverwaltung Parteien stohleneinsuhrscheine und Restgüter teten Angst, ein paar Monate später an die fämpft. Wollen wir weiter um sie kämp= gefangen wollten. Im November 1925 wurde als Entlohnung für ihre Mitarbeit beziehen. Krippe zu kommen, in dem Wettlauf nach den fen? Dann müssen die Wahlen ein deutliches um den einzuschlagenden Weg erbittert ge- Denn in den anderthalb Jahren, die feit Ministerstühlen haben sie das Prinzip der Votum gegen den Aktivismus er­fämpft. Im bürgerlichen Lager wurde der dem Zerfall der alinationalen Stoalition ver- nationalen Autonomie verraten. geben. Wollen wir freiwillig Knechte Streit um Aktivismus und Negatiflossen sind, hatte eine Gruppe deutscher Par- und als ob es noch einer Bestätigung ihres werden? Dann müſſen die Wahlen mit einem vismus ausgetragen. Aber noch immer war teien, eben der aftivistische Flügel unseres Bür- Verrates vom Oktober 1926 bedurft hätte, Sieg der Regierungsparteien der deutsche Staatsbürger nur vor die Wahl gertums, Gelegenheit, durch die Tat zu be- haben die aktivistischen Parteien bei der Gesetzenden. 1919 hat man uns nicht um unseren gestellt, für die nationale Selbstverwaltung zu zeugen, ob er es mit seinem Programm ernit werdung der Verwaltungreform mit- Willen gefragt. 1920 schien dieser Wille ein­kämpfen oder auf die von den Deutschnatio- meint. Die 2andbündler, Christlich gewirft. Sie haben die spärlichen Anjäße einer hellig und es gab feine Stimme gegen die nalen erhoffte Silfe von außen feine Karte zu sozialen und Gewerbeparteiler lokalen und regionalen Selbstverwaltung, die Autonomieforderung. 1925 stritt man um den jeßen. Der politisch einſichtige Wähler mußte haben in ihren Programmen die nationale das Gaugesetz und die alte Gemeindeordnung Weg. Jetzt fragt man uns. Jetzt steht das natürlich schon damals wissen, daß der deutsch  - Selbstverwaltung als ihr Ziel bezeichnet. fie darstellten, beseitigt, sie haben die letzten Reste Sudetendeutschtum vor der folgenschwersten bürgerliche Aktivismus die nationale Selbst- haben den Wählern jahrelang einen phrasen- der Autonomie ausgetilgt aus den Geseßen der Entscheidung, die es seit dem Zusammenbruch verwaltung nicht ehrlich erstrebte, sondern nur reichen Stampf um das Piel der Autonomie vor- Republik, sie haben die politische Verwaltung, zu fällen hat: Gleichberechtigung oder Aktivis­als Vorwand benüßte. Aber auf dem Papier getäuscht. Die aftivistischen Parteien konnten die Verwaltung der sozialen und kulturellen mus, Freiheit oder Knechtschaft! Jede Stimme, waren die Forderungen der Aktivisten von den als Parteien der Regierungsmehrheit, als Bar- Einrichtungen der Nationen, der Willkür der die für die Landbündler, Christlichsozialen oder unsrigen wenig verschieden. Nationale Selbst- teien, die im Kabinett vertreten sind, den ersten Bürokraten ausgeliefert. Der Pendrek wird Gewerbeparteiler abgegeben wird, ist eine verwaltung" galt dem quigläubigen, naiven Versuch machen, die Autonomie zu erkämpfen. allmächtig sein im Staate und die deutschen Stimme für die Verwaltungsreform, bedeutet Wähler gegenüber hier wie dort als fest ge- Sie haben diesen Versuch nicht Aktivisten haben mitgeholfen, ihn zum Wahr freiwilligen Verzicht auf das Recht der Selbst­prägte Parole des Wohlkampfes. unternommen. Und das ist ihr großes zeichen der neuen Ordnung zu machen. Wir verwaltung. Jede Stimme, die für die Sozial­Wie anders marschieren heute die Parteien historisches Verbrechen! Daß die Aftreten in einen Gemeindewahlkampf, aber die demokratie abgegeben wird, bedeutet das Be­zum Wahlkampf auf! In einem Jahr hat sich iiviſten die Autonomie nicht erreicht haben, Macht in den Gemeindeſtuben, um die ge- kenntnis zum Stampfe um unser Recht. Netzt eine tiefe Wandlung vollzogen, die den Wähler würde unter anderen Umständen vielleicht gegen rungen wird, ist längst den Bürokraten aus fragen uns die Tschechen selbst nach unserem im Oktober 1927 vor ganz andere Aufgaben ihre Methoden, nicht gegen ihre Absichten geliefert; wir kämpfen für Sozial- und Kultur- Willen, jetzt erwartet die herrschende Nation stellt, als er noch im Frühjahr 1926 vorgefun- sprechen. Daß sie aber nicht versucht haben, politik in den Gemeinden, aber das Finanz- mit Spannung die Entscheidung der Minder­den hätte. Jetzt geht es nicht mehr um die sie zu erkämpfen, das richtet sie als Voffsver- gesetz des Bürgerblocks bindet auch der fort- heit. Sampf oder Unterwerfuna. Methode, jest geht es um das Pinzi p. räter, das zieht zwischen ihnen und den übrigen schrittlichsten Gemeindeverwaltung die Sände. das ist die Frage, die jeder Wähler in Nicht über den Weg, sondern über deutschen Parteien nationalpolitisch einen Tren- Wir können nicht um die Macht in den Ge- wenigen Wochen beantworten wird, wenn er bas Ziel unserer nationalen Po- nungsstrich, diesseits und jenseits, dessen sich meinden kämpfen, ohne zunächst um die Frei- den bürgerlichen oder sozialdemo litif a role erit in wenigen nicht mehr Methoden, sondern Grundsäße heit der Gemeinden zu kämpfen. Jetzt fratischen Stimmzettel in die Wochen abzustimmen haben. gegenüberstehen. Wir wissen heute, nach dem steht der deutsche Wähler vor einer klaren na- urne wirft.