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fjur Erhöhung der Pensionen der derabschiedeten Offiziere dienen l olleiu Nun, wir meinen, daß die Nation an den bestehenden Lasten für den Militarisnnis gerade schwer genug zu tragen hat. Und die Offizierspensionen zu erhöhen, dazu liegt angesichts des ohnehin schon über die Gebühr anschwellenden Peusionsetäts und solange nicht die Gehälter und Pensionen der unteren Chargen erhöht worden sind, wirklich kein Bcdürsinß vor. lieber die Bevorzugung deS AdelS in der preußischen Verwaltung, die nach wie vor geübt wird, entnehmen wir der »Freis. Ztg." die folgenden Zahlen: Es waren im Jahre 1898 überhaupt bei sämmtlichen Regienmgen 230 Rcgierungsreferendare vorhanden. Unter diesen waren 90 oder 39,1 pCt. adlig. Das Verhältnitz der adligen zu den bürgerlichen Referendaren hatte gegen daS Vorjahr, wo sie nur 35,1 pCt. be- trugen, erheblich zugenommen. Nach Ablegung der zweiten Prüfung werden die Reaierungsrefcrendare Regierungsassesioren. Unter den Rcgrerungsassessorcn waren 31,3 pCt. adlig. Dieser Prozentsatz war in den letzten Jahren sehr gleichmäßig. Daß der Prozentsatz der Adligen im Verhältniß zu den Bürgerlichen unter den Assessoren etwas geringer ist. als unter den Referendaren, erklärt sich aus zwei Gründen. Einmal war in den Vorjahren, zu der Zeit, als die jetzigen Assessoren noch Referendare waren, der Prozentsatz der Adligen unter den RegierungSrefercndarcn kleiner, sodann scheidet unter den Assessoren ein erheblicher Theil aus durch Ernennung zu Landräthen. Bei diesen Ernennungen aber kommen die Adligen m weit höherem Prozentsatz in betracht als die Bürgerlichen . Von den 464 Landräthen Preußens waren 1893 nicht weniger als 257 adlig, daS sind 55,4 pCt. Der Antheil der adligen Landräthe ist gerade in deir letzten Jahren erheblich gestiegen. Er betrug 1897 54,7, 1896 54,6, 1895 53,1 und 1894 52,2 PCt. Daß der Prozentsatz der adligen Landräthe noch weiter steigt, folgt schon daraus, daß von den in den letzten 5 Jahren ernannten Landräthen im ganzen 64,7 pCt. adlig sind. Während unter den Oberregicrungs- räthen noch etwa zwei Drittel bürgerlich sind. kehrt sich das Ver- hältniß bei den Regierungspräsidenten vollständig um; unter diesen sind drei Viertel adlig uno nur ein Viertel bürgerlich. Bei solcher rührenden Liebe der Regierung zu den Edelsten und Besten ist eS kein Wunder, wenn die adligen Junker sich für die erste und wichttgste Menschenklasse im Staate halten, nach deren Pfeife die ganze tibrige Bevölkerung zu tanzen hat und deren Interessen allen anderen Interessen vorgehen. Und die Regierung kann sich auch nicht beklagen, wenn sich die zärtlich geliebten Kinder manchmal gegen die gütige Regierung selbst ungeberdig betragen. Das ist nun einmal so die Art aller Muttersöhnchen. Thenerungszulagen«nd Unterbeawten- Gehälter. Die Verl . Polit. Nachr.", die vorgestern berichtet hatten, daß vom Herrn Finanzminister für die Unterbeamten Theuerungszulagen in Aussicht genommen seien, theilt jetzt mit, daß eine Ver- mehrung der Stellenzulagen neben der zur Beseitigung von Härten und Ungleichheiten erforderlichen Aufbesserung ganzer Beamten Nassen fiir solche Fälle zur Erwägung steht, Ivo innerhalb einer Beamtenklasse ein Ausgleich mit Rücksicht auf die TheuerungSverhältnisse geboten erscheint. Auch habe das Staats- Ministerium bereits über die vielen Unterbeamten zugedachten Gehaltsaufbesserungen Beschluß gefaßt. Sobald die Vorschläge der Regierung genauer bekannt