t
Donnerstag, 3. November 1927.
Vor dem Gericht in Paris stand Samutel Schwartzbard, der am 26. Mai 1926 den ukranischen Hejtman Pettjura aus Rache für die Judenmassakers der PetljuraBanden erschossen hat; er wurde von den Geschworenen freigesprochen. In den„ Cahiers" der französischen Liga für Menschen rechte nimmt Louis Rouband durch eine Schilderung des„ Sabbat von Proskurow" für den Angeklagten das Wort. Nach der Rückkehr von der Synagoge, nach der Mahlzeit und nach den Gebeten hatten sich die Frömmſten niedergelegt.
Im 2 Uhr näherte sich im militärischen Schritt, in Viererreihen, die Brigade, mit Mujit an der Spitze, der Alexanderstraße.
Die Spaziergänger standen Spalier, um das Schaustück mitanzusehen und dem Stonzert zu lauschen. Junge Leute marschierten im Schritt der Rosaken, trällerten den gespielten Marich. Die Kinder fopierten die Trompeter, indem sie in ihre Fäuste bliefen. Die Sanitätsschlitten folgten, gezogen von Maultieren.
Als die Mujit am Ende der Alexanderstraße angelangt war, ertönte ein Befehl, und wurde durch die Hauptleute von Kompanie zu Kompanie weitergegeben:
balt!"
Alsbald, in vollendeter Ordnung, wurden Gruppen von fünf Mann gebildet. Der höchste oder der älteste Soldat übernahm das Kommando des fleinen Trupps.
Alle diese Patrouillen teilten sich in die Nebenstraßen auf und bewegten sich schweigend gegen das„ Gänseviertel", die jüdische Stadt.
Das sind erbärmliche, niedrige Häuser von cinem Stockwerk, die sich aneinanderlehnen, um fich besser aufrechtzuerhalten oder weniger zu fricrent. So drängen sie sich in den kleinen namen lofen Gäßchen parallel oder quer zur Straße Sobornaja. Die Türen haben einen Selopfer oder eine Schelle.
Der Führer der Patrouille flopft mit dem Griff des Revolvers. Frau Schenkmann ruft: Moischt , geh' öffnen!"
Man ahnt einen Wortwechsel:„ Nein, nicht er, ich gehe!"
Man hat sie schon gehört, diese Gewehrstöße draußen an der Tür, man hat Soldaten mit Maschinengewehren marschieren sehen: mit aufgelösten baaren rennen Frauen und schreien:
„ Pogrom! Pogrom!"
Frant Schenkmann verhandelt hinter der Tür. Wir können nicht öffnen, mein Mann liegt 3 Bett." „ Deffnet auf Befehl von Semessenko, Set mann der Armee von Petljura ."
Die Riegel werden gezogen, langsam dreht sich der Schlüssel. Hier ist die große Stube. Zwei Holzbetten mit roten Plumeaus, ein Tisch, fein Teppich auf dem gestampften Lehmboden.
Drei Männer sind eingetreten, zwei bewachen die Tür, alle haben sie in der Hand ihren gezogenen Säbel. Sie bedienen sich seiner wie eines Spa gierstodes.
In dem hinteren Bett breitet sich der große schwarze Bart des Schenkmann über den Umschlag des Bettuches aus.
Meine Herren Stofaken, wir sind Freunde. Wir haben keine anderen Feinde als die Bolschewiki. Seil dem Hetman Semossenfo, wir wün fchen ihm wie euch eine gute Gesundheit."
Und der Führer der Patrouille verhört: biel seid ihr hier?"
and
Einerlei ob
Spiegelglas durch Sand zerkratzt
oder der schützende Zahnschmelz durch Mittel bearbeitet wird, die scharfe Kristalle oder körnige Teilchen enthalten.
Schluß damit und nur
Perlweiße Zähne
das atomfeine Mittel verwenden, welches, weicher als der Zahnschmelz, diesen sorgfältig glättet und weiß poliert:
Juden, einmal zweimal; der Schädel klafft; der Bart ist rot.
Die Fran, zu Boden gesunken, füßt die Stie fel der Stofafen. Sie entledigen sich ihrer durch Fußtritte, drängen fie in einen Winkel, bohren einen Säbel in ihr Fleisch.
Da kriechen der kleine Moses und seine Schwester unter dem Bette hervor und stürzen sich auf ihre Mutter: Mama, Mama!"
Der Führer befiehlt seinen Leuten:„ Beeilt
euch!"
