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7. Jahrgang.

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republit.

Geraubte Rechte.

Donnerstag, 22. September 1927.

Wähler is bereit!

Wenn im heurigen Jahre, und zwar schon in wenigen Wochen, die Gemeindewähler zur Bahlurne schreiten werden, dann werden sie sich die Tatsache vor Augen halten müssen, daß ihr Stimmzettel wertloser geworden ist, als er es bei den leßten Ge= meindewahlen im Jahre 1923 ge­wesen ist. Das verdanken sie den deutschen  Regierungsparteien Agrariern, Christlich­jozialen und Gewerbeparteilern welche im Barlamente die Zustimmung zu einem Gesetze gegeben haben, das die Gemeindeverwaltungen unter die Kuratel- Surate b: das Hohn­wort stand ausdrücklich im Moti. benbericht zu dem Gesetze!- der staatlichen Bürokratie stellt, ihnen das Budget­recht verkümmert, sie an Händen und Füßen jesselt. Die österreichische Reaktion war borniert und engherzig, aber sie war erhaben gegenüber der tschechoslowakischen Reaktion, bei der die deutschbürgerlichen Parteien das wichtigste Schwungrad bilden. Unendlich vieles kann gegen die Gemeindeverwaltungen zur Zeit Desterreichs eingewendet werden, die Gemeinde­wahlordnung verriegelte den breiten Massen den Zutritt zu den Gemeindestuben, aber die Gemeindeordnung fußte immerhin auf dem Grundsaße der freien Gemeinde. Der Kampf um die Schule im Reich. Freie Gemeinde, das war ein Losungswort der bürgerlichen Revolution, das zur Herrschaft ge­Berlin, 21. September.  ( Eigenbericht.) Die langte Bürgertum hat es wie so viele andere parlamentarische Lage für den Schulgefebentwurf seiner früheren Ideale schmählich verraten. Big bat jetzt eine bemerkenswerte Aenderung erfahren. Die preußische Regierung nahm gestern einstim­her besaßen die Gemeinden bis auf gewisse Be- mig eine ganze Reihe von Abänderungsanträgen schränkungen das Recht, ihre Auslagen, ihre an. Danach sollen nicht, wie es die Vorlage des Finanzwirtschaft selbst und unabhängig zu be- deutschnationalen Reichsinnenminiſters will, die

Wahrscheinlicher Wahltermin ber 16. Oktober.

Wie wir aus verläßlicher Quelle erfahren, steht die Ausschreibung der Ge­meindewahlen unmittelbar bevor. Es scheint den Koalitionsparteien doch noch ge­lungen zu sein, den Innenminister, der die Wahlen am 23. Oftober abhalten wollte, für eine Vorverlegung des Termines auf den 16. Oktober zu gewinnen. Durch eine Abkürzung des Wahlkampfes auf knappe drei Wochen soll, ebenso wie durch die räumliche Be­schränkung des Kampses auf die Landge meinden, eine gründliche Abrechnung mit den Regierungsparteien verhindert und der Bürgerblod vor einer Niederlage be= wahrt werden. Es gilt daher, bereit zu sein und, wenn die Ausschreibung der Wahlen tatsächlich für den jetzt denkbar frühesten Ter min erfolgt, durch Energie der Agitation das ein­zuholen, was die Regierung durch die Abkürzung und Einschränkung des Kampjes voraus­zuhaben glaubt. Unsere Vertrauensmänner müssen bereit sein, in den nächsten Tagen den Wahlkampf beginnen zu lassen.

Die Bürgerregierung hat mit dem skandalösen Hinausziehen der Wahlaus­schreibung, mit dem bewußten Verstedspielen und Rätselraten, das von den Re­gierungsstellen inszeniert wurde, aufs neue be wiesen, daß sie die Demokratie nur als Dec­mantel ihrer diktatorischen Herrschaftsgelüfte ansicht und glaubt, den Wählern alles bieten zu können. In keinem Staate mit demokratischen Regierungsformen wäre es möglich, das Volk wie hier monatelang bewußt zum Narre zu halten.