werden, wollen wir mit denB. Polit. N." weiter sprechen. Nach den bisherigen Erfahrungen haben wir wenig Vertrauen, daß auch nur eine der beiden Ausbesserungsabsichten: sei es die Erhöhung der Gehälter, sei es die Vennehrung der Stellenzulagen, in einem für die heutigen Verhältnisse genügendem Matze durchgeführt werden wird. Die Erhebungen der russischen Regierung über die Ver« Hältnisse der in Preußen arbeitenden russischen Arbeiter, über welche Enauete wir bereits berichtet haben, werden nach Mittheilung der konservativen»Elbinger Zeitung" in der Weise vorgenommen, daß ein Beamter deS russischen Konsulats in Danzig vorläufig West» Preußen bereist, um sich mit den nissischen Arbeitern wegen ihrer Beschwerden in Verbindung zu setzen. Die russischen Arbeiter müssen schlimme Erfahrungen bei deutschen Grundbesitzern gemacht haben, wenn sogar die russische Regie­rung die ihren Landsleutcn in Preußen widerfahrene Behandlung für unzulässig hält. Bekanntlich steht die russische Regierung nicht im Rufe allzu großer Zärtlichkeit gegen ihre Landeskiu'der. Ucbrigens machen sich in Rußland , wie berichtet wird, Bc- strebungen geltend, die Auswanderung russisch - polnischer Arbeiter nach Ostdeutschland einzuschränken. So erhalten vom Jahre 1899 ab nur solche nach Preußen gehende russisch -polnische Arbeiter- Pässe, welche selbst oder durch ihre Unternehmer nachweisen, daß die Besitzer, auf deren Gütern die Arbeiter beschäftigt werden sollen, die Garantie für die Auszahlung des vollen Arbeitslohnes übernehmen. Es ist nämlich in letzter Zeit wiederholt vorgekommen, daß von den russisch -polnischen Arbeitern, die zeitweise in Preußen beschäfttgt wurden, verschiedene um einen Theil ihres Arbeitslohnes gekommen sind, weil die Unternehmer vor der Abrechnung verschwanden. Außer- dem hat sich bei der diesjährigen Ernte in verschiedenen ländlichen Distrikten Russisch- Polens und Russisch- Lithaucns selbst Arbeiter- mangel gezeigt. Auch jetzt scheinen den nach Preußen ziehenden Arbeitern von den russischen Behörden schon bedeutende Schwierigkeiten beim Ueber- schreiten der Grenze gemacht zu werden, wie es die folgende Zu- schrift an uns aus Königsberg i. Pr. ergiebt: Menschen- schmuagel an der russischen Grenze. In den lithauischen und masurischen Grenzgegenden Ostpreußens mangelt es den dort recht zahlreich ansässigen Kleinbauern auch sehr an dem genügenden Gesinde. Da sie hier auf preußischer Seite keine jungen Leute auf- jagen können, wenden sie sich über die Grenze nach Rußland , von wo die Menschen gerne in Preußen Dienste annehmen. Das schwierigste ist nur das Ueberschreiten der Grenze, da den jungen Leuten nur schwer der nöthige Paß ausgestellt wird. Sie lassen sich deshalb in der verschiedensten Art über die Grenze bringen, was meist mit größter Gefahr verknüpft ist, wie folgender Fall zeigt. Ein russischer Bauer versuchte seinen Sohn in der Gegend von Pillkallcn in einem Strohfuder versteckt über die Grenze zu bringen, damit er hier in den Dienst trete. Bei der Revision des Wagens auf dem Zollamte, stach der Beamte mit einer Pike in das Stroh, wobei der Junge einen Stich in den Unterleib erhielt, an dem er in wenigen Sttmden verstarb. Die Ausweisung von holländischen Arbeitern au« dem Gronauer Bezirk hat m den Kreisen der dortigen Textil- industriellen große Aufregung hervorgerufen, da die Fabrikanten einen Ersatz für die ausgewiesenen Arbeiter nur schwer zu beschaffen in der Lage sind und zu be- fürchten ist, daß noch mehr Ausweisungen