Noch drei, vier, fünf Säbelbiebe auf die knie enden Bälger.
Fertig!"
Das Haus Schenfmann ist gesäubert.
Bei Blechmann haben die Saidamaken die ganze Familie getötet, Vater, Mutter, die drei tinder.
„ Nichts mehr da!"
Sie wollen sich zurückziehen. Aber die Män Wiener, die die Ausgänge der Straße bewachen, füh ren ein junges Mädchen herbei, bleich, mit ge Die sträubten Haaren. Sie haben sie aufgegriffen in dem Augenblick, wo sie durch das Fenster eines Nachbarzimmers sprang. Um Gnade zu erbitten, füßt sie die Hände der Soldaten.
Herr und Frau Schenkmann zögern: Kinder sind ausgegangen; wir sind allein"... Ach... ach... nein, nein!"
Ein Schrei des Entsetzens. " Zu Silfe!"
Der Säbel des Führers, mit beiden Händen geschwungen, ist niedergesaust auf das Gesicht des
,, Wart', du hast Glück, wir werden dich hier lassen, um das Haus zu hüten."
Tötet mich nicht!"
+31
KALDDONT
KALODONT
Verbürgt chlorfrei!
„ Bebe dein Kleid hoch!"
Die Männer schlagen zuerst mit der Nagaifa. Das Kind beißt die Zähne zusammen, unterdrückt seine Seufzer. Der Führer wirft die Nagaifa veg, ergreift den Säbel und schneidet in das Fleisch.
Seite 5. hunderttausend Juden gemordet und zu Tode gequält.
Die Periode von Petljura bleibt die fürch terlichste.
Während der Haupthetman, aus Kiew vertrieben, sich von Süden nach Norden durchschlag. rächten sich die Banden an friedlichen Menschent für ihre militärische Niederlage.
Teplik, Kitai- Gorod, Ovrutch, Felchtine, Wafilfow, Stepantsy, Gaissine sind Namen von flei nen Städten und großen Verbrechen.
In Chargorod, in Stopai Gorod veranstalteten die Soldaten Schauspiele. Sie versammeln eine ganze Familie um den Vater. Vor aller Augen schneiden sie die Zunge des Greises heraus, stechen ihm die Augen aus, dann vergnügen fic fich im Anblick der schluchzenden Großmutter, der Söhne, der Töchter, der Entel. In Petschanfa zwingt man die Mutter, den Stofaten ihren Säugling hinzuhalten.
Ein Säbelhieb der Kopf des Babys rollt in den Schnee, die Mutter drückt gegen die Brust den blutenden Rumpf ihres Kindes.
Ein anderes Spiel: Alle nact!"
Greise, Frauen und Kinder entkleiden sich. „ Tanzt!"
Die Unglücklichen tanzen.
,, Weiter, dreht euch schneller! Bravo!"
Um dem Frost zu entgehen und die Gnade ihrer Henfer zu gewinnen, drehen sie sich, drehen sie sich.
Feuer!"
Eine Salve schlägt sie zu Boden. Diejenigen, die nicht getroffen sind, fahren fort, auf den Toten zu tanzen, bis eine Kugel sie ihres Lebens beraubt.
In Bratslaw hat man eine andere Sache erfunden.
Die nackten Juden werden an den Händen an die Decke der Wachstube gehängt, und man spielt, wer die schönsten Scheiben Fleisch herunterschneiden kann.
Zur Vollendung des Scherzes läßt man dies Fleisch im Kantin rösten und bietet es den Verstümmelten an.
Die Mütter flehen:„ Tötet mich, schont mei nen Sohn!"
Die Soldaten antworten:„ Man muß die Juden mit ihrer ganzen Nachkommenschaft schlachten."
Ich habe Ereignisse zitiert auf gut Glid. Man muß sie wiederholen, jedes hundertmal, und sie mit tausend multiplizieren, um sie zu begrei fen.
Seitdem lebte Petljura in Paris . Er nahm feine Wahlzeiten in einem kleinen Restaurant des Boulevard Saint- Michel ein.
Am 26. Mai sprach ihn ein junger Mann auf der Straße an:
Das in allen Straßen, in allen Häusern! dete; bei Semmelmann einundzwanzig Leichen. Bei Averbruch fünfzehn Tote, vier VerwunDer alte Krotschaf wird an seinem Bart zum Er Küchenfenster geschleift und Küchenfenster geschleift und von dem ersten Stockwerk auf die Straße geworfen, wo er von den Spitzen der Säbel aufgefangen wird. Seine Frau und feine beiden Töchter werden an den Saaren geschleift. Ein Junge von dreizehn Jah ren, sein Sohn, will ihnen zu Silfe kommen; man wirft ihn auf feine Mutter.