Die einzig schlagfertige Antwort auf diese Verhöhnung der Volkssouveränität durch eine übermütige Regierung ist die Absage der Wähler an den Bürgerblock. Ihm. troß seiner Manöver eine Niederlage zu berei ten, muß die Aufgabe unseres Rampjes in den nächsten Wochen sein.

stimmen, nur bei Aufnahme von Darlehen und Konfessionsschulen die Regelschulen sein, sondern bei Verkauf von unbeweglichem Gemeindegut die Gemeinschaftsschule, wie es auch in der Reichs­waren sie an die Zustimmung einer höheren berfassung vorgeschrieben ist. Zweifellos wird der Instanz gebunden. Das von den Deutschbürger- Reichsrat den Beschlüssen der preußischen Regica lichen mitbeschlossene Gemeindefinanz- rung zustimmen, und es fragt sich, welche Sonje­quenzen die Reichsregierung daraus ziehen wird. gesetz macht die Gemeindeverwaltungen zu Auf jeden Fall wird das Zentrum im Reichstag  Schattengebilden, nimmt ihnen jede zeigen müssen, ob es die Wünsche der Deutsch­Selbständigkeit, erniedrigt sie, um sie an der nationalen erfüllen oder mit seinen Parteigenossen Erfüllung ihrer sozialpolitischen, humanitären in Preußen konform vorgehen will. und fulturellen Tätigkeit zu hindern, zu Hö­rigen der staatlichen Bürokratie. Die freie Gemeinde, der Begriff gehört der Paris  , 21. September. Der Sekretär des Vergangenheit an, das Bürgertum hat ihm, Sacco und Vanzettiausschusses, Lecoin, der zu um das Wahlrecht der arbeitenden Massen zu Beginn der Festversammlung der amerikanischen  entwerten, vernichtet!

Poincaré   schützt Fuller.

He's Warin   mit dem Rufe Es lebe Sacco und Regionen im Trocadero die Ansprache des Mini sters Vanzetti" unterbrochen hatte, wurde heute in die gerichtliche Untersuchung eingeliefert und wird wegen der Gutheizung des Verbrechens des Mor­des angeklagt werden.

Der Blutprälat will seinen Schober nicht mißen.

Wien  , 21. September.  ( AN.) Bundeskanzler Dr. Seipel hat an den Polizeipräsidenten Schober ein Schreiben gerichtet, worin er daran erinnert, daß er ihn auf das wiederholt aus Geſundheits­rüidjichten gestellte Pensionsgesuch- das leßte datiert vom 4. April- immer wieder ersucht habe, auf der Demission nicht zu bestehen. Mit Rüdsicht darauf, daß das Land seine Arbeitskraft noch feineswegs entbehren könne, was durch die Ereignisse der letzten Monate sich auss neue er wiesen habe, habe der Ministerrat beschlossen, dem Pensionsgesuch nicht stattzugeben und den Polizei­präsidenten zu ersuchen, dasselbe zurückzuziehen.

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Nr. 222.

Frau und Völkerbund.  

Genf, Mitte September 1927.

1920 waren in   Genf sechs deutsche Journa fiften, 1924 ctiva 20, und heute sind es ihrer etiva 60. Sie sißen in der Völkerbundsversamm lung auf der unteren der zwei Tribünen, zur rech ten Seite des Präsidenten. Da befindet sich dies. mal in der letzten Reihe, mitten unter den deut­ schen   Journalisten, eine Engländerin, die fast feiner oder gar feiner fennt. Durch ihren Kneifer beobachtet sie jede Bewegung im Saal. Hin und wieder gibt es dann Falten auf ihrer Stirn und über ihrem ganz unmodischen Kleid. Diese Frau ist H. M. Swanwick, die Herausgeberin von " Foreign Affaires", jener großen Londoner   außen politischen Zeitschrift, die einst von dem verstor benen Genossen E. D. Morel   herausgegeben wurde, zu dessen Zeiten besonders seine Anklagen gegen den englischen Kolonialimperialismus star­fes Aufsehen erregten.

Nachdem es nun seit dem vorigen Jahre üblich zu werden, scheint, daß die im Völkerbund anwesenden Frauen besondere Sufammenfünfte in   Genf während der Tagung abhalten( ähnlich wie sich die Sozialisten in diesem Jahre zunt ersten Male im Foyer socialiste internationale" trafen), wurde auch jetzt eine flemere Frauen­versammlung einberufen. Swanwick, die bei der Völkerbundversammlung, welche unter Macdonald stattfand, Delegierte war, die Dänin Henny Forchhammer( Delegierte bei der augenblick­Larsen Jahn( ebenfalls Delegierte bei der lichen Tagung) und die Norwegerin Martha jeßigen Völkerbundsversammlung) fetzten foebeit einem fast nur aus Frauen zusammengeseßzien Publikum im Rahmen der Genfer Internatio nalen Frauenliga für Frieden und Freiheit" die besonderen Aufgaben der Frau im Völkerbund  auseinander.