erfolgen werden, welche die dortige Industrie aufs schwerste schädigen, da der übergroße Theil der in Gronau beschäftigten Arbeiter überhaupt aus Holländern besteht. Es mag darauf hingewiesen werden, daß diese holländischen Arbeiter, welche in den Gronauer Webereien und Spinnereien beschäftigt werden, ihren Wohnsitz allerdings an diesem Platze nicht haben, sondern in Eschede , einer kleinen holländischen Fabrikstadt wohnen, da in Gronau nicht genügend Arbeiterwohnungen vorhanden sind. Die meisten Spinnereien und Webereien in Gronau , das in ver- hältnißmätzig kurzer Zeit zu einem ganz bedeutenden Jndusttieplatze geworden ist, befinden sich in den Händen von holländischen Fabri- kanten oder werden finanziell von solchen unterstützt. Die Regierung scheint wirtlich mit außergewöhnlicher Geschicklich- keit beflissen zu sem, sich Freunde nicht nur in den Arbeiter-, sondern auch in den Unternehmerkreisen zu machen. Ein seltsames Urtheil hat einmal wieder daS Magde­ burger Landgericht gefällt. Der Vertrauensmann der Maurer Karl S ch o ch, der auch sozialdemokratischer Kandidat ftir Salz- wedel-Gardclegcn war, ist verurtheilt worden, weil er ein italienisches Flugblatt verbreitet hat, in dem eine Bedrohung enthalten gewesen sein soll. Nun ist aber Schoch der italienischen Sprache überhaupt nicht mächtig und der gerichtlich bestellte Dolmetscher bekundete. daß von den in Magdeburg weilenden Italienern schwerlich einer in der Lage sei, ein Flugblatt, wie daS in Frage kommende, zu übersetzen, denn die meisten von ihnen seien Analphabeten und die übrigen der deutschen Sprache nicht soweit mächtig, um aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzen zu können. Ein Feststellung, daß Schoch den Inhalt des Flugblattes von einem Italiener erfahren habe, war also ausgeschlossen. Das Gericht aber war der merk- würdigen Ansicht, daß ein Mann, der wiederholt als Reichstags- Kandidat für Salzwedel - Gardelegen aufgestellt worden ist, soweit gebildet sein müsse, um den Inhalt des Flugblattes zu erfassen. So amüsant der Gedanke der Nichter auch ist, daß ein Reichs- tagS-Kandidat verpflichtet sei, italienisch zu verstehen, so ist doch diese Art Rechtsprechung überaus charakteristisch für die Justiz unserer Tage. lieber die Verwendung von Saccharin zur Versüßung des Bieres wird offiziös berichtet: In der Presse ist jüngst von Umgehungen des Saccharin- esetzes berickitet worden, welche darin beständen, daß die Bier- rauer das Saccharin nicht mehr, wie früher, selbst oder durch entsandte Vertrauensmänner dem Biere zusetzten, vielmehr diese Beimischungen ihren Abnehmern, den Bierwirthen, überließen, welchen der Süßstoff von den Bierftitschcrn schenkungsweise oder zu billigem Preise mitgebracht werde. Demgegenüber ist zu bemerken, daß'das Saccharingesetz die Verwendung kunstlicher Süßstoffe bei der gewerbsmäßigen Herstellung von Bier nicht nur den Bierbrauern. sondern jedermann, also auch den Bierwirthen verbietet, und daß saccharinhaltigeS Bier überhaupt nicht feilgehalten und verkauft werden darf. Von wem und wann der Saccharinzusatz be- wirft worden ist, bleibt belanglos. Auch der gewerbsmäßige nachträgliche Zusatz von Saccharin zum Bier und der Vertrieb derartig zubereiteten BiereS ist sonnt verboten und mit Strafe bedroht." Dies ist besonders beachtenswerth für die Verkäufer deS ober- gährigen Bieres an die Privatkundstfr't. Diese setzen heute, wie berichtet wurde, die ihnen von d«. Brauereien übergegebenen Saccharintabletten selbst dem Biere zu. DaS wird also auch als Uebertretung des Saccharingesetzes verfolgt. ES fliebt auch anständige Kriegervereine. Die große Säuberung der Kriegervereine machte auch der Kriegerverem in Weißstem, Kr. Waldenburg in Schlesien mit; doch war er so an- ständig, den Ausscheidenden die gezahlten Sterbekassen- Beiträge zurück zu zahlen. Gewiß ein seltener Fall I Würden es alle Krieger- vereine so machen, viele Vereine würden an Mitgliedeychwund zu gründe gehen. Erfurt , 24. Nov.