Alle beide, durchbohrt von einer einzigen stlinge, werden auf den Fußboden genagelt.
Frau 30julja wohnt der Marter und dem Tode ihrer Toch'er bei. Dann kommt ihr Sohn dran; jie läuft zur Schublade des Schrankes, zicht Banknoten heraus und Goldstücke:„ Macht euch bezahlt, macht euch bezahlt!"
Die Soldaten weisen das Lösegeld zurück. „ Wir wollen nur ener Leben." Sie erledigen den Sohn und die Mutter.
,, Berr Petljura?" " Jawohl!"
Kleine Chronit.
Gin Rind für 300 Frants vor der Geburt verkauft.
Die Mutter, die darüber Gewissensbijse empfindet, verlangt es zurüd, man verweigert es ihr jedoch.
Die Ghelente Gladieux( der Mann ist Gärtner , seine Frau, geborene Elvira Tacheux, 24 Jahre alt) wohnten im Jahre 1925 im Stremlin Bicetre in Paris und hatten zwei Kinder. Die Frau sollte nun ein drittes Mal Mutter werden; Not herrschte im Haushalt, da der Mann krank war. Da traf die Frau die ehemalige Mitschülerin Emilienne Désenclos in Gesellschaft eines Verehrers, des Herrn M... Juwelenhändlers. Die junge Frau war Aber feine Miß Elder konnte das eine tun und stare Tatsache auch nur einen Augenblick vergessen verzweifelt, keine Stinder zu haben. Angesichts der das andere Lippenstift allein, fonnte. Sind wir nicht alle einmal Helden gewe- Verzweiflung der Frau Gladicug machte sie ihr den Imeint die Zeitung, der grandios versagt, uns bildlich gesprochen Bedingung, daß diese sich damit einverstanden erkläre, ist Amerita wieder einmal in Verzückung geraten. Fern sei uns ein solcher Zweifel, zumal da mit dem bewußten Lippenstift bemalt, uns unse- das Kind als das der Emilienne Désentos ausDiesmal gilt die Verzückung der wunderschönen der Lippenstift ja selbst im Logbuch des hollän- rer Tat gerühmt, ohne daß bei der Ausführung zugeben. Der eigenartige Paft wurde beschlossen und Miß Elder, die mitten im Oktober den verwe- dischen Kapitäns verzeichnet wurde. Wir sind be- dieser Tat auch nur ein Funken selbstischer Nie am 16. Jänner 1926 brachte Frau Gladieug ein, genen Versuch unternommen hat, den Ozean zu reit, den Lippenstift historisch zu nehmen. Die drigkeit mitgewirkt hätte? Mädchen zur Welt, dem sie den Namen Jeannine überfliegen. Die Begleitumstände ihres Fluges Puderquaste und die übrige Schönheitswerkstatt Wir gönnen Miß Elder den Lippenstift, den Défenlos gab. Beim Verlassen des Spitals überhaben es der Neuen Welt angetan: die Landung waren vermutlich gerade in die Luft geflogen, als das explodierende und versinkende Flugzeug ma- gab sie das Kind der Frau Défenlos. Aber nach im Meere, die dramatische Rettung durch einen man sie benötigte. Nicht der Lippenstift selbst for- gisch beleuchtete. Wir gönnen ihr alle Filmfon- Ablauf einiger Monate hatten Nachbarn gefunden, holländischen Delbunker und vor allem die fühle dert unseren Protest heraus, sondern die Tatsache, frakte und Heiratsanträge, die nunmehr dank dem daß das Kind den
Die
Todesgefahr und Lippenstift. fallen." spreche gegen die Wahrheit diesen und haben schon im nächsten Augenblide wie Darf man den Zeitungsberichten trauen, es fer Episode.