Es ist eine stete Klage der Frauen, daß man sie fast nur in die fünfte Kommission stedt, die sich mit dem Opium, dem Mädchenhandel und den sozialen Fragen zu beschäftigen hat. Nur in der Mandatskommission ist noch Frau Bugge­Widfell als norwegische Delegierie. In der Av­rüstungsfommission fist feine einzige Frau, als ob nicht gerade über diese Frage aus Frauenmund viel mehr und vielleicht viel Beſſeres gesprochen werden könnte, als zum Beispiel von dem italie­nischen Delegierten der Abrüstungskommission, dem ewigen Bremser, General Marinis! Auch die rumänische Delegierte Helene Vacaresco   wurde in die fünfte Kommission geschickt.

Auch Swanwick betonte, wie ihr Vorgänger Morel, die ungeheure Wichtigkeit eines scharfent Stampfes gegen das Kolonialsystem! Wir sprechen hier oft von Striegen. Aber es gibt etwas Schlim­meres als den schlimmsten der Kriege! Das ist Nie wurde eine größere Lüge in die Welt gesetzt, als der von den gesamten bürgerlichen gelassen hätten. Dennoch vollbrachten die So-| definanzgesey Zeugnis ab. Da heißt es: Die die Tatsache, daß es möglich ist, daß weiße Män Parteien bei den Gemeindewahlen im Jahre zialdemokraten vieles in schwerster Zeit, was Zeit nach dem Umsturz hat gezeigt, daß viele ner zu farbigen kommen dürfen und ihr Land 1923 propagierte Wahlschlager: die Sozial- die Bürgerlichen, ohne Verständnis für die so- Störperschaften nicht vernünftig von der rauben, ihre Freiheit stehlen und ihren Frieden demokratie habe versagt". Eben zialen Ausgaben der Zeit, jahrzehntelang ver- Selbständigkeit und Macht Gebrauch zu machen stören fönnen. Man sage nicht, daß ein Kampf gegen das Kolonialsystem ja doch nichts nüße. weil die Sozialdemokratie nicht versagt fäumt hatten. In der Verwaltung, auf dem verstehen, welche ihnen die alte Gemeindeord- Worels Feldzug hat sogar Befferungen im bel hat, sondern in den Gemeindeverwaltungen mit Gebiete des Gesundheitswesens, der Wohnung aus dem Jahre 1864 zuerkannt hat. Im gischen Stongo erzwingen können!" aller Straft das von den proletarischen Wählern nungsfürsorge, der Lebensmittelkontrolle, der Interesse der Allgemeinheit zeigt es sich als Die Internationale Frauenliga für Frieden in sie gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen suchte, Volksküchen, der Schulkinderfürsorge, aber auch notwendig, sie unter Suratel zu stei und Freiheit" ist erst vor einer Woche auf diesem haben tschechische und deutsche Bürgerliche das in der Errichtung sozialer und fultureller Wohllen und ihre Selbständigkeit zu beschränken." Wege vorangegangen, indem sie in Gland   eine Gemeindefinanzgesetz geschaffen. Nie wieder fahrtsanstalten, wie Spitäler, Tagesheimstätten, Mit anderen Worten: die Selbständigkeit der Eisenbahnstunde von   Genf eine Internatio jollen Sozialdemokraten, wo immer sie die Bäder, Kinderspielplätze, Armenhäuser, Kinder- Gemeinden wird unter das ihnen im Jahre nale Sommerschule" organisierte, die unter Teil­Mehrheit in einer Gemeinde erringen, die Ge- heime leisteten sie, wozu die früheren 1864(!) gesteckte Maß zurückgerüdt und die nahme von Romain Rolland   ausschließlich der meindeverwaltung zu einem Instrument Gemeindeverwaltungen nie zu Gemeinden werden unter Seuratel gestellt, weil Erörterung der Beziehungen von weißen und far­In Gland der Volks- und Arbeiter fürsorge bewegen waren. Heute noch zeigen sich, sie eine Zeitlang unter sozialistischem Einflußigen Menschen gewidmet war. sprachen unter anderem auch Indochinesen über machen können- da 3 ist das Leitmo- auf hunderte Gemeinden verteilt, die Spuren mit der Erfüllung ihrer ſozialen und humani- die Besserungen, welche Alexandre Varenne   in tären Aufgaben Ernst gemacht haben. Die darin Indochina   seit zwei Jahren