(©ig. Ber.) Der ausgewiesene De- korations maier Hasert hatte vorgestern sofort nach Empfang seiner AusweisnugSordre an de» Oberpräsidcnten der Provinz Sachsen um Aufschub depeschirt. Heute erhielt er die schriftliche Antwort, daß seine telegraphische Eingabe dem Regierungspräsidenten zu Erfurt zur geschäftsmäßigen Verfügung übersandt worden sei. Um aber zu verhindern, daß diegeschäftsmäßige Verfügung" etwa erst nach dem Verlassen des gastfreien Preußens erledigt würde, depeschirte er sofort noch an den Minister des Innen,. Heute nach- mittag um 5 Uhr erhielt er dann dieEinladung" zu einerRück- spräche" mit dem hiesigen Polizeisekretär, der ihm die Eröffnung machte, daß die Bestimmungbezüglich deS Verlassens der Stadt Erfurt dahin ergänzt wird, daß hierzu eine Frist bis zum 2. Dezember einschließlich gewährt worden ist." Hoffentlich geht dadurch nicht die öffentliche Sicherheit und Moralitäl" in Preußen zu gründe. Betreffs des Genossen Schulz ist bemcrkcnswcrth, daß die hiesige nationallibcraleThüringer Zeitung" es fertig brachte, die cventtielle Ausweisung des Genosse» Schulz ganz korrekt zu finden. Man könne es dem Staate nicht übel nehmen, wenn er sich von lästigenA uSländern" befreie. Wenn wir nicht irren, maßen sich die NationaMberalen das Verdienst an, die glorreiche deutsche Reichscinheit geschaffen zu haben. In welcher obskuren Klippschule der betreffende Redakteur Geographie gelernt haben mag, daß er Bremen zum Ausland zählt I» Dresden , 25. November. lEig. Ber.) Einen glänzenden Sieg errangen unsere Genossen bei der am 24. November statt- gefundenen Gcmcindcrathswahl in Löbtau , einem Vorort von Dresden mit über 30000 Einwohnern. Bei überaus starker Wahl- bctheiligung fielen von 727 abgegebenen Stimmen 409 401 auf unsere Kandidaten, während es die Gegner nur ans 303 260 brachten. In der Klasse der Ansässigen konnten wir uns nicht bc- thciligcn. Dieses Resultat ist bei dem beschränkten Wahlrecht geradezu ein Ereigniß zu nennen. Die letzten beiden Male sielen nniere Gc- nosscn durch, und früher gelang es nur mit knapper Roth zu siegen. Die Antisemiten haben nunmehr völlig hier abgcwirthschaftet das ist der Kernpunkt des Resultats. Drei unserer Genossen sind aktiv, drei als Ersatzmänner gewühlt. Einer der«Edelsten und Besten", ein Rittmeister a. D. von Schwerdtner. wurde wegen schweren S i t t l i ch k e i t s- Verbrechens vom hiesigen Landgericht zu drei Jahren Ge- sängniß und fünf Jahren Ehrverlust verurtheilt. Der Wüstling gehörte den exklusivsten Gesellschaftskreisen Dresdens an. Stuttgart , 24. November. (Gig. Ber.) Die Kammer der Standes- Herren begann gestern die Einzelberathung des Entwurfs zur Ver- f a s s u n g s r e v i s i o n. Sie beschloß die Zusammensetzung der Ersten und der Zweiten Kammer im wesentlichen Einverständniß mit den Beschlüssen der Zweiten Kammer. Angenommen ist damit in beiden Häusern die Einführung der P r o p o r t i o n a l w a h l für die 21 Abgeordneten der Zweiten Kammer, welche an stelle der