setzt
-
-
-
Borschlag, ihr 300 Francs zu bezahlen unter der
Selbstverständlichkeit im Verhalten der Geretteten, daß er zu solcher symbolischen Würde emporgeho- Taumel eines Kontinents auf sie herabregnen. ähnlich sehe und es verbreitete sich bald ein hämisches kaum hat sie den Fuß über die Neeling geben wurde. Denn die Zusammenstellung„ Tod Aber täuschen wir uns darüber nicht: das Toben Gerede. Frau Désenlos übersiedelte mit ihrem den Lippenstift hervorzicht, indes das und roter Farbstift" soll anscheinend ein neues Be- der Druckerschwärze droht eine Begriffsverwir- Freund in eine andere Straße. Das Kind nahmen Flugzeug, das sie gerade verlassen hat, prafelnd griffspaar darstellen und den falten, feiner selbst rung über menschliche Größe zu schaffen, die eine sie mit. Einige Monate später forderte Frau Glain Flammen aufgeht. Fürwahr, kein Stino ist so unbewußten Heroismus eines neuen Geschlechts neue Generation aller zuverlässigen Maßstäbe für dieux aus Gründen, die bisher noch nicht bekannt. schön wie diese Wirklichkeit! Schon lesen wir bei verherrlichen, das ohne Nerven geboren ward. echten Wert und wahre Leistung berauben muß aber verständlich sind, ihr Kind zurüd. Frau Dé. einem amerikanischen Zeitgenossen, ganz im Stile Dabei ist diese Zusammenstellung lediglich ein Wir, die wir von der Eroberung der Welt durch senclos verweigerte ihr jedoch die Rückgabe des Stinder verbludenden Sinstexte, wörtlich:" So bemalte neuer Beweis für das uralte Nebeneinander von den Amerikanismus mündig geworden sind, wis des und so gelangte die Sache vor Gericht und dieses sie ihre preisgekrönten Lippen, unbekümmert großen und kleinen Zügen im Menschen, von sen, daß der wahre Heroismus auf dieser Erde beschuldigte die beiden Frauen der Kindesunterdarum, daß sie eben um Haaresbreite den Krallen Selbstentäußerung. Mut, ja, selbst Heroismus auf feine Schlagzeilen und Riesenschecks findet. Die schiebung. des Todes entgangen." Tausendfach wird das in der einen u. Eitelkeit auf der andern Seite. Über- Heranwachsenden aber müssen, wenn wir der geifetten Lettern Weillionen Menschen ins Bewußt- menschliches- wenn man ein so großes Wort stigen Amerikanisierung der öffentlichen Meinung sein gehämmert, über den Ozean gelabelt, in Leit für den Unternehmungsgeift der Atlantikflieger auch bei uns tatenlos zusehen, die Leiſtung mit artikeln gepriesen.„ Tod und Lippenstift", so hören gelten lassen will und Allzumenschliches liegen dem Erfolge verwechseln und keine Größe gelten wir, sei die Formel für unsere Zeit und Miz El hier, wo in uns allen, durch eine unsichtbare laffen, die sich nicht in Ziffern ausdrüden läßt. der die Verwirklichung des neuen Heldentums. Scheidelinie getrennt, beieinander, und niemand, Den Lippenstift in allen Ehren! Nur pflegt es Es sei nicht verschwiegen: die Morning der von einer Mutter geboren ward, bat je eivas der wahren Größe felten zu gelingen, den Lip Poſt" in London iſt ſteptisch. Sie wagt es, den ungewöhnliches versucht, der nicht irgendwo feinen penstift im richtigen Augenblic herauszuholen und Lippenstift anzuzweifeln. Sätte Miz Elder", so sichtbaren oder unsichtbaren Lippenstift herausge damit der entfesselten Rotationsmaschine das jagt dieses weise Blatt,„ eine Puderquaste hervor- holt und sich damit, innerlich oder äußerlich, be- Schlagwort für öffentliche Ehrungen, Begeiſte geholt und ihren Bubikopf mit einen Stamm zu- malt hatte. Es ist merkwürdig, daß eine Genera- rung und weltweite Berühmtheit zu liefern. rechtgerückt, so wäre der Lippenstift glaubwürdig. tion, die den Strieg erlebt hat, eine solche elemen-|
-M
Egon Wertheimer.
Eine Konfrontation der beiden Frauen fand statt und Frau Gladieux beschwor unter Tränen das Bericht, auch wenn sie hart bestraft werden sollte, ihr das Kind zurückzugeben. Fran Désenclos wiederum schwvor, daß sie sich cher ihren Kopf abhauen ließe, bevor sie das Kind, das sie seit einem Jobr erziehe, hergebe. Und der Richter, der aus dieser Vertegenheit keinen Ausweg wußte, trat den Aft an das Gericht von Seinte et Diſe ab. Die Richter werden einen neuen salomonischen Urteilsspruch fällen
müssen.