eingeführt hat. Das tiv des genannten Gejeßes, dessen praktischer Tätigkeit der Sozialdemokraten. Schaffung allein schon die treffendste Wider- Der kleinste Fortschritt, jedwede Verwirk- zum Ausdruck kommende Frechheit der herr- Resultat von Barennes Generalgouverneurscheft legung des verlogenen Schlagwortes vom Ver- lichung einer sozialistischen   Forderung auf kom schenden Reaktion ist kaum mehr zu überbieten. erschöpft sich in dem einen Worte: Nichts". Das An die Verkrüppelung der gibt der französischen   sozialistischen   Partei recht, fagen der sozialistischen   Gemeindepolitik be- munalpolitischem Gebiete ist ein Kilometerstein deutet. Die Sozialdemokraten zogen in die Ge- auf dem Wege zur Umgestaltung der gemeind Freiheit der Gemeinden, an die die Alexandre Varenne   vor einem derartigen Wigs meindestuben ein, da sahen sie als ihre oberste lichen Zellen des Staates im sozialistischen   von den Regierungsparteien ge- erfolg gewarnt und aus der Partei ausgeschlossen hat, weil er das Amt in Indochina   doch antrat. und wichtigste Aufgabe an: den Menschen Sinne. Das hat die Sozialdemokratie, aber raubten Volksrechte wird der Auch die schwedische Delegierte Bugge- Wick­zum Mittelpunkt ihrer Tätigkeit auch die Bourgeoisie erkannt, die Wähler denken müssen, wenn er ſeine sell hat eben in   Genf einen Vortrag gehalten, und zu machen! Die Besißlosen und Minderbe- auch weiß, daß die Gemeindeparlamente im politische Reise beweisen will. Ist der Stimm­zwar im Juternationalen Frauenstimmrechts­mittelten sollten in der Gemeinde nicht mehr Klassenkampf des Proletariats eine wichtige zettel in bezug auf die Möglichkeit, vor der Bund". Sie ſprach vor allem von der Verwaltung etwas Fremdes und Feindseliges erblicken, sie Rolle spielen. Darum sucht die Bourgeoisie. Erringung der vollen freien Bürgerrechte in der früheren deutschen Kolonien, die unter Völker­jollte ihr Freund und Beistand werden. Er- wenn sie schon das Wahlrecht vorläufig nicht den Genteinden, Beſitives zu schaffen, durch die bundsmandat stehen. Die Kinder werden da jetzt schöpft, mit erschütterter Gesundheit, vielfach verschlechtern kann, die Demokratie in ürgerblockhorde nicht unwesentlich entwertet nicht mehr zum Nachäffen der Europäer zu er­unterernährt waren die Menschen nach der den Gemeinden unwirksam zuworden, als Mittel des Votums ziehen gesucht, sondern zu ſelbſtbewußten Afrika­furchtbaren Katastrophe des Krieges, an dem machen. In dieser Absicht hat die im Bür gegen die deutschen   Bürgerpar- nern unter Leitung afrikanischer Lehrer. In einigen Tagen wird auch die deutsche bie deutschbürgerlichen Parteien ihr vollgerüt gerblock vereinigte fapitalistische Reaktion das teien, als Verräter an den Volks­Genossin und frühere Reichstagsabgeordnete

telt Maß von Schuld hatten, war es da nicht Gemeindefinanzgesetz in die Welt gesetzt, das rechten besigter vollen Wert. Die Adele Schreiber Krieger   in   Genf er heiligste Pflicht der Sozialdemokraten, alles der kalten Sozialisierung ein Arbeiter und Angeſtellten würden sich an ſich wartet, wo sie ebenfalls int, Internationalen zu tun, um die physische und moralische Volks- Ende machen soll. Welchen Maßes von Zynis- und ihren Kindern auss schwerste ver Frauenſtimmrechts- Bund" zuſammen i for gesundheit zu heben! Mehr hätte noch geschehen mus und wütendsten Arbeiterhasses die bürger- fündigen, wenn sie von diesem Mittel franzöfifchen Pazififtin Germaine Malaterre- Sel­önnen, wenn die Bürgerlichen die Gemeinde- lichen Parteien fähig sind, dafür legt der schon nicht vollen und nicht richtigen Gebrauch machen lier das Wort ergreifen wird. finanzen nicht in trostlosem Zustande zurück- erwähnte Motivenbericht zum Gemein- würden!

Kurt Lenz.