aus- scheidenden Privilegirrcn gewählt werden. Zustimmung findet auch der Regierungscntwurf, nach dem bei den Bezirkswahlen die r e- lative Mehrheit entscheidet, die Stichwahlen also beseittgt sind. Als Alter zum Eintritt in die Zweite Kammer beschließt die Erste Kammer daS 80. Jahr festzusetzen; das andere Haus hat für beide Kammern daS 25. Jahr zum Eintritt verlangt. Die Stadt Stuttgart soll 3 Abgeordnete erhalten, die in drei räumlich gettennten Bezirken gewählt werden. Heute wurde die Berathung fortgesetzt. Man stimmte dem An- trag zu, die Stimmübertragung der Standcsherren(die Geister- stimmen) aufzuheben. Angenommen wird der Antrag, daß ein Standesherr sich nicht nur durch seinen präsumttven Nachfolger, sondern durch einen Agnaten vertreten lassen kann. Angenommen wird ferner, daß die Wahl- Prüfungen und Ungiltigkeits-Erklärungen jeder Kammer zu übertragen sind und von jeder geregelt werden. Beschlossen wird, in Zukunft die Sitzordnung den Geschäfts- ordnungen der beiden Häuser zu überlassen. Seither ist die Sitz- ordnung nach der Vcrfasiung geregelt. Konform der Praxis im Reichstag wird beschlossen, daß in Zukunft die Minister an den Kammersitzungcn thciluehmen können. Die Immunität der Abgeordneten wird nach den Beschlüssen der Zweiten Kammer und der Uebung des Reichstags mit Ausdehnung ans die Dauer der Kommissionssitzungen angenommen. Die Beschlußfassung über das Budgetrecht folgt morgen. Chronik der MajestätSbeleidigungS- Prozesse. Wegen Majestätsbeleidigung. Beleidigung des Regenten und Gotteslästerung hatte sich, so berichtet dieMünch. Post", der Tagelöhner Joseph Hoch- holzer von hier vor der vierten Strafimmner de« Landgerichts München 1 zu verantworten. Der Angeklagte war im vergangenen Winter beim Straßenbau zum Auer Friedhof beschäftigt und soll einen Kollegen gegenüber in bezug auf die Expeditton nach Kiautschou beleidigende Aeutzerungen über den deutschen Kaiser gemacht haben. Desgleichen ist er beschuldigt, den Prinzregenten wiederholt beschimpft und fortgesetzt Gott gelästert zu haben. Die Anzeige wurde von dem 48 Jahre alten Tagelöhner Lorenz Holzapfel aus Rache darüber erstattet, weil Hochholzer dem Holzapfel einige Ohr- eigen verabfolgte. Hochholzer stellte die inkrimimrten Aeußerungen entschieden in Abrede und giebt an, daß er im Februar einmal einen Artikel in derMünch. Post" mit der Ueberschrift:»Der Raubzug nach China ", kritisirt habe und daß er seinen Kollegen gegenüber seine Ver- wunderung darüber ausgesprochen habe, daß e« ihm unverständlich sei, wie man so etwas schreiben dürfe. Den Prinzregenten zu be- leidigen, habe er gar keinen Anlaß, da der Prinzregent sein Re- gimentSinhaber gewesen sei und von ihm stet« hochgeachtet und geehrt war. Auch die Gotteslästerungen werden von dem Angeklagten in Abrede gestellt. Der Denunziant Holzapfel bestätigt den Inhalt der Anklage. Der Staatsanwalt beantragte eine Gesammt-Gefängniß- strafe von 1 Jahr 1 Monat. Das Gericht erkannte in seinem Urtheil auf ein Jahr Gefängniß. Aus Kiel wird geschrieben: Wegen Majestätsbeleidigung verur« theilte die hiesige Strafkammer den Arbeiter Hoffmann aus Rendsburg zu zwei Monaten Gefängniß. Hoffmann be- fand sich im Juni auf einer Vergnügungstour in Kiel , als die Kaiserin gerade eintraf. Beim Bahnhof stand der etwas angetrunkene offmann, der nach Rendsburg zurückfahren wollte, und soll er der aiserin eine unfläthige Aeußerung zugerufen haben, die vom Ingenieur Mangelsdorf gehört und zur Anzeige gebracht wurde. In dieser Angelegenheit fanden bereits drei Termine statt, da vom Ge- richt stets beschlossen worden war, noch neue Zeugen zu laden. Auch die jetzige Verhandlung wäre bald in Frage gestellt worden, da der tauptzeuge, der Denunziant Mangelsdorf, nicht erschienen war. Der ngeklagte bestritt ganz entschieden, sich in der in der Anklage be- haupteten Weise ausgelassen zu haben. Das Gericht erachtete ihn jedoch durch die Aussage des Mangelsdorf sowie eines Schutzmanns für überführt. Oesterreich-Ungarn. Wien , 25. November. Beide Häuser deS ReichSratheS ver­sammelten sich heute zu außerordentlichen Sitzungen, das Abgeordnetenhaus um 11 Uhr, das Herrenhaus um 12 Uhr. Auf der Tagesordnung stand als einziger Punkt die Huldigungs- kundgebung anläßlich des bevorstehenden Jubiläums- tages des Kaisers. Es wurden Reden zur Verherrlichung des Kaisers gehalten und Glückwunschadressen beschlossen. Militärische Amnestie in Oesterreich . Ein kaiserlicher Gnadenakt vom 25. November erläßt allen wegen Desertion oder Flucht vor der militänschen Gestellung in Strashaft befindlichen Personen die Strafe. Budapest » 25. November. Im Abgeordnetenhause brachte Hodossy im Namen der Nationalpartei den Beschlußantrag ein, das Haus solle eine Adresse an den König richten. Die Adreffe, welche auch zahlreiche Mitglieder der UnabhangigkeitSpartei unter- schrieben haben, befaßt sich vorwiegend mit Wahlmißbräuchen und spricht den Wunsch auS, der König möge daS gegen- wärtige Kabinet entfernen, da unter der Regierung des- selben eine Gesundung der Verhältnisse nicht erfolgen könne. Frankreich . ParlS, 23. November.(Eig. Ber.) In den letzten Jahren haben die Berichterstatter über das Unterrichtsbudget immer ein« gehender das Wachsthum des klerikalen Mittelschul- ff n t e r r i ch t s erörtert. Die Erscheinung wurzelt bekanntlich in der allgemeinen reaktionären Sttmmung der französischen Bourgeoisie, die sich au« Angst vor dem Sozialismus immer fester an die Kirche anschmiegt. Dann kommt auch in betracht die väterliche Sorge um die Karriöre der Söhne. Die klerikalen Zöglinge sind m allen VerwaltungSzweigen, namentlich aber in der Armee und Manne, einer raschen Beförderung sicher. Schon bei den Zu- lnssimgsprüffmgnr für die höheren Spezialschulen werden die Zog- linge der klerikalen Mittelschulen begünstigt, und zwar auf dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege derindiskreten" vor» herigen Mittheilung der Prüfungsthemata. Die Verpfaffung der Hochannce, die so offenkundig in der Drehfus- Affäre hervortrat, hat endlich dem Faß den Boden ausgeschlagem Einige Gcncralräthe, zuletzt der Gcneralrath des Seine- Departe- nicms, haben Resolutionen votirt für die Vervollständigung der Welt« lichkcit der Schule, das ist für deren Ausdehnung vom Primär- auf den Mittelunterricht. Ucbrigens datirt die Erneuerung der Berech- tigung der klerikalen Mittelichulen erst seit 1850, aus der klerikal- reaktionären Zeit der sterbenden zweiten Republik . Zwei radikale Abgeordnete, Levrand und Rahier, haben nun den demokratisch-republikan'schen Befürchtungen Ausdruck gegeben in Gesctzesvorschlägen, welche die Wiederherstellung deS ZustandeS von 1850 anstreben und ans diese oder jene Weise den privaten klerikalen Mittelunterricht abschaffen. In der gestrigen Kammersitzung entspann sich hierüber ein lebhaftes Geplänkel. Es war aber auch nur ein Ge- plänkel, keine entscheidende Schlacht. Es handelte sich zunächst nur um die Dringlichkeits-Erklärnng. Die offenen Klerikalen von der Rechten wetterten mit Unterstützung der klerikalfreundlichen Bourqeoisrepublikcmcr in der üblichen Weise gegen dentyrannischen Anschlag ans die Freiheit" so nannten sie den Vertheidigungs- versuch der Demokratie gegen die klerikalen Anschläge. Die Sozialisten sprachen sich durch Genoffen Vaillant für die Dringlichkeil ans. während der rechtsstehende Sozialist Millerand in seinem eigenen Namen Vorbehalte machte. Er meinte, die Ueber- Windung' der klerikalen Gefahr könne nur durch die Trennung der Kirche vom Staat erzielt werden, ohne darauf zu achten, daß die beantragten Gesetzescntwürfe jedenfalls viel eher Aussicht auf Erfolg haben als die auch bei den Radikalen zu einer halbvergessenen Phrase gewordene Forderung der Trennung zwischen Kirche und Staat. Mit Hilfe deS Ministerpräsidenten Dupuh gelang eS den ver­einigten Klerikal- Monarchisten und Bourgeois- Republikanern, die Dringlichkeit mit 298 gegen 243 Sttmmen abzulehnen. Andererseits gelang es den radikalen Antragstellern mit Hilfe desselben Dupuh, die Verweisung der Vorschläge an eine speziell zu wählende Unterrichtskommission herbeizuführen. Man sieht, Dupuh versteht sich vortrefflich ans den Eiertanz, der ihm als dem Chef eines Versöhnungs"-Ministeriums ein Gebot der Selbsterhaltung ist. Im übrigen gab Dupuh das unverbindliche Versprechen ab. eine Regierungsvorlage über die Assoziationen einzubringen, welche die Beftlgniffe der Kongregationen regeln soll. Bis diese Vorlage eingebracht oder gar votirt ist, wird gewiß mehr als ein Ministerium das Kabinet Dupuh abgelöst haben. PariS , 25. November. Der Minister für die Kolonien, Guillain. wurde vom Minister ermächtigt, den Kammern einen Gesetzentwurf vorzulegen betreffend die Schaffung von Eisenbahnlinien in Jndo-China mittelst einer Anleihe von 200 Millionen Franks. Die Affäre Picquart . In dem Ministerrath am Freitag gab der Kriegsminisler Frey ein et Kennnuß von der Verfügung des Generals Zurlindeu, durch welche Oberst Picquart vor ein Kriegsgericht verwiesen wird unter der Anftage der Fälschung. deS Gebrauchs von Fälschungen und der Mitthcilung von Dokumenten, welche die Vertheidigung deS Staatsgebiets oder die äußere Sicherheit des Staates angehen. DerMatin" sieht die Möglichkeit eine« Konfliktes zwischen dem Kassationshofe und der M i l i t ä r j u st i z voraus. Der KassationShof habe die Akten, betreffend dasPettt bleu", verlangt. Die Militärbehörde hätte erklärt, die Alten erst nach Aburthcilung Picquart's herausgeben zu können. Aurore".Petite Rspubliquc",Siöclc" und andere Blätter greifen Freyciuet auf das schärfste an, weil er die Verfolgung Picquart's zugegeben, die verbrecherisch sei. Dieselben Blätter ver- öffentlichen einen von Senatoren, Gelehrten, Künstlern und Schrift- stellern unterzeichneten Protest gegen die Verfolgung Picquart's . Der Kassationshof setzte am Freitag die Vernehmung Picquart's fort. Der Untersuchungsrichter Bertulu» beschäftigt sich äugen- blicklich mit der Auslieferung Esterhazy'S aus England. Belgien . Brüssel » 28. November. In der heute Nachmittag stattgehabten Kammersitzuug interpellirte der Abgeordnete Denis die Regierung wegen der Abrüswngsftage. Denis legte die Nothwendigkeit dar, aus der internattonalen Abrüstungskonferenz eine dauernde Ein- richttmg zu machen und befürwortete die Schaffung eines daueruten Friedensausschusjes tu Belgien . Die Kammer lehnte den Au- trag ab. Spanien . Abschluß de« Friedensvertrages. Der»Voss. Ztg." wird au« Madrid